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Und es ist lange her

Valentinstag 2010
von

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„Ich habe die Krawatte noch, weißt du“, verkündet Janni und sieht dann seelenruhig zu, wie ich mich an meinem Bier verschlucke.
 

„Verarsch mich nicht“, schaffe ich irgendwann zu husten und blinzele ihn mit gerunzelter Stirn an, während ich bete, dass er nicht mitbekommt, wie ich unauffällig mit dem Jackenärmel ein paar Tropfen von der abgenutzten Tischplatte wische. Janni guckt mir nur unbeirrt in die Augen und zuckt mit den Schultern.
 

„Was hast du denn gedacht? Wieso sollte ich so was wegschmeißen? Immerhin war sie hart erkämpft. Ein irrer Nachmittag ist das gewesen - du erinnerst dich doch noch, oder?“
 

„Klar“, murmele ich. Wie hätte ich das auch vergessen können, denke ich mir, auch wenn ich eigentlich immer das Gefühl hatte, als wäre es dir nicht sonderlich schwergefallen. Aber das sage ich nicht. Acht Jahre sind eine zu lange Zeit, um schon nach einer Viertelstunde den ersten Streit anzufangen. Mein Blick verfehlt Jannis nur um Millimeter, kaum merkbar. Einen Moment noch kann ich die durchdringenden, prüfenden Augen auf mir spüren, aber dann gibt Janni unvermittelt nach und lässt das Thema fallen. Er war schon immer ein Sprinter. Ausdauer liegt ihm nicht und lieber zieht er sich zurück, als sich auf lange Kraftproben einzulassen. Verschnaufpause für mich. Bis er irgendwann den zweiten Anlauf startet. Das kenne ich von früher. Auch wenn mein Widerstand zu der Zeit wahrscheinlich nicht besonders groß war.
 

„Ist ´ne ganz schöne Klitsche. Lustig, dass wir uns gerade hier über den Weg laufen.“
 

Janni macht eine ausladende Handbewegung einmal um die wirklich etwas versiffte Kneipe. Zu behaupten, dass ich überrascht war, ihn zu treffen, wäre eine ziemliche Untertreibung. Berlin ist groß und wenn ich mir Janni so ansehe, mit den glänzenden Schuhen und der lässig in die Haare geschobenen Sonnenbrille, gibt mir das Grund genug, mich noch mehr darüber zu wundern, dass es ihn in diese Ecke der Stadt treibt. Ist keiner, der zu tropfenden Zapfhähnen, Spielautomaten und blinkender Valentinstagsdekoration passt. War er auch nie, soweit ich das beurteilen konnte, er und seine kleine Mädchennase, seine schmalen Hände, Pianistenhände, wie Mama immer gesagt hat. Jedenfalls hatten wir kein Problem, uns zu erkennen, vorhin auf der Straße. Erschrecken? Ja, bei mir zumindest. Aber Weglaufen war nicht, denn er wusste, wer ich bin und ich wusste, wer er war und natürlich wusste er, dass ich es wusste. Wie man das so weiß. Genau. Oh Gott, Gehirnerweichung. Egal. Jetzt sind wir halt hier. Er hat mich angequatscht, strahlendes Lächeln und Na so was und schwupps, schon war es passiert. Die Kacke ist mächtig am Dampfen, wenn ich das mal so sagen darf. Und Janni hat sich kaum verändert. Sein Name ist immer noch zu groß für ihn, das sieht man auf den ersten Blick, kein Wunder also, dass es ihn nicht zu stören schien, wie ich auch mit 25 das ,Jonathan‘ einfach nicht über die Lippen bringe. Ja, so gesehen ist wirklich alles wie früher, bis zu den fransigen Spitzen seiner Haare. Er redet sogar noch genau gleich, fast als hätte er sich geweigert, die Jahre an sich heranzulassen.
 

Elender Mistkerl. Ist er denn zu blöd, sich wenigstens ein einziges Mal so zu verhalten wie es sich gehört? Fast möchte ich wetten, dass er das absichtlich eingefädelt hat, um mir so richtig eine in die Fresse zu verpassen.
 

„Du bist wie früher“, brumme ich und wenn er den Vorwurf hört, geschieht es ihm nur recht. Jannis Mundwinkel lächeln ohne Begeisterung vor sich hin.
 

„Solltest du besser auch sein, Markus. Ich mag dich so.“ Unbewegt. Unverschämt. Nicht auszuhalten. Irgendwann musste er mich ja erwischen. Jetzt bin ich genau da, wo Janni mich haben will und ehrlich gesagt ist es mir scheißegal.
 

„Und meine Telefonnummer hattest du verloren oder wie? Ich meine, acht Jahre. Verdammte acht Jahre, Janni. Und jetzt ´ne Arbeitslosenabsteige, durch Zufall. Komm schon. Komm schon!“
 

Der Zorn platzt aus meiner Stimme und es ist alles so reißend, so schnell, dass ich mir in den Daumen beißen, das Blut schmecken muss, einfach um den ganzen Rest drinnen zu behalten, all diesen Mist, von dem mir übel wird, weil ich es nicht vergessen kann, trotz den Jahren, trotz der Zeit und was fällt ihm eigentlich ein, so gut zurechtzukommen? Mich mit diesem Grinsen zu fragen, ob ich etwas trinken möchte, diese eklige, eklige Grimasse, die ich ihm am liebsten aus dem Gesicht schlagen würde, wenn ich nicht so eine Scheißangst hätte, ihn anzufassen. Und wie er mich jetzt ansieht. So ruhig. Traurig fast. Er hat kein Recht dazu! Die weichen Augen machen mich wahnsinnig.
 

„Du hast mich auch nie angerufen“, flüstert Janni schließlich, dass es in meinen Ohren dröhnt. „Trotzdem erinner‘ ich mich noch. Kapierst du das nicht, du Dickschädel? Ich erinner‘ mich.“
 

Ich stöhne und vergrabe das Gesicht in den Händen.
 

„Du machst mich fertig.“
 

Sein leises Lachen streichelt, wenn ich die Augen schließe.
 

„Klar. Irgendeiner musste das ja erledigen. Weißt du noch, früher?“
 

Ja, früher. Ich komme gar nicht darum herum, ich gucke Janni an und sehe diesen dreizehnjährigen Pimpf mit Dreck im Haar, Freiburger Sommerdreck, um genau zu sein, so war das damals zumindest noch, als es angefangen hat, irgendwo zwischen Spielplätzen und Eiscreme und kleinen Geschwistern, auf die man aufpassen musste. Es passierte einfach. Janni und ich waren beste Freunde, ohne viel dafür zu tun. Wir gingen nicht mal auf dieselbe Schule, obwohl nur eine Straßenecke unsere Häuser trennte, und unsere Busse fuhren jeden Morgen in entgegengesetzte Richtungen. Vielleicht hat es deswegen so gut funktioniert. Du musst dich niemandem gegenüber verstellen, der am nächsten Tag keinen haben wird, mit dem er sich über dich lustig machen kann. Irgendwann waren die Geschwister nicht mehr dabei, irgendwann hatten wir nicht nur den Spielplatz, sondern uns. Da waren Chips und Cola, epische Schlachten um die Fernbedienung, Witze und Witze und so viele Geschichten, dass ich es nicht geschafft habe, alle zu behalten. Immer ein bisschen Sommer. Beste Freunde eben. Janni konnte alle Star-Wars-Filme auswendig mitsprechen und ich zählte derweil die 27 Muttermale auf seinem Rücken. Es war der einfachste und gleichzeitig mieseste Weg, zu bemerken, dass man schwul ist. Wie dumm ich war. Dachte, es würde ewig so weitergehen, er mit seinem Sonnenlächeln und ich, still und glücklich, gelegentliche Anfälle von Liebeskummer. Jung und dumm.
 

Ich räuspere mich, als ich wieder Jannis bedeutungsvollen Blick auf mir spüre und verstecke meine trockene Kehle im Bierglas. Das Licht macht etwas mit seinem Gesicht, ich kann‘s nicht richtig erklären. Auch das war früher schon. In der Dämmerung in meinem Zimmer, mit nur dem bläulichen Schein des Fernsehbildschirms. Janni blinzelt und lehnt sich zurück, die Augen fest auf mich gerichtet.
 

„Das Ende, Markus. Du musst bis zum Ende denken“, sagt er leise. Nochmals verschwinde ich hinter meinem Bier, es ist nicht fair, wie er mich durchschaut, immer noch, ganz und gar nicht fair. Aber was hilft das schon, ich erinnere mich ja doch. Ich fühle schon, wie es anfängt. Gar nichts hilft es. Ich meine, es liegt ja nicht daran, dass ich nicht versucht hätte, das Zeug zu vergessen, im Gegenteil. Sie bleiben in meinem Kopf kleben wie Disteln am Hosenbein, die verdammten Erinnerungen.
 

Jannis Augen waren noch grüner als üblich, während er mir von Berlin erzählte, von Dingen wie ,neuer Arbeit‘ und ,Wegziehen‘. Ich weiß bis heute nicht, woran das lag oder wieso es mir überhaupt so stark aufgefallen ist, am Anfang sogar viel mehr als die ganzen großen Worte. Aber es bringt nichts, darüber nachzudenken, denn diese Veränderung meiner Zukunftsvorstellung traf mich noch früh genug mitten in die Fresse. Freiburg und Berlin. Wie viele Kilometer sind das? Siebenhundert? Achthundert? So weit war ich damals nicht mal annäherungsweise schon von zu Hause weggewesen. Erst kam die Ungläubigkeit, dann die Panik. Janni und umziehen? Kann doch gar nicht sein! Es war völlig unmöglich, sich vorzustellen, wie er einfach nicht mehr da wäre. Und als ich dann irgendwann in einer fiebrigen Julinacht aus dem Schlaf schreckte, weil mir klar geworden war, dass es wirklich passierte, dass die Welt sich unter meinen Füßen weitergedreht hatte und ich unweigerlich auf meinem Hintern gelandet war, lag die Entscheidung auf der Hand. Wenn dieses Arschloch von bestem Freund schon nach Berlin abhaute, würde ich ihm sicher nicht die Genugtuung geben, das zu tun, ohne genauso mit meinen unbequemen Gefühlen zu leben wie ich.
 

Der Umzugswagen fuhr zu einem unheimlich passenden Zeitpunkt vor. Es war der letzte Tag des Sommers, als wir siebzehn waren und ich zumindest noch ein bisschen an die Unverwundbarkeit, die Unbesiegbarkeit der Jugend glaubte. Ein goldener Tag, warm und lichtdurchflutet. Eigentlich war schon wieder Schule, aber wir gaben uns großzügig frei. Ich band eine Krawatte um, warum auch immer. Nicht mal absprechen mussten wir uns, Janni stand einfach um acht Uhr vor meiner Haustür und verabschiedete sich von meiner Mutter, die ausnahmsweise nichts sagte und uns nur zusah, wie wir auf der Straße davon schlenderten, den Kaffeebecher fest in der Hand.
 

Geredet haben auch wir erst nicht. Wir liefen, ohne groß nachzudenken und als wir auf dem alten Spielplatz ankamen, hatte ich das Gefühl, dass es schon die ganze Zeit so hatte kommen müssen. Nach zehn Minuten Rumsitzen auf den Schaukeln begann Janni auf einmal zu erzählen, von Geschwistern und Kennenlernen und allem, was danach kommt und ich musste lächeln, obwohl meine Brust sich verknotete. Wir saßen da, bis sogar uns beiden zusammen keine Geschichten mehr einfielen und dann fuhren wir in die Stadt, scherzend, lachend, stopften uns voll mit Burgern und gestohlener guter Laune. Der Kanal war nur die logische Konsequenz. Wir trugen sowieso seit Wochen Badesachen statt Unterwäsche. Wenn ich die Augen ganz fest zumache, kann ich das Gras am Wasser riechen, das meine Füße kitzelte. Sonnenflecke auf Grün. Die Kleider schmissen wir achtlos auf den Boden und sprangen einfach mitten hinein, das Wasser kühl und irgendwie weich auf meiner Haut. Schwimmen kam zu Tauchen, erst einen selbst, dann den anderen, später eine Rauferei, die es bis ans Land schaffte. Ich für meinen Teil brauchte etwas zum Festhalten. Und immer diese atemlosen Momente, wo Haut über Haut streifte und wir uns manchmal so nahe waren, dass ich meinen Herzschlag vergaß. Jannis Gesicht, halb verdeckt von nassem Haar, blitzende Augen, die Zungenspitze zwischen die Lippen geklemmt. Sein Atem auf meiner Stirn. Er gewann und hängte sich triumphierend die Krawatte um, die er den ganzen Tag dann nicht mehr ablegte. Er hat sie mir nie zurückgegeben und jetzt, wo ich weiß, dass sie wenigstens noch da ist, macht mich das irgendwie froh.
 

Keine Ahnung, wessen Idee es war, zum Bahnhof zu laufen, barfuß, ohne Hosen, die Badeshorts noch an den Beinen klebend. Der Asphalt war so warm. Wir fanden einen Filzstift auf dem Boden und wir kletterten auf die Gleise, schrieben unsere Namen auf jeden herumstehenden Waggon, während ich zitterte vor Lachen und Janni die Pendler nachmachte, die jeden Morgen wie ein graues Meer von dort abfuhren. Zurück auf dem Bahnsteig ging es weiter und wir beide konnten uns kaum noch auf den Beinen halten, so sehr schüttelten unsere eigenen Witze uns durch und überall war Sonne und die Muttermale tanzten auf Jannis Haut. Und der vorbei rauschende Güterzug schluckte mein ,Ich liebe dich‘, riss es mir von den Lippen und trug es mit sich fort und ich weiß bis heute nicht, ob Janni es gehört hat. Von da an war es anders und wir sahen uns an, schweigend, und ich glaube, das war der Moment, ob es nun an mir lag oder an etwas anderem, das war der Moment, in dem wir wussten, dass nichts mehr so sein würde wie früher, für immer. Schulter an Schulter gingen wir nach Hause. Die Hosen am Kanal kümmerten uns nicht. Wir hatten ja nicht mal bemerkt, wie die Sonne nach und nach verschwunden war. Vor Jannis Haustür war es dämmrig und still. Ich könnte nicht sagen, wie lange wir dort standen und uns aneinander festhielten, ich weiß nur, dass es die erste Umarmung überhaupt war. Die Stelle an meiner Schulter, wo sein Kinn gelegen hatte, spürte ich noch Wochen später.
 

Es war der letzte Tag des Sommers. Am nächsten Morgen rannte ich zu Jannis Haus hinüber, den einen Schuh nicht gebunden, aber sie waren schon weg. Janni, der Umzugswagen und das blaue Schild, das von nun an neben der Tür einer Berliner Doppelhaushälfte hängen würde, die mir mindestens so weit weg von unserem Freiburg vorkam wie der Mond. Über Nacht war es Herbst geworden. Die dämlichen Tränen hinterließen salzige Spuren auf meinem Gesicht. Mama stellte auch an diesem Tag keine Fragen, warum ich nicht in die Schule gehen wollte. Ich wünschte mir fast, sie würde mich zwingen, anzurufen, aber sie blieb stumm wie das Telefon und irgendwann akzeptierte ich das.

Ich hatte alles gesagt und hatte kein Argument mehr, nicht feige zu werden. So endet es. Und es ist lange her.
 

Trotzdem bin ich jetzt hier, acht Jahre später, Berliner Student, ja, Berlin, und Janni sitzt vor mir und erwidert meinen Blick und ich kann gar nicht anders, als zu fühlen. Es ist vorbei, sage ich mir, aber er guckt, als hätten wir noch eine Rechnung offen.
 

Wir. Wie komisch sich das jetzt anhört.
 

„Hast du mir nichts zu sagen?“, grollt Janni nach ein paar weiteren Herzschlägen. Seine Arme sind gekreuzt, er hat sich selbst in eisernem Griff und kurz frage ich mich, was er denn so unbedingt in sich drin halten will.
 

„Nichts“, murmele ich. Es gefällt mir nicht, dass meine Stimme sich schon die ganze Zeit verabschiedet. Macht mir Schuldgefühle. An Jannis Schläfe pocht eine Ader. Ich halte mich am Bierglas fest. Als er schließlich wieder spricht, brennt es in meiner Kehle.
 

„Das ist schade. Wirklich schade. Weißt du, es gab nur eine Eigenschaft, von der ich mir gewünscht hätte, dass du sie dir abgewöhnst. Deine Feigheit. Ich hab gehört, was du zu dem Zug gesagt hast. Ich hab‘s nicht vergessen. Ich sag‘ doch, ich erinner‘ mich. Du Vollidiot.“
 

Seine Augen liegen in den Schatten unter seinen Haaren, während er Stück für Stück wieder näher kommt über den Tisch. Kann nicht atmen, kann nicht sprechen, kann nicht denken. Höre nur das Blut rauschen, rühre keinen Muskel. Und dann sehe ich plötzlich diese Verzweiflung zwischen seinen Wimpern und der Ruck durch meine Eingeweide entreißt mir ein Keuchen.
 

„Du bist ein Vollidiot“, Janni flüstert, bewegt die Lippen wie Messer und ich bin hypnotisiert, höre jedes Wort glasklar, „du bist ein Vollidiot, weil es dir nicht wichtig genug war, um sicherzugehen, dass ich Bescheid weiß. Deswegen hab ich nicht angerufen. Weil ich wollte, dass du es von dir aus sagst, noch mal. Aber du...“
 

Seine Stimme verliert sich in Verachtung. Kalter Zorn, fast wie eine schlecht verheilte Narbe. Aber die Traurigkeit entgeht mir nicht. Dazu ist sie zu groß.
 

„Janni...“
 

Sein Schlag auf den Tisch lässt mich abrupt verstummen.
 

„Nein, verdammt! Du lässt mich jetzt gefälligst ausreden! Kapierst du eigentlich gar nichts? Darum bitten. Was wäre so schwer daran gewesen, darum zu bitten, was du willst? Ich hätte nur das gebraucht, wirklich nur das. Und ich hätte alles für dich gemacht. Wie in aller Welt kannst du das nicht gemerkt haben? Hast nie was gesagt, nie was gemacht, bis ich dachte, ich bilde mir das alles ein. Und dann an dem Nachmittag...ich weiß noch genau, wie du aussahst und Gott, es gab nur dich. Es gab doch immer nur dich. Wie konnten wir beide so feige sein? Ich hätte gereicht, hätte reichen müssen, verdammt! Als ich dich vorhin gesehen habe, das war...fast hab ich gedacht, ich hätte das gar nicht verdient, nach der ganzen Versteckerei. Aber du hast es gesagt und dann einfach so getan, als wäre es nicht passiert. Wer macht so was, Herrgott?“
 

Die Welt wirbelt davon. Ein Schlag in den Magen, ja, das kommt hin. Ich krümme mich, ein Stückchen nur. Jannis Augen sind alles.

Und dann Worte, so zart wie Vogelfedern.
 

„Ich hätte dich schon am Wasser küssen sollen.“
 

Später wird es komplett egal sein, wie Janni um den Tisch herumkommt, deswegen macht es nichts, dass ich es vollkommen vergessen haben werde. Seine Lippen sind auf meinen, ehe ich so richtig begreife, was er da gesagt hat und ich schlingere und entgleite meinem Griff. Er schmeckt nach Sommer und ich nehme alles, was ich kriegen kann, bevor sein Verlust mir die Luft abschnürt. Einen Moment starren wir uns an, seine brennenden Augen halten mich fest. Dann kramt er in seiner Jackentasche und fördert einen Stift und einen Zettel zu Tage, auf dem er etwas notiert und ihn in meine Hand schiebt.
 

„Dein zweiter Versuch“, wispert er, noch einmal streifen mich seine Lippen und dann ist er weg, verschwunden durch die Tür in den Abend. Fluchend springe ich auf und will hinterher, aber als ich auf der Straße stehe, ist schon nichts mehr von Janni zu sehen. Als könnte ich mein Timing nie auf die Reihe bringen. Das Papier knistert, als ich Fäuste balle und mit rasendem Blut fummele ich es auseinander. Für ein paar Atemzüge starre ich auf die Telefonnummer, dann bette ich sie wieder zwischen meinen Fingern. Starre in den grauen Berliner Himmel, bis sogar er mir schön vorkommt. Am Valentinstag auch noch. Klischeehaft peinlich, beinahe. Aber ich beklage mich nicht. Der Zettel wird langsam feucht und warm in meiner Handfläche. Und der Herbst liegt auf einmal nicht mehr so schwer auf meiner Zunge.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2010-07-03T20:19:06+00:00 03.07.2010 22:19
wow!!!!!! Du hast die Geschichte einfach wunderbar geschrieben, man spürt alles was Janni und Markus fühlen, man ist auch traurig....es ist einfach toll! Ich würd die Geschichte so kurz lassen wie sie ist.
Vielen Dank für diese wunderbarte Story,
lg, Kaiyako
Von:  kobito
2010-02-26T12:41:06+00:00 26.02.2010 13:41
Wow!! Ich liebe diese Story!
Du hast einen tollen Schreibstil, ich hab die Gefühle richtig miterleben können. Mein Herz schlägt jetzt noch wie verrückt. ^^
Fortsetzung...hmm...bin ich nicht so dafür. Mir gefällt die Story so wie sie ist, als Oneshot eben, supergut!
Weiter so mit anderen tollen Geschichten! *daumenhoch*

lg
Von: abgemeldet
2010-02-24T18:16:10+00:00 24.02.2010 19:16
Das war eine schöne Geschichte. Die Gefühlswelt von Markus war sehr gut beschrieben und es kam auch gut rüber, was Janni empfindet.
So ein Treffen und dann auch noch genau an diesem Datum ist mir zwar schon fast zu unwahrscheinlich, aber weil alles so gut geschrieben ist, macht mir das hier gar nichts aus.
Durch das Ende kann man sich selber Gedanken machen, was weiter passieren könnte.
Von:  Nik_Wonderland
2010-02-24T16:54:56+00:00 24.02.2010 17:54
ich liebe diese geschichte!!
ich finde es toll wie du denn rückblick gestaltest...
aber ich finde auch das das mehr hat als das es nur ein One-shot bleibt.
Dafür ist einfach noch zu viel fraglich und offen.

Lg Nik
Von:  -Llynya-
2010-02-14T12:19:18+00:00 14.02.2010 13:19
Bleibt das wirklich nur ein Oneshot? Irgendwie wünsche ich mir gerade ne Fortsetzung dazu, wenn ich ehrlich bin. XD
Ich meine, ob/wann Markus das sagt, was Janni hören will, könnte noch ein lustiges (und seeeeehr langes) Hin und Her zwischen den beiden ergeben, wenn man die Story weiter ausbaut. ^^


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