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Langsam ließ sich Ciel in die, bis zum Rand gefüllte, Badewanne gleiten und seufzte angestrengt.
Vielleicht hatte er Sebastian zum wiederholten Male zu viel Freiraum gelassen. Sein Körper fühlte sich so schlaff und kraftlos an, dass er glaubte anstatt einem Bad lieber viel erholsamen Schlaf zu brauchen.
„Du hast es übertrieben“, bemerkte der junge Earl deshalb spitz und sah Sebastian – der sich mit einem Schwamm hinter seinem Herrn niedergelassen hatte - kühl an. Ein Lachen folgte und langsam kam Ciel immer mehr zu der Annahme, dass sich dieser Dämon einen Spaß aus der Situation machte.
„Ihr wünschtet es nicht anders“, erwiderte sein Butler gespielt reuevoll und brachte Ciel zum Knurren.
Selbstverständlich, eine andere Antwort hätte man von solch einem Wesen auch nicht erwarten können.
Doch sei es drum, im Augenblick kam der Earl endlich dazu, genau über all die Dinge, die in den letzten Stunden geschehen waren, nachzudenken und gegebenenfalls Sebastian nach seiner Einschätzung zu fragen.
„Erneut scheint Ihr mit den Gedanken bei Eurem Fall zu sein“, säuselte die verführerische Stimme des Dämons an seinem Ohr, worauf Ciel leicht mit der Augenbraue zuckte. Dennoch konnte er nicht über seinen Unmut hinwegtäuschen, von Sebastian überwacht, ja geradezu belauscht zu werden.
Und das in seinen eigenen Gedanken. Doch nun konnte Ciel sich seine Frage einfach nicht mehr verwehren.
„Sag mir“, begann er leise und hob seine Hand aus dem Wasser, um sie durch Sebastians Haare gleiten zu lassen. Sein Kopf kippte in den Nacken, worauf er in der Lage war, seinem Butler direkt in die Augen zu sehen. „Bist du fähig meine Gedanken zu lesen?“
Seit langem beschäftigte ihn diese Frage, doch es wäre nicht auszudenken, sollte sie sich als bestätigungsfähig erweisen.
Sebastian dagegen grinste belustigt, Ciel konnte sehen, wie sich seine Augen gefährlich verfärbten und ihn regelrecht gefangen nahmen. Doch der junge Adlige war nicht einmal in der Lage, sich von diesem fesselnden Blick zu lösen, was sein Misstrauen nur noch mehr steigerte.
So gefangen in dem tückischen – ja beinahe mordlustigen – Blick, bemerkte der Earl kaum, wie sich Sebastians Hand über seinen Körper bewegte und anschließend den Schwamm ins Wasser gleiten ließ.
„Was wäre, wenn ich dir sagen würde, ich könnte es?“, wollte der Dämon schelmisch grinsend wissen und brachte seinen Herrn zum Schaudern.
Ja, was wäre? Gewiss würde es Ciel verrückt machen, zu wissen, dass er selbst in seinen Gedanken nicht allein war. Doch würde Sebastian so fragen, wenn er es könnte?
Dennoch stand Ciel nicht der Sinn nach einem Befehl, der wohl lediglich gelautet hätte, Sebastian solle ehrlich sprechen. Er wollte dieses erneute kleine Spiel gern mitspielen, selbst wenn er eigentlich anderes zu tun und vor allem zu fragen hätte.
„Ich wäre nicht erfreut, schätze ich“, wisperte der Junge leise und lächelte den Dämon ebenso arglistig entgegen, der nur grinste und dabei seine Zähne offenbarte.
Sein Master spielte tatsächlich gern mit dem Feuer. Solch eine Frage an einen ausgewachsenen Dämon zu richten, war blanker Hohn. Dennoch war Ciel zu Dingen fähig, die oft weit entfernt von jeglicher Vernunft lagen.
War es doch ach so selbstgefällig, wissentlich mit einem solchen Wesen das Bett zu teilen. Ja, es beinahe herbeizusehnen und es immer und immer wieder zu wünschen.
Sebastian war verzückt von diesem Jungen, der ihn gerade so arrogant anblickte, als wäre er sich der Gefahr, die gerade auf ihn lauerte, nicht bewusst. Oh, diese bittersüße Eitelkeit machte den Dämon beinahe rasend, würde er sich nicht so gut beherrschen können.
Im Augenblick dürstete es ihm erneut nach dem süßen Fleisch seines Masters, der genüsslich seine Beine spreizte und Sebastians Finger geradezu einlud ihn zu verwöhnen.
„Du bist ein unverbesserliches Biest“, säuselte er und griff beinahe selbstverständlich nach der Erektion seines Schützlings, der genießerisch die Augen schloss und sich über die Lippen leckte.
Oh, dieser Bursche war so voller Sünde, es glich einem wahren Festmahl.
„Beantworte lieber meine Frage“, zischte Ciel dunkel und öffnete seine Augen erneut, um Sebastian herausfordernd in die violetten Augen zu sehen.
Dieser lachte leise.
„Wenn es dich beruhigen sollte: Nein, ich bin nicht fähig in deine Gedanken zu sehen, dennoch sind sie oft leicht nachzuvollziehen“, gestand Sebastian mit einem anregenden Funkeln in den Augen, das sich in Ciels verschiedenfarbigen Pupillen widerspiegelte.
„Ist dem so?“, fragte er leise und krallte seine Finger wieder in die Haare seines Butlers, der dem stummen Befehl nur zu gern nachkam und genüsslich über den weichen Hals des Jungen leckte, ihn geradezu liebkoste.
„Nun denn, dann will ich, dass du mir einige andere Fragen beantwortest“, säuselte Ciels Stimme verführerisch in Sebastians Ohr, der leicht grinste und seine Hand schneller über den Schaft seines Master gleiten ließ. Gleichermaßen biss er sich im Hals des Jungen fest, der darauf zischend die Luft einzog.
„Möchtet Ihr tatsächlich jetzt über dieses Thema reden, junger Herr?“
Sebastian bereitete es sichtlich Freude, seinen Master zu reizen, der laut schnaufte und kurzes, abgehaktes Stöhnen von sich gab.
„Mach dich nicht lustig!“, zischte er nachdrücklich und zuckte leicht mit seiner Hüfte, kam den festen Bewegungen seines Butlers entgegen.
„Das würde ich niemals wagen“, lachte Sebastian und leckte verspielt über Ciels Ohr, knabberte daran und hob mit seiner freien Hand den Kopf des Earls am Kinn etwas an.
„Du glaubst gar nicht, wie mir dieses Gesicht gefällt“, schnurrte Sebastians Stimme erneut in das Ohr des Adligen, der etwas röter wurde und leise knurrte.
Doch anstatt etwas gegen diese Frechheit zu sagen, legte er seinen Kopf soweit in den Nacken, dass er die Lippen seines Butlers mit den seinen einfangen konnte.
Wenngleich Sebastian gedacht hatte, dieser Junge hätte sicher nicht mehr genügend Atem, um ihn in einen solch innigen Kuss zu verwickeln, hatte er sich tatsächlich geirrt.
Die sündigen Lippen wollten die seinen nicht mehr verlassen, während die kaum nennenswerten Berührungen an Ciels Erektion ihr übriges taten und den Jungen unkontrolliert in den Kuss keuchen ließen.
Langsam ließ sich Ciel von Sebastian auf sein Bett setzen.
Nach seinem „Bad“ war Ciel noch kraftloser als vorher, doch das war es ihm wert. Sebastian verstand sein „Handwerk“ und der Earl wäre ein Narr gewesen, wüsste er dies nicht doch irgendwie zu schätzen.
Dennoch hatte Ciel nicht eine Frage stellen können, die mit seinem Fall und dieser...Frau zu tun hatte. Wenngleich er über jene gar nicht nachdenken wollte, nun wusste er schließlich, worin das endete.
Schweigend sah er Sebastian von der Seite an, der die Kissen aufschüttelte und sich anschließend vor seinem Herrn verneigte. Diese Pflichtbereitschaft war einfach zutiefst ironisch.
„Ich frage dich noch einmal“, setzte der Junge an und erhaschte die Aufmerksamkeit seines Butlers. „Wer ist diese Frau? Und was hast du mit ihr zu tun?“
Kaum hatte Ciel diese Worte ausgesprochen, glitt ein Grinsen über Sebastians Lippen. Er verschränkte halb die Arme und legte den Kopf etwas schräg, sah seinen Herrn mit einem Blick an, der dessen Blut zum Kochen brachte.
Dämonen waren wahrlich Meister der Verführung.
„Wollt Ihr tatsächlich wissen, was sie mit mir zu tun hat?“, hakte Sebastian statt zu antworten nach und lächelte auf diese überfreundliche Art und Weise, die den Earl Mal um Mal verrückter machte.
Er schnaufte.
„Würde ich dich sonst fragen?“, knurrte er und sah Sebastian auffordernd an. „Gib mir endlich eine Antwort!“
Erneut lachte sein Butler und verneigte sich wieder vor seinem Herrn, ehe er Ciel mit einem belustigten Blick musterte.
„Ich kann nicht sagen, was sie gerade hier nach London verschlägt, aber sie hat einen Grund hier zu bleiben“, begann Sebastian und sogleich zuckte Ciel innerlich zusammen, als er diese mehr als gespielte Mordlust in den Augen des Mannes sah, der ihn vor wenigen Minuten selbst so angesehen hatte. Doch dieser Blick war weitaus ernster und wirklicher als die Drohung an den Earl.
„Dieses Mädchen ist wie ich und doch völlig anders. Denn im Gegensatz zu mir müsst Ihr sie fürchten“, säuselte der Schwarzhaarige verschwörerisch, worauf Ciel ihn prüfend ansah. Dann lächelte er kühl.
„Als würde ich dich nicht auch fürchten müssen“, stichelte er und erneut spielte er mit dem Feuer, als Sebastian sich zu ihm nach unten lehnte und nach seinem Kinn griff.
„Nun, du musst mich erst fürchten, wenn die Zeit gekommen ist“, erklärte er zynisch lächelnd und gab seinem „Opfer“ einen kurzen Kuss, ehe er sich wieder erhob, um nun die Kerzen des Leuchters auf der Kommode zu entflammen.
„Sie hingegen macht sich nichts daraus auf ihre „Mahlzeit“ zu warten. Dämonen wie sie fressen, was ihnen beliebt und sind dennoch erstaunlich oft gelangweilt“, erklärte Sebastian weiter.
Ciel hingegen war bei dem Wort „Mahlzeit“ deutlich zusammengezuckt. Eine sehr makabere Art und Weise so etwas zu beschreiben, wahrscheinlich selbst für einen Dämon. Jener drehte sich zu seinem Herrn um und sah ihn mit merkwürdig ernster Miene an.
„Sie spielt gern und ihr aktuelles Spiel erregt mehr Aufsehen, als es für sie üblich ist.“
Der Earl blinzelte.
„Für sie üblich?“, wollte er wissen und überschlug seine Beine, als er an die Kante seines Bettes gerutscht war.
Sebastian lachte leise.
„Ja, mit Sicherheit ist dir nicht entgangen, dass sie erwähnte, wie lange wir uns nicht begegnet sind?“
Es war keine deutliche Frage, sondern eine Feststellung. Natürlich war Ciel nicht entgangen, was sie gesagt hatte.
„Ja...sie sprach von einigen hundert Jahren“, überlegte er und versuchte die Frage, die ihm auf der Zunge lag, herunter zu schlucken. Doch es gelang ihm nicht. „Wie alt bist du?“
Wie eine Zauberformel flossen jene Worte über die Lippen des jungen Adligen und machten ihm seine Neugier geradezu schmachvoll bewusst. Und das Grinsen auf dem Gesicht seines Butlers tat sein Übriges zur inneren Wut auf sich selbst.
„Interessant“, meinte Sebastian und näherte sich seinem Master, der ihn bemüht unterkühlt anblickte. „Seit wann interessieren dich solche Dinge?“
Ciel zischte leise und sah Sebastian warnend an. Dann legte sich auch auf seine Lippen ein sarkastisches Lächeln.
„Seit du dir erlaubst mich zu verführen und meinen Körper zu deflorieren“, erläuterte Ciel mit einem durchtriebenen Grinsen auf dem Gesicht.
Wer hätte ihm solche Feststellungen zugetraut? Sebastian sah den Jungen kurz erstaunt an, selbst ihn konnte man überraschen. Zumindest Ciel Phantomhive konnte es, wenn auch nur für einen sehr kurzen Moment.
Es ging gewiss kaum schmutziger, da war sich selbst der Dämon in Sebastian sicher.
„Das ist wirklich interessant“, gestand er und lächelte, ehe er leicht über Ciels Wange strich, ihm durchdringend in die Augen sah, so dass sich selbst sein arroganter Master für einen Moment innerlich erschrak. „Ich bin mehrere hundert Jahre alt. Ich kann es dir nicht genau sagen, doch Akasha ist gewiss drei Jahrhunderte nach mir zur Welt gekommen“, erklärte er lächelnd und sah dem Earl weiterhin amüsiert in die Augen. Es bereitete ihm Freude, das Spiel des Unbehagens in den Augen Ciels zu beobachten, es geradezu deutlich mitverfolgen zu können, wie es immer wieder unruhig aufflackerte.
„Das erste Mal, als ich Akasha sah, war zu einer Zeit, in der die Pest erstmals ganze Landstriche Europas ausrottete. Sie streifte ziellos umher und stahl die Seelen jener, die auf ihren Tod warteten. Wir Dämonen sind jedoch Einzelgänger und so verlor ich sie irgendwann aus den Augen“, berichtete Sebastian, als würde er aus einem Geschichtsbuch zitieren. So musste es zumindest auf den Earl wirken.
Dieser lauschte den Worten seines Butlers und rechnete im Kopf nach, um welche Zeit es sich gehandelt haben musste. Wenn sein Gedächtnis ihn nicht betrog, musste diese Begegnung zwischen den beiden Dämonen im vierzehnten Jahrhundert geschehen sein.
„Das nächste Mal traf ich sie drei Jahrhunderte später, während eines Krieges, in dem sie sich der Seelen vieler Gefallener bemächtigte. Doch niemals hat sie es in Erwägung gezogen, so wie ich einen Pakt mit einem Menschen einzugehen. Damals lebte sie nur vom Verzehren vieler Seelen, ohne sich daran weiterhin zu stören. Zu jener Zeit lautete ihr Name Akasha, „die Verfluchte“. Menschen gaben ihr diesen Namen, um das Grauen vor dem Tod in Worte zu fassen.“
Ciel schwieg, Sebastians Erzählungen klangen märchenhaft und doch waren sie nicht die Ausgeburten eines Verrückten. Wenn man wusste, wen man bei diesem angeblichen Butler vor sich hatte, war klar, dass er nicht fähig war zu lügen.
„Danach verlor ich sie aus den Augen“, setzte Sebastian an, doch Ciel unterbrach ihn.
„Bis heute.“
Er sah dem Dämon in die Augen, der lächelte und erneut seinen Kopf etwas schräg hielt.
„Doch sie hat sich verändert, ihre Gewohnheiten ebenso wie ihre Kraft.“
Ciel schmunzelte.
„Ja, das habe ich gesehen“, zog er seinen Butler gehässig auf, der darauf ganz untypisch schnaufte. Sieh an, man konnte also auch bei einem Dämon so etwas wie einen „wunden Punkt“ treffen.
„Jedenfalls braucht sie diesen Mann, damit ihr kleines, sehr langwieriges Spiel nicht auffällt. Wenngleich es auch nicht von Belangen wäre, würden Menschen es durchschauen“, seufzte Sebastian und sah seinen Herrn dann durchdringend an.
„Sie will sieben Seelen. Menschen getötet von einem einzelnen, schwachen Mann. Es bereitet ihr unsagbare Freude, die Fäden in der Hand zu halten und sich als jemand auszugeben, der sie unmöglich sein könnte.“
Der Earl brauchte nicht lange um zu verstehen, worauf sein Butler hinaus wollte.
„Richards Tochter...Alice.“
Sebastian lachte leise und strich Ciel erneut über die Wange, bevor er leicht mit seinen Haaren spielte.
„Seine verstorbene Tochter. Und eigentlich wäre dieser Mann mit ihr und seiner Frau gestorben. Doch Akasha schien gerade diesen Umstand so interessant zu finden“, erläuterte der Schwarzhaarige belustigt weiter und brachte Ciel zynisch zum Auflachen, während er Sebastian mit gestelltem Spott anblickte.
„Ihr Dämonen habt außergewöhnlich verabscheuungswürdige Interessen“, grinste er, worauf der Angesprochene nur schmunzelte und seinen Master spielerisch ansah.
„Ich würde es niemals bestreiten“, schnurrte er und gab Ciel einen kurzen Stoß gegen die Schulter, der den Jungen nach hinten auf sein Bett fallen ließ.
„Mir bereitet es auch Freude, mit Euch zu spielen, my Lord“, wisperte er und sah Ciel mit merkwürdig arglistigen Augen an, die den Earl verächtlich grinsen ließen.
„Wie ich sagte: verabscheuungswürdig.“
Kühler Atem hauchte gegen seine Lippen, während Sebastian Zunge genüsslich über Ciels Mundwinkel fuhr.
„Doch eines macht mich daran rasend“, säuselte eine drohende Stimme in Ciels Ohren, worauf dieser einen kurzen, verwunderten Laut von sich gab.
„Tatsächlich?“, wollte er wissen, worauf Sebastian wieder aufsah und seinen Blick besitzergreifend über den Körper des Adligen wandern ließ.
„Ihr letztes, für sie entscheidendes Ziel...ist mein Eigentum“, hauchte der Dämon, während sich seine Augen erneut verfärbten und er seine Lippen auf die des Jungen legte, der sich erneut den Spielen des Mannes ergab.
Ciel wusste nicht, wer von ihnen dieses Spiel gewinnen oder verlieren würde. Sie gaben sich einander hin und waren für diesen einen Augenblick völlig zweisam.