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Hidden Flowers III

Die letzte Reise
von

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Strohhalme

Irgendwo im Nirgendwo, Norden des Feuerreiches, Zeit seit Ausbruch der Seuche in Konoha: 73h
 

Blind starrte Yuka hinaus auf die endlose Grasebene, die sich vor ihrem Augen ausbreitete. Nur kleine Büsche wuchsen hier und dort, ein armseliges Zeugnis an Vegetation. Leise raschelte der Wind im schneidend scharfen Steppengras.

Sie mochte es nicht.

Sie mochte weder die Baum- und trostlose Umgebung der Steppe noch die endlose Weite, die scheinbar unendlichen Grasflächen, die sich bis zum Horizont erstreckten. Ihr fehlten die Vögel. Die Geräusche des Windes in den Baumkronen. Die sanfte Kühle der langen Schatten.
 

„Ist dir kalt?“, fragte Shikaru, als er neben sie trat. Innerlich zuckte sie zusammen. Er musste nicht so tun, als sei alles in Ordnung zwischen ihnen. Aber sie verstand, wenn er vor seinen Eltern schauspielern wollte.

„Nein“, antwortete sie knapp, obwohl sie tatsächlich fror. Es war die Leere, die sie zittern lies.
 

Shikaru trat neben sie und sah auf sie hinab. Was war nur mit Yuka los? Seit Tagen benahm sie sich kalt und abweisend und er wusste nicht, ob er etwas falsch gemacht hatte oder ob sie etwas bedrückte. An ihrem Gesicht konnte er nichts ablesen – und sein Atem verfing sich in seiner Kehle, als ihm erneut bewusst wurde, wie schön sie war.

„Das weckt Erinnerungen“, sagte er trocken.

Sie nickte. Yuka erinnerte sich genauso gut wie er – die Prüfung zum JouNin, mit Shikaru als Partner, die trostlose Steppe, die Flucht quer über die Ebene, ein Rudel Schattenwölfe auf den Fersen...

Rasch stand sie auf und ging an Shikaru vorbei, zurück zum kleinen Lager. Bemüht so zu wirken, als habe sie etwas vor, ging sie auch an Shikamaru- und Ino-San vorbei und blieb erst stehen, als ihr bewusst wurde, dass sie nicht entkommen konnte. Hier gab es keinen Baum, keinen Strauch groß genug, um für einige Zeit außer Sichtweite verschwinden zu können. Also schloss sie die Augen, den Rücken zum Lager, und atmete sie tief ein und aus, aber ihr Herz hörte nicht auf zu rasen. Das Gefühl verflüchtigte sich nicht.

Eine Bewegung hinter ihr liess sie aufschrecken.

„Alles in Ordnung, Yukatsuki?“, fragte Ino-San sanft. Yuka nickte, die Augen noch immer geschlossen. Die Ärztin legte eine kühle Hand auf ihre Stirn. Auf Yukas erhitzter Haut fühlte es sich unglaublich gut an. Komisch, gerade noch hatte sie gefroren.

„Fieber hast du nicht“, murmelte die Frau. „Schmerzen? Schwächegefühl?“

Noch immer wortlos, schüttelte Yuka den Kopf. Sie konnte Ino-Sans Stirnrunzeln beinahe sehen, obwohl die Frau hinter ihr stand und sie noch immer die Augen geschlossen hielt. „Geht es dir gut?“

Jetzt erst öffnete sie die Augen und lächelte schwach. Selbst in ihren Augen war es ein jämmerlicher Versuch.

„Mir geht es gut. Ich werde sehen, ob es in der Umgebung etwas gibt, mit dem wir unsere Vorräte ergänzen können.“

Mit diesen Worten floh sie endgültig. So ging es einfach nicht weiter, dachte sie. Sie war unfähig, mit Shikaru zu reden – ihr Herz raste, sobald sie ihn nur ansah. Das konnte sie sich nicht leisten. Sie musste sich konzentrieren. Dies war der letzte Strohhalm, an den sie sich verzweifelt klammerten. Sie durften nicht versagen.
 

Flashback: Irgendwo im Nirgendwo, Norden des Feuerreiches, ein Tag zuvor, Zeit seit Ausbruch der Seuche in Konoha: 56h
 

Yuka hasste es, wenn sich die Dinge verselbstständigten, wenn sie die Kontrolle verlor und die Dinge sich nicht mehr lenken liessen. Zum Beispiel, dass sie sich neuerdings nicht mehr in Shikarus Nähe aufhalten konnte, ohne dass irgendetwas in ihr aufschrie. Oder dass Menschen starben und sie ihnen nicht helfen konnte.
 

„Yuka-Neesan!“ Björn, der kleine, lebhafte Junge, rannte auf sie zu. „Spielst du mit uns Ninja und Verbrecher?“

„Was?“, fragte sie verständnislos. Ein ungläubiger Blick traf sie. „Weißt du nicht, was das ist?“

Ich werde alt, dachte sie amüsiert und lauschte der Jungenstimme, die zu einer langatmigen Erklärung ansetze. Ein schrilles Kreischen ertönte und sie sah auf. Am Himmel kreiste ein dunkler Fleck, zog Kreise über der kleinen Ansammlung von Hütten. Sie beschattete ihre Augen, und auch Björn starrte fasziniert nach oben.

„Was ist das?“

„Das ist ein Botenfalke“, antwortete sie, schob sich zwei Finger in den Mund und stiess einen schrillen Pfiff aus. Zur Antwort kreischte der Falke noch einmal, dann wurden seine Kreise enger und er schwebte langsam hinab.

Scharfe Krallen bohrten sich in ihren Unterarm, als der Falke majestätisch landete und seine Flügel zusammenfaltete, aber sie ignorierte den Schmerz und zog die dünne Pergamentrolle vom Bein des Vogels. Fasziniert betrachteten die Kinder den Vogel.

„Von wem ist der?“, fragte Isha, ein kleines Mädchen von zwölf Jahren. „Eine Botschaft!“, rief Björn. „Ist sie vom Hokage?“ Yuka nickte abwesend, bis ihr bewusst wurde, dass der kleine Lars an ihrem T-Shirt zupfte. Sein ängstlicher Gesichtsausdruck rief sie in die Realität zurück.
 

„Alles in Ordnung“, beruhigte sie die Kinder. „Ich muss nur Shikaru Bescheid sagen. Wartet ihr im Haus auf mich?“

Die Kinder nickten und jubelten, als Yuka dem Falken über das Gefieder strich, ihm etwas zuflüsterte und ihn dann in die Luft warf. Der Vogel breitete die Flügel aus und entschwebte majestätisch.
 

Ino-San sah müde aus, aber besser als zuvor. Shikamaru-San und Shikaru waren beide über einen Tisch gebeugt, als Yuka hereinstürmte. Die Tür knallte gegen die Wand, und alle fuhren erschrocken auf.

„Ich hasse das!“, brach aus ihr hervor, und mit ihrer Heftigkeit überraschte sie sowohl die Anwesenden als auch sich selbst. Ino-San zog die Brauen hoch. Vater und Sohn sahen sie beide mit einem identischen, ausdruckslosen Gesicht an.

„Es bringt ja doch nichts! Wir suchen schon so lange nach der Ursache für diese Krankheit – und wir sind doch keinen Schritt weitergekommen! Die Menschen sterben uns unter den Händen weg – und nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder! Jemand hat Leute beauftragt, Konoha zu infizieren, die sind geschnappt, aber es ist schon zu spät – man hat Konoha offiziell unter Quarantäne gestellt! Warum stellen wir uns nicht einfach der Realität – wir schaffen es nicht!“

Am liebsten wäre sie in Tränen ausgebrochen. Sie hielt sich mit eiserner Willenskraft zurück. Ein Ausbruch reichte.

Wir schaffen es nicht.
 

Shikamaru-San, Ino-San und Shikaru starrten sie mit aufgerissenen Augen an.

„Was ist mit Konoha?“, fragte Shikaru schließlich, der als erster die Sprache wiederfand.

„Jemand hat das Virus einschleusen lassen“, flüsterte sie. Verzweiflung und Wut schnürten ihr die Luft ab.

„Oh Gott“, sagte Ino-San leise und schlug die Hände vors Gesicht. „Das ist meine Schuld...“

„Das ist nicht Ihre Schuld“, widersprach Yuka, ehe Shikamaru-San etwas sagen konnte. „Niemand hätte etwas machen können. Wir können immernoch nichts machen.“ Bitterkeit klang unverkennbar in ihrer Stimme mit. „Wir können eigentlich nur noch auf ein Wunder hoffen.“
 

Da trat Takeo vor. Er sagte nur zwei Worte: „Hidden Flowers.“

Flashback Ende
 

Yuka war nicht diejenige, die diesen – zugegebenermaßen verzweifelten – Plan unterstützte. Nein, es war eine Ansammlung vieler Dinge, die die vier Reisegefährten dazu brachte, sich auf eine erneute Reise zu begeben. Nun waren sie also unterwegs – auf der Suche nach einem zerstörten Dorf, auf der Suche nach einem legendären Heilmittel.

Es hatte Arbeit gekostet, Ino-San – und besonders Shikamaru-San – davon zu überzeugen, dass Hidden Flowers nicht nur eine Legende war. Zuerst hatten sie es nicht glauben wollen – es schließlich jedoch akzeptiert. Nur, dass dort eine Pflanze wachsen sollte, die jegliche Krankheiten heilen konnte – das wollten sie nicht glauben.
 

„Es existiert!“, fauchte Shikaru. „Und wir finden heraus, wie man das Heilmittel herstellt!“

„Aber es gibt keine Garantie dafür“, widersprach sein Vater ernst. „Wir sind intelligente Menschen, die wissen, wann sie aufgeben müssen – und wir sollten nach Konoha zurückkehren. Vielleicht können wir dort etwas bewirken.“

„Wir mögen intelligent sein, Vater, aber wir sind auch verzweifelt!“

„Aber vielleicht können wir mehr erreichen, wenn wir nach Konoha zurückkehren“, sagte Ino-San. Shikarus Augen blitzten.

„Falls ich mich einmischen dürfte“, sagte die ruhige Stimme des Dorfoberhauptes hinter ihnen. Alle fuhren herum. Sie hatten beinahe vergessen, dass er noch da war.

„Es gibt tatsächlich Berichte von einer Pflanze, die in einem verlassenen Dorf blüht, die in der Lage ist, vielen Giften entgegenzuwirken. Ich habe sie hier, falls Sie es sehen wollen. Und die Rezeptur für das Heilmittel ist seit Jahrhunderten in der Familie der Oberhäupter des Dorfes weitergegeben worden.“

Sowohl sein Blick als auch der von Shikaru gingen automatisch zu Yuka hinüber. Wie überaus praktisch, dachte diese spöttisch. Nur leider wusste sie nichts. Was sie viel mehr interessierte, war, wie Takeo herausgefunden hatte, wer sie war. Sie würde sich später mit ihm beschäftigen müssen.
 

„Worauf warten wir noch?“, fragte Shikaru drängend. „Wir sollten sofort aufbrechen! Wenn wir diese Pflanze rechtzeitig finden, besteht vielleicht die Chance, dass wir ein Heilmittel finden können!“

„Wenn es tatsächlich die Möglichkeit gibt, ein Heilmittel zu finden, dann sollten wir danach suchen“, kam Ino-San ihrem Sohn zu Hilfe. Sie sah ihren Mann an. „Was meinst du?“

Shikamaru-San schüttelte den Kopf. „Es bringt doch nichts“, sagte er. „Wir müssen zurück nach Konoha. Wir werden dort gebraucht.“

„Was wir brauchen ist ein Heilmittel!“, gab Shikaru zurück. Seine Augen gingen zu Yuka, die Frage deutlich in ihnen.

„Ich denke auch, wir sollten zurückkehren“, sagte sie leise. Das Eingeständnis schmeckte bitter. Sie hob ihren Blick nicht, um seinen enttäuschten Ausdruck nicht sehen zu müssen. „Der Hokage hat uns zurückbeordert.“

„Das ist mir gleich“, sagte Shikaru schließlich in die Stille hinein, seine Stimme hart. „Alles ist besser, als zurückzugehen und zuzusehen, wie Menschen sterben. Ich gehe.“

Ino-San zupfte ihren Mann am Ärmel. Als er sich zu ihr herabbeugte, flüsterte sie ihm etwas ins Ohr, und er seufzte. Yuka sah buchstäblich seine Argumente in Luft aufgehen.

„Na gut“, sagte er seufzend. „Umgehen wir die Rückbeorderung und suchen dieses Dorf. Tatsächlich ist alles besser, als tatenlos zusehen zu müssen.“

Als hätte der Entschluss das Signal zum Aufbruch gegeben, wandten sich alle der Tür zu und verließen den Raum. Erst, als sie vor der Tür standen, fiel Ino auf, dass Yuka nicht mitgekommen war. Sie zog die Brauen hoch und sah Shikaru an, der daraufhin ins Haus zurückging. Yuka stand noch immer dort, wo sie zuvor gestanden hatte.
 

Shikaru blieb so dicht vor ihr stehen, dass sie den Kopf heben musste, um ihn anzusehen. Ihr Gesichtsausdruck sagte ihm alles.

„Schon gut“, sagte er sanft. „Ich weiß, dass du dich seinen Befehlen nicht noch einmal widersetzen willst. Ist schon in Ordnung.“

Yuka widerstand dem Wunsch, zurückzuweichen. Wenn er ihr so nah war, konnte sie nicht denken – wie konnte er so verständnisvoll sein, wenn er doch noch immer wütend auf sie war? Vielleicht ist er das ja nicht mehr, sagte die kleine Stimme in ihrem Kopf, und sie schüttelte sie ab. Wütend vielleicht nicht – aber vertrauen tat er ihr auch nicht mehr. Aber vielleicht konnte sie etwas tun, um sein Vertrauen wieder zu gewinnen. Und er hatte Recht – etwas tun war allemal besser als Nichtstun.

„Ich komme mit“, sagte sie leise. „Wie wollt ihr Hidden Flowers denn ohne mich finden?“

Dann schlüpfte sie an ihm vorbei und floh aus der Tür.
 

Ein leises Rufen brachte Yuka dazu, sich umzusehen und erschrocken stellte sie fest, dass es bereits dunkel wurde.

„Am Besten, du legst dich hin, Yukatsuki“, sagte Shikamaru-San und deutete auf Shikaru und Ino, die sich bereits in der Mitte der kleinen Lichtung niedergekauert hatten. „Du solltest dich ausruhen.“

Yuka lächelte ihm zu und trat ebenfalls zu den anderen hinüber. Bemüht, einen Abstand zwischen sich und Shikaru zu bringen, breitete sie ihre Decken aus und legte sich hin. Herbstnächte auf der Ebene waren kühl... Nun, immerhin versorgte der Himmel sie heute nicht mit Wasser von oben.

„Mum – was hast du Vater gesagt, damit er mitkommt?“, hörte sie Shikaru leise flüstern. Ino-Sans melodisches Lachen hallte über die kleine Lichtung.

„Ich habe ihn gefragt, wie offiziell sein Grund ist, jetzt hier zu sein“, sagte sie leise. Ihr leises Lachen verschmolz mit dem Rauschen des Windes in den Gräsern.

Vergessen kam mit dem Schlaf.

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Ende des Kapitels

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fahnm
2011-11-27T19:40:21+00:00 27.11.2011 20:40
Klasse Kapi^^


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