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24 Tage - 24 Befehle (Oder: Der etwas andere Adventskalender)
von

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14. Dezember

14. Dezember
 

Versonnen beobachtet Farin den Badeschaum und das helle Licht der Morgensonnen, die darin Reflexe in allen Farben des Regenbogen malt. Es ist noch nicht mal neun und endlich mal wieder dem Frühaufsteher in sich nachgebend, ist es eine spontane Entscheidung des Gitarristen gewesen, den Tag mit einem herrlich warmen Bad anzufangen. Und Quakie.
 

Denn wenn Bela der Peter Pan der Band ist, so mutiert Farin in der Wanne ebenfalls zu einem infantilen 1,94m großen Haufen Mensch, der durchaus seinen Spaß daran hat, mit der Quietscheente durchs Wasser zu fahren oder Tintebrausetabletten dabei zuzuschauen, wie sie bunte Blubberblasen in die Luft werfen. Grund genug also, während einer Tour nie niemals zu baden und stets auf eine Dusche in seinem Zimmer zu beharren.
 

Aber jetzt gerade im Moment ist er nicht auf Tour, sondern zuhause und so kann er diesem doch nicht ganz standesgemäßen Spaß nach Herzenslust frönen. Doch das kann wird sehr schnell zum könnte, schellt es doch (gerade dann als er einen erneuten Tauchgang starten will, der Rod vor Neid erblassen ließe) an der Tür und das in einem Ton der irgendwie... naja... dringend anmutet. Und weil es eben so dringend ist und Farin auch noch nicht wirklich mit Bela rechnet und es tatsächlich ja mal etwas Wichtiges sein könnte (vielleicht hat er jetzt doch endlich den Friedensnobelpreis gewonnen, Zeit wird es), hechtet er geradezu aus der Wanne, legt sich im Sprint zur Tür notdürftig ein Handtuch um die Hüfte. Tropfnass und ein wenig wie der Pudel ihm Regen wirkend reißt er die Tür auf und...
 

… sieht Bela.
 

Dem die Verwunderung deutlich ins Gesicht geschrieben steht, welche jedoch schnell von einem breiten Grinsen, plus anzüglich gehobener Augenbraue abgelöst wird.
 

„Das nenne ich aber mal ein schönes Geschenk.“
 

„Geschenk?!“
 

Verwirrt stellt Farin fest, das die eben noch vorhandene gute Laune am Drummer abblättert, als wäre es billiges Blattgold. Das Strahlen in den Augen wird dunkler, beinah schon gefährlich, ein bitterer Zug schleicht sich um die Mundwinkel, macht ihn nicht unbedingt älter, verleiht ihm dafür aber eine düstere Aura.
 

Sich fragend was er nun schon wieder falsch gemacht hat, beschließt Farin erst mal Bela in seine Wohnung zu winken, die Tür zu und die Kälte auszuschließen. Egal was dem Älteren für eine Laus über die (mit Sicherheit schon stark vergrößerte) Leber gelaufen ist, es ist noch lange keine Rechtfertigung dafür, dass er pitschnass und halbnackt beinah erfriert.
 

So ist es auch nur ein halber Blick, den er auf den heutigen Befehl wirft, der mal wieder auf einem Pappschild gekrakelt wurde. Ist er doch schon auf dem Weg ins Schlafzimmer, sich anziehen.
 

„Vierzehnter Befehl: Besuche mit mir den Weihnachtsmarkt!“
 

Noch beim Socken Zusammensuchen siniert Farin darüber, was denn nun der Grund für Belas plötzlichen Stimmungswechsel sein könnte. PMS? (Er wusste ja immer schon, dass Bela sein Künstlernamen nur deshalb gewählt hat, weil es nur ein Buchtstaben braucht um ihn in Bella zu verändern) Drogen? (Dafür war er dann aber doch wieder zu normal) Manisch- depressiv? (Wäre durchaus eine Variante.)
 

Als Farin auch noch nach dem sechsten Sockenpaar, das er aus dem Chaos fischt keine Lösung gefunden hat, zuckt er, nur für Wischmopp sichtbar, die Schultern und kommt mit sich selbst überein, dass er nicht der Grund sein kann und Belas schlechte Laune schlichtweg ignorieren wird. Hat er doch alle dämlichen Befehle bisher nach Wunsch ausgeführt. Seine Schuld kann es also nicht sein. Im Vorbeigehen schnappt er sich noch die Tüte mit den zuckersüßen Fledermäusen, vielleicht würden die den Drummer ja später aufheitern.
 

So beachtet er auch nicht den sauertöpfischen Ausdruck Belas, erfreut sich dafür an dem Schnee, durch den sie stampfen und später sogar an der Skyline Berlins, an der er in der S-Bahn vorbeizieht, Richtung Alex. Bela sagt kein einziges Wort, guckt nur böse bis beleidigt. Selbst als ein paar Punker an der Weltzeituhr sie erkennen und sie über den gesamten Alexanderplatz hinweg als Kommerzschweine beschimpfen, hat der Drummer nicht mehr als ein leises Grummeln übrig. Farin ist es recht. Auf noch mehr Aufmerksamkeit ist er nicht wirklich erpicht.
 

Auf dem Weihnachtsmarkt gehen sie glücklicherweise in der Menge unter, sind nur zwei unter vielen. Scheinbar haben die beiden Freunde heute Rollen getauscht, die mürrische und lustlose Miene geht heute eindeutig an Bela.

Wenn diese nicht wäre, würde Farin wahrscheinlich mit einem Dauergrinsen durch das Lichtermeer spazieren, jeden Geruch tief einatmen und einfach nur glücklich sein.

Doch die Laune des Drummers wirft auf ihren ganzen Tag einen langen Schatten, auch wenn Farin sie ignorieren wollte.
 

Dies ist nämlich schlicht und ergreifend nicht möglich. Für nichts lässt der Schlagzeuger sich begeistern, alles sieht er nur desinteressiert an.
 

Langsam aber sicher hat Farin die Nase voll von den pubertären Stimmungsschwankungen Belas und beschließt, sich den Drummer zur Brust zu nehmen.
 

Just in diesem Moment fällt in Farins Blickwinkel ein Mädchen mit knallgrünem Pony und BelaFarinRod Pullover. Die Apokalypse naht also in langen Schritten.

Überraschenderweise bleibt der Fan aber stehen und ruft nur erfreut: "Alles Gute zum Geburtstag, Bela!"
 

Danach ist sie wieder in der schiebenden und drängelnden Menschenmasse verschwunden. Farin verfällt in eine Schockstarre, traut sich nicht Bela anzusehen.

Was könnte es böseres geben, als von einem Fan an den Geburtstag seines besten Freundes erinnert zu werden?
 

Irgendwann entscheidet Farin sich doch, einen Blick zur Seite zu wagen. Jedoch steht dort kein Bela mehr, überhaupt sieht er nirgendswo seinen Drummer.
 

"Scheiße", flucht Farin einfach nur und schiebt sich schnellstmöglich weiter durch die Leute.
 

*
 

Farin findet seinen Freund an dem im Winter trockengelegtem Neptunbrunnen, das Licht der Scheinwerfer malt auf Belas Gesicht dunkle Schatten. Er wirkt bedrohlich, verletzt und unnahbar durch das Lichtspiel auf seiner Haut.
 

Schluckend sucht Farin den Blick des Schlagzeugers, dieser jedoch starrt vehement weiter auf den Boden vor sich.
 

"Es tut mir leid, verdammt.", murmelt Farin in die eisige Luft, versucht die Buchstaben ernst und ehrlich klingen zu lassen. Mit mäßigem Erfolg.
 

"Jaja, wie viel dir schon leid tat..."
 

Der Schlagzeuger hat sich berechtigterweise in den Trotz-Modus gestellt. Kurzerhand baut Farin sich vor seinem Freund auf und deklariert:
 

"Aktuell ist die Wissenschaft.

Denn eigenes Wissen gibt eigene Kraft.

So hatte ich es gedacht und laut gesagt,

Wie sich der Weihnachtsmann doch plagt
 

Spezies von lebenden Organismen werden genannt.

Hauptsächlich Insekten und Bakterien sind uns bekannt.

Fliegende Rentiere? Es gibt kein Klagen und kein Wehen.

Nur der Weihnachtsmann hat sie gesehen.
 

Ich nehme mal an, auch wenn die Erde bebt.

Dass in jedem Haushalt ein braves Kind lebt.

378 Millionen Kinder laut Volkszählungs-Büro.

Darüber ist der Nikolaus besonders froh.
 

Der Weihnachtsmann hat noch nie geklagt.

Obwohl er einen 31-Stunden –Weihnachtstag hat.

Durch Zeitzonen von Ost nach West er reist.

Der Himmelsweg ist trocken, nicht vereist.
 

Er braucht eine tausendstel Sekunde ohne wettern.

Für Parken und den Schornstein runterklettern.

Dazu die Socken füllen am Kamin, Retour heraus.

Und weiterfliegen zum nächsten Haus.
 

822 Besuche pro Sekunde, blitze-schnell.

Bei jedem braven Kind ist er zur Stell.

Millionen Stopps, gleichmäßig auf der Erde verteilt.

1,3 km Entfernung zu jedem Haushalt er reist.
 

120,8 Millionen km braucht er jedes Jahr.

Plus Pause und Essen, das ist doch klar.

Sein Schlitten ist enorm und imposant.

1040 km pro Sekunde fliegt er sehr rasant.
 

Umgerechnet mit 3.000-facher Schallgeschwindigkeit.

Der Ulysses Space Probe mal zum Vergleich.

Fährt dieser mit lächerlichen 43,8 km pro Sekunde.

Ein Rentier schafft höchstens 24 km pro Stunde.
 

Nun zur Ladung des Schlittens mit Effekt.

Mit Geschenken wird der Weihnachtstisch gedeckt.

Pro Kind nimmt man ein Kilo Präsente mit im Wagen.

Dann ist der Schlitten mit Paketen vollgeladen.
 

378.000 Tonnen nicht gerechnet den Weihnachtsmann.

Auf der Waage schlägt dieser bestimmt mit 120 kg an.

Man braucht 216.000 Rentiere, das erhöht das Gewicht.

Auf eine Gabe verzichtet der Weihnachtsmann nicht.
 

Bei 1040 km/h Geschwindigkeit wird es amüsant.

Dies erzeugt ein einen ungeheuren Luftwiderstand.

Dadurch werden die armen Rentier aufgeheizt.

Durch das Raumschiff wird die Erdatmosphäre gereizt.
 

8 Trillionen Joule-Energie muss das Rentier absorbieren.

Das zweite Paar wird bestimmt explodieren.

Das gesamte Team von Rentieren ganz interessiert,

Wird innerhalb von 5 Tausendstel Sekunden vaporisiert.
 

Der Weihnachtsmann wird bestimmt nicht gehetzt.

Jedoch der 17.500-fachen Erdbeschleunigung ausgesetzt.

Der schwere Weihnachtsmann würde rutschen.

Und das angenagelt ans Ende seines Weihnachts-Kutsche.
 

Mit 20,6 Millionen Newton Kraft.

Verliert jeder Mensch seinen roten Saft.

Damit kommen wir zum tollen Schluss,

Unser Nikolaus ist ein Pfiffikus.
 

Er lässt sich nicht blicken, man kann ihn nicht sehen.

Er kommt einfach so, um dich zu erspähen.

Er wird dich mögen und dir die Nächte rauben.

Jeder sollt an den Weihnachtsmann glauben."
 

Irgendwie schafft Farin es, alle Strophen komplett fehlerfrei aufzusagen und selbst die schwierigsten Zahlen in diesem hochkomplizierten Gedicht zu behalten.
 

Als er geendet hat, erhellt sich Belas Miene tatsächlich ganz kurz, nur für einen winzigen Augenblick zwar, aber immerhin.
 

"Du hast es auswendig gelernt?"
 

Da ist leichter Unglaube, aber auch ehrliche Freude. Farin beschließt, dass es allein dafür wert ist, auch jedes weitere andere dumme Türchen, was noch folgen wird, genau so zu befolgen, wie er es bekommt.
 

"Befehl ist schließlich Befehl."
 

Farin grinst, versucht sich nicht an dem Bühnenlächeln, sondern an jenem Gesichtsausdruck, dem er schon vor langer Zeit für den Drummer reserviert hat. Der aufbewahrt wurde für ganz besondere Momente. Und der nun, jetzt gerade wo es entscheidend wird, nicht ganz gelingen möchte. Der Gitarrist selbst merkt nicht, dass dies aber nicht unbedingt mit einem Verlust zu tun hat sondern viel mehr mit dem Gewinn eines Gefühls. Dafür ist die ganze Situation jedoch zu verwirrend kompliziert, das Etwas noch zu klein.
 

Bela bekommt von all dem nichts mit, scheint sich in seiner Position ganz wohl zu fühlen. Die des leidenden Freundes.
 

"Du bist mir trotzdem noch was schuldig."
 

Tatsächlich muss Farin keine Sekunde überlegen, was Bela von ihm möchte. Spontan geht er auf den Kleineren zu und umarmt ihn fest.

Das warme Licht, dass den Brunnen anleuchtet, taucht auch die beiden Freunde ein sanften Schimmer. Leise flüstert Farin in die Intimität des Augenblickes:

"Es tut mir wirklich leid. Wirklich."

Er drückt ihm einen Kuss auf den Haaransatz und sieht, wie der dunkle Schleier langsam aus den Augen Belas verschwindet.
 

"Irgendetwas hat gerade in deiner Jackentasche geraschelt."
 

"Verdammt!"
 

Fluchend zieht Farin die völlig zerkrümmelten Plätzchen aus seiner Tasche. Die Fledermäuse gehen allerhöchstens noch als misslungenes Genexperiment durch. Trotzdem schnappt Bela sich die Tüte und beginnt, die Kekse, beziehungweise eher die Krümel zu essen.
 

Farin lässt sich neben ihn auf die Brunnemauer sinken, legt aufgrund einer spontanen Laune seinen Arm um den Schlagzeuger und lässt sich von den Scheinwerfen blenden.
 

Die beiden geben ein seltsames, aber doch niedliches Bild ab, Arm in Arm, plätzchenessend, auf dem verwaisten Brunnen sitzend.
 

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Weihnachtsgedicht by http://www.unterhaltungsspiele.com/Weihnachten/Existenz2.htm



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  YouKnowNothing
2009-12-16T18:08:03+00:00 16.12.2009 19:08
wie kann man nur den Geburtstag eines so wichtigen Menschen vergessen, wenn ich mal ganz dumm fragen darf??
XD
ich wäre ihm erst mal die nächsten zehn Wochen böse gewesen, aber nun gut XD
Dafür ein sehr schönes Gedicht - es passt zu Bela XD

LG S-M ;)
Von: abgemeldet
2009-12-14T21:19:00+00:00 14.12.2009 22:19
Schön ist das, so schön. Genau so soll es bleiben, und kann gerne noch ausgebaut werden. ;)

Tolles Gedicht, ich hätte an Farins Stelle ein kürzeres gelernt. XD

Freue mich auf mehr Törchen. :)

LG :)
Von: abgemeldet
2009-12-14T20:12:38+00:00 14.12.2009 21:12
Oh man, Farin ist ja mal so ein Volltrottel. Aber natürlich weiß der perfekteste aller perfekten Menschen ganz genau, wie er sich aus so einer Situation rettet. Ich find's so wunderbar! :>
Von:  Slythericious
2009-12-14T19:54:12+00:00 14.12.2009 20:54
^o^
wie knuffig <333
wie neidlich gehts denn bitte noch???
awwwww~
die les ich jetzt noch zehn mal ^__^
ich habe einen neuen favoriten würde ich mal sagen <3
ich bin grad zu keiner vernünftigen kritik fähig xD
Von:  _Sternkind_
2009-12-14T19:45:16+00:00 14.12.2009 20:45
Hurra, Kapitel 14 ist da!
Bin begeistert, wie immer. Ich finde nur, dass Bela seinen Geburtstag schamloser hätte ausnutzen sollen...aber das ist nur meine Meinung ;-)

und das Gedicht ist echt zum Brüllen! *gg*


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