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Vertrauen und Verrat

von

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Die im Wald lauernde Gefahr

Im Zimmer war es still, als ich geendet hatte. Dean starrte mich geschockt und mit weit aufgerissenen Augen an. Der Gesichtsausdruck meines Vaters ähnelte seinem stark. Die gesamte Wut war aus seinen Zügen verschwunden und nach einer Weile sah er Kian an, bevor er mit schwacher Stimme fragte: „Stimmt das?“

Mein bester Freund nickte zögerlich, dann starrte er auf den Boden. „Ich war unvorsichtig. Ich ging davon aus, dass ich die Freundschaft zerstört hatte. Am Tag nach dem Tod Ihrer Frau bat ich Alec um ein Gespräch. Ich verlangte von ihm, keinem etwas von dem, was am Vortag geschehen war, zu erzählen und die Kette niemals abzulegen. Ich sagte, wir würden uns nie wieder sehen, und verwandelte mich vor ihm. Ich dachte, das würde genügen, damit er mich hasste oder wenigstens Angst vor mir hatte.“

„Dann hat Alec die ganze Zeit über behauptet, er hätte sein Gedächtnis verloren, weil du es von ihm verlangt hast?“, fragte mein Vater ungläubig und überrascht. Zu meiner Überraschung klang er nicht wütend, nicht ein Bisschen.

Kian schüttelte schwach seinen Kopf. „Das mit dem verlorenen Gedächtnis hat er sich selbst ausgedacht. Aber es stimmt. Ich bin dafür verantwortlich, dass er nicht geredet hat. Das war die einzige Möglichkeit, um sicher zu gehen, dass die anderen ihn nicht umbringen würden. Sie wissen sicher, was wir normalerweise mit Menschen tun, die versehentlich von unserer Existenz erfahren...“

Wieder war es still. Langsam ging mein Vater auf den Tisch zu und setzte sich auf einen der Stühle. Er seufzte, bevor er seine Ellenbogen auf die Tischkante stützte und seinen Kopf auf seinen Händen ablegte. „Es fällt mir schwer, dir zu glauben.“

Unauffällig stützte ich mich am Schrank ab. Es war anstrengend, eine längere Zeit zu stehen und auch wenn ich es nur ungern zugab, der Streit mit meinem Vater hatte fast meine Gesamte Kraft verbraucht. Aber ich wollte nicht, dass meinen Freunden das auffiel. Nach einigen Minuten wandte ich mich an meinen Vater und sah ihn unnachgiebig an. „Kian sagt die Wahrheit. Ohne ihn wäre ich schon lange tot.“

Erst jetzt bemerkte ich, dass Dean mich und meinen besten Freund geschockt anstarrte. Vor irgendetwas schien er Angst zu haben, das sagte sein Gesichtsausdruck. Er stützte sich mit den Händen am Küchenschrank ab und senkte seinen Blick. „W- was passiert denn mit Menschen, die versehentlich von eurer Existenz erfahren?“, fragte er unsicher.

Kian ging einige Schritte auf ihn zu. „Normalerweise bringen wir sie ohne Vorwarnungen um, bevor sie überhaupt die Gelegenheit haben, irgendwem von uns zu erzählen. Meistens töten wir sie gleich nachdem sie es erfahren haben. Nur selten kommt es vor, dass wir sie noch eine Weile leben lassen. Es gibt Regeln, die das verbieten. Jeder, der über unsere Existenz Bescheid weiß, ist eine potentielle Gefahr für uns.“

Dean nickte schwach. „Aber warum leben wir dann noch?“

Kian hob seine Schultern. „Warum nicht? Die Regeln interessieren mich einen Scheißdreck. Und außerdem...“ Er grinste. „Es ist ja nicht so, dass ich gleich auf die Straße rennt und es jeden erzählt, den ihr trefft. Solange ihr keinem von uns erzählt, stellt ihr keine Gefahr dar.“

Ich konnte Erleichterung in Deans Gesicht erkennen. Anscheinend hatte er sich ernsthaft Gedanken darüber gemacht, nun ja das war nicht weiter wunderlich. Mein Vater dagegen sah Kian nur verwundert an, bevor er nach einigen Minuten endlich etwas sagte: „Das- Das glaube ich nicht. Das widerspricht den Forschungsergebnissen.“

„Inwiefern?“, fragte Kian sachlich und ich wunderte mich über seine Ruhe. Normalerweise müsste er wütend sein und meinem Vater widersprechen, aber er tat das nicht.

„Dein gesamtes Verhalten. An dir fehlen sämtliche Merkmale der Mannaro. Du verhältst dich nicht wie ein Tier, sondern eher wie ein Mensch und auch deine Augenfarbe passt nicht.“

„Ich schiebe es auf die Erziehung.“, antwortete Kian und auf seinem Gesicht bildete sich ein schwaches Grinsen. „Meine Mutter war ein Mensch. Und da mein Vater nur selten zu Hause war, hatte ich wahrscheinlich nicht genügend Zeit, alle Charakterzüge von ihm zu übernehmen. Außerdem bin ich unter Menschen aufgewachsen.“ Er hielt kurz inne, bevor er fortfuhr. „Was die Augenfarbe betrifft, gibt es eine logische Erklärung. Ich habe sie von meiner Mutter geerbt, weil ich nur zur Hälfte ein Mannaro bin. Normalerweise verschwindet diese Augenfarbe nach ein bis zwei Generationen wieder. Es kommt nur selten vor, dass sie in der fünften oder sechsten Generation wieder auftaucht.“

Mein Vater nickte, sichtlich verwirrt über die eben erhaltenen Informationen. Man sah ihm an, dass er nicht damit gerechnet hatte, eine Antwort auf seine indirekte Frage zu bekommen. Doch gleichzeitig schien er auch zu überlegen, ob er sich noch nach anderen Dingen erkundigen sollte, was er einige Sekunden später auch tat. „Wie sieht er mit eurer Ernährung aus? Was esst ihr und was nicht?“

Kians Grinsen wurde breiter und er warf mit einen vielsagenden Blick zu. „Das hat Alec mich auch schon gefragt. Normalerweise ernähren wir uns von Fleisch. Meistens fangen wir Tiere. Wir vertragen zwar auch fleischlose Kost, essen sie aber nicht besonders gerne.“

Das Verhalten meines besten Freundes verwirrte mich immer mehr. Warum beantwortete er die ganzen Fragen? Er musste es nicht und soweit ich wusste, war es sogar schädlich für ihn.

Kian schien meinen fragenden Blick bemerkt zu haben, den er grinste mich frech an. „Keine Angst, ich verrate schon nichts wichtiges.“

Jetzt war ich baff. „Wie? Und was ist dann wichtig?“

Mein bester Freund schüttelte seinen Kopf. „Nicht jetzt. Ich sage es dir später.“

Immer noch leicht irritiert nickte ich, wissend dass ich mir gerade einen mehrstündigen Vortrag über die Mannaro eingebrockt hatte. Aber so schlimm fand ich das nicht. Das Thema interessierte mich und Kian würde mir alles erklären, was ich nicht verstand. Außerdem konnte ich bei dieser Gelegenheit mehr über ihn und seine Vergangenheit erfahren.

Meinem Vater schien Kians Antwort nicht gefallen zu haben. Sein Gesicht nahm leicht gereizte Züge an und in seinen Augen konnte ich klare Abneigung erkennen. „So? Du erzählst mir also nur unwichtige Dinge? Willst du mich verarschen? Ich habe durch meine Forschungen schon genug herausgefunden, um mitreden zu können.“

„Ich weiß.“, entgegnete Kian gelassen, „Und aus diesem Grund wollen die anderen Sie und Ihre Familie auch schon seit geraumer Zeit tot sehen. Sie beschatten Sie, spionieren Ihre Forschungen aus. Was glauben Sie, wieso einer Ihrer 'Kollegen' ein Mannaro war?“

Darauf schwieg mein Vater.

Kian fuhr fort. „Es geht mich zwar eigentlich nichts an und ich will mich wirklich nicht in Ihre privaten Angelegenheiten einmischen, aber wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, brechen Sie die Forschungen ab. Das ist die einzige Möglichkeit, wie Sie sich vielleicht noch retten können. Ich habe im Moment nicht genug Macht, um Sie zu schützen.“

Geschockt über diese Worte, rissen Dean, mein Vater und ich die Augen auf. Doch ich war der erste, der aussprach, was er dachte: „K- Kian du? Warum schützt du meinen Vater? Hasst du ihn nicht, für das was er dir angetan hat?“

Mein bester Freund schüttelte schwach seinen Kopf. „Er ist dein Vater, deshalb. So lange er dir noch etwas bedeutet, werde ich nicht zulassen, dass die anderen ihn umbringen.“

Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Zum einen erschwerte mir meine Krankheit das klare Denken, zum anderen wusste ich, dass es Kian sicher schwer fiel, so etwas zu sagen und auch einzuhalten. Ich konnte das nicht, das wusste ich. Denn obwohl ich wusste, dass Kian seine Bindung zu Scar hatte, hasste ich den Mannaro mit der Narbe. Zwar bemühte ich mich, nicht auf ihn loszugehen und ihn nicht zu oft anzuschreien, aber so weit wie Kian konnte ich sicher nicht gehen.

Meine Sicht verschwamm wieder, zuerst nur ein wenig an den Rändern, dann wurde es mehr. Langsam und ohne mir das anmerken zu lassen, glaubte ich zumindest. Doch schon auf halber Strecke geriet ich heftig ins Schwanken und keine zwei Schritte später spürte ich, wie ich von jemandem gestützt wurde. Als ich genauer hinsah, erkannte ich Kian.

Mein bester Freund sah mich besorgt an. „Geht es? Vielleicht wäre es besser, wenn du dich wieder hinlegst. Soll ich dir zum Bett helfen?“

Ich schüttelte meinen Kopf. „Nein, es geht schon.“

„Von wegen es geht!“, warf Dean wütend ein, „Du bist zusammengebrochen! Also sieh zu, dass du zurück ins Bett kommst, wo du hingehörst.“

Ich widersprach nicht und wehrte mich auch nicht, als mich Kian zum Bett brachte. Dazu war ich viel zu erschöpft und auch wenn ich es nur ungern zugab, tat es gut, sich wieder hinzulegen und von den Anstrengungen zu erholen. Dankbar sah ich meinen besten Freund an, sagte aber nichts. Statt dessen lausche ich, ob mein Vater die Wohnung wieder verließ, was er nach einigen Minuten auch tat. Jedenfalls hörte ich die Schritte von zwei Personen und das Öffnen und Schließen der Tür. Gleich darauf kam Dean in mein Schlafzimmer. „Dein Vater ist gegangen. Er meinte, er müsse wieder auf Arbeit.“

Ich nickte, doch als ich mich wieder aufsetzen wollte, wurde ich von Kian zurück in das Kissen gedrückt. Wenig später legte er mir das nasse Tuch wieder auf die Stirn. Ich wehrte mich nicht, sondern beobachtete ihn nur schweigend.

Kian setzte sich auf die Bettkante. „Brauchst du irgendetwas?“

Schwach schüttelte ich meinen Kopf. „Nein, schon okay.“

„Wenn du meinst.“, sagte Kian und senkte seinen Blick. „Es tut mir Leid. Wirklich, ich habe das nicht gewollt. Ich-“

„Das habe wir doch schon geklärt.“, unterbrach ich ihn, „Es ist nicht deine Schuld, nichts daran ist deine Schuld. Also hör endlich damit auf. Was kannst du denn bitte dafür, dass ich bei den Temperaturen mit nassem Haar und ohne Jacke draußen herumlaufen muss? Außerdem ist es nur eine leichte Erkältung!“

„Mit nur einer Erkältung bricht man nicht in der Schule zusammen!“, warf Dean ein, „Dazu ist schon mehr nötig, viel mehr.“

„Ach und wie würdest du es dann nennen?“, wollte ich von ihm wissen. Wie lange musste ich mir das jetzt noch anhören? Eine Woche? Zwei? Drei? Oder noch länger?

„Wie wäre es mit einer Grippe?“ Dean grinste mich frech an, als wolle er mich provozieren.

Doch ich ging nicht auf ihn ein, dazu fehlte mir die nötige Kraft. „Wenn du meinst. Nenne es wie du willst.“, brummte ich leise.

In diesem Augenblick klingelte es an der Tür. Diesmal unterdrückte ich die Gewohnheit, aufzustehen und sie zu öffnen, sondern sah statt dessen zu meinen beiden Freunden. Dean lehnte grinsend sich gegen die Wand und warf Kian einen abwartenden Blick zu. „Und, wer ist es diesmal, Wachhund? Sollen wir öffnen oder lieber nicht?“

„Alice und Livi.“, kam es in einem gereizten Ton von meinem besten Freund.

„Na endlich. Ich dachte schon, die beiden hätten sich im Einkaufscenter verlaufen.“ Dean spazierte immer noch grinsend durch die Wohnung und öffnete den beiden Mädchen die Tür.

Ich vernahm, wie Sachen, von denen ich glaubte, dass es sich um Einkäufe handelte, auf meinem Tisch oder dem Küchenschrank abgestellt wurden. Kurz darauf hörte ich die drei angeregt diskutieren, vermutlich darüber dass mein Vater hier gewesen war und ich mich mit ihn gestritten hatte. Vielleicht war aber auch beim einkaufen etwas vorgefallen. Ich konnte sie nicht verstehen, weshalb ich nach einer Weile einen bittenden Blick zu Kian warf. „Worüber sprechen sie?“

Zuerst schaute mich mein bester Freund verwundert an, dann seufzte er. „Alice findet, dass dein Vater sich dir gegenüber unfair verhält. Sie ist der Meinung, er solle sich entschuldigen.“

Mein bester Freund senkte seinen Blick. Ich wusste, er versuchte, etwas vor mir zu verbergen. „Was sagen sie noch?“, fragte ich.

Jetzt war es still. Kian starrte betreten auf den Boden und die Gespräche in der Küche hatten sich zu einem unverständlichen Murmeln entwickelt. „Kian, bitte.“, versuchte ich, ihn zur Kapitulation zu bewegen und es schien auch zu funktionieren, denn er antwortete.

„Livi will deinen Vater umbringen.“, flüsterte er mit schwacher Stimme.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  chrono87
2010-08-20T18:49:34+00:00 20.08.2010 20:49
oh je. livi will alecs vater umbringen?
nun ja, verdient hätte er es.
aber das bedeutet doch auch, dass sie das gespräch belauscht haben, oder?
dean ist gut. das mit dem wachhund... einfach zu schreien komisch.
aber seine neugierde bezüglich des vorgehends von marimo (richtig geschrieben?) ist verständlich, immerhin ist er auch in gefahr.
aber weswegen will livi alecs vater umbringen?
lg chrono87


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