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Venere

Morgenstern
von

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Venere

Dies ist die Geschichte von Venere. Eine Frau so liebevoll und herzlich wie keine Zweite. Sie lachte gerne und half jedem mit Freuden. Dazu war sie höflich und bescheiden. Doch es gab einen Haken an dieser so wundervollen Frau: Sie war hässlich wie die Nacht. Die Pflanzen um sie herum begannen zu welken, die Sonne hörte auf zu scheinen und die Kinder weinten bei ihrem Anblick.

So blieb Venere tagsüber immer im Hause und wagte sich nur des nachts nach Draußen. Dann saß sie auf der Treppe ihres Heimes und blickte zu den Sternen auf oder betete den Morgenstern an, wie es früher die Alten getan hatten. Sie waren die Einzigen, die nicht vor Venere davon liefen. Eines Nachts saß sie wieder auf den Stufen und blickte zu dem klaren Firmament.

„Oh, ihr Sterne! So helft mir doch! Schenkt mir Schönheit! Malt mir die edlen Züge einer jungen Signorina auf den Schädel!“, flehte sie und schloss danach die Augen. Doch Veneres Antlitz blieb so verunstaltet wie zuvor. Als sich wieder der Morgen über das Land legte, erhob sie sich und ging in ihr Haus. Sie wollte die Sonne nicht verschrecken und die anderen Menschen auch nicht.

So brachte sie wieder einen Tag im Dunklen zu. Ihre Vorhänge waren zugezogen und keine Kerze wollte bei ihr brennen. Denn jede Flamme verlosch vor Veneres Angesicht noch im Keim. So saß sie alleine in ihrer dunklen Kammer und machte sich daran ein paar getrocknete Kräuter zu zerstoßen im Halbdunkel. Denn die Wände von Veneres Haus waren nur aneinander genagelte Bretter durch deren Ritzen etwas Sonnenlicht drang.

Doch als auf einmal jemand an der Türe klopfte, blickte Venere verwundert auf und legte den Mörser fort. Sie bekam sonst selten Besuch, aber wahrscheinlich waren es Dörfler, die ein Heilmittel von Venere wollten. Sie bezichtigten die junge Frau zwar alle samt als Hexe, weil sie solch ein hässliches Antlitz besaß und sich so gut mit Kräutern auskannte, aber dennoch ersuchten sie immer wieder ihre Hilfe.

Doch als Venere die Türe öffnete, stand vor ihr der schönste Jüngling, den sie jemals gesehen hatte. Sie hängte sofort ihr Herz an ihn, obwohl sie wusste, dass er vor Schrecken über ihr Ungesicht davon rennen würde. Aber der Jüngling tat nichts dergleichen, sondern fragte: „Seid Ihr, Venere?“ Hastig nickte Venere und antwortete ihm sogleich: „Ja, das bin ich, Signor. Aber so sprecht, was führt Euch zu mir?“

Nun schenkte ihr der Bursche solch ein Lächeln, dass Venere ihre Beine fast den Dienst versagt hätten. „Ich bin Cieco. Und ich möchte Euch, um Eure Hilfe bitten, Signora“, erklärte der Jüngling und verbeugte sich vor Venere. „Bei was braucht Ihr meine Hilfe?“, fragte sie sogleich nach und blickte Cieco fragend an. Doch der Jüngling seufzte nun so schwer, dass es Venere ganz bang ums Herz wurde, ehe er erklärte: „Meine Augen, Signora. Seit langer Zeit leide ich unter einer schlimmen Entzündung und keiner vermochte sie zu heilen. Nun hoffe ich, dass Ihr es schafft.“

Bei diesen Worten brach Venere fast das Herz. Deswegen ergriff Cieco nicht die Flucht vor ihr, er konnte sie gar nicht richtig sehen. Aber weil sie diesem schönen Jüngling ihre Hilfe nicht enthalten konnte, bat sie ihn trotzdem zu sich herein in ihre ärmliche Stube. Sie geleitete ihn zu der alten Eckbank, auf der sich Cieco nun nieder ließ.

„Aber, Signora Venere, ist das nicht eine sehr ärmliche Behausung für jemanden wie Euch?“, fragte Cieco, dabei sah er sich um. Bei dieser Frage drängte sich die Schamesröte in Veneres Gesicht und sie erklärte beschämt: „Für mehr reicht es nicht, Signor. Ich habe nicht viel Geld.“ „Aber wieso das denn? Die Leute müssen Euch doch für Eure Dienste als Heilerin reich entlohnen!“, empörte sich Cieco darüber. Nun seufzte sie schwer und erklärte leise: „Ich kann froh sein, wenn sie mich nicht von ihr fort jagen.“

Jetzt schwieg Cieco erst einmal, anscheinend schien er nachzudenken und Venere ließ ihn schweigen. Er kam wahrscheinlich aus reichem Hause und dabei war es ihr mehr als unangenehm, dass sie in solch einer ärmlichen Hütte wohnte, selbst ein Schafshirte besaß eine komfortablere Unterkunft als sie.

So zog sich Venere wieder zu ihren Kräutern zurück und suchte die richtigen für Ciecos Leiden heraus. Sogleich fand sie auch das Gesuchte, Augentrost. Sie machte sich schnell daran einen Sud daraus zu kochen. Das würde bestimmt Ciecos Leiden kurieren. Bei dieser Vorstellung entwich ihren Lippen ein leises Seufzen. Wenn Cieco wieder geheilt wäre, würde er sich sicher sofort von ihr abwenden. Noch sprach er freundlich mit ihr, doch das nur, weil er noch nicht genau ihr Äußeres hatte sehen können.

„Signor Cieco?“ „Ja, was ist, Venere?“ Nun begann Venere auf ihrer entstellten Lippe zu kauen, doch dann fragte sie: „Woher stammet Ihr?“ „Aus Firenze, Signora. Mein Vater ist dort Stadthalter“, antwortete Cieco lächelnd und lehnte sich dabei etwas zurück. Bei dieser Aussage blickte Venere verwundert auf. „Ihr seid aus der Familie Medici?“ „Ganz richtig, Signora. Ich bin Cieco de Medici.“

Nun schluckte Venere schwer und kümmerte sich wieder um den Sud. Wenn sie nur einen Fehler begehen würde, würde die Familie Medici sie sicherlich umbringen. Aber dennoch fragte sie sich, wie es einen Medici gerade hierher führen konnte in solch eine Einöde. Anscheinend mussten die Ärzte der Medici sehr verzweifelt sein, dass sie schon eine Heilerin wie sie aufsuchten. Aber Venere würde alles in ihrer Macht stehende tun, um Cieco sein Augenlicht wieder voll und ganz zurückzugeben.

So vergingen die Stunden. Venere arbeitete, Cieco erholte sich. Er hatte wohl schon eine lange Reise hinter sich gebracht. Hin und wieder sprachen sie ein paar Worte miteinander, doch Meist handelte es sich um Nichtigkeiten. Solche Dinge, die das alltägliche Leben betrafen. Dabei wurde es Venere schmerzlich bewusst, dass Cieco alles hatte, was er sich nur wünschen konnte. Er würde bestimmt sofort gehen, wenn er ihr Äußeres zum ersten Mal richtig erblickte.

Schließlich brach die Nacht herein und Venere erhob sich von ihrer Arbeit und ging zu Cieco. „Signor, es ist jetzt Nacht. Ich würde Euch raten, Euch schlafen zu legen“, erklärte sie und rüttelte den jungen Mann leicht an der Schulter. Dieser nickte nur und gähnte kurz verschlafen. Er war wohl auf der Eckbank etwas eingedöst, bei diesem Gedanken schmunzelte Venere etwas.

Von einer Leine, die durch den Raum gespannt war, nahm sie ein dickes Schafsfell und legte es auf dem Boden aus. „Entschuldigt, Signor, aber mehr kann ich Euch leider nicht bieten“, erklärte sie nun beschämt und führte Cieco zu dem Fell. Allerdings störte sich der junge Medici nicht daran, sondern lächelte nur. Obwohl er wohl ein viel edleres Nachtlager gewöhnt war, legte er sich ohne zu murren nieder.

Sobald Venere sich sicher war, dass er schlief, verließ sie ihr Haus. Doch heute Nacht setzte sie sich nicht auf die Treppenstufen, sondern kniete sich auf den Boden. Die Augen geschlossen, die Hände gefaltet. „Oh, Morgenstern. Hilf mir! Ich flehe dich an! Schenke mir endlich Schönheit! Ich will nicht, dass Cieco mich wieder verlässt“, murmelte sie und legte danach kleinen Finger und Daumen der rechten Hand aneinander. „Morgenstern“, murmelte sie zum Abschluss noch einmal leise, ehe sie wieder die Augen öffnete.

„Ihr betet den Morgenstern an, Signora?“

Erschrocken zuckte Venere zusammen und drehte sich um. Dort auf der Treppe stand Cieco und sah zu ihr. Kurz schluckte sie, doch dann antwortete sie mit fester Stimme: „Ja, ich bete noch den Morgenstern an. Ich bin keine Christin, Signor Cieco.“ Allerdings kommentierte Cieco das nur mit einem Lächeln, was Venere doch verwirrte. Sie war es gewohnt, dass man daraufhin zu ihr meinte, dass der Teufel in ihr wohnen würde. Aber nichts dergleichen warf ihr der junge Medici vor.

Stattdessen trat er neben sie und kniete sich ebenfalls nieder. „Wofür betet Ihr denn gerade, Signora Venere?“ Nun stieg die Schamesröte in die entstellten Wangen der jungen Frau, doch dann murmelte sie: „Für Eure Genesung, Signor.“ Wieder lächelte Cieco und nickte kurz. Dann wandte er seinen Blick dem Morgenstern zu und legte genauso wie Venere zuvor kleinen Finger und Daumen der rechten Hand zusammen.

„Ihr verurteilt mich nicht für die alten Riten?“, fragte Venere zögerlich nach, nachdem sie diese Geste von Cieco gesehen hatte. Er schüttelte sofort den Kopf und erklärte: „Nein, das tue ich nicht. Ihr dürft an das glauben, was Euch am Meisten behagt. Ich kann niemandem vorschreiben, woran er glaubt, Venere.“ Etwas verwundert zog die Angesprochene ihre Augenbrauen nach oben, doch dann stahl sich ein Lächeln auf ihr so schrecklich entstelltes Gesicht.

Allerdings erhob sie sich nun und klopfte sich den Staub von ihrer Schürze. „Wir sollten wieder hineingehen. Es ist kalt. Sonst erkältet Ihr Euch noch, Signor Cieco“, erklärte sie und hielt Cieco eine Hand entgegen. Er nahm diese dankend an und zog sich daran hoch. „Und die Nacht geht schneller vorbei, wenn Ihr schlaft. Denn schon morgen früh wird der Sud fertig sein und Eure Augen heilen“, fügte Venere hinzu, dabei klang ihre Stimme fröhlich, doch sie hatte einen wehmütigen Gesichtsausdruck.

Schnell führte sie Cieco nach Drinnen. Als er sich wieder auf dem Schafsfell niedergelassen hatte, wollte sie sich bereist am Boden niederlegen. „Signora?! Ihr wollt doch nicht auf dem Boden schlafen!“, rief Cieco plötzlich entsetzt und hatte sich dabei wieder halb aufgerichtet. Kurz blickte Venere verwundert drein, doch dann entgegnete sie: „Doch, das habe ich vor. Ihr hab schließlich mein Fell, es ist mein einziges.“ „Dann schlaft Ihr bei mir! Aber ich kann es doch nicht zulassen, dass Ihr auf dem Boden schlaft!“, kam es sogleich von Cieco. Aber bei dieser Aussage lief Venere augenblicklich rot an.

„Ach, Signor, es geht schon so…“, murmelte sie verhalten und blickte dabei vor sich auf den Boden. Allerdings schüttelte der junge Medici energisch seinen Kopf. „Ihr schlaft bei mir, Signora! Ich bestehe darauf!“, forderte er auch zugleich in solch einem Befehlston, dass Venere verwundert aufblickte. Allerdings nickte sie dann nur schnell und rutschte zu Cieco. Dieser hatte sich inzwischen mit der Situation zufriedener wieder hingelegt.

Kurz seufzte Venere, ehe sie ihre Augen schloss. Wenige Minuten später war sie bereits in einen unruhigen Schlaf gefallen. Sie träumte davon, dass der Morgenstern endlich ihren Wunsch erfüllt hatte und sie sich ohne Bedenken in Cieco verlieben konnte. Aber noch während Venere träumte, wusste sie, dass das niemals wahr werden würde.
 

Am nächsten Morgen erwachte sie wegen einer Bewegung neben sich. Verschlafen öffnete Venere ihre Augen und blinzelte einige Male. Aber als sie feststellte, wie nahe sie an Cieco lag, setzte sich sofort erschrocken auf. Schnell stand sie auf und strich ihren Rock glatt. So wie es schien schlief er noch.

Nun wandte sie sich dem Sud zu und erkannte zufrieden, dass dieser fertig war. Kurz warf sie noch einen Blick zu dem schlafenden Cieco und schmunzelte dabei unwillkürlich. Doch nun beschloss sie, dass sie etwas zu frühstücken besorgen würde, so lange er noch schlief. Nur leider konnte Venere jetzt nicht mehr nach Draußen, ansonsten würde die Sonne sich sofort vor ihrem hässlichen Antlitz verbergen.

Also ging sie zu einem Schrank und holte einen Laib Brot heraus, der letzte den sie hatte. Von der Leine, die durch den Raum gespannt war, nahm sie ein paar Kräuter, um einen Tee zu kochen. Gerade als sie mit dem Tee fertig war, gähnte Cieco und richtete sich auf. „Guten Morgen, Signor. Habt Ihr gut geschlafen? Das Frühstück ist bereits fertig“, erklärte Venere auch sogleich, stand auf und drückte Cieco eine Tasse Tee in die Hand. Zuerst blickte er etwas verwundert drein, doch dann lächelte er und bedankte sich. Venere reichte ihm auch gleich von dem Brot und in Schweigen frühstückten sie.

„Signor?“ „Nenn mich doch einfach Cieco“, kam es daraufhin freundlich von dem jungen Medici. Etwas verwundert nickte Venere, doch dann erklärte sie ruhig: „Der Sud aus Augentrost ist fertig. Wenn Ihr mit frühstücken fertig seid, dann werde ich mit ein paar Tropfen davon Eure Augen benetzen und bis in ein paar Stunden sollten sie dann wieder geheilt sein.“

Zur Antwort nickte Cieco nur, doch dass dabei ein leicht trauriger Ausdruck auf seinem Gesicht lag, bemerkte Venere gar nicht weiter. Stattdessen war sie aufgestanden und zu dem Sud gegangen. Flink lief sie mit dem kleinen Kessel durch den Raum und setzte sich vor Cieco im Schneidersitz hin. Inzwischen hatte sie sich auch einen sauber geschnitzten Stock geholt und tauchte diesen in den Sud.

„Seit ihr soweit, Cieco?“ „Ja, ich bin soweit.“ Daraufhin nickte Venere und murmelte kurz leise einige Segensworte. Dann legte sie den kleinen Stock beiseite und berührte mit dem kleinen Finger den Daumen, dann nahm sie wieder das Stöckchen und wandte ihren Blick Cieco zu. „Legt bitte Euren Kopf in den Nacken. Dann geht es leichter“, erklärte sie ruhig und tauchte dabei die Spitze des Hölzchen in den Sud.

Daraufhin nickte Cieco und legte seinen Kopf gehorsam in den Nacken. Vorsichtig zog Venere das Stöckchen aus dem Sud, an dessen Spitze nun ein Tropfen der Flüssigkeit hing und hob es über das linke Auge Ciecos. Kurz darauf fiel das Tröpfchen herunter und traf sein Ziel. Diese Prozedur wiederholte Venere noch am Rechten Auge und dann legte sie das Stöckchen beiseite.

„Jetzt ruht Euch etwas aus und wartet die Heilung ab“, erklärte sie ruhig und machte sich daran den Kessel beiseite zu stellen. Wieder nickte Cieco nur und ließ sich auf das Schaffell zurück sinken. Nach kurzer Zeit döste der junge Medici bereits etwas, doch dabei hatte er die Augen noch geöffnet und beobachtete Venere, wie sie geschäftig durch den Raum lief, Sachen hin und her trug oder irgendetwas arbeitete.

Nach und nach besserte sich dabei Ciecos Sicht und ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Bald würde er endlich Veneres Gesicht nicht mehr verschwommen sehen und endlich ihr hübsches Antlitz sehen. Denn eine Frau mit so liebevollem Charakter musste einfach eine Augenweide sein!

Wenige Stunden später, als es bereits dämmerte, war sich Cieco sicher, dass seine Sicht wieder voll hergestellt war. „Venere? Venere! Ich kann wieder richtig sehen!“, rief er freudig und stand sofort auf, um zu Venere zu gehen. Allerdings zuckte diese nun erschrocken zusammen. Jetzt würde Cieco sehen, wie hässlich sie war. „Ähm, Signore Cieco, Ihr solltet Euch noch etwas ausruhen“, murmelte Venere hastig und hielt dabei Cieco ihren Rücken zugedreht.

„Ach, nein, Venere! Ich fühle mich prächtig! Aber so zeige mir doch einmal dein Gesicht“, meinte der junge Medici fröhlich und blieb direkt hinter ihr stehen. „Oh, das willst du nicht sehen, Cieco“, flüsterte Venere leise. Allerdings entgegnete er sofort: „Und ob ich das will! Ich will dein liebliches Antlitz jetzt schauen können.“ Nun seufzte sie schwer und erklärte: „Ich bin nicht schön… Ich bin hässlicher als jede Hexe. Die Pflanzen welken, die Kinder weinen und die Sonne versteckt sich vor mir.“ Das schien Cieco doch etwas zu verunsichern, allerdings forderte er ein weiteres Mal: „Das ist mir egal. Ich will dein Gesicht sehen, Venere!“

Kurz atmete sie tief durch und murmelte leise: „Du hast es nicht anders gewollt, Cieco.“ Nach diesen Worten drehte sich Venere um und blickte in Ciecos Gesicht. Dieser zog erschrocken die Luft ein und wich schnell einen Schritt zurück. „Ich sagte dir doch, dass ich hässlich bin“, flüsterte Venere leise und blickte jetzt zu Boden. „Du sollest gehen, Cieco. Du bist geheilt. Tu dir mein Antlitz nicht länger an.“

Doch es kam keine Antwort von Cieco.

Vorsichtig blickte Venere jetzt auf und sah, dass er immer noch an der gleichen Stelle stand wie zuvor. Nun wo sie ihn ansah, sagte er auch: „Nein, Venere. Ich bleibe hier.“ Völlig verwundert blickte sie ihn an, doch dann fragte sie skeptisch: „Ist das dein Ernst? Aber wieso nur willst du bleiben?“ „Ich habe bei dir noch eine Schuld zu begleichen, Venere. Du hast mich geheilt. Ich werde dir von nun an helfen.“
 

Dieses Versprechen hielt Cieco auch. Er arbeitete von da an hart und erlernte von Venere den Umgang mit Heilkräutern. So zogen die Wochen ins Land, aus den Wochen wurden Monate und bald war ein ganzes Jahr vergangen. Inzwischen hatte Venere den Entschluss gefasst, dass sie Cieco jetzt aus ihren Diensten entlassen würde. Viel länger würde sie seine Anwesenheit nicht aushalten. Aus der zarten Verliebtheit von damals war eine wirklich Liebe gewachsen. Doch Venere wusste, dass Cieco, selbst wenn er genauso fühlte, sie niemals zur Frau nehmen würde.

Den ganzen Tag versuchte sie, ihn darauf anzusprechen, aber jedes Mal winkte er ab. Anscheinend wollte er nicht gehen. Auf der einen Seite freute Venere diese Tatsache unheimlich, aber auf der anderen schmerzte es sie auch. Noch länger würde der Mann, den sie liebte, mit ihr zusammenleben ohne, dass sie ihm nahe sein konnte.

Als schließlich der Abend hereinbrach, legte sich Venere auf das Schafsfell. Dass Cieco noch nicht schlief wunderte sie zwar, aber sie suchte ihn auch nicht. Vielleicht war er noch im Dorf und sprach mit einigen Leuten. Schließlich konnte sie ihn nicht die ganze Zeit mit ihrer Anwesenheit bedrängen und im Gegensatz zu Venere hatte er auch die Möglichkeit sich mit Anderen zu unterhalten, ohne dass diese wegliefen.

So schlief sie ein, aber nach nur drei Stunden wachte sie auf, weil sie jemanden gehört hatte. Verwundert setzte sie sich auf, gähnte kurz und stand dann gänzlich auf. Schnell ging sie zu der Haustüre und blickte nach Draußen. Ziemlich überrascht sah sie vor dem Haus Cieco knien. Im fahlen Mondlicht konnte sie erkennen, dass er den kleinen Finger an den Daum gelegt hatte. Er betete also zu dem Morgenstern.

Leise schlich sie zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Verwundert blickte Cieco auf, doch plötzlich legte sich ein Lächeln auf seine Lippen. „Was ist?“, fragte Venere etwas verunsichert nach. Er hatte sie noch nie angelächelt, warum tat er es dann jetzt? Allerdings sagte Cieco nichts, sondern erhob sich stattdessen.

Selbst als er aufgestanden war lächelte er und schloss plötzlich Venere in seine Arme. „Du bist wunderschön, Venere…“, murmelte er leise. Völlig verwundert blickte sie auf, allerdings widersprach sie nicht. Stattdessen ließ sie sich von Cieco umarmen und sagte nichts weiter. Dennoch fragte sie sich, warum er plötzlich so etwas sagte. Sie konnte es sich einfach nicht erklären, aber im Moment wollte sie es auch gar nicht.

Währenddessen lächelte Cieco noch immer. Endlich konnte er Venere so sehen, wie sie war. Ihre Schönheit wurde nicht mehr von ihrem Äußeren getrübt. Nie wieder würde ihr Äußeres das für ihn trüben können, denn Cieco war blind geworden. Doch nun konnte er mit dem Herzen sehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  -Moonshine-
2010-03-09T09:26:21+00:00 09.03.2010 10:26
Wow, ich bin, gelinde gesagt, begeistert. Ich werte gerade den WB aus, und ich finde, du hast mit der Geschichte das Thema richtig gut getroffen. Die Idee ist toll. *_* Wie gesagt, ich bin begeistert. ^^
Trotzdem hab ich zwei Sachen zu bemängeln: Die Dialogformatierung fand ich etwas dürftig. Normalerweise müsste bei jedem Sprecherwechsel ein Zeilenumbrich folgen, also zB:
"Blabla", sagte Person A.
"Blablubb", erwiderte B daraufhin.
Andernfalls ist das immer etwas anstrengend und unübersichtlich.
Die zweite Sache ist ein Logikfehler (vielleicht): Wenn er blind ist und nichts sieht, wie kann er sich dann in der Hütte von Venere umsehen und die Bemerkung fallen lassen, dass sie so ärmlich lebt? O_o Das hat mich echt verwirrt.

Aber na gut. Ich mach mich dann weiter ans Auswerten. Bis dann. :
LG
Eli
Von:  Sereg
2009-12-30T14:06:09+00:00 30.12.2009 15:06
Aw~da ist sie ja*___*
Die Geschichte ist wirklich schön geworden:3
Vor allem der Schluss gefällt mir gut:3
Hattest recht gehabt. Er ist besser als die erste Version davon:3
Haste wirklich gut hinbekommen:3
*ranflauscht*

Du bist die Erste, die mir eine Geschichte widmet:3
Danke:3

lg Sereg


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