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Einer ist noch übrig

Trunks & C17
von

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Kapitel 3
 

Die Stunden zogen ihre machtvollen Kreise über die Welt, es dämmerte bereits der Morgen, doch für mich war nicht an Schlaf zu denken. Krampfhaft hielt ich mit beiden Händen die Bettdecke an meinen Körper gepresst, während ich am Kopfende kauerte, die Beine nahe am Körper, die Augen fassungslos auf die Schatten gerichtet, die von den großen Bäumen im Garten durch das Fenster geworfen und vom Wind spielerisch bewegt wurden. Für mich sahen diese Schattenspiele wie Trunks aus, der sich über mich beugte und mich weiter niederzwang.

Was dachte er sich dabei? Was sollte dieser Überfall? Was für eine Grenze hatte er da nur überschritten? Wie hatte er es geschafft, binnen eines winzigen Augenblicks alles Vertrauen zu ihm aus mir heraus zu saugen?

Natürlich wusste ich, was Trunks wollte. Ich war ein Cyborg, aber ich war auch mal ein normaler Mensch gewesen. Ich wusste was Sex ist! Aber warum, zur Hölle, wollte er Sex mit mir? Ich hatte niemals in Betracht gezogen, dass Trunks schwul war. An so etwas hätte ich noch gar nicht denken können, selbst wenn mein Interesse an ihm die Gefühle einer Freundschaft übertrafen. Ich hatte ja nicht einmal die Chance dazu heraus zu finden, ob ich vielleicht mehr für ihn empfand. Dachte er, es wäre ein Liebesgeständnis, als ich ihm sagte, dass ich hier bleiben wolle?

Vielleicht war der Kuss auch nur eine Kurzschlussreaktion gewesen. Ein Austesten wie weit er gehen durfte. Aber für so falsch hielt ich Trunks selbst jetzt nicht. Das passte nicht zu ihm.

Zögernd hob ich die Decke an und blickte an mir hinab. Meine Erregung war endlich abgeklungen, aber es hatte lange, sehr lange gedauert, bis ich meine erste Erektion seit Jahren wieder losgeworden war. Die Gedanken an Trunks’ Tat machten es mir nicht gerade einfacher, doch ich wagte es nicht mich zu berühren. Ich hatte Angst davor die Lust nicht bremsen zu können. Hatte Angst davor, dass ich keine wirkliche Befriedigung darin finden und nur einen letzten Ausweg sehen würde. Zu ihm zurück zu gehen…

Entsetzt schüttelte ich den Kopf.

„Du verdammter Idiot!“, schimpfte ich im Stillen verzweifelt und schlug mit der Faust auf das Bett, rieb mir mit beiden Händen durch das Gesicht. Mein Körper war so unsagbar müde, aber mein Geist weigerte sich schlicht Ruhe zu geben.

Was würde passieren, wenn wir uns beim Frühstück gegenüber stehen würden?

Der Gedanke an den Morgen ließ mein Herz einen Moment aussetzen. Am besten blieb ich hier und holte mir mein Essen, sobald ich sicher sein konnte, dass Trunks nicht in der Küche sein würde. Es war nicht allzu schwer ihn zu orten. Es würde mir schon gelingen ihm aus dem Weg zu gehen.
 

Als es an der Tür klopfte, fuhr ich erschrocken hoch. Ich musste irgendwann doch eingeschlafen sein. Ein Blick auf den Wecker an meiner Seite verriet mir, dass ich zum 9:00 Uhr Frühstück zu spät kam.

„C 17?“, hörte ich Bulmas Stimme vom Flur aus.

Ich setzte mich erschöpft an die Bettkante. „Komm rein“, erwiderte ich leise.

Bulma öffnete die Tür. „Ist mit dir alles in Ordnung? Ich habe dich beim Frühstück vermisst.“, als sie näher an mich herantrat, musterte sie mich misstrauisch, „Mein Gott, hast du überhaupt geschlafen?“

„Ein bisschen, glaube ich“, kam die müde Antwort.

Bulma tastete nach meiner Stirn. „Wenn ich das mal so sagen darf, du siehst beschissen aus.“

„Danke. Sehr freundlich.“

„Wollen wir ins Labor um das mal durchzuchecken? Vielleicht brütest du etwas aus.“

„Eine Krankheit?“, fragte ich verwirrt, „Glaubst du das im Ernst?“

Bulma zuckte die Schultern. „Ich befürchte, das ist nicht auszuschließen.“

Ich hätte ihr sagen können, warum ich nicht geschlafen hatte, doch ich wagte es nicht. Mal ehrlich, Trunks war ihr Sohn. Ich konnte ihr doch nicht sagen, dass er fast versucht hatte mich zu vergewaltigen.

Bulma wandte sich zum Gehen um. „Ich werde schon mal vorgehen und alles vorbereiten. Du kommst gleich nach, ja?“

„Okay“, kam die leise Erwiderung und Bulma zog die Tür hinter sich zu.

Mühselig kämpfte ich mich auf die Beine und ging in mein kleines Badezimmer. Der Blick in den Spiegel verriet mir, dass Bulma mit ihrer Aussage über mein Äußeres noch milde untertrieben hatte. Ich sah so grauenvoll bleich aus wie ein Toter, mit dunklen Schatten unter den kleinen Augen. Ich rieb mir grob über die Wange um etwas Farbe hinein zu zwingen, musste aber feststellen, dass der Erfolg ausblieb. Bulmas letzte Untersuchung lag nun auch schon fast zwei Monate zurück, vielleicht war ich ja tatsächlich krank.

Mein Spiegelbild gab ein grunzendes Geräusch und eine schräge Grimasse von sich. Wen wollte ich eigentlich belügen, außer mich selbst? Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass es jemandem gelänge meine Gefühle so durcheinander zu werfen. Und sich dessen bewusst zu werden, war nahezu unmöglich, wenn man Jahrelang hinweg so sensibel wie ein Stein gewesen war.

Seufzend drehte ich mich um, und verließ mein Zimmer um ebenfalls den Weg ins Labor einzuschlagen.
 

Bulma deutete mir auf der Liege neben dem Hauptrechner Platz zu nehmen und das Shirt auszuziehen. An meiner Brust, meinem Kopf und den oberen drei Nackenwirbeln brachte sie einige Elektroden an und setzte sich dann wieder an ihren Schreibtisch um die Werte vom Bildschirm abzulesen.

Während ich da saß und sie arbeiten ließ, bemerkte ich, dass ich Trunks’ Aura nicht fühlen konnte.

„Wo ist Trunks?“, fragte ich, ohne mir darüber im Klaren zu sein, was nur sein Name als Wort auf meiner Zunge hinterließ. Ein intensives Kribbeln, das sich nach und nach über den gesamten Körper ausbreitete und mich erschauern ließ.

„Oh. Hat er dir gestern Abend nicht erzählt, dass er heute früh in die Vergangenheit reisen wollte? Er ist bereits los.“, murmelte Bulma etwas abwesend und ohne sich zu mir umzudrehen.

„Was?“, ich starrte ihren Rücken an, „In die Vergangenheit? Warum?“

„Er nimmt an einem Turnier teil. Fast alle unsere Freunde werden teilnehmen und es ist ein großes Preisgeld zu gewinnen. Das lockt ihn nicht wirklich, es ist eher die Möglichkeit mit den Anderen Freundschaftskämpfe auszufechten und sich zu messen. Ich glaube, er ist einen Monat vor dem Turnier gelandet um noch etwas Zeit mit ihnen zu verbringen. Außerdem hat er versprochen mir einige Unterlagen mitzubringen, die in dieser Zeit durch einen schweren Brand in unserer Hauptzentrale zerstört wurden.“ Nun warf sie doch kurz einen Blick über ihre Schulter und grinste. „Es hat schon seine Vorzüge, wenn man eine Zeitmaschine hat.“

Ich erwiderte nichts daraufhin, starrte nur zu Boden.

Trunks war in der Vergangenheit… er würde seinen Vater und seine Freunde wieder sehen.

Langsam registrierte ich, dass der Rechner begann zu piepen.

„C 17? Ist etwas nicht in Ordnung? Deine Hirnströme schlagen ja völlig aus.“, bemerkte Bulma erstaunt und warf einen Blick auf die Papierschlange, die der Drucker permanent auswarf.

Ich wollte schon erwidern, dass nichts sei, dann begann ich doch geschlagen die Elektroden von meinem Körper zu lösen.

Verwundert wandte Bulma sich zu mir um.

„Es sieht so aus, als hätte ich ein neues Gefühlsstadium erreicht.“, murmelte ich, nachdem ich schwer eingeatmet hatte, um die nötige Kraft zu tanken.

„Von welche Gefühl sprichst du?“, wollte Bulma neugierig wissen.

„Neid.“

Bulma blieb einen Moment benommen sitzen, dann schien sie es zu begreifen und lächelte.

„Du würdest C 18 gern sehen, nicht wahr?“

Ich nickte, ohne den Blick der Wissenschaftlerin zu erwidern.

Bulma stand nun auf, kam zu mir herüber und hockte sich vor mich, damit ich sie ansah.

„Ich würde die anderen auch sehr gern sehen. Aber jedes Mal, wenn jemand aus einer falschen Zeit dort auftaucht, ändert sich die Geschichte rapide. Und wie Trunks bereits feststellen musste, nicht immer zum Vorteil. Es stimmt zwar, dass er diejenigen wieder sehen kann, die wir hier verloren haben, aber nichtsdestotrotz ist seine Zeit hier. Bei uns.“

Bulma blinzelte mich liebevoll an und tätschelte mein Knie.

„Hast du keine Angst, dass er irgendwann einfach nicht mehr wiederkommt?“, hörte ich mich kaum merklich flüstern.

Bulma schüttelte entschieden den Kopf. „Selbst wenn er sich bei meinem jüngeren Ich sehr wohl fühlt und alles haben kann, was er sich erträumt, weiß er, dass er in jener Zeit eben erst ein Baby ist. Was glaubst du, wie der Gegenwarts-Trunks reagieren würde, wenn er älter wird und sein Zukunftsbild realisiert? Eigentlich hätte niemand erfahren dürfen, wer er ist, als er das erste Mal zu ihnen kam. All ihre Einstellungen haben sich geändert.“ Sie richtete sich langsam wieder auf und streckte sich ausgiebig. „Ich sehe es schon vor mir, wie ich mein Baby versuche so zu erziehen, dass auch ja dieser junge, hübsche Mann dabei herauskommt. Dabei wird das völlig unmöglich sein, denn schließlich wird dieser Trunks ganz anders aufwachsen. Er hat Vater und Mutter…Son-Gohan lebt noch…vielleicht bekommt er noch Geschwister… Nein, ich bin mir ziemlich sicher, dass der Trunks aus der Vergangenheit unserem Trunks nicht sehr ähnlich sein wird…“

Während Bulma sich daran machte die Elektroden wieder wegzuräumen, saß ich weiterhin nachdenklich auf der Liege, mein Shirt auf meinem Schoß liegend, ohne daran zu denken es anzuziehen.

Unwiderruflich schossen Bilder durch meinen Kopf. Ich konnte mich an die vereinzelten Kämpfer erinnern, auch wenn der Tod der meisten schon über fünfzehn Jahre her war. Meine Erinnerung wurde noch durch die wenigen Bilder aufgefrischt, die Bulma im Haus hatte. Bilder von der Son- Familie und Kuririn. Es gab auch ein Bild Vegeta und dem Namekianer Piccolo. Die meisten Bilder gab es jedoch von Trunks und Gohan. Das waren die Bilder, die ich am wenigsten ertrug, denn Gohans Tod hatte Trunks am schlimmsten getroffen, schließlich war er noch zu klein um sich an die anderen Kämpfer zu erinnern, doch Gohan war neben Bulma alles gewesen was er noch hatte.

Mein Magen verkrampfte sich so sehr, dass mir schlecht wurde.

„Ich frage mich noch immer, wie Trunks es geschafft hat deinen Chip zu zerstören“, murmelte Bulma plötzlich und riss mich so aus meinem Albtraum aus Selbsthass, „Es sind immer noch so viele Fragen unbeantwortet…auch wenn Dr. Gero ein Monster war, aber in seiner Arbeit war er ein wahres Genie. Mit diesem Wissen hätte er die Welt revolutionieren, Krankheiten heilen können“, sie seufzte, „Ich wünschte, du würdest den Schlüssel zu deinem Geheimnis kennen. Ich wünschte, ich könnte verstehen, was das besondere an dir ist.“

„Ja, das wüsste ich auch gern…“, erwiderte ich ganz leise.

„Macht es dir etwas aus, wenn wir ein bisschen weiter suchen?“, fragte Bulma hoffnungsvoll, „Die Entdeckung deiner künstlich gezüchteten Leber hat mich nachdenklich gemacht und es stellt sich noch immer die Frage, ob du zeugungsfähig bist.“

„Ehrlich gesagt weiß nicht warum das von Bedeutung ist, aber wenn es nun mal der Forschung und Menschheit gilt…“, ich zuckte die Schultern und gab somit mein Einverständnis.

„Das könnte vielleicht die Lösung vieler Paare werden, die keine Kinder kriegen können“, erwiderte Bulma optimistisch, „Du sagtest, dass C 18 jahrelang keine Regelblutung hatte und doch bekommt sie schließlich ein Kind. Das ist doch eine fantastische Wendung.“

„Natürlich, aber das hat doch nicht zwangsläufig etwas damit zu tun, dass sie ein Cyborg wurde“, entgegnete ich mit hochroten Kopf, denn solche Themen mochte ich nun wirklich nicht, sie berührten mich immer peinlich.

Doch Bulma setzte einen Blick auf, der keine Widersprüche duldete und begann dann wieder zu schmunzeln. „Also! Wie läuft es denn bei dir?“

Verwirrt blinzelte ich ihr entgegen. Ich verstand kein Wort.

„Na, mit den Trieben“, half sie mir auf die Sprünge, „Verspürst du die Lust dich fortzupflanzen?“

Augenblicklich schoss mir soviel Blut in den Kopf, dass ich Angst hatte, er würde gleich platzen. Das Blut rauschte unaufhaltsam in den Ohren und würde ich nicht bereits sitzen, hätte ich das eilig machen müssen, um nicht ohnmächtig zu werden.

Sie erwartete doch nicht wirklich eine Antwort von mir, oder?

Doch ihre durchdringenden Augen sagten etwas anderes.

„Bitte?!“, keuchte ich.

„Herrje, C 17. Jetzt reg dich nicht auf wie ein kleines Kind, wir sind doch erwachsen und selbst wenn du es hier noch nicht getan haben solltest, glaube ich dir nicht, dass du vor deiner Zeit als Cyborg noch nie selbst Hand angelegt hast“, fiel es rasend schnell aus ihrem vorlauten Mund und ich verbarg verschämt das Gesicht in meinen Händen. Das war doch jetzt echt nicht wahr! Ich saß da und plauderte mit meiner Gastgeberin über meine Manneskraft… Mir wurde sofort wieder schlecht.
 

Mit fassungsloser Miene hockte ich in meinem Zimmer auf dem Bett und starrte den kleinen Plastikbecher an, der auf meinem Nachttisch stand. Bulma hatte mich doch tatsächlich darum gebeten ihr eine Spermaprobe zu überlassen. Sie hatte mir den Becher in die Hand gedrückt und gesagt: „Sag mir bitte auch, ob du Schwierigkeiten hattest. Vielleicht Erektionsstörungen oder ob dein kleiner, süßer Kopf es nicht gutheißen konnte und es deshalb nichts zustande kam.“

Ich hatte heftiger geantwortet, als ich mir selbst zugetraut hatte.

„Ich wichse doch nicht in den Becher, verdammt!“

Worauf Bulma nur lauthals losgelacht hatte. „Wie kann man sich nur so anstellen? Masturbieren ist das normalste der Welt. Außerdem bin ich deine Ärztin und ich muss wissen, ob du gesund bist.“ Sie hatte herausfordernd das Kinn vorgestreckt. „Oder willst du auf direktem Wege versuchen jemanden zu schwängern um zu wissen, ob du zeugungsfähig bist? Such dir eine Frau aus, die Erstbeste, die es mit dir versuchen will…oder soll ich es mit dir machen…?“

Kaum hatte sie diesen Satz gesagt, hatte ich ihr den Becher auch schon aus der Hand gerissen und flüchtete aus dem Labor.

Wimmernd presste ich beide Hände an die Ohren, als könne ich somit ihre Stimme dadurch abschirmen. Allein der Gedanke daran, wie sich Bulma anbot, versetzte mich in einen solchen Schockzustand, dass ich mir fröstelnd die Arme rieb. Natürlich war sie hübsch und für ihr Alter wirklich attraktiv, aber… Herrje, es war nun mal Bulma und ich wollte mir einfach nicht einmal vorstellen mit Bulma ins Bett zu gehen.

Sich zwanghaft selbst zu befriedigen ist doch wirklich absurd und gegen die Natur der Sache, wie ich fand. Andererseits hatte ich das Gefühl es Bulma schuldig zu sein, denn schließlich hatte sie mir das Leben gerettet und mir ein neues Zuhause geschenkt. Sie verlangte nichts Unmögliches von mir…lediglich etwas Peinliches. Bei der Vorstellung wie ich Bulma den benutzten Becher überreiche, liefen meine Wangen gleich wieder rot an.

Schnaufend ließ ich mich nach hinten fallen und starrte an die Decke.

Es war nichts dabei, redete ich mir selbst ein. Und eigentlich war es doch wirklich interessant, ob ich noch im Stande war Kinder in die Welt zu setzen, selbst, wenn ich mir nicht vorstellen konnte jemals eine Familie zu gründen. Und es war ja auch nicht ausgeschlossen, dass im Laufe der Zeit einer der Kämpfe dafür gesorgt hatte, dass es mit dem Kinderwunsch ein und allemal vorbei war, ich hatte mich ja nie darum geschert.

Ich ließ meine Gedanken treiben, schloss langsam die Augen und ging mit den Händen auf Wanderschaft, öffnete zögerlich meine Jeans.
 

Bulma deckte gerade den Tisch für das Abendessen, als ich zu ihr in die Küche kam.

„Ah, du kommst genau richtig“, sagte sie gutgelaunt und wies mit dem Finger zum Herd, „Probier mal schnell und sag mir, ob noch was fehlt.“ Sie stellte die beiden Teller für uns an die vorgesehenen Plätze.

Ich schlurfte brav zum Herd herüber, nahm einen Löffel aus der Schublade und probierte die rotbraune Sauce. Ich wusste vorher, dass sie unsagbar scharf war, Bulma liebte scharfes Essen und mein Instinkt trog mich nicht. Die Hitze schoss mir durch den Rachen, meine Geschmackknospen auf der Zunge schienen augenblicklich verätzt worden zu sein, doch ich mühte mich dazu ab nur kurz aufzuhusten.

„Und?“, fragte Bulma neugierig.

„Lecker“, log ich, ohne eine Miene zu verziehen. Ich würde ihr in allem zustimmen, nur in der Hoffnung, dass sie über ihre Erfolge vielleicht meinen Auftrag vergessen würde. Jeder weitere Tag Aufschub, den ich bekommen würde, machte mich ruhiger. Hoffnungslos glaubte ich, mir erst genau überlegen zu müssen was ich Bulma sagen würde.

Ich stellte ihr die Töpfe auf den Tisch und Bulma goss uns Wein ein. Einen besonders Teuren, den sie vor einer Weile von einem Kunden geschenkt bekommen hatte.

Verwundert musterte ich mein Glas Rotwein und betrachtete dann Bulma, die fröhlich summend begann meinen Teller zu füllen. Ich setzte mich auf meinen Platz und wartete bis Bulma sich auch aufgetan hatte und dann das Glas in die Hand nahm, um mir zu zuzuprosten.

„Was feiern wir?“, fragte ich mit einer Spur Skepsis in der Stimme, während ich ebenfalls mein Glas nahm.

„Deine Beförderung“, erwiderte sie zufrieden, stieß sanft ihr Glas an meines und nippte dann daran.

Ich hielt in jeglicher Bewegung inne. „…meine was?“

„Deine Beförderung“, wiederholte Bulma breit lächelnd, „Und deinen Einzug in dein neues Leben.“

Verwirrt blinzelte ich meine Gastgeberin an. „Mein…mein neues Leben? Bulma…das ergibt nicht wirklich Sinn…Und wieso Beförderung? Ich arbeite doch gar nicht.“

„Tust du nicht?“, stellte sie die überraschte, wie belustigte Gegenfrage, „Was hast du denn dann die letzten zehn Monate in meinem Labor getan?“ Genüsslich führte sie sich ein Stück Rindersteak zum Mund und stöhnte wohlwollend. „Mhh…das ist fantastisch…“

Ich hielt noch immer mein Glas in der Hand, stellte es nun aber ab und neigte mich etwas weiter vor um Bulma ernst zu mustern.

„Hättest du bitte endlich die Güte dich zu erklären?“

Bulma kaute ihren Bissen zu Ende, ehe sie gelassen antwortete: „Wir haben es nie offiziell gemacht, das stimmt wohl, aber wenn man es genau nimmt, hast du, seitdem du hier wohnst, für die Capsule Corporation gearbeitet. Du warst ein Mitarbeiter, auch wenn dich keiner der anderen Angestellten zu Gesicht bekam, sondern nur dein Boss. Du hast quasi dafür gearbeitet hier wohnen zu können und ab sofort, werde ich dich zusätzlich für deine Arbeit entlohnen, weil du mir eine größere Hilfe bist, als ich es vorher auch nur hätte erahnen können.“

Und wieder war ich völlig sprachlos, starrte Bulma nur mit offenem Mund an. Sie hingegen schien äußerst zufrieden mit sich zu sein.

„Überraschung geglückt, wie ich sehe. Und? Nimmst du deine Beförderung an? Natürlich werden wir den Arbeitsvertrag noch zusammen ausarbeiten, aber dann steht deinem Leben wirklich nichts mehr im Wege. Du hast dann ein festes Einkommen und kannst dir etwas Eigenes schaffen und gehen wohin du möchtest.“

Langsam, Stück für Stück realisierte ich endlich was Bulma mir damit eigentlich sagen wollte. Mit diesem Angebot machte sie mich zu einem festen Bestandteil dieser Gesellschaft und erlaubte mir nach all der langen Zeit die Capsule Corp. zu verlassen und wie ein ganz normaler Mensch zu leben. So unsinnig es auch klingen mochte, denn ich habe mich niemals wie ein Gefangener gefühlt, aber nun war ich wirklich frei.

Ich war frei…

Ein Stuhl wurde zurückgeschoben und mit einem Mal stand Bulma an meiner Seite, zog mich an sich heran und drückte mich fürsorglich an sich.

„Na na, du kleine Heulsuse“, flüsterte sie mir sanft zu, während ich mein Gesicht an ihre Schulter presste und meiner Erleichterung und Fassungslosigkeit freien Lauf ließ.

Ich benötigte mehrere Anläufe, ehe ich diese paar Worte endlich herausbrachte.

„Ich bleibe hier…ich…möchte hier bleiben… ich will nicht weg…“

„Natürlich musst du nicht weg, C 17. Du bist doch ein Teil der Familie…“

Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte und wir unser Abendessen in vollen Zügen genießen konnten, plauderten wir munter darüber, was ich mit meinen neuen Möglichkeiten alles anstellen könnte. Bulma bat mich sie hin und wieder auf Messen oder Partnertreffen als ihr Assistent zu begleiten. Ich sollte auch darüber nachdenken vielleicht eine eigene kleine Serie eines Roboters zu entwickeln. Das Thema nahm mich so sehr mit, dass ich nicht einen einzigen Gedanken an andere Dinge des Lebens vergeudete, sodass ich weder an Trunks, noch an meine Vergangenheit dachte und einfach die Freuden des Menschseins genoss.

Bis zu dem Moment, indem Bulma die alles vernichtenden Frage stellte. Während sie ihr Glas noch einmal auffüllte, hörte ich plötzlich: „Und? Der Becher schon voll?“

Ich spuckte den Schluck Rotwein, den ich gerade zu mir genommen hatte, entsetzt ins Glas zurück.

Bulma hatte ihr Kinn auf ihre Hand gestützt und grinste mich neugierig an. Zeitschindend wischte ich mir den Mund mit meiner Serviette ab und wich Bulmas Blick aus.

„Lass den Affentanz und sag es einfach“, bohrte sie nach, was mich nur noch weiter auf meinen Stuhl zusammen sinken ließ.

„…nein…ich konnte nicht…“, nuschelte ich kaum verständlich in mich hinein.

„Also hast du es versucht.“

„Ja, verdammt!“, knurrte ich gereizt, „Ich habe es versucht, aber…es ging eben nicht…“

„Fehlte dir die richtige Inspiration?“

Mein Blick flog völlig automatisch zu Bulma zurück, die mich nun vollkommen ernst und gelassen musterte.

„K-kann sein… was weiß ich… vielleicht hast du mich damit auch einfach zu sehr unter Druck gesetzt…“

„Ja, gut möglich“, lenkte sie nachdenklich ein, schwenkte ihr Weinglas und seufzte, „Na ja, das wird sich schon geben. Wenn du dich an den Gedanken erstmal wieder gewöhnt hast, wird es schon von ganz allein klappen. Lass den Becher einfach an deinem Bett stehen.“

Diese Frau war wirklich nicht zu fassen…
 


 

Es war ein seltsames Gefühl meine leichte Jeansjacke und ein paar Turnschuhe anzuziehen. Das Haar band ich mir im Flur vor dem Spiegel sterbendlangsam zusammen und setzte mir die Sonnenbrille auf. In diesem Outfit sollte es niemandem auf der Straße gelingen mich zu erkennen. Seit zehn Monaten hatte man nichts mehr von den Cyborgs gehört, die Menschen gingen ihren Arbeiten nach und bauten die Städte wieder auf. Und für mich war es an der Zeit mich ihnen zu stellen. Anonym natürlich.

Bulma hatte mir angeboten mich zu begleiten, doch ich lehnte dankend ab. Ich musste erst einmal allein sehen wie es nun draußen war. Außerdem versprach ich ihr, dass mein Sparziergang nicht allzu lang werden würde. Mit aller Wahrscheinlichkeit würde ich es eh nicht lange ertragen. Das wussten wir beide.

Langsam zog ich die Haustür hinter mir zu und schritt mit den Händen in den Jackentaschen durch den Vorgarten auf die Straße zu. Die Luft war erfüllt vom Straßenlärm, von den vielen Baustellen, vom Geruch von Zementgemisch und Stahlschneidungen. Ein beißendes Geruch, der meinen Körper schwer wie Blei werden ließ.

Der Himmel war nahezu wolkenlos, die Sonne stand hoch am Himmel. Die Frühlingsluft war noch etwas frisch. Der Sommer würde dieses Jahr erst spät kommen.

Ich schloss das Gartentor hinter mir und schlenderte einfach die Straße entlang. Die ersten Schulkinder kamen mir entgegen. Sie lachten und quietschten, spielten herum. Ein kleiner Junge rannte mir fast gegen die Beine.

„Verzeihung!“, jaulte er erschrocken auf und blickte zu mir hoch. Seine Augen waren fest auf mich gerichtet. Eiskalt lief es mir den Rücken runter. …ob er mich erkannte…?

Dann lächelte er mich an und rannte weiter.

Einen Moment blickte ich ihm und seinen Schulkameraden nach, die um die nächste Straße bogen.

Der Kleine hatte keine Angst gehabt. All die schlimmen Erlebnisse waren vielleicht noch gar nicht so tief in sein Herz eingedrungen. Vielleicht hatten er und seine Familie etwas mehr Glück gehabt als andere.

Mein ruhiges Gesicht entgleiste mir etwas, als ich schwermütig seufzte. Es fiel mir sehr schwer nicht in mein altes Leidensschema zu fallen. Ich hatte so viel mit Bulma darüber geredet. Was passiert war, war in dieser Zeit nicht wieder rückgängig zu machen. Trunks hat es in der Vergangenheit bewerkstelligt, dass es nicht soweit kommen würde, aber für seine eigene Zeit war jede Hilfe zu spät. Es war wichtig, nach vorn zu blicken und zu erkennen wie man anpacken musste, um der Welt und der Menschheit wieder auf die Beine zu helfen.

Mein Weg führte mich durch die Fußgängerzone am Rande der großen Einkaufstraße. Dieser Bereich hatte sich schnell wieder erholt. Die meisten Läden waren wieder aufgebaut worden, die Wirtschaft lief weiter voran. Ich blieb an einem Gemischwarenladen stehen und beugte mich vor um im Schaufenster auch die hintersten Angebote sehen zu können.

Zwei junge Frauen standen im Laden und plauderten mit dem Ladeninhaber. Auch sie machten auf mich nicht den Eindruck, als seien sie verzweifelt. Sie schienen ihr Schicksal erstaunlich gefasst zu nehmen. Ich schien so fasziniert und in Gedanken gewesen zu sein, dass ich viel zu spät bemerkte, wie sich eine der Damen zu mir umdrehte und mir zuwinkte. Erschrocken fuhr ich zusammen. Sie kicherte amüsiert und schenkte mir ein sanftes Lächeln. Mit hochrotem Kopf nickte ich ihr höflich zu und schritt zügig weiter.

War die Welt verrückt geworden? Hat das Unglück, welches diese Zeit auf so bestialische Art und Weise zugerichtet hat, die Menschen verrückt werden lassen? Woher nahmen sie nur ihren Lebenswillen? War ihnen überhaupt bewusst, welchen Schaden nicht nur ihre Herzen, sondern die ganze Welt genommen haben musste? ….war ich mir dessen eigentlich bewusst…?

Mein Weg führte mich vorbei an dem Neubau einer Highschool, an deren Zaun ich einen Moment stehen blieb. Auf dem Sportplatz, der daneben lag, saß eine Schulklasse um ihre Lehrerin. Wurde der Unterricht eben an der frischen Luft fortgesetzt, solange die Klassenräume noch nicht wieder belegt werden konnten.

Ich ging den Zaun ein Stück weiter entlang, um näher an die Klasse heran zu kommen, legte meine Hand um eine Eisenstange und spähte neugierig hindurch. Die Lehrerin hatte ein Buch in ihrem Schoß liegen, die Schuler hatten Notizblöcke in der Hand, in denen sie hin und wieder hinein kritzelten. Ein Junge griff unauffällig nach der Hand seiner blonden Klassenkameradin, die ihm einen liebevollen Blick zuwarf und ihren Kopf gegen seine Schulter lehnte, während sie dem Unterricht lauschten.

Unwillkürlich stellte ich mir vor, wie die beiden vor etwa noch einem Jahr um ihr Leben bangen mussten. Wie sie verzweifelt versucht hatten beieinander zu bleiben. Ich konnte ihre damalige Angst spüren, beinahe greifen.

Mühsam schluckte ich den faustgroßen Kloß in meiner Kehle herunter, der mir solche Schmerzen bereitete, dass mir fast die Tränen kamen. Ich wandte mich entschieden von der Schule ab und ging mit großen Schritten die Straße weiter in Richtung Stadtpark. Der große Teich, der das Zentrum des Parks bildete, war nur noch ein Schatten seiner selbst. Bisher hatten es die Stadtbewohner noch nicht geschafft hier Ordnung zu schaffen. Vorerst war es wichtiger die Häuser wieder aufzubauen.

Auf einer ramponierten Band am Rande des halb ausgedörrten, verdreckten Teichs, in dem Reste eines Autowracks zwischen Wasserpflanzen lagen, saß eine alte, kleine Frau, die einen Korb auf ihren Schoß hatte. Aus diesem holte sie eine handvoll Brotkrummen, die sich vor sich auf den Weg warf um die Spatzen zu füttern, die aufgeregt herumflatterten um die besten und größten Stücke für sich zu ergattern. Das stahlgraue, wollige Haar hatte sie in einem Dutt verpackt, ein loser blauer Schal lag um ihre Schultern, an der Bank lehnte ein alter Gehstock. Sie hatte das runde, runzlige Gesicht einer liebenswerten Großmutter, mit vielen Lachfältchen um die Augen und spitzbübischen Grübchen auf beiden Wangen.

Ich machte einen kleinen Bogen um die Bank und die streitenden Vögel um das Bild nicht zu stören, als in diesem Moment die Frau einen verblüfften Laut von sich gab, etwas am Boden aufschlug und hörbar wegkullerte. Erstaunt drehte ich mich um und musterte die Dose, die auf mich zurollte. Nach kurzem Zögern hob ich sie auf und gab sie der Dame zurück.

„Vielen Dank, junger Mann!“, säuselte im angenehmen, rauchigen Timbre und lächelte mir mit wachen, dunkelbraunen Augen zu, doch als sie mich eine Weile betrachtet hatte, wirkte sie besorgt.

„Ist mit Ihnen alles in Ordnung?“, fragte sie, griff in ihren Korb um die Dose zurückzulegen und holte dann ein Taschentuch hervor, hielt es mir entgegen. „Hier, bitte.“

Verwirrt griff ich danach, ehe ich verstand, dass meine Augen tatsächlich mit Tränen gefüllt waren. Mein Gespür für Emotionen war nicht gut ausgeprägt. Das musste ich Bulma bei Gelegenheit noch mal sagen.

Verschämt wischte ich mir das Gesicht trocken.

Die Frau klopfte neben sich auf die Bank. „Setzen Sie sich doch.“

Einen Moment haderte ich mit mir. Ich wollte nicht unhöflich sein, aber ich wusste nicht, ob ich schon dazu bereit war mich mit den Menschen dieser Stadt auseinander zu setzen. Doch ihr aufmunternder, fröhlicher Gesichtausdruck brach letztendlich meinen Widerstand und ich nahm stumm neben ihr Platz.

Sie roch gut. Sie hatte einen angenehmen, frischen Duft an sich, der mich einlullte, mich fast schläfrig machte.

„So allein an solch einen trostlosen Ort zu spazieren muss einen wirklich deprimieren“, stellte sie fest und betrachtete mich von der Seite. Ich wusste nicht wie ich ihre Blicke einordnen sollte. Irgendwie fühlte ich mich unwohl.

„Beziehen Sie das auf mich oder auf sich selbst?“, hörte ich mich leise murmeln, worauf sie zu lachen begann.

„Alte Menschen neigen dazu an Orte der Vergangenheit zurückzukehren, wenn sie sich zurücksehnen. Das ist der Lauf der Dinge. Aber in Ihrem Alter sollten die Lebensgeister eigentlich vitaler sein…“ Weiter sprach sie nicht und dafür war ich dankbar. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Hilflos starrte ich auf meinen Schoß.

„Sie wollen auch in Erinnerung, schwelgen…nicht wahr?“, fragte sie schließlich, ganz leise und mit einem so sanftem Ton, als wolle sie nicht versehentlich ein schlafendes Kind wecken.

Der Stich saß. Präzise rasten die Gefühlprojektoren durch meine Brust, durchbrachen mein Herz.

„Nein…nein, eigentlich will ich nie wieder an die Vergangenheit denken“, erwiderte ich mit belegter Stimme, „Ich bin müde…ich will mich nicht damit konfrontieren…auch wenn es feige ist.“

Die alte Frau drehte sich etwas zu mir, hob zögerlich die Hände, doch dann packte sie entschlossen nach meinen Händen, hielt sie fest.

„Alles was in der Vergangenheit passiert ist, war Schicksal. All die Menschen, die sterben mussten, hatten einer höheren Gewalt Folge zu leisten. So ist das nun mal.“

Ich gab ein trotziges Geräusch von mir. „Eine höhere Macht! Monster fände ich hier passender. Monströse Bestien, die einfach alles vernichten was ihnen in die Quere kommt…“

„Haben Sie jemanden verloren?“, fragte sie einfühlsam, sodass ich mich wieder etwas entspannen konnte. Ich schwieg eine Weile um Zeit zu schinden.

„Ja…meine Zwillingsschwester. Der einzige Mensch aus meiner Familie.“

Ihre knöchernen Finger strichen behutsam über meine Handrücken.

„Ihre Schwester ist tot und für Sie muss das Leben weitergehen. Das ist ungerecht, nicht wahr?“

Das Brennen in meinen Augen verriet mir, dass ich kurz davor war wieder zu heulen, zum Teufel! So allmählich gingen mir diese Emotionen auf die Nerven!

Ich starrte die Alte mit einer Mischung aus Verzweiflung und Trotz an.

Sie wandte ihren Blick auf die Spatzen am Boden. „Ich habe meinen Mann, meine Tochter und meinen Enkel verloren. Mein Mädchen und ihr Sohn sind in ihrem eingestürzten Haus begraben worden, mein Mann starb nach mehreren Monaten des Leidens im Krankenhaus. Die Ärzte hatten getan was in ihrer Macht stand, aber dann war seine Zeit einfach vorbei. Ich bin sicher, dass es auch Vorhersehung war. Auch solche Todesfälle stehen irgendwo geschrieben und wenn die Zeit gekommen ist, dann kann man ihr nicht davon laufen.“, wieder sah sie mich an, „Niemand kann das. Wir, die übrig bleiben, müssen das Schicksal ertragen und die Last und Trauer bis an unser eigenes Lebensende auf unseren Schultern tragen, bis wir unsere Familien und Freunde wieder sehen.“

„Sind Sie gar nicht wütend darüber, was die Cyborgs hier angestellt haben?“, platzte ich heraus.

Die Frau seufzte unter einem leichten Lächeln.

„Diese Wesen werden ihre Gründe dafür gehabt haben…“

„Nein, das hatten sie nicht!“, fiel ich ihr ins Wort, „Alles was sie wollten, war Spaß zu haben! Sie haben getötet und dabei gelacht! Es war ihnen egal, dass die Menschheit ausgerottet werden würde! Ihr Leid, ihre Angst, all das interessierte sie nicht!“

„Und jetzt sind sie fort“, fügte sie ihrem Satz hinzu und brachte meine Rage damit tatsächlich wieder zur Ruhe. Ich starrte sie verblüfft an.

„Ja… ja, sie sind fort… sie wurden vernichtet…“, gab ich schüchtern zu. Mein Verhalten war mir peinlich, doch noch immer hatte diese alte anständige Dame dieses liebenswürdige Lächeln im Gesicht, als könne sie alles verstehen.

„Ich verstehe Sie nicht“, gab ich zu, „Verschließen Sie einfach die Augen vor der ganzen Katastrophe?“

„Aber nein“, brummte sie sanft, wieder griff sie in ihren Korb und hielt mir schließlich eine Visitenkarte unter die Nase. „NEW LIFE“ stand in großen, geschwungenen Lettern darauf, und ein Name. Ireuka Gentz.

„Natürlich bin ich schrecklich traurig über all das was passiert ist, aber das, was die Menschen nun brauchen, sind Hoffnung und Verstand. Wir müssen die Städte wieder aufbauen und ein neues Leben anfangen. Damit können wir beweisen, dass wir es wert sind zu leben. Dass man uns nicht einfach ausrotten kann. Ich habe mit einigen anderen Freunden eine Hilfsorganisation gegründet. Wir haben uns mit Geschäftsleuten und Bauern zusammengeschlossen. Wir sammeln Spenden und Lebensmittel, um sie zu verteilen. Wir organisieren ein neues Arbeitssystem, holen die Leute vom Land in die Stadt, damit sie beim Aufbau helfen und bieten Wohnplätze, Gemeinschaften an. Wir werden versuchen den Kapitalismus so lange wie möglich auszusperren, Profit kann es derzeit nicht geben und das wird auch hoffentlich noch ein paar Jahre so weiter gehen. Wir sind bescheidener geworden. Ich denke, das wird ein guter Neuanfang für die Menschheit.“

Fasziniert klebte ich an ihren Lippen, lauschte den klaren und plausiblen Worten. Allmählich schien ich zu begreifen, woher ihr Optimismus kam. Sie sah das Gute in der Welt. Sie glaubte an eine Zukunft, an eine friedliche Zukunft. Es war noch nicht alles verloren und unsere Chancen standen gar nicht schlecht.

Glücklich strich Ireuka über meine Wange. „Na sehen Sie, junger Mann. Das was da in ihren Augen glitzert, ist der Beginn. Der Beginn von allem. Gibt es irgendetwas wie wir Ihnen vielleicht helfen können? Brauchen Sie jemanden?“

„Ich…? Oh, nein, nein, vielen Dank. Ich habe ein neues Zuhause gefunden.“ Und plötzlich lächelte ich zum ersten Mal, „Ich habe ein schönes, neues Zuhause gefunden mit Menschen…die mich lieben…“

„Das freut mich sehr.“, sagte Ireuka herzlich, „Vielleicht möchten Sie uns einmal besuchen kommen. Oder wenn Sie helfen möchten, sind Sie natürlich herzlich willkommen. Die Adresse steht auf der Karte.“

Ich warf einen Blick auf die Visitenkarte, die ich noch immer in der Hand hielt. „Ja. Sehr gern.“ Ich stand auf. „Ich danke ihnen…“

Ireuka schüttelte den Kopf. „Nichts zu danken. Dürfte ich Sie nach Ihren Namen fragen?“

Ich stockte, überlegte eine Weile nervös, ehe ich ganz leise sagte: „Juu… Juunanagou Briefs.“

„Es hat mich gefreut Ihre Bekanntschaft zu machen, Juu. Kommen Sie gut nach Hause.“

„Danke…“

Nur langsam brachten mich meine Schritte vom Teich weg. Ich drehte mich noch einmal um, um der alten Frau zu winken, was sie lächelnd erwiderte. Dann kamen meine Lebensgeister wieder in Wallungen. Meine Beine wurden schneller, ich spürte kaum noch den Boden unter meinen Füßen. Schneller und immer schneller rannte ich, genoss den Wind auf meinem Gesicht, realisierte mein pochendes aufgeregtes Herz.

Das füllte sich richtig an. So fühlte es sich an, wenn man lebte!
 


 

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Ich bedanke mich ganz herzlich dafür, wenn du bis hierhin gelesen hast und würde ich auch gerne zum nächsten Kapitel einladen ^^ *verbeug*



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Ba-chan
2010-10-10T10:16:12+00:00 10.10.2010 12:16
mal wieder ein tolles kapitel!!

man sieht wirklich, das du dir viel mühe gibst! das sieht man hier äußerst selten x33

und ich freue mich tierisch, wies weiter geht x3333

ba-chan
Von:  Saint
2010-10-10T09:43:17+00:00 10.10.2010 11:43
Hi

die Idee für deine Story gefällt mir wirklich gut. Mich wundert es das du so wenig Kommis hast. Also schreib schnell weiter.


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