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Fallen

oder: Zusammen zusammenbrechen
von

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Vor dem Fallen

Du bist so schön, wenn der Wind mit deinem Haar spielt.

Wenn er deine Kleidung um deinen schlanken, fast schon zu dünnen Körper schmiegt.
 

Ich sehe dich, und habe sofort das Bedürfnis, meine Arme um deinen Oberkörper zu schließen.

Er würde sich kalt anfühlen, doch ich würde ihn aufwärmen.

Würde dir dein Zittern wegnehmen, würde dir Trost spenden, deinen Schmerzen Linderung verschaffen... Wenn du mich ließest.
 

Der Wind ist stark und treibt dich einen Schritt zurück, und ich bin froh darüber.

Weil dies mir ein wenig mehr Zeit gibt, dich zu erreichen.

Es ist schwer, gegen diesen Sturm zu laufen, doch ich muss dich erreichen, um jeden Preis, unbedingt.
 

Vielleicht ist dir das nicht klar - aber ich brauche dich. Du lässt mich im Stich, wenn du das tust.

Und ich wäre nicht einmal in der Lage, dir zu folgen.

Du bist nicht der einzige, der jemanden braucht, an dem er sich festhalten kann... Ich brauche es auch. Und ich will dich als meine Säule, egal, wie viele Risse du hast, wie schnell du zusammenbrechen könntest.
 

Ich will mit dir zusammen zusammenbrechen.
 

Deshalb darfst du mich jetzt nicht alleine lassen.
 

Du stehst immer noch am Rand der Klippe, ich rufe dich, schreie nach dir, doch du scheinst mich nicht zu hören.

Kannst nicht glauben, dass du für jemanden dasein musst.

Dabei brauche ich dich so sehr.
 

Plötzlich kommt mir der Gedanke, dass ich nicht genug für dich gewesen bin.

Schaffe ich es nicht, dich zu stützen?

Willst du deshalb fallen?
 

Ich will dich stützen.

Bitte... Gib mir noch eine Chance.
 

Ich renne, um dir das Leben zu retten, ich renne um mein Leben.
 

Die See braust, der Sturm, der dir entgegen weht, der mir entgegen weht, wirft meterhohe Wellen auf.

Bitte, bete ich, lass uns zusammen in diesem Sturm gefangen sein, lass uns zusammen in die Fluten gerissen werden.
 

Lass mich jetzt bloß nicht alleine.

Lass mich dir helfen.

Lass mich dich in den Abgrund stoßen und hinterherspringen.
 

Wir würden im Fallen einander festhalten, würden uns küssen, würden uns ewige Liebe schwören.

Du hast einmal behauptet, wenn du sterben wollen würdest, würdest du von mir getötet werden wollen.

Und ich habe dich ausgelacht...

...doch jetzt kann ich dich verstehen.
 

Endlich hörst du mich, erschrickst bei meinem Anblick.

Mein weißes Kleid ist voller Blut, meine Augen schwarzumrandet, von Tränen verschmiert, mein dunkles Haar zerzaust und alles an mir hängt in Fetzen.

Du hast gesagt, du liebst es, wenn ich so aussehe.
 

Du hast gesagt, du liebst mich.

Ich antwortete, dass ich dich auch lieben würde.
 

Und plötzlich wird mir klar, was du hiermit bezweckst.
 

Ein Blitz erhellt den pechschwarzen Himmel, während du langsam deine Arme ausstreckst, mit dem Rücken zum Meer gewandt.

Dein Gesicht liegt in Schatten, dein weißes Hemd ist makellos, dein Haar sitzt perfekt, obwohl du es dir immerzu richten musst.
 

Plötzlich hört der Wind auf zu wehen und endlich

endlich

endlich erreiche ich dich.

Drücke dich an mich und es ist, wie ich es erwartet habe.

Ich wärme dich auf.

Nehme dir dein Zittern.

Spende dir Trost.

Lindere deine Schmerzen.
 

Tue so, als ob ich für dich da bin, während du es doch bist, der ein verlorenes, zerfleddertes Etwas bei sich aufnimmt.

Du küsst meine von Blut verschmierten Lippen, sodass auch auf deiner Haut, die fast so blass ist wie meine, Blut klebt.

Zerzaust mir mein sowieso schon zerzaustes Haar.

Flüsterst mir ins Ohr: "Ich liebe dich."
 

Ich schmiege mich an dich, meine Arme sind weiter um deinen Oberkörper geschlungen.

Doch nun lächelst du und wiegst mich in deinen Armen, versicherst mir, dass alles in Ordnung ist, dass wir alles gemeinsam schaffen würden.

Und ich glaube dir, obwohl ich ganz genau weiß, was du hier willst.
 

Und ich werde dir deinen Wunsch, wegen dem ich dich einst ausgelacht habe, erfüllen.
 

Ich stoße dich von der Klippe.

Und lasse dich dabei nicht los.
 

Und wir fallen gemeinsam.

Vielleicht in eine bessere Zukunft.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  halfJack
2009-12-03T11:24:11+00:00 03.12.2009 12:24
Das gefällt mir sehr.
Die Perspektive aus der ersten Person und gleichzeitig immer dieses "Du", als würde der Erzähler einen Brief schreiben... dadurch kann man sich als Leser sowohl in die Position des Sprechenden hineinfühlen, als auch in die des Angesprochenen. Darum mag ich diese Art des Erzählens sehr, besonders bei so gefühlvollen Texten, weil damit die Emotionen am besten vermittelt werden.
Auch dieser Widerspruch ist auffällig. Der Mensch am Abgrund ist gepflegt und unverletzt. Und dennoch steht er vielleicht nur zum letzten Abschied dort. Die andere Person dagegen trägt nur noch einen zerstörten Körper mit sich herum. Trotzdem soll sie eine Rettung sein oder den letzten Anstoß geben.
Außerdem finde ich, dass du hier eine Situation kreierst, die man sowohl im übertragenen Sinne als auch real auffassen kann. Es könnte wirklich so sein, dass sich dieses Ich an der Klippe befindet und dass die Rettung im gemeinsamen Fall besteht. Aber gleichzeitig könnte das alles nur ein Sinnbild für das Leben sein. Am Ende steht schließlich immer nur das gleiche Ziel, unabhängig davon, ob man selbst sein Leben verkürzt oder nicht. Wenn man es so betrachtet, dann befindet man sich die ganze Zeit im Fall, man schreitet immer weiter voran in die Zukunft und Ungewissheit und einem Tod entgegen, der noch unbekannt in der Ferne liegt. Wenn man sich dann gemeinsam Halt gibt, ist es vielleicht nicht so schlimm. Aus diesem Grund mag ich beide Ideen.


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