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Vertrauen und Verrat

von

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Verhängnisvolle Entscheidung

Es war Dienstag, der zweiundzwanzigste Dezember. Ab heute hatte ich offiziell Ferien und konnte die Wohnung wieder verlassen, ohne Angst haben zu müssen, einem Mitschüler oder gar einem Lehrer über den Weg zu laufen. Das wäre mehr als nur dumm gewesen.

Ich verließ meine Wohnung und schlenderte die Flure entlang, lief die Treppe hinunter und trat durch die Tür des großen Hauses nach draußen. Es schneite, aber nur ein wenig. Die Flocken waren nicht besonders groß und es fiel auch nur eine geringe Stückzahl zu Boden. In den letzten Tagen hatte es nie länger als einen Tag nicht geschneit.

Kian stand gerade mit einer Schneeschaufel in der Einfahrt und befreite diese von dem Schnee. Als er mich bemerkte, hielt er kurz mit seiner Arbeit inne. „Wo gehst du hin?“

„Einkaufen.“, entgegnete ich, „Wir haben fast keine Lebensmittel mehr.“

„Ach so. Viel Spaß.“ Er grinste und winkte mir sogar zum Abschied.

Ich spazierte den Straßen entlang, machte mich auf den direkten Weg zum Supermarkt. Dass ich unterwegs am Haus meines Vaters vorbeimusste, verdrängte ich. Normalerweise nahm ich einen kleinen Umweg, doch dazu hatte ich heute absolut keine Lust. Es war schon so kalt genug, da musste ich nicht noch zehn Minuten länger durch die Gegend laufen. Und so schlenderte ich, gekonnt in die entgegengesetzte Richtung des Hauses schauend, die Straße entlang, jedenfalls bis:

„Alec!“, hörte ich eine mir sehr bekannte Mädchenstimme meinen Namen rufen.

Schlagartig drehte ich mich um und sah ihren Besitzer, Alice, verwundert an. „W- was?“ Erst jetzt bemerkte ich, dass sie und mein Vater gerade vor dessen Haustür standen und sich anscheinend stritten, worüber auch immer.

Noch bevor ich überhaupt Zeit hatte, diese Situation zu verarbeiten, war Deans Schwester schon auf mich zugerannt, hatte mich am Arm gepackt und ebenfalls vor die Tür gezogen. Sichtlich verwirrt ließ ich das Ganze über mich ergehen und wehrte mich nicht.

„Alec, du musst mir helfen!“ Alices Stimme klang verzweifelt.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, es wäre etwas passiert. „Was-“

Doch sie ließ mich nicht einmal aussprechen. „Bitte, Dean ist- Er…“

Endlich schaffte ich es, zu Wort zu kommen. „Was genau ist passiert?“

„Er-“ Tränen liefen dem Mädchen über das Gesicht. „Er war vorhin zusammen mit Georg und mir unterwegs, als sie Ryan und seinen Vater getroffen habe. Georg ist im Auto der beiden mitgefahren, weil er sehen will, wie sie die Existenz der Mannaro beweisen. Dean wollte ihn aufhalten und ist deswegen mitgefahren. Aber er meldet sich nicht bei mir und zurück ist er auch noch nicht.“

„Wie lange sind sie schon weg?“, fragte ich und versuchte, mein schlechtes Gefühl zu verbergen. Ich wollte Alice nicht noch mehr Angst machen, als sie ohnehin schon hatte.

„Vor etwa einer Stunde.“, antwortete mir die Vierzehnjährige.

Das reichte, um mich zu alarmieren. Wütend starrte ich meinen Vater an. „Wo genau sind sie hin?“ Ich war so wütend, dass ich ihn fast anschrie.

Zu meiner Verwunderung beantwortete mein Vater die Frage sofort. „Nach Osten, da wo der Wand bis fast an den Stadtrand reicht. Wanderer wollen dort einen Mannaro gesehen haben. Sie wollen nach Spuren suchen.“

Ich erstarrte. „S- Sag dass das nicht wahr ist!“ An dieser Stelle war ich im Herbst mit Kian gewesen. Dort hatten wir Olivia getroffen.

Alice neben mir war kreidebleich und zitterte am ganzen Körper, als sie unsicher und ängstlich in meine Richtung sah. „W- was genau bedeutet das?“

Ich antwortete ihr nicht, sondern ging direkt auf meinen Vater zu, bis ich genau vor ihm stand. „SEID IHR WAHNSINNIG GEWORDEN?! Wisst ihr überhaupt, was euch dort erwartet?! Was ihr mit eurem Leben macht, ist euere Sache, aber dass ihr auch noch unschuldige Kinder mit hineinzieht! Was habt ihr euch dabei gedacht?!“

Mein Vater schrie ebenfalls. „Was meinst du damit, Alec?!“

„Ich war dort!“, meine Stimme wurde von Wort zu Wort lauter, „Mit Kian. Und er hat mir nicht ohne Grund verboten, auch nur einmal in die Nähe dieses Waldstücks zu kommen! Die Mannaro leben ganz in der Nähe! Die anderen werden nicht zurückkommen. Sie werden als Zwischenmalzeit enden!“

Tränen standen in Alices Augen, als sie nach meinem Arm griff und mich flehend ansah. „K- Kannst du da gar nichts unternehmen? Ich meine, immerhin ist Kian doch-“

Ich nickte. „Du rennst jetzt sofort und ohne Umwege auf dem direkten Weg zu Kian! Er müsste in meiner Wohnung sein. Erzähl ihm, was passiert ist!“

„Und was machst du?“ Erst jetzt fiel mir auf, dass mein Vater nicht weniger geschockt war wie Alice. Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt und starrte auf den Boden.

„Was wohl?“, fuhr ich ihn an, „Ich versuche, diese Idioten einzuholen und aufzuhalten. Vielleicht ist es noch nicht zu spät. Selbst wenn sie den Mannaro inzwischen begegnen, kann ich ihnen wahrscheinlich noch etwas Zeit verschaffen. Die Mannaro sind in erster Linie hinter mir her. Mit etwas Glück lassen sie die anderen in Ruhe. Hoffentlich lange genug, dass Kian noch rechtzeitig eingreifen kann.“

Mein Vater griff nach meiner Schulter. „Das wirst du nicht tun! Ich lasse nicht zu, dass du dein Leben einfach so wegwirfst!“

„Wessen Schuld ist es denn, dass ich das tun muss?!“ Ich riss mich los und packte Alice am Unterarm, bevor ich sie anschrie, „Sieh zu, dass du zu Kian kommst.“

Eingeschüchtert nickte die Vierzehnjährige, bevor sie tat, was ich sagte.

Inzwischen machte ich mich auf den Wen zum besagten Waldstück. Ich fuhr mit dem Bus, um schneller dort zu sein. Zu Fuß dauerte es definitiv zu lange, das wusste ich. Die ganze Zeit über hoffte ich, dass es noch nicht zu spät war, dass ich sie noch rechtzeitig einholen konnte. Ihnen durfte nichts passieren. Zwar war es ihnen egal, was mit Ryan und seinem Vater passierte, aber Georg und Dean waren meine Freunde. Ihnen musste ich helfen. Hoffentlich kam mir Kian rechtzeitig zur Hilfe, sonst hätte ich nicht mehr lange zu leben.

Ich schüttelte meinen Kopf. Jetzt darüber nachzudenken brachte nichts, nicht im geringsten. Mir blieb nichts anders übrig, als meinem besten Freund zu vertrauen.

Endlich hielt der Bus an meiner Zielhaltestelle. Sofort sprang ich vom Sitz auf und stürmte aus dem Fahrzeug, bevor ich die Straße überquerte, ohne dem Verkehr auch nur die geringste Aufmerksamkeit schenkte. Die Folge war, dass einige Autos scharf bremsen mussten, damit sie mich nicht umfuhren. Wütend hupten die Fahrer mit hinterher. Doch ich nahm das nicht wirklich war. Ich sah meinen Umgebung, als läge ein Schleier darüber. Alles war so unwirklich. Es fiel mir schwer, zu glauben, dass das die Realität war.

Ohne mich noch weiter von diesen Nebensächlichkeiten ablenken zu lassen, rannte ich auf den Wald zu. Ich hatte das Auto von Ryans Vater entdeckt, gut versteckt, zwischen zwei Bäumen. Zielstrebig sprintete ich auf das Fahrzeug zu. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich froh, dass ich so sportlich war. Ohne die nötige Ausdauer hätte ich nämlich schon auf halber Strecke schlappgemacht.

Kaum hatte ich das mir bekannte Fahrzeug erreicht, sah ich mich schon in der Umgebung um. Irgendwo hier mussten sie sein. Nach einigen Sekunden, die mir vorkamen wie Minuten oder Stunden, sah ich dann endlich ihre Fußabdrücke im Schnee. Warum war mir das nicht früher aufgefallen? Jetzt hatte ich wichtige Zeit verloren! Ohne weiter zu zögern folgte ich den Spuren, die die Gruppe hinterlassen hatte. Nach einigen Metern hörte ich endlich die Stimmen meiner Freunde.

Sofort rannte ich auf sie zu, sah mich dabei aber aufmerksam im Wald um, damit ich nicht aus versehen einen Mannaro übersah. So einen Fehler wollte und konnte ich mir nicht erlauben!

Als ich die vier Personen endlich erreicht hatte, atmete ich erleichtert aus. Sie waren noch nicht auf die Mannaro getroffen, zum Glück. Doch meine Freunde hielt nicht lange. Ich rannte auf Ryans Vater zu, bevor ich diesen unnachgiebig ansah und schrie: „Seid ihr verrückt?! Ihr können doch nicht einfach… Seht zu, dass ihr von hier verschwindet.“

Der Mann reagierte nicht, sondern sah mich nur verwundert an. „Was willst du hier, Alec?“

„Euch eueren bescheuerten Hintern retten!“, antwortete ich etwas leiser, aber immer noch schreiend, „Wisst ihr eigentlich, wo ihr gerade seid?“

Zuerst antwortete mir Ryans Vater nicht, dann grinste er hämisch. „Ach, sag bloß du hast Angst, dass wir die Existenz der Mannaro beweisen können, wenn wir hier die Beweise finden. Dein kleiner Freund würde mächtig in Schwierigkeiten geraten.“

„Kann schon sein.“, antwortete ich und grinste überlegen, „Aber nachdem ihr die Beweise gesehen habt, werdet ihr nicht mehr entkommen können und als ihre Zwischenmalzeit enden.“ Ich ging auf Dean und Georg zu und packte die beiden jeweils am Unterarm. „Wir gehen. Wenn die zwei Idioten nicht mitkommen wollen, ist es nicht mein Problem.“

George starrte mich wütend an, während Deans Blick einen verwunderten und besorgten Ausdruck annahm. „Warum hast du es so eilig, von hier wegzukommen?“, fragte er.

„Hast du es immer noch nicht kapiert?“, stellte ich die Gegenfrage, „Wenn wir hier noch länger beiden, werden sie uns umbringen. Wir sind hier ganz in der Nähe des Rudels!“

Deans Augen weiteten sich. „D- das- Ist das dein Ernst?“

Ich nickte. „Leider…“

Erst jetzt fiel mir auf, dass Georg von der ganzen Sache ja noch gar nichts wusste. Hätte er uns nicht so verwirrt angestarrt, wäre mir das sicher nicht aufgefallen. Er riss sich los und baute sich vor uns auf. „Was wird hier gespielt? Raus mit der Sprache!“

„Später!“, fuhr ich ihn an, „Jetzt verschwinden wir erst einmal von hier.“

Doch er ging nicht zur Seite. „Ich will es jetzt wissen.“

„Dann dreh dich um.“ Etwa zehn Meter hinter ihm standen drei Mannaro und knurrten uns mordlustig an. „Zum Fliehen ist es zu spät…“

Deans Gesichtsausdruck erstarrte und er wich aus Angst einige Schritte zurück. Sofort stoppte ich ihn. „Bist du verrückt? Bleib sofort stehen! Kian hat nicht grundlos gesagt, wir sollen das nicht tun! Das weckt ihre Jagdinstinkte und sie bringen dich nur noch schneller um!“

Erst jetzt löste George seinen Blick von uns und drehte sich wie in Zeitlupe zu den riesigen Wölfen. Von einer Sekunde zur anderen war die gesamte Gelassenheit aus seinem Gesicht verschwunden. Am ganzen Körper erstarrt, vor Schreck, fixierte er die Raubtiere mit weit aufgerissenen Augen und einem panischen Gesichtsausdruck.

„Hast du jetzt kapiert, warum ich von hier verschwinden wollte?“, fragte ich und deutete auf die Wölfe, „Darf ich vorstellen: Das sind die Mannaro, die nach denen Ryans Vater und meiner seit Jahren suchen.“

Als ich mich unauffällig nach einem Fluchtweg umsah, bemerkte ich, dass sie und eingekreist hatten. Ryan und dessen Vater standen direkt hinter uns und starrten abwechselnd mich und die Mannaro an. Ich seufzte. „Schlimmer hätte es nicht kommen können. Ich bin erledigt. Wenn sie mich nicht umbringen, tut es Kian.“

Dean schaute mich verwirrt an. „W- was? Wieso sollte er?“

„Hast du ihn schon einmal wütend erlebt?“, fragte ich leise, „Ich habe gerade sämtliche Regeln gebrochen, alle auf einmal. Wenn er davon erfährt, rastet er aus.“

„Wir sind erledigt.“, wimmerte Ryan direkt hinter mir mit weinerlicher Stimme. Doch keiner sah ich seine Richtung oder ermahnte ihn, noch machte sich irgendwer über ihn lustig. Dazu war die Lage viel zu ernst.

Die Mannaro näherten sich uns immer weiter. Sofort stellte ich mich schützend vor meine Freunde. Ich musste sie aufhalten, wenigstens so lange, bis Kian hier war. Er würde uns hier wieder rausholen, und wenn er noch so wütend auf mich wäre. Darauf vertraute ich.

Einer der Wölfe nahm eine menschliche Gestalt an. Zum Vorschein kam ein Mann mittleren Alters mit stark abgenutzten Klamotten und ungepflegtem Haar. „Sieh an, sieh ah.“, kam es mit einem bedrohlichen Klang aus seinem Mund, „Wen haben wie denn da?“

Ein anderer folgte seinem Bespiel und änderte ebenfalls sein Erscheinungsbild, verwandelte sich aber in eine Frau. „Ich hätte nicht im Traum damit gerechnet, dass du einmal persönlich zu uns kommen würdest, Alec Stone. Du nimmst uns eine Menge Arbeit ab. Jetzt können wir dich endlich aus dem Weg räumen, ohne dass Kian uns daran hindert.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  chrono87
2010-08-26T12:50:35+00:00 26.08.2010 14:50
oh man. da denkt man, alles geht gut und dann soetwas. warum hat sich geprg überhaupt darauf eingelassen? ist der denn total verrückt geworden? okay, er weiß nichts von den gefahren, die auf ihn launern, aber dean hätte ihn doch aufhalten können.
zum glück hat alice das mitbekommen und trifft auf alec, auch wenn der sich in mächtig viel probleme begibt. ich vermute mal, dass der ältere mann kians großvater ist. zumindest entnehme ich das seinem abwertenden tonfall alec gegenüber.
dann wollen wir mal hoffen, dass kian rechtzeitig auftaucht oder das sich zumindest olivia einschaltet sonst sieht es sehr schlecht für alec aus. ich würde sagen ohne verletzungen kommt er da nicht raus. die frage ist nur, wer von den anderen dran glauben wird. irgendwie gönne ich es ryans vater.


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