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Office Mein

Im Büro
von

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Aufgedrängt

Rahul saß am nächsten Morgen wie auf heißen Kohlen. Anjali war bereits zwei Stunden zu spät und die Erklärungen, die ihm für dieses so untypische Verhalten in den Sinn kamen, gefielen ihm ganz und gar nicht. Wahrscheinlich hatte sie die Nacht mit diesem Harish verbracht und jetzt kamen sie vor lauter Liebe und Lust aufeinander gar nicht mehr aus dem Bett.

Nervös lief er in seinem Büro auf und ab. Sich mit Arbeit abzulenken, hatte er bereits nach zehn Minuten wegen mangelnden Erfolgs aufgegeben und so wartete er nun ungeduldig auf Anjalis Erscheinen oder zumindest einen Anruf von ihr.

Als schließlich nach zweieinhalb Stunden tatsächlich das Telefon klingelte und Anjali sich am anderen Ende der Leitung meldete, wollte er ohne Umschweife und Begrüßung wissen, was los war. „Ich habe mir heute Morgen den Knöchel verstaucht und bin mindestens noch diese Woche krankgeschrieben.“, erklärte sie und löste damit bei Rahul leichtes Entsetzen aus. „Was?! Anjali, das...“, begann er, unterbrach sich dann jedoch für einen Moment, um dann zu sagen: „Ich bin in spätestens einer Stunde bei dir. Bis dann.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, legte er auf und machte sich sogleich daran, alle Unterlagen für das Projekt zusammenzusuchen.
 

Anjali saß auf ihrer Couch und starrte sprachlos ihren Telefonhörer an. Rahul hatte doch nicht allen Ernstes vor, jetzt zu ihr zu kommen? Das war ihr alles andere als recht, aber er hatte zu schnell aufgelegt, als dass sie noch rechtzeitig hätte reagieren können. Und wenn sie versuchte, ihn zurückzurufen, meldete sich nur sein Anrufbeantworter, der ihr sagte, dass Rahul den Rest des Tages nicht erreichbar sein würde.

Missmutig versuchte sie aufzustehen, um ihre Wohnung noch ein wenig auf Vordermann zu bringen, doch ihr schmerzender Knöchel machte ihr da einen Strich durch die Rechnung. So blieb ihr nichts anderes übrig, als fernsehend auf Rahul zu warten.
 

Als es nach eineinhalb Stunden schließlich an der Tür klingelte, überlegte sie einen Moment, einfach nicht aufzumachen, doch ihr Gewissen ließ das nicht zu. Sie drückte also den Türsummer und keine zwei Minuten später stand Rahul in ihrer Wohnung.

Er musterte Anjali aufmerksam von oben bis unten bis sein Blick an ihrem bandagierten Fuß hängenblieb. Ohne zu zögern beugte er sich daraufhin nach vorn, hob Anjali auf seine Arme und trug sie unter straken Protesten ihrerseits zu ihrer Couch.

„Was soll denn das?!“, wollte sie mit erhobener Stimme und rotem Gesicht wissen, nachdem er sie vorsichtig abgesetzt hatte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass du mit deinem verletzten Fuß herumlaufen darfst.“, gab er zurück, während er neben ihr Platz nahm und die beiden Aktenkoffer, die er bei sich hatte, auf den Couchtisch stellte. „Wie ist das überhaupt passiert?“ Anjali zögerte einen Moment, bevor sie antwortete. „Heute Morgen war das Treppenhaus frisch gewischt und da bin ich ausgerutscht und ein paar Stufen heruntergefallen.“, erklärte sie, wechselte dann jedoch sofort das Thema. „Und was genau wollen Sie jetzt hier? Sollten Sie nicht im Hotel sein und mit Hochdruck an dem Projekt weiterarbeiten? Der Abgabetermin ist schließlich schon in...“ „Genau deswegen bin ich hier.“, unterbrach er sie. „Wenn du nicht zur Arbeit kommen kannst, kommt die Arbeit eben zu dir. Ich schaffe den Rest unter keinen Umständen allein und jetzt noch jemand Neues einzuarbeiten würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen.“ „Das heißt, Sie wollen, dass ich arbeite, obwohl ich krankgeschrieben bin?!“, schlussfolgerte Anjali alles andere als erfreut. „Ganz genau. Aber das wird dir als Heimarbeit angerechnet. Du musst dir wegen deines Gehalts also gar keine Gedanken machen.“ Mit diesen Worten stand er auf und verschwand in Anjalis Küchennische, um sich einen Kaffee zu kochen.

„Willst du auch einen Kaffee?“, rief er, während er die Küchenschränke nach Tassen durchsuchte. Als er fündig geworden war und sich umdrehte, stand Anjali jedoch plötzlich vor ihm und schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Ich finde wirklich, Sie sollten jetzt gehen...“, knurrte sie, während sie sich am Küchentürrahmen festhielt und auf ihrem gesunden Fuß balancierte. „Und ich finde wirklich, dass du dich wieder hinsetzen solltest.“, entgegnete er mit schulmeisterlichem Ton und hatte sie in Windeseile wieder auf seine Arme gehoben, um sie ins Wohnzimmer auf die Couch zurückzubringen. „Du bleibst hier sitzen und ich mache uns beiden einen Kaffee. Dann können wir gerne diskutieren.“, legte er fest und ging zurück in die Küche.
 

Wenige Minuten später war die Luft von köstlichem Kaffeeduft erfüllt und Rahul gesellte sich wieder zur finster drein schauenden Anjali. Sie hatte ihre Arme vor der Brust verschränkt und schaute demonstrativ in eine andere Richtung, als er sich wieder neben sie setzte. „Also.“, begann er und stellte eine Tasse vor ihr auf den Tisch. „Wieso bist du nun schon wieder so wütend?“ „Sie können sich doch nicht einfach hier einnisten, um zu arbeiten. Ich bin krankgeschrieben und muss mich ausruhen. Ich kann mich jetzt nicht stundenlang mit Ihnen hier hinsetzen und Akten wälzen.“, sprudelte sie aufgebracht los. „Außerdem habe ich Schmerztabletten verschrieben bekommen, die Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Benommenheit haben. Ich bin also gar nicht in der Lage, Ihnen zu helfen – selbst wenn ich wollte...“ „Das ist doch gar kein Problem. Ich kann den größten Teil auch allein machen, aber es ist wichtig, dass du mir bei den Zahlen und Kalkulationen helfen kannst. Deswegen ist es am praktischsten, wenn ich hier arbeite. So kannst du dich ausruhen, mir im Notfall aber auch helfen. Also was sagst du?“ Anjali gefiel sein Vorschlag eher weniger, doch was hatte sie für eine Wahl? Er würde so oder so keine Ruhe geben bis sie eingewilligt hatte. So ersparte sie sich also viel Zeit und Ärger und erklärte sich widerwillig einverstanden.
 

Anfangs beobachtete sie Rahul noch misstrauisch, doch bald fiel ihr auf, dass sie tatsächlich immer müder wurde bis sie schließlich wegnickte. Als Rahul das bemerkte, musterte er sie eingehend und musste wieder einmal feststellen, wie schön sie war. Er liebte es, wenn sie sich aufregte, doch wenn sie so friedlich dalag, hatte das auch etwas für sich. Ihre feinen Gesichtszüge waren entspannt und ihr Oberkörper hob und senkte sich leicht unter ihren gleichmäßigen Atemzügen. Unwillkürlich formten sich seine Lippen zu einem liebevollen Lächeln, bevor er sich schließlich zwang, sich wieder auf seine Arbeit zu konzentrieren. An sich brauchte er ihre Hilfe gar nicht so dringend, wie er ihr hatte weiß machen wollen. Und der einzige Grund, warum er diese Ausrede vorgeschoben hatte, war, dass er Anjali um sich haben wollte. Ihre Gesellschaft und ihre Nähe waren ihm mit der Zeit immer wichtiger geworden – auch wenn sie ihn die meiste Zeit nur beschimpfte und wütend auf ihn war.
 

Als Anjali nach einer Weile wieder aufwachte, bemerkte sie sofort, dass Rahul nicht mehr neben ihr saß. Verschlafen rieb sie sich ihr rechtes Auge und schaute sich in ihrer Wohnung um. Wenig überrascht stellte sie fest, dass Rahul gerade seinen Kopf zu ihrer Schlafzimmertür hereinsteckte. „Würden Sie mir freundlicherweise sagen, was Sie da machen?“, wollte sie mit erhobener Stimme wissen und schaute ihn mit abschätziger Erwartung an. Etwas erschrocken fuhr er daraufhin herum. „Ich bin auf der Suche nach dem Badezimmer. Und nachdem es hier drin nicht ist, wird es wohl hinter dieser Tür sein.“, meinte er, während er die Schlafzimmertür schloss und die Tür rechts daneben öffnete. Seine Feststellung erwies sich als richtig, da Anjali neben ihrer Eingangstür nur zwei weitere Türen in ihrer Wohnung hatte. Beide befanden sich links neben der Küchennische, die wiederrum rechts neben dem gefliesten Eingangsbereich zu finden war. An diesen schloss denn auch gleich ihr Wohnzimmer mit der großen Fensterfront und der davorstehenden Sitzecke an.

Als Rahul ins Bad verschwunden war, schüttelte Anjali nur den Kopf und zweifelte stark daran, dass er gerade die Wahrheit gesagt hatte. Dabei fiel ihr Blick allerdings auf den Bildschirm des Laptops, den Rahul sich mitgebracht und auf den Couchtisch gestellt hatte. Er war mit seiner Arbeit anscheinend schon ein beträchtliches Stück vorangekommen und das überraschte sie. Er musste also tatsächlich etwas anderes getan haben als in ihrer Wohnung herumzuschnüffeln und sie während des Schlafens zu beobachten.

Nachdem er aus dem Badezimmer wiedergekommen war, bat er Anjali, ein paar Rechnungen zu überprüfen. Sie hatte jedoch kaum damit angefangen, als er wissen wollte: „Seit wann bist du mit diesem Harry Wieauchimmer zusammen?“ Anjali stockte ob der Plötzlichkeit seiner Frage und schaute ihn dann nur voller Unverständnis an. „Sein Name ist Harish. Und ich weiß nicht, was Sie das angeht...“, antwortete sie und wollte sich wieder ihrer Aufgabe widmen, doch da Rahul sie beinahe mit seinem Blick durchbohrte, fügte sie hinzu: „Also schön... Seit Kurzem.“ Sie hielt ihre Aussage absichtlich möglichst wage, da sie nicht wollte, dass er wusste, dass sie erst seit gestern ein Paar waren. „`Seit Kurzem´? Dann kann die Beziehung ja noch nicht besonders innig sein.“, stellte er daraufhin fest und lehnte sich mit einem zufriedenen Grinsen zurück. „Wahrscheinlich habt ihr euch noch nicht einmal geküsst...“

Anjali konnte nicht verhindern, dass sie bei diesen Worten feuerrot anlief, denn er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Rahul bemerkte ihre Reaktion natürlich sofort und lehnte sich auf der Stelle wieder zu ihr vor. „Ihr habt euch wirklich noch nicht geküsst?!“, wiederholte er und machte sich nicht einmal ansatzweise die Mühe, seine Freude zu verbergen. „Oh, Anjali... Es ist ja offensichtlich, dass du nicht gerade eine Draufgängerin bist, aber dass du so unschuldig bist, hätte ich nun doch nicht gedacht...“ Mit jedem seiner Worte wurden Anjalis Wangen roter. Sie versuchte, sich von ihm wegzudrehen, doch er griff nach ihren Händen und setzte sich vor ihr auf den Tisch. „Anjali, du musst dich nicht schämen...“, meinte er und legte eine Hand unter ihr Kinn, damit sie ihn ansah. „Frauen wie dich findet man heutzutage überhaupt nicht mehr...“ Sein Blick, seine Nähe und seine Worte beschleunigten unwillkürlich Anjalis Herzschlag und sie spürte wieder dieses Kribbeln in ihrem Bauch.

„Und du kannst mir glauben...“, fuhr er mit weicher Stimme fort, während er sich weiter zu ihr vor beugte und sein Blick sich zu ihrem Mund senkte. „... Ich kann es kaum erwarten, dir diese Unschuld zu nehmen...“ Anjali schloss daraufhin die Augen und atmete tief durch, bevor sie sagte: „Sie sollten jetzt besser gehen...“ Rahul hielt wenige Millimeter vor Anjalis Lippen inne und stutzte. „... Also gut... Aber ich komme morgen wieder.“
 

Kaum war ihre Wohnungstür hinter Rahul ins Schloss gefallen, ließ Anjali sich mit einem Stoßseufzer in die Kissen ihrer Couch sinken. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen und ihre Gedanken wieder einigermaßen klar zu bekommen. Es fiel ihr zu ihrem eigenen Entsetzen immer schwerer, Rahul gegenüber stark zu bleiben und ihn abzuweisen. Und dass er herausbekommen hatte, dass sie und Harish sich noch nicht einmal geküsst hatten, machte es auch nicht besser – vor allem weil es nicht primär an ihr lag. Harish war derjenige, der – was körperliche Annäherung betraf – sehr zurückhaltend war. Das war ihr im Gegensatz zu Rahuls Aufdringlichkeit zwar äußerst willkommen, doch wenn Rahul sie damit aufzog, war es ihr doch unangenehm.

Seufzend stand sie auf und humpelte in die Küche, um sich eine Kleinigkeit zu essen zu machen. Dabei fiel ihr plötzlich auf, dass Rahul offensichtlich ihren Abwasch erledigt hatte. Ihre Spüle war leer und alles war ordentlich zurück an seinen Platz geräumt. Verwundert schaute Anjali sich um und fragte sich, wie lange sie eigentlich geschlafen hatte. Ein Blick auf ihre Uhr beantwortete ihre Frage schnell und ließ sie überrascht nach Luft schnappen. Es war bereits später Nachmittag – sie hatte also beinahe sieben Stunden geschlafen. Sie konnte nicht glauben, dass Rahul sie nicht geweckt und die ganze Zeit still neben ihr gearbeitet und sogar ihre Küche aufgeräumt hatte. Das war nun wirklich das Letzte gewesen, was sie von ihm erwartet hätte.
 

In den nächsten drei Tagen stand Rahul jeweils Punkt neun Uhr mit einer Tüte frisch gebackener Brötchen vor Anjalis Tür. Nach dem gemeinsamen Frühstück machte er sich an die Arbeit und Anjali half ihm in dem Maße, in dem es ihre durch die Tabletten verursachte Müdigkeit zuließ.

Sie wunderte sich über sein plötzlich so umsorgendes Verhalten, doch wenn sie ihn darauf ansprach, winkte er nur ab und wechselte das Thema. Sie fragte sich, ob das nur wieder eine seiner Maschen oder ob seine Freundlichkeit wirklich ernst gemeint war, denn er konnte doch nicht so dumm sein und denselben Trick zweimal anwenden wollen oder? Nichtsdestotrotz ging sie auf Nummer sicher und blieb weiterhin misstrauisch. Man konnte ja schließlich nie wissen. Dieser Mann war unberechenbar – das hatte sie mittlerweile gelernt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  mitsuki11
2010-09-16T17:09:50+00:00 16.09.2010 19:09
Super FF bis jetzt.
Bin gespannt wie es weiter geht.

Lg Mina



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