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Vertrauen und Verrat

von

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Das Geheimnis der Kette

Wie ich es am Vortag vorrausgesagt hatte, schlief ich tatsächlich in der Schule ein, im Biologieunterricht, der letzten Unterrichtsstunde für diesen Tag. Zuerst war es nur ein Sekundenschlaf, doch nach etwa einer Viertelstunde legte ich meinen Kopf einfach auf die Bank und schloss meine Augen. Im Hintergrund hörte ich noch einige meiner Mitschüler murmeln, aber keiner hinderte mich an meinem wohlverdienten Schlaf, keiner außer dem Lehrer, welcher plötzlich vor mir stand und mit dem Zeigestock auf die Bank schlug. „Wenn Ihnen langweilig ist, Alec Stone, können Sie gern nach Hause gehen.“

Ich zuckte kurz zusammen, bevor ich zur Überraschung der ganzen Klasse meine Sachen in meinen Rucksack stopfte und aus dem Zimmer spazierte. Keiner hielt mich auf. Alle waren sprachlos über mein Verhalten, selbst der Lehrer. Hoffentlich gab das keinen Verweis, denn dann würde ich meinen Vater wiedersehen. Solange das nicht der Fall war, konnte ich mir auch die eine oder andere zusätzliche Freistunde ruhig gönnen.

Im Flur setzte ich mich auf einen der umherstehenden Stühle und schloss wieder meine Augen. Wenig später war ich eingeschlafen. Nicht einmal der laute Klingelton der Pausenglocke schaffte es, mich aus meinem Schlaf zu reißen. Erst als Dean mich an den Schultern packte und vom Stuhl schob, wachte ich auf. Ich spürte, wie ich auf einmal auf dem harten Boden aufkam. Verwundert schaute ich mich um. Das hier war nicht mein Zimmer, sondern die Schule. Was machte ich hier? Erst nach einigen Sekunden kamen meine Erinnerungen zurück und ich hatte mühe, mir ein Lachen zu verkneifen.

„Na? Ist Rapunzel endlich aufgewacht?“, fragte George leicht spöttisch.

„Ich dachte, das war Dornröschen...“, warf Dean sichtlich verwirrt über die Worte seines besten Freundes ein und provozierte diesen damit.

„Das ist doch egal!“, schrie George, „Hauptsache, man versteht, wie es gemeint ist!“

Kopfschüttelnd betrachtete ich die beiden, bevor ich mich vom Boden erhob und wieder auf den Stuhl setzte. Heute war einfach nicht mein Tag, oder vielleicht doch, denn immerhin hatte ich Kian wiedergetroffen. Nur leider wusste ich nicht, ob er sein Versprechen halten würde. Es war dumm von mir, keine Absicherung zu verlangen, aber mit was hätte ich ihn denn zwingen sollen, bei mir vorbeizuschauen? Außerdem wäre das nicht fair gewesen. Er war schon so fertig genug. Außerdem hatte er bis jetzt jedes Versprechen gehalten, bis auf ein paar kleine Ausnahmen in unserer Vorschulzeit, da hatte er sie regelmäßig wieder vergessen.

„Alec, willst du mit zu mir kommen? Du hast doch sicher wieder nichts Essbares zu Hause.“, riss mich Ryan aus meinen Gedanken und ich schaute ihn zuerst leicht verwirrt an, bevor ich nickte. „Ja, das wäre nett. Ich habe seit gestern nichts mehr gegessen.“

Dean seufzte. „Wärst du in der Lage, einen ordentlichen Haushalt zu führen, ständest du nicht immer vor einem leeren Kühlschrank! Entweder du lernst, wie du dich selbst versorgen kannst, oder du schnappst dir eine Freundin, die dann für dich kocht.“

Beleidigt schaute ich ihn an. „Sonst noch irgendetwas an meinem Lebensstil auszusetzen?“

„Du müsstest mal wieder zum Friseur gehen!“, scherzte Dean, bevor er und George sich von mir und Ryan verabschiedeten und nach Hause gingen.

Kaum hatten Ryan und ich das Schulgebäude verlassen, sah ich auch schon seinen Vater vor dem Gebäude warten. Als er und erblickte, lief er zügig auf uns zu und grüßte seinen Sohn. Ich wollte das nicht sehen, weshalb ich meinen Blick abwendete und mich langsam von den beiden entfernte. Die paar Stunden, bis ich es geschafft hatte, einkaufen zu gehen, hielt ich auch noch aus. Ein Mensch kam ja bekanntlich über einen Monat ohne Essen aus.

Doch kaum war ich zwei Schritte gegangen, hatte mich Ryan auch schon am Arm gepackt. „Wo willst du hin?“, fragte er gespielt streng.

„Nach Hause.“, murmelte ich und starrte auf den Boden. Es machte mich noch immer fertig, wenn ich eine glückliche Familie sah und nicht selten wünschte ich mir meine Mutter zurück, dann wäre es nie so weit gekommen. Aber sie war tot und würde nicht zurückkommen.

Ryans Vater kam auf mich zugelaufen. „Hallo Alec, lange nicht mehr gesehen. Wie geht es dir? Kommst du gut allein klar? Du weißt, du kannst jederzeit bei und vorbeischauen.“

Mit einen gefälschten Lächeln beantwortete ich seine Frage. „Nein, mir geht es gut. Ich komme sehr gut allein zurecht. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.“

„Von wegen, du kommst gut aus! Wann hast du das letzte Mal gegessen, bevor Dean und George dich gestern Abend in die Bar geschleppt haben? In die Schule bringst du auch nie etwas mit! Denk doch auch mal an deine Gesundheit. Oder willst du so lange weitermachen, bis du am Ende noch im Krankenhaus landest?!“

Anstatt ihm ordentlich zu antworten oder zu widersprechen zuckte ich einfach nur mit meinen Schultern. „Jetzt sieh es mal nicht so eng. Keiner landet im Krankenhaus, nur weil er ein mal ein paar Tage lang nichts isst“, spielte ich die Sache herunter.

Ryans Vater unterbrach uns. „Ich sehe schon, wo das Problem ist. Du bist heute zum Essen eingeladen. Meine Frau freut sich sicher, dich wiederzusehen.“

Da protestieren jetzt nichts mehr brachte, begleitete ich die beiden widerstandslos zum Auto und fuhr mit ihnen zu ihrer Wohnung, wo ich auch gleich von Ryans Mutter begrüßt wurde, fast so, als sei ich ein teil dieser Familie. Sie zog mich in das Haus, nahm mir meine Schulsachen ab und setzte mich an den Esstisch. Nur wenige Sekunden später gab es Essen. Es schmeckte gut, aber ich zwang mich, nicht mehr als zwei Mal nachzuholen. Sonst würden meine unregelmäßigen Essenszeiten zu sehr auffallen und sie würden sich nur unnötige Sorgen machen. Das wollte ich nicht. Diese Familie hatte schon genug für mich getan. Ich durfte ihnen keine weiteren Probleme verursachen.

Nach dem Essen verließ ich gemeinsam mir Ryan die Küche und lief in Richtung seines Zimmers, doch auf halbem weg stoppte ich. Etwas hatte meine Aufmerksamkeit erweckt, ein Stapel Zetteln auf der Kommode im Flur. Ich hob den obersten an und überflog kurz den Inhalt. Es ging um eine seltsame Kette aus einer Legende. Als ich den zweiten Zettel genauer betrachtete, stockte mir der Atem. Darauf war das besagte Schmuckstück abgebildet. Es war kein Foto, sondern lediglich eine sehr detaillierte Zeichnung, aber dennoch zog sie mich in ihren Bann. Ich kannte diese Kette. Sie sah genau so aus, wie die, die mir Kian vor zehn Jahren geschenkt hatte. Vorsichtig zog ich sie unter meinen Klamotten hervor und verglich sie mit der Skizze. Irgendwo musste es doch Unterschiede geben! Es war unmöglich, dass ich die Kette aus einer Legende besaß!

Plötzlich stand Ryans Vater hinter mir. Gerade noch so schaffte ich es, meine Kette wieder unter meinem Pullover verschwinden zu lassen, doch die Zetteln hielt ich immer noch in der Hand. Entschuldigend sah ich den Mann an und legte die Zetteln zurück. Ich rechtete damit, dass er mit mir schimpfte, weil es mich nichts anging, was er als Wissenschaftler herausfand, doch der Mann lächelte nur freundlich. „Na? Interessieren dich alte Geschichten?“

Ich schüttelte meinen Kopf, doch dann zeigte ich auf das Bild der Kette. „Diese Kette ist etwas besonderes, habe ich Recht?“, versuchte ich mehr über das Schmuckstück herauszufinden. Vielleicht erzählte er mir ja etwas.

Ryans Vater nickte. „Wir sind uns nicht einmal sicher, ob sie wirklich existiert, aber vor einigen Wochen sind wir auf eine seltsame alte Legende gestoßen. Die Legende besagt, dass diese Kette einst einem sehr mächtigen Wolfsstamm gehört hat, und zwar dem Anführer, dem Alphatier. Aber in dieser Legende handelte es sich um keine normalen Wölfe. Sie sollen um ein vielfaches größer gewesen sein und außerdem sollen es sogar einige von ihnen fertig gebracht haben, sich in Menschen zu verwandeln. Aber nun zurück zu der Kette. Wo sie genau herstammt, ist nicht überliefert. Wir wissen nur so viel, dass sie aus einem Material bestehen soll, was es kein weiteres Mal auf der Erde gibt. Der Legende nach ernährten sich diese Wölfe von Menschenfleisch.“

Bei diesen Worten schauderte mir und ich musste wieder an den Abend denken, als einer von ihnen meine Mutter angefallen hatte. Doch warum war mir damals nichts passiert.

Der Vater sprach weiter. „Es soll vorgekommen sein, dass einzelne der Wölfe eine engere Bindung zu und Menschen aufbauten, aber meist wollte das Alphatier das nicht und brachte sie um. Des weiteren wird behauptet, dass das Alphatier, wenn es einen Menschen als ebenbürtig anerkennt, ihm diese Kette übergibt und den anderen Tieren somit verbietet, diesen einen Menschen zu töten. Also um es klar zu formulieren: Gibt einer von diesen Wölfen einem Mensch diese Kette, ist dieser in Sicherheit. Keiner aus dem Rudel wird es wagen, ihm auch nur ein Haar zu krümmen und tut er das doch, erwartet ihn der Tot durch das Alphatier. Hier kommt das unbekannte Material dieser Kette ins Spiel. Laut Legende sollen die Wölfe in der Lage sein, es aus kurzer Entfernung zu spüren.“ Ryans Vater beendete seine Lange Rede und ich starrte ihn fassungslos an.

„Krass.“, murmelte ich, „Wenn so etwas wirklich existieren würde, meine ich. Aber dann hätte man es sicher schon längst gefunden, oder wenigstens diese Wölfe. Oder sind sie schon lange ausgestorben? Dann würde man aber die Knochen finden.“ Ich hoffte, dass er mir nicht anmerkte, wie sehr ich mich im Moment verstellte, aber ich brachte es einfach nicht fertig, ihm die Wahrheit zu sagen. Es würde Kian in Schwierigkeiten bringen, wenn sie ihn nicht sogar töten oder für den Rest seines Lebens einsperren würden.

„Ich weiß, dass es unglaubwürdig klingt.“, sagte Ryans Vater nach einer Weile, „Aber dein Vater und ich glauben, dass diese Legende der Wahrheit entspricht. Wir suchen nach Beweisen für ihre Existenz. Doch bis jetzt haben wir keine echten Beweise. Alle können gefälscht sein, theoretisch jedenfalls.“ Dann wurde seine Stimme plötzlich leiser und er schaute mich musternd an. „Dein Vater geht davon aus, dass deine Mutter von einem dieser Wölfe angefallen und getötet wurde. Die Bissspuren waren nicht zu übersehen und außerdem waren sie zu groß für ein normales Raubtier, deshalb-“

Ich schüttelte meinen Kopf. „Warum bin ich dann noch am Leben? Ich weiß, dass ich mit ihr auf dem Heimweg war und wir hatten das Haus wahrscheinlich auch noch nicht erreicht. Wenn es diese Wölfe wirklich gibt und sie meine Mutter wirklich umgebracht haben, warum dann nicht auch mich?“

Ryans Vater seufzte. „Das versuchen wir herauszufinden. Wenn du dich doch nur erinnern könntest, dann wüssten wir es, ob es ein Wolf war oder ein verrückter Mensch. Aber da kann man nichts machen. Ich bin sicher, so ist es besser, als wenn du diese schrecklichen Erinnerungen für immer mit dir herumtragen müsstest.“

Schwach nickte ich, bevor ich mich zwang ihn anzugrinsen, als hielt ich ihn für leicht verrückt. „Dann viel Spaß bei eurer Suche nach einer neuen Art.“ Leise murmelte ich noch ein „Hoffentlich stecken sich euch nicht in die Klapsmühle.“, bevor ich mich für das Essen bedankte und das Haus verließ.

Ich hatte kein Geld dabei, weshalb ich zu meiner Wohnung lief, aber das machte nichts, so konnte ich wenigstens meine Gedanken sortieren. War diese Legende wirklich wahr? Nun, dass der Teil mit den Wölfen stimmte, wusste ich inzwischen. Doch was war mit der Kette? Die Wahrscheinlichkeit, dass auch das er Wahrheit entsprach war ziemlich hoch. Der Wolf war auf mich zugegangen und hatte mich anfallen wollen, doch dann plötzlich hatte er es sich anders überlegt. An diesem Abend hatte ich die Kette getragen. Hatte er mich wirklich nicht umgebracht, nur weil ich diese dumme Kette trug. Wenn nur Kian hie wäre, dann könnte ich ihn fragen. Er würde meine Fragen sicher beantworten.

Ich betrat das Haus, in dem ich wohnte und lief in Richtung meiner Wohnung. Es war dunkel, wegen fehlender Fenster, so dass man nur die Umrisse erkennen konnte. Gerade als ich den Schlüssel aus der Hosentasche gezogen hatte, bemerkte ich, dass eine Gestalt an meiner Wohnungstür lehnte, welche sich langsam erhob. Der Haltung nach schien sie starke Scherzen zu haben. Ich schaltete das Licht ein und meine Augen weiteten sich erschrocken, als ich Kian erkannte. Mein ehemals bester Freund humpelte auf mich zu, sein ganzer Körper war voller Blut. „Hi.“, sagte er betont lässig. Vor mir blieb Kian stehen. „Alec...“, flüsterte er, bevor er zusammenbrach.

Ich ging schnell einen Schritt nach vorn und fing ihn auf. „Kian!“, rief ich besorgt.

Er lächelte mich nur schwach an. „Kann ich für eine Weile hier bleiben, bei dir?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Binechan
2010-03-30T16:05:39+00:00 30.03.2010 18:05
sorry das ich erst jetzt einen kommentar schreibe, aber als ich angefangen haben mit lesen konnte ich nicht mehr aufhören. ich muss chorno87 recht geben, dass du tolle ideen hast und ich würde mich SEHR freuen wenn es schnell weiter geht

LG Binechan
Von:  chrono87
2010-03-30T07:27:31+00:00 30.03.2010 09:27
was für eine abgefahrene geschichte. ich frag mich immer wieder, wie du auf solche geilen ideen kommst.
das mit der kette ist echt... umwerfend. jetzt ist nur die frage, wieso kian sie hatte. ist er das alphatier? aber wer ist dann der schwarze wolf? ich werde da nicht wirklich schlau drauß.
das mit den essgewohnheiten ist wirklich krass. das sich alec noch nicht den magen verdorben hat ist beachtenswert.
wieso ist kian verletzt? ich bin gespannt darauf zu erfahren, was mit ihm passiert ist.
lg chrono87


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