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Mr. Snowman

von

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Alles ist vergänglich. Der Schnee, der heute noch so schön funkelt, wird morgen schon dahingeschmolzen sein. Die Menschen, so lebendig sie jetzt auch sind, sterben irgendwann und hinterlassen nur noch Erinnerungen...
 

Ein kleines Mädchen ging an der Hand seiner Mutter einen kleinen Pfad entlang. Zu beiden Seiten des Weges türmte sich Schnee auf, der wohl vom Schneepflug dorthin geschoben worden war. „Mami, können wir einen Schneemann bauen?“, bat die Kleine.

„Wenn du möchtest. Aber ich habe keine Mohrrübe für die Nase dabei, und auch nichts für die Augen.“

„Das macht nichts, ich finde schon was. Aber zuerst müssen wir eine gaaaanz große Kugel rollen.“ Eifrig machte sich das Mädchen an die Arbeit.

Nach einer ganzen Weile erst war es zufrieden mit seinem Werk. Nur das Gesicht fehlte noch. „Hier muss doch irgendwo...“ Endlich hatte es gefunden, was es suchte: Zwei schöne schwarze Steine in etwa der gleichen Größe, einige kleinere Steine und einen kurzen Ast, die es alle am Kopf des Schneemannes drapierte.

Glücklich betrachtete die Kleine das fertige Kunstwerk. „Schau mal, Mami, wie schön! Mein Schneemann ist der schönste Mann auf der Welt! Wenn ich groß bin, heirate ich dich, Herr Schneemann.“

Die Mutter schmunzelte. „Bis dahin wirst du sicher einen Mann gefunden haben, der dir besser gefällt.“ „Niemals!“, protestierte die Kleine energisch.
 

„In the meadow we can build a snowman”, summte die junge Frau vor sich hin, während sie mit ihren Einkaufstüten schlenkerte. Endlich hatte sie alle Weihnachtseinkäufe zusammen, die Vorräte, die ihre Mutter ihr zu besorgen aufgetragen hatte, die Kleinigkeiten, die sie verschenken wollte an ihre Familie und liebe Freunde, und ein nagelneues Kleid, das sie am Weihnachtsabend tragen wollte.

„Na, Rotkäppchen, wohin des Weges?“, wurde sie plötzlich angesprochen.

„Sehr witzig, Shuu“, entgegnete die junge Frau, ignorierte ansonsten den Kommentar zu ihrer roten Mütze und drückte ihrem grinsenden Freund einige ihrer Tüten in die Hand. „Hilf mir lieber tragen, statt dumme Sprüche zu klopfen.“

„Himmel, hast du da Wackersteine drin?“, stöhnte dieser.

„Nö, aber zehn Packungen Dominosteine.“

„Kein Wunder, dass du immer dicker wirst, Haruka“, stichelte Shuu.

„Wie bitte? Erstens esse ich die nicht allein selbst, und zweitens bin ich kein bisschen dick, ich habe seit fünf Jahren die gleiche Kleidergröße“, erwiderte Haruka empört.

Shuu wiegelte ab. „Ich mach ja nur Spaß. Trotzdem verwundert es mich, wie du immer so viel essen kannst.“

„Vielleicht solltest du auch mehr essen, dann würde dir das Tragen nicht so schwer fallen“, stichelte seine Freundin.

„Pah! Ich könnte glatt dich und deine Tüten tragen! Pass auf.“

Haruka quiekte erschrocken auf, als er sie hochhob und durch die Luft wirbelte. „Vorsicht, da sind zerbrechliche Sachen drin! Shuu! Mir wird schwindlig!“ Trotzdem musste sie kichern. „Manchmal bist du echt total unmöglich.“ Aber sie war glücklich, denn sie wusste, dass dies eine Seite an ihrem Freund war, die nur sie zu sehen bekam. Und die er vor einigen Jahren sicher überhaupt niemandem gezeigt hätte.

„Lass mich runter, du Verrückter. Du hast mir bewiesen, dass ich nicht dick bin, aber schwer bin ich sicher trotzdem. Und die Leute gucken schon komisch.“

„Na und? Sollen sie doch gucken. Oder stört dich das etwa?“

„Nein“, antwortete Haruka und legte ihre Arme um seinen Hals.

Nach der Hälfte der Strecke musste Shuu allerdings wohl oder übel einsehen, dass er doch nicht so kräftig war, wie er gedacht hatte. Zwar hätte er es niemals zugegeben, doch Haruka konnte sehen, dass er ziemlich am Ende war.

„Ich kenne da eine Abkürzung, wenn wir die nehmen, sind es nur noch fünf Minuten bis zu mir nach Hause“, schlug sie vor.

Shuu sah sie skeptisch an. „Bist du sicher, dass wir uns nicht verirren und am Nordpol landen?“

„Dann könntest du dem Weihnachtsmann sagen, dass du dir mehr Muskeln wünschst. Nein, im Ernst: Ich bin als Kind oft mit meiner Mutter hier langgelaufen. Folge mir einfach.“

Überzeugt war er zwar nicht, aber da er so schnell wie möglich einen Sitzplatz im Warmen wollte, folgte Shuu ihr.

Zu beiden Seiten des Weges türmte sich Schnee auf, der wohl vom Schneepflug dorthin geschoben worden war. „Als kleines Kind habe ich hier mal einen Schneemann gebaut“, erzählte Haruka mit Blick auf die weiße Landschaft. Ich war total stolz auf meinen Schneemann und meinte damals sogar, er wäre der tollste Mann der Welt und ich würde ihn heiraten, wenn ich groß bin. Lustig, nicht wahr?“ Sie lachte etwas verlegen. „Ich wollte meiner Mutter damals nicht glauben, dass ich mal einen anderen Mann lieber mögen würde. Jeden Tag bin ich zu meinem Schneemann gegangen und habe ihm mein Herz ausgeschüttet. Aber dann wurde es Frühling und ... na ja, er ist geschmolzen.“ Verstohlen wischte sich Haruka eine Träne aus dem Augenwinkel. Sie hätte nicht gedacht, dass diese alte Geschichte sie immer noch so mitnehmen würde.

Shuu wusste nicht, was er sagen sollte. Ihre erste Liebe war ein Schneemann gewesen? Und wieso machte sie so ein trauriges Gesicht? Jetzt hatte sie doch ihn, reichte das nicht? Dabei plante er doch schon seit einer ganzen Weile, ihr etwas wichtiges zu sagen...

„Lass uns weitergehen, du bist doch erschöpft, und meine Tüten werden mir auch langsam zu schwer“, riss Haruka ihn aus seinen Gedanken.

Ohne ein Wort zu sagen, nahm Shuu ihr auch noch die restlichen Tüten ab und stapfte weiter den Weg entlang.

„Hey, warte! Ist dir das nicht zu schwer? Und du weißt doch gar nicht, wo wir lang müssen!“ Verwirrt von seinem plötzlich verändertem Verhalten blieb Haruka nichts anderes übrig, als schnell hinter ihm herzurennen und ihn wenigstens in die richtige Richtung zu lotsen.

„Was ist denn mit Shuu los?“, fragte ihr kleiner Bruder Masato dann auch gleich, als sie in dieser seltsamen Stimmung zu Hause ankamen und der grünhaarige junge Mann schweigend mit den Einkäufen in die Küche stapfte.

Haruka konnte nur mit den Schultern zucken. „Ich weiß es nicht. Seit wir an der Stelle waren, wo früher mein Schneemann stand, ist er schon so.“

„Du hast ihm doch nicht etwa erzählt, dass du damals den Schneemann heiraten wolltest?“, fragte ihre Mutter, die aus dem Wohnzimmer kam, wo sie den Baum dekoriert hatte.

„Doch, habe ich. Wieso?“

„Na, dann ist jetzt wohl jemand ziemlich angefressen“, gab Masato seinen neunmalklugen Kommentar ab.

Haruka überlegte. Konnte Shuu wirklich eifersüchtig auf einen Schneemann sein? Das wäre doch ziemlich dumm, vor allem da diese Sache schon über zehn Jahre zurücklag.

Aber es musste wohl so sein, denn den ganzen restlichen Tag über redete er kaum ein Wort mit ihr. Zwar wirkte er nicht beleidigt, aber er war noch weniger gesprächig als sonst, und gegen Abend verschwand er sogar einfach.

„Wo ist denn dein Freund?“, erkundigte ihr Vater sich. Als sie zugeben musste, dass sie keine Ahnung hatte, blickte er sie verwundert an. „Ich dachte, es wird langsam ernst mit euch, nachdem er sogar Weihnachten hier verbringt.“

„Nun lass sie doch“, mischte ihre Mutter sich ein. „Du musst doch nicht alles wissen.“

Masato hingegen schien eine Menge zu wissen, jedenfalls hatte er wieder sein schlaues Grinsen aufgesetzt. „Schwesterchen, kannst du mir vielleicht einen Gefallen tun? Ich habe vorhin auf dem Heimweg meinen Schal verloren, aber ich muss hier dringend noch die Beleuchtung installieren, also wärst du so gut, ihn zu holen? Ich bin sicher, er liegt irgendwo auf dem kleinen Weg, den wir als Abkürzung benutzen.“

„Wenn es sein muss“, murrte seine Schwester. Da Shuu eh nirgends aufzufinden war, konnte sie ebenso gut nach Masatos Schal suchen.

Wohin war ihr Freund nur verschwunden? Sie würde ihn wohl kaum ebenso wie Masatos Schal einfach auf dem Weg finden. Oder etwa doch...?

„Oh mein Gott“, brachte sie nur heraus.

Vor ihr stand ein Schneemann. Und er sah exakt so aus wie der aus ihrer Kindheit.

„Willst du mich heiraten?“

Jetzt wurde sie offenbar auch noch verrückt. Der Schneemann hatte sie gerade gefragt, ob sie ihn heiraten wollte. Aber die Stimme war ihr so vertraut vorgekommen...

„Hast du gedacht, der Schneemann hat mit dir gesprochen?“ Hinter der weißen Gestalt kam Shuu hervor.

„Machst du dich über mich lustig? Ich habe dir diese Geschichte vorhin nicht erzählt, damit du mich damit aufziehst! Aber seitdem benimmst du dich total komisch.“ Haruka schwankte zwischen Verwirrung und Wut.

Shuu blickte sie ernst an. „Ich mache mich nicht über dich lustig, im Gegenteil. Ich habe mir nur etwas Unterstützung von deinem alten Freund geholt. Anfangs war ich eifersüchtig, das stimmt. Aber dann habe ich darüber nachgedacht und festgestellt, dass ich zwar nicht so ein geduldiger Zuhörer bin wie dieser Schneemann, und vielleicht auch nicht so cool, aber dafür kann ich bei jedem Wetter mit dir zusammen sein. Zwar werde auch ich irgendwann nicht mehr existieren, aber unsere beiden Lebensspannen sind zumindest ähnlich lang. Also wollen wir sie nicht zusammen verbringen?“

Haruka blinzelte die Tränen weg, die sich in ihren Augen gesammelt hatten. „Shuu...“

„Willst du mich heiraten?“, wiederholte er seine Frage.

„Natürlich will ich das“, antwortete Haruka und umarmte ihn, damit er die Tränen nicht zu sehen bekam, die ihr nun haltlos über das Gesicht strömten.

Shuu drückte sie fest an sich und wandte nur einmal kurz den Kopf, um etwas in Richtung des Schneemannes zu flüstern. „Danke, Herr Schneemann.“
 

Alles ist vergänglich. Der Schnee, der heute noch so schön funkelt, wird morgen schon dahingeschmolzen sein. Die Menschen, so lebendig sie jetzt auch sind, sterben irgendwann und hinterlassen nur noch Erinnerungen. Doch so begrenzt unsere Zeit auch sein mag, solange wir sie bewusst erleben, ist sie nicht umsonst.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Shizana
2012-12-23T15:59:20+00:00 23.12.2012 16:59
Ach Gott, das ist ja wirklich süß. Und ich fühle mich schlecht, das zugeben zu müssen. Aber du hast mir nicht zu viel versprochen, hihi.
Ich bin nur etwas verwirrt... wie alt sind denn Haruka und Shuu in dieser Geschichte? Es wäre gut gewesen, wenn du dazu ein paar Informationen gegeben hättest, denn ich hatte die ganze Zeit die beiden aus der Serie vor Augen - aber das kann ja nicht mit den 10 Jahren hinhauen, die vergangen waren, seit Harukas Schneemann-Liebe. Und die werden kaum mit 12-13 schon ernsthaft ans Heiraten denken, oder?

Egal, trotzdem. Blah.
Und ich zähle hier auch keine Fehler auf, die FF ist schließlich schon drei Jahre alt. Außerdem ist sie viel zu herzlich, um sie ernsthaft auseinander zu nehmen. *__*
Von:  Dark-Angel132
2009-12-25T11:04:15+00:00 25.12.2009 12:04
Was für eine süße Idee. Shuu eifersüchtig auf einen Schneemann. (Anfangs zumindestens) - Finde ich echt total schön und passt auch wunderbar zum Thema Winter / Weihnachten. Was mir auch sehr gut gefällt ist die Art und Weise wie du die Charakter zum "leben" bringst. Das mir mir persöhnlich immer ganz wichtig bei einer guten Geschichte! :)




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