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Shin no yuri

Todeslilie
von

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Confession

Ich schlief schlecht in dieser Nacht. Immer wieder wachte ich auf, machte mir Gedanken über Sayuri. Dem entsprechend sah ich am Morgen dann auch aus. Als ich aufwachte schlief Sayuri noch, also schlich ich mich so leise wie möglich aus dem Zimmer und ging ins Bad um mich für die Schule fertig zu machen – wo ich dann einen kräftigen Schock bekam als ich mein Gesicht im Spiegel sah. Ich versuchte die Augenringe und all die anderen unschönen Überbleibsel meiner fast schlaflosen Nacht zu überschminken, aber das gelang mir nicht sonderlich gut. Als ich zumindest halbwegs zufrieden war, ging ich in die Küche und ass drei Stück Brot. Keine Ahnung warum ich plötzlich Lust hatte, etwas zu essen, hatte ich sonst nie am Morgen.

Auf dem Weg nach oben kam Sayuri mir im übergrossen T-Shirt meines Bruders entgegen, das ich gestern ausgeliehen hatte. Sie rieb sich die Augen und blieb dann stehen als sie mich sah.

„Danke dass ich hier übernachten durfte.“

„Schon okay. Willst du was essen?“

„N, nicht nötig! Ist schon in Ordnung!“, wehrte sie ab, aber ihr grummelnder Bauch verriet sie. Ihre Wangen wurden ganz leicht rot. Aber ich lachte nur und sagte: „Unten steht Brot, Marmelade und so 'n Zeug auf dem Tisch. Wenn du noch was brauchst, sollte alles im Kühlschrank sein. Bedien dich einfach!“

Ich lief an ihr vorbei, zurück in mein Zimmer um meine Schuluniform anzuziehen. Dabei fiel mir ein, dass Sayuri ja nicht den ganzen Tag in dem übergrossen Riesen-Hemd meines Bruders rum laufen konnte. Also legte ich ihr auch etwas raus. Einen warmen Pulli und eine Röhrenjeans. Dann ging ich runter und sagte ihr, sie solle sich oben umziehen. Sie antwortete nicht, ging nur aus der Küche. Ich wurde einfach nicht schlau aus ihr. Sie war so ganz anders als ich sie mir vorgestellt hatte. Und dennoch, ich spürte, dass ich sie genauso gern mochte, wie das Mädchen, mit der ich seit Jahren meine Geheimnisse teilte.

Draussen vor der Hintertür hörte ich die Stimmen meiner Eltern. Sie hatten gestern also dort übernachtet.

„Unfassbar! Dieses Mädchen! Hat einfach eine Wildfremde bei sich übernachten lassen. Es sei ihre Freundin, hat sie gesagt! Und ihre armen Eltern kannten dieses Mädchen noch nicht mal!!“

Das war meine Mutter. Und ich war es, die langsam begann, an Farbe zu verlieren. Wie konnte es sein, dass sie schon von Sayuri wussten?!

„Schatz, du hast jetzt die ganze Fahrt darüber gemeckert. Wir sollten froh sein, dass unsere Tochter so ein gutes Mädchen ist. Hisa würde so was nie tun!“ Also doch nicht ich. Aber es klang trotz allem nicht so, als ob sie begeistert davon wären, fänden sie heraus, dass ich genau das gleiche getan hatte.

„Stimmt. Du hast recht. Aber trotzdem...“

Ich drehte mich um und rief Sayuri so leise wie möglich zu. Ich erklärte ihr ganz kurz die Situation und dann zogen wir Mäntel und Schuhe an und verliessen das Haus in dem Moment, in dem meine Eltern es durch den Hintereingang betraten. Würden sie jetzt herausfinden, dass Sayuri hier übernachtet hatte, nachdem sie sich so über wen auch immer aufgeregt hatten, würden sie Sayuri vermutlich sogar auf die Strasse setzten.

Zuerst gingen wir in Richtung der Bushaltestelle, bis mir einfiel, dass ich sie schlecht in die Schule mitnehmen konnte. Und ich hatte sowieso meine Schultasche Zuhause liegen gelassen.

Ich blieb stehen, überlegte mir, wo wir hin sollten.

„Hisa!“ Jemand rief nach mir. Eine Hand legte sich auf meine Schultern noch bevor ich mich nach der Stimme umdrehen konnte.

„Zen!“ Er stand jetzt vor uns, lachte. Er lachte meistens.

„Gehst du nicht zur Schule?“, fragte ich. Ich hatte jetzt absolut keine Lust mit ihm zu reden.

Er überlegte einen Moment, sah mich an und antwortete dann: „Nein. Du auch nicht, oder?“ Er schien Sayuri gar nicht erst bemerkt zu haben.

„Nein, nicht wirklich!“

Ich wusste, dass er in mich verliebt war. Obwohl, begriffen hatte ich es nie ganz. Er war einer der beliebtesten Jungs an unserer Schule, er könnte wahrscheinlich jede haben.

„Wo wollt ihr hin?“ Er sprach endlich mit uns beiden.

„Keine Ahnung!“, sagte ich ehrlich und zuckte mit den Schultern.

„Dann, wollt ihr zu mir?“, fragte er unvermittelt. Er war immer so spontan und hatte die seltsamsten Ideen. In der Regel mochte ich solche Menschen nicht besonders, doch in diesem Fall kam es mir gerade recht. Es war hier draussen sowieso zu kalt für mich. Ich sollte nie zu lange in der Kälte sein. Das tat mir nicht gut. Einmal bin ich sogar schon kollabiert deswegen.

Auf dem Weg zu Zen sprach er mich plötzlich auf Sayuri an: „Willst du mir nicht deine hübsche Begleiterin vorstellen?“ Jetzt schleimte er auch noch. Ich hatte ihn nie gut gekannt, aber jetzt wurde er mir echt unsympathisch. Ich hasste es wenn Leute anfingen zu schleimen.

„Sayuri, Zen. Zen, Sayuri.“, sagte ich einfach. Er streckte ihr seine Hand entgegen und ging einen Schritt auf sie zu. Ich wollte irgendwas sagen, damit Sayuri ihn nicht berühren musste, aber da stand sie schon vor mir und schüttelte ihm lächelnd die Hand. Ich starrte sie perplex an. Was war denn das? Was sollte das? Sie hatte mir doch gesagt, sie hätte Angst vor Berührungen. Hatte sie mich etwa angelogen? Aber nein, diese Angst in ihren Augen, als ich sie gestern berühren wollte, konnte nicht gespielt gewesen sein. Sie war echt gewesen, da war ich mir sicher. Ich wollte sie danach fragen, aber vor Zen konnte ich das unmöglich tun. Ich musste warten, bis wir allein waren.

Zen hatte ein grosses Haus, viel grösser als unseres, und wunderschön. Er war wahrscheinlich gar keine so schlechte Partie, gut aussehen, wohlhabend und das alles. Es gab sicher viele Frauen, die sich ihre Männer danach aussuchten.

Zen brachte uns in Wohnzimmer und ging dann in die Küche um etwas zu Trinken zu holen.

Ich wollte Sayuri gerade auf ihre 'Lüge' ansprechen, als jemand überrascht fragte: „Wer seid ihr denn?“

Hinter mir stand eine bildschöne Frau, vielleicht drei, vier Jahre älter als ich.

„Ich ... bin Hisa.“, antwortete ich ihr, „Eine Schulfreundin von Zen. Und das ist Sayuri, meine beste Freundin.“

„Hisa also, hu... Ich bin Zens Schwester.“ Sie schien einen Moment zu überlegen, sagte dann: „Zen braucht bestimmt Hilfe in der Küche. Er ist nicht wirklich sehr geschickt mit solchen Dingen. Geh ihm doch mal ein bisschen zur Hand, ja? Ach, und richte ihm bitte aus, dass ihm nicht mehr als das helfen kann. Und dass er sich gefälligst Mühe geben soll!“

„Klar!“ Ich stand auf und ging aus dem Raum. Ich musste nicht lange nach der Küche suchen, sie war beinahe gegen über.

Zen war erstaunt, mich zu sehen, bedankte sich aber, dass ich ihm helfen wollte. Als ich ihm ausrichtete, was seine Schwester gesagt hatte, seufzte er, und fuhr sich mit der einen Hand durch die Haare. Ich verstand ganz und gar nicht, was das, was seine Schwester gesagt hatte, zu bedeuten hatte, und seine Reaktion erst recht nicht.

Er murmelte irgendwas und richtete dann seinen Blick auf mich.

„Ich sag es dir jetzt einfach: Ich liebe dich und ich-“

Den Rest hörte ich nicht mehr. Ich rannte ins Wohnzimmer, schnappte mir, ungeachtete ihrer – wenn überhaupt vorhandenen – Angst vor Berührungen, Sayuris Hand und wollte aus dem Haus laufen. Aber ich konnte mich plötzlich nicht mehr bewegen. Und Schmerz fuhr mir durch alle Glieder. Beim Herzen war es am schlimmsten. Ich wollte schreien, so heftig war es, aber es ging nicht. Aus meiner Kehle kam noch nicht mal ein Röcheln. Stattdessen wurde mir einen kurzen Moment lang schwarz vor Augen. So kurz nur, dass ich noch nicht mal Zeit hatte darauf zu reagieren. Und als ich wieder sehen konnte, war auch der Schmerz vorbei. Sayuri hatte ihre Hand aus meiner gerissen.

Ich rannte zum Ausgang, Sayuri folgte mir. Aber ich berührte sie nicht wieder.

Hinter mir hörte ich Zens Schwester nach mir rufen. Ich ignorierte sie, rannte weiter. So lange, bis Sayuri völlig ausser Atem rief: „Bitte! .... warte, ich .... kann ... nicht mehr!“

Ich blieb stehen, sah mich nach ihr um. Sie stand einige Meter hinter mir, vorn über gebeugt auf die Knie gestützt, und atmete lautstark ein und aus.

„Tut mir Leid!“, entschuldigte ich mich.

„Schon gut!“ Sie lächelte „Aber weswegen bist du denn plötzlich so durchgedreht?“

Was soll's, ihr konnte ich es ja erzählen. „Also-“

„Was tust du denn hier?“

Irgendwie war ich froh, die Stimme meines Bruders zu hören. Was wahrscheinlich eine Prämiere war. Wir erweckten nach aussen hin schnell den Eindruck wie typische streitende Geschwister. Wir zankten uns oft, diskutierten über die kleinsten Dinge und stritten über alles, über das es sich streiten lässt. Vorwiegend beklagte ich mich darüber, dass er ständig neue Freundinnen hatte und ich wegen ihm auf der Strasse immer als 'die kleine Schwester des untreuen Vollidioten Shin' erkannt wurde. Aber eigentlich war ich nur eifersüchtig, dass ihm jemand näher war als ich. Und ich glaubte, er wusste das auch. Allgemein war bekannt, dass mein Bruder einen ziemlich miserablen und verdorbenen Charakter hatte, aber er versuchte immer, unter all den Streitereien, mir zu helfen so gut es ging. Einmal, als ich noch in der Grundschule war, hatte er einen Jungen aus meiner Klasse ziemlich schlimm verprügelt, weil er mich geärgert und bei allen schlecht gemacht hatte. Er hat bis heute nie was dazu gesagt. Nur mir hat er immer versichert, dass das absolut nichts mit mir zu tun gehabt hatte. Klar, es ist keine Meisterleistung einen beinahe zehn Jahre jüngeren Jungen zu verprügeln und sicher auch nichts lobenswertes. Aber auch mein Bruder war damals noch lange nicht allwissend und er wusste nicht, wie er mir anders helfen konnte. Und ich war ihm auch wirklich dankbar, dass er mir hatte helfen wollen. Ich fand es einfach nur süss.

„Shin!“, rief ich aus.

„Wer ist denn die Schönheit neben dir?“, fragte er und sah an mir vorbei zu Sayuri. Kannte man ihn nicht, könnte man meinen, er würde schleimen, aber ich war sicher, dass er das vollkommen ernst gemeint hatte.

„Ich werde es dir erklären, also ich-“

„Steigt ein!“, befahl er und öffnete die Beifahrertür seines neuen Autos. Allerdings nicht ohne uns vorher vor dem zu warnen, was passieren würde, wäre das Auto später in einem anderen Zustand als es jetzt war. Er liebte sein neues Auto. Vor drei Monaten hatte er es secondhand gekauft mit dem Geld, das er sich über Monate angespart hatte. Ich selbst durfte nur selten darin fahren und seine schnellen Beziehungen schon gar nicht.

„Also kurz gesagt hast du Angst, dass Mum und Dad mitbekommen, dass du ein Mädchen, das sie nicht kennen, bei dir hast übernachten lassen, ohne dass sie davon wussten.“, fasste er meine Geschichte zusammen.

Als ich bestätigend nickte, schob er seine immer vorhandene Sonnenbrille nach oben und lachte lauthals.

„Was?“, fragte ich beleidigt.

„Also erstens“, er hatte Mühe zu sprechen während er noch lachte, „hab' ich schon tausend mal so was gemacht. Und zweitens hättest du doch einfach wieder zurück ins Haus spazieren können und sagen, dass Sayuri eine Weile bleiben wird, ganz einfach! Du hättest sogar noch sagen können, du hättest frei, damit sie sich nicht gefragt hätten wo du so früh mit ihr her kommst.“

„Oh!“, machte ich überrascht. An so was hatte ich noch überhaupt nicht gedacht.

„Jetzt ist es aber zu spät.“, fuhr er fort, „Ihr müsst warten, bis die Schule zu Ende ist und dann zurück gehen.“

„Und was sollen wir so lange tun?“

Mein Bruder seufzte nur wendete den Wagen und sagte dann: „Mädchensachen halt. Shopping, Kino oder so was! Ich fahr euch ins einfach ins Einkaufszentrum und lade euch dort ab.“

„Danke Bruderherz!“, sagte ich und küsste ihn überschwänglich auf die Wange.

„Hey, lass das!“, motzte er. Er tat immer so, als würde ich ihn nerven und er mich nicht mögen. Aber ich wusste, dass er die ganze Zeit auf mich aufpasste.



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