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Midnight - Moonlight

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~* 1 *~

Fahles Mondlicht fiel durch das große Fenster des Palastes auf den weißen Marmorboden. Ohne dessen Kälte zu beachten, welche langsam aber stetig ihre nackten Füße empor kroch, lief Alice den immer gleichen Weg durch ihr Schlafgemach. Zuerst zum Fenster, dann zur Tür, dann wieder zum Fenster und erneut auf die Tür zu. Hin und wieder blieb sie in der Mitte der Strecke stehen, um einen nachdenklichen Blick auf das riesige Bett zu werfen, schüttelte jedoch jedes Mal resigniert den Kopf. Nein, es war sinnlos! Sie würde nicht zur Ruhe kommen, erst Recht nicht, wenn sie sich hinlegen und versuchen würde einzuschlafen.

Seufzend fuhr sie sich mit der Hand durch die langen Haare.
 

Morgen also! Morgen sollte sie den Jabberwocky erschlagen. Alice hatte sich zwar noch nicht entschieden, aber sie spürte deutlich, dass ein jeder hier im Unterland davon ausging sie würde kämpfen. Und, was vielleicht noch viel schlimmer war, jeder ging davon aus, sie würde siegen!

Auch wenn niemand sie direkt dazu gezwungen hatte in die Schlacht zu ziehen, Alice wusste, welche Hoffnungen sie sich alle machten.

Wenn sie doch nur endlich aufwachen würde! Dann wäre dieser Alptraum vorbei!
 

In ihrer Verzweiflung ging sie dazu über, sich jedes Mal, wenn sie auf ihrem Weg durch das Zimmer am Fenster ankam, in den Oberarm zu kneifen. Jedes Mal ein wenig fester. Dadurch kreisten ihre Gedanken zwar endlich nicht mehr um den morgigen Tag, doch wach wurde sie auch nicht!
 

Gerade, als sie kurz stoppte, um sich über die schmerzende Stelle zu reiben, ging auf einmal langsam die Tür auf und der Hutmacher lugte, mit einem entschuldigenden Lächeln auf den Lippen, in ihr Zimmer. „Was machst du hier?“, fragte Alice erstaunt. Er trat nun gänzlich ein und zog die Tür wieder leise hinter sich zu: „Ich kann nicht einschlafen!“ „Wieso?“ „Weil ich die ganze Zeit befürchte, dass du nicht einschlafen kannst … und siehe da, es stimmt!“

Alice antwortete nicht, denn das ungewöhnliche Erscheinungsbild des Hutmachers hatte ihr, in dem Moment als es ihr aufgefallen war, buchstäblich die Sprache verschlagen: Seine wirren, in alle Richtungen abstehenden, roten Haare waren ja nun wirklich nichts besonderes mehr, der himmelblaue Satinschlafanzug, den er trug, dann allerdings schon. Ganz langsam lies die junge Frau ihren Blick von dem dunkelblauen Samtkragen, über jeden einzelnen Perlmuttknopf und die Hosenbeine, bis zu den ebenfalls nachtblauen Aufschlägen hinab gleiten und stoppte schließlich bei einem Paar flauschiger Pantoffeln von leuchtend gelber Farbe.
 

„Alice?“, hörte sie den Hutmacher fragen. Sie schreckte hoch und schüttelte leicht verwirrt den Kopf. „Alles wieder gut!“, murmelte sie.

„Also weißt du, wo wir doch sowieso mitten in der Nacht schon mal so wach sind …“, begann er lächelnd, „was würdest du von einem kleinen Mitternachtsmahl halten?“ „Du hast Hunger?“, wollte sie ungläubig wissen. Mad Hatter legte seinen Kopf schief und verengte leicht die Augen: „Höchstens ein wenig Appetit! Du nicht?“ „Ich weiß nicht!“, Alice zuckte die Achseln, „Vielleicht!“ „In der Küche müsste noch Kuchen sein!“, fuhr ihr Gegenüber fort. „Aber kein Hobelkuchen, oder?“, fragte sie misstrauisch nach. „Nicht doch!“, lachte der Hutmacher, „Schlimmbeerkuchen!“

„Schlimmbeerkuchen?“ ‚Klingt auch nicht gerade beruhigender! ‘, wollte sie sagen, doch noch ehe sie dazu kam, hatte der Mann sie schon an der Hand gepackt und hinter sich her gezogen: „Der ist geradezu schrecklich gut! Wenn man nicht höllisch aufpasst, kann man nicht mehr aufhören zu essen und dann wird einem über kurz oder lang schlecht von – das ist schlimm, sag ich dir!“
 

*~*~
 

„Du?“, Alice spießte die Spitze ihres Kuchenstücks mit der Gabel auf und steckte es sich in den Mund, „Ich hab mein ‚mehr sein‘ doch jetzt wieder, oder?“ Der Hutmacher, der ihr gegenüber an dem schmalen Tisch saß, nickte: „Zumindest das Meiste! Dir fehlt nur noch so ein bisschen, zur perfekten Alice!“ Er kniff das linke Auge zusammen und hielt Daumen und Zeigefinger in einem Abstand von einem Zentimeter in der Luft. „Und heißt das jetzt, ich könnte dieses Biest morgen ohne Probleme töten?“, vergewisserte sie sich misstrauisch. „Nun, ganz einfach wird es mit Sicherheit nicht werden. Aber lass dir eins gesagt sein …“, er kam mit seinem Gesicht ein wenig näher und raunte, „Wer es schafft den Bandersnatched zu zähmen … der kann auch den Jabberwocky erschlagen!“

So ganz überzeugt war Alice von seinen Worten noch nicht.

„Was ist dieses bisschen, was mir noch zur perfekten Alice fehlt?“, fragte sie, um von dem Jabberwocky abzulenken, darüber wollte sie nun wirklich nicht reden. „Dein inneres Kind!“, antwortete Mad Hatter ihr grinsend, ohne zu zögern. Belustigt sah sie ihn an: „Wirklich?“ „Aber ja! Wir hatten jetzt die erwachsene Alice, die vernünftige Alice, die mutige Alice … das einzige was uns noch fehlt ist die kindliche Alice, dann bist du wieder genau die Alice von damals, mit der man so herrlich lachen konnte!“, er stützte sein Kinn auf seine Handfläche und sah sie aus unergründlichen Augen lächelnd an, „Du hast noch kein einziges Mal so richtig gelacht, seit du hier bist, ist dir das schon mal aufgefallen?“ „Nein, wieso auch? War das etwa so deutlich zu bemerken?“, wollte sie verwundert wissen. „Für mich schon!“, Mad Hatter senkte den Blick und begann den Kuchen auf seinem Teller in kleine Häppchen zu zerteilen, leise fuhr er fort, „Ich hab es vermisst, weißt du? Es hat Spaß gemacht!“
 

Alice Stirn legte sich plötzlich in Falten. Angestrengt starrte sie auf die Tischplatte: „Da fällt mir auf … wenn ich so an meine bisherigen Träume zurückdenke, kann ich mich an dich kaum erinnern …“, sie war so in ihren eigenen Überlegungen vertieft, dass sie nicht bemerkte, wie der Kopf des Hutmachers nach diesen Worten alarmierend nach oben ruckte, „ … ich hab glaube ich nur ein-, zweimal von dir geträumt …“ „Das kann nicht sein!“, Mad Hatters Stimme klang leicht nervös, „Du bist regelmäßig zu uns gekommen!“ „Wirklich?“ „Ja!“, sagte er mit Nachdruck, „Jeden Nachmittag. Doch dann bist du plötzlich auf einmal weggeblieben … bis heute!“

„Dann muss ich es wohl vergessen haben!“, irritiert schüttelte Alice den Kopf, „Ich kann mich nämlich nach dem Aufwachen immer nur noch daran erinnern, dass ich in das Kaninchenloch gefallen bin!“

Der Hutmacher starrte mit leerem Blick auf seinen Teller. Ihm war der Appetit vergangen. „Vergessen … ja …“, flüsterte er heiser.
 

Nur mit Mühe gelang es Alice ein Gähnen zu unterdrücken. „Du siehst geradezu schrecklich müde aus!“, tadelte der Hutmacher sie belustigt, „Ich glaube, es ist nun wirklich an der Zeit, dass du schläfst!“ „Das ist es ja gerade! Ich will überhaupt nicht schlafen!“, verteidigte sie sich, „Ich will wach werden. Weil ich nämlich in Wirklichkeit bereits schlafe!“ Mad Hatter lächelte sie geheimnisvoll an und sagte: „Vielleicht musst du ja zuerst im Traum einschlafen, um in der Realität aufzuwachen?“

„Die Idee ist nicht schlecht!“, schmunzelte das Mädchen, „Aber im Verlies des Bandersnatched hab ich auch schon mal eine Nacht geschlafen und war, als ich aufwachte, immer noch hier im Unterland. Das funktioniert also nicht!“

Sie seufzte wieder und drückte dabei ihre Zehen unbewusst kurz an Hatters Schienbein.

„Was ist?“, fragte sie, als sie sah, wie er zusammenzuckte. „Die sind ja eiskalt!“, der Hutmacher kippte mit seinem Stuhl ein wenig nach hinten, um einen empörten, teils fassungslosen, Blick unter den Tisch zu werfen. „Wer?“, auch Alice kippten ihren Stuhl auf die Hinterbeine und sah nun ihrerseits auf den Boden.

„Na, deine Füße! Das hab ich ja sogar durch den Stoff durch gespürt. Hier zieh die an!“, befahl er und schob ihr doch tatsächlich seine Pantoffeln zu, „Kalten Füßen folgt größtenteils eine Erkältung. Und die kannst du nun wirklich nicht gebrauchen! Der Jabberwocky lacht sich ja tot, wenn du ihn morgen mit Schniefnase zum Kampf herausforderst!“

Alle Gedanken, die Alice bisher an das Ungeheuer der roten Königin, verschwendet hatte – und es waren viele gewesen – waren von Unbehagen und Angst dominiert worden, doch bei dieser Vorstellung musste sie plötzlich anfangen zu lachen! Sie tat es ihrem Gegenüber gleich, setzte sich wieder gerade hin, um nicht nach hinten zu fallen, lachte aber weiter und schüttelte währenddessen über diese verrückte Idee den Kopf. Nur ein paar Sekunden schien der Hutmacher wirklich überrascht zu sein, dann fing er auf einmal an zu strahlen und stimmte in ihr Lachen mit ein!
 

„Dann müsste ich ihn zumindest nicht mehr mit dem Schwert erlegen!“, brachte Alice schließlich heraus. „Doch müsstest du!“, sagte Mad Hatter, mit einem Schlag wieder todernst, „Wenn du ihn nicht mit dem Schwert tötest, ist er nicht tot!“

„Weiß ich doch!“, lächelte sie versöhnlich und schob ihre Füße in die viel zu großen, aber wunderbar warmen, weichen Hausschuhe, „Das war ein Scherz!“

„Und der Erste, seit du wieder hier bist!“, der Hutmacher war hellauf begeistert, „Weißt du, was das heißt? Dein ‚mehr sein‘ ist vollständig! Glaub ich zumindest, nein, ich bin mir vollkommen sicher. Oh, das ist so wunderprächtig. Jetzt ist alles wieder gut! Perfekt sozusagen. Du hast dein ‚mehr sein‘ wieder und ich, ich hab meine perfekte Alice wieder … äh, ich meine natürlich, wir unsere …“, seine Stimme drohte sich zu überschlagen und das Mädchen legte ihm schnell die Hand auf den Mund.

„Hutmacher!“ „Tschuldigung!“, nuschelte er dumpf.

Sie nahm ihre Hand wieder weg. „Wenn du so weitermachst, hast du irgendwann einen Knoten in der Zunge!“, sagte Alice streng, musste aber gleich darauf erneut lachen, da der Hutmacher eben jene blitzschnell herausstreckte und erschrocken auf seine Zungenspitze schielte.
 

Alice‘ Kichern wurde mit einem mal durch ein Gähnen unterbrochen. „Ey …“, konnte sich der Hutmacher gerade noch beschweren, ehe er angesteckt wurde und mit gähnen musste.

„Ich bin so müde …“, murmelte sie schläfrig. „Sag ich doch!“, versetzte der rothaarige Mann schnippisch, „Sag mal, bist du in deinem Bett eigentlich schon mal drin gelegen?“ Alice schüttelte den Kopf. „Na dann!“, lachte er, „Dann ist es ja kein Wunder, dass du nicht schlafen kannst!“
 

*~*~
 

„Wo hast du eigentlich dein Zimmer?“, fragte die junge Frau, als sie gerade die letzten Stufen der breiten Marmortreppe emporgestiegen waren.

„Na hier!“, der Hatter öffnete eine edel verzierte, weiße Holztür, „Direkt neben deinem!“
 

Neugierig trat Alice an die Schwelle. Der Raum unterschied sich eigentlich in keinster Weise von dem Ihrigen. Nur die Bettdecke war zurückgeschlagen, das Kopfkissen eingedrückt und auf der Matratze lag …

„Ist das ein Stofftier?“, ungläubig lief sie zu dem Bett, der panische Aufschrei und das wilde Händegestikulieren des Hutmachers kamen zu spät.

Tatsächlich. Alice hob den Stoffhasen hoch und konnte dann gar nicht anders, als in solches Gelächter auszubrechen, dass sie sich rückwärts auf die Matratze fallen lassen musste.
 

Mad Hatter stand indes, die Arme vor der Brust verschränkt und zutiefst beleidigt im Türrahmen. „Witze, über die nicht alle lachen können, sind nicht lustig!“, maulte er, „Und außerdem ist auslachen gemein!“

Die Blonde richtete sich wieder auf.

„Ich lach ja schon gar nicht mehr!“, sie setzte sich den Hasen auf den Schoß und strich ihm über eines seiner hellbraunen, plüschigen Schlappohren.

„Wie heißt er?“, wandte sie sich ehrlich interessiert an den Hutmacher, der sich gerade neben ihr auf der Bettkante niederließ. „Hase!“, antwortete er kurz und immer noch eingeschnappt.

Doch dann begann er hastig zu erklären: „Also weißt du, das war so: Ich wollte einfach mal was anderes machen, als Hüte. Ich hatte schon gar keine richtigen Ideen mehr. Ich brauchte eine Auszeit. Und der Märzhase wollte unbedingt Modell stehen, jetzt ist es eben ein Hase!“ „Was, du hast den gemacht?“, unterbrach Alice ihn erstaunt. „Ja, natürlich!“ „Und wieso darf er bei dir im Bett schlafen?“ „Na weil …“, druckste der Hutmacher, „weil ich ihn nicht in irgendeinem Regal verstauben lassen wollte … Dafür war er mir dann doch zu schade …“

Plötzlich hellte sich seine Miene wieder auf: „Du kannst ihn haben, für diese Nacht! Möchtest du? Mir hat er beim Einschlafen schon immer geholfen!“

Alice konnte nicht anders, als ihn nach diesem Angebot warm anzulächeln. „Sehr gern. Vielen Dank!“, sagte sie und drückte währenddessen den Plüschhasen fest an ihre Brust.
 

*~*~
 

„Na los jetzt, rein da!“, belustigt hob der Hutmacher einen Teil ihrer Decke nach oben. Auch Alice schmunzelte. Gehorsam kroch sie in das weiche Federbett und ließ zu, dass Mad Hatter die Decke über sie legte. „Jetzt fühl ich mich wirklich wieder wie ein Kind!“, gestand sie. „Und?“, fragte der Mann, während er sich zu ihr setzte, „Sehr schlimm?“ Ein Kopfschütteln war die Antwort: „Zur Abwechslung eigentlich mal wieder richtig schön!“

„Dann würde ich jetzt vorschlagen …“, der Hutmacher stützte sich mit der Hand neben ihrem Kissen ab und beugte sich leicht über sie, „dass du dich nun auch wie ein kleines Mädchen gemütlich einkuschelst, so dass dir ganz schnell die Augen zufallen!“ Er machte eine kurze Pause und flüsterte dann schließlich lächelnd: „Schlaf schön, Alice!“
 

Schlaf schön, Alice. Das hatte ihr Vater auch immer zu ihr gesagt, als sie noch klein war. Nach jeder Gute-Nacht-Geschichte und auch manchmal nach einem ihrer Alpträume. Und Alice wusste noch genau, wie furchtbar sie sich gefühlt hatte, als er aus dem Zimmer gegangen war und sie allein gelassen hatte. Allein mit ihren Gedanken, die langsam in ihren Kopf geschlichen kamen, sobald es still wurde. Und Alice wusste, würde der Hutmacher jetzt gehen, dann würde sie nur noch an morgen denken müssen, an die Schlacht, an den Jabberwocky. Und das wollte sie nicht! Davor fürchtete sie sich!
 

Fast schon ängstlich bemerkte sie, wie Mad Hatter im Begriff war aufzustehen. Doch noch ehe er sich erheben konnte, hatte sie sich plötzlich blitzschnell aufgesetzt und war ihm um den Hals gefallen. In ihrer Angst, er könnte gehen, hielt sie ihn so fest, wie es ihr möglich war. Krallte ihre Finger geradezu in den glatten Stoff seines Pyjamas.

Er sollte hierbleiben. Sollte genau hier auf der Bettkante sitzenbleiben, bis sie eingeschlafen war und sie vor ihren eigenen dunklen Gedanken beschützen.
 

„Alice?“, hörte sie da auf einmal den Hutmacher unsicher fragen und spürte gleich darauf, wie er seine Hand sacht auf ihren Rücken legte.

In diesem Moment kamen ihr die Tränen. Wieso, wusste die Blonde nicht.

„Hey …“, Mad Hatter schien es bemerkt zu haben, ganz leicht drehte er den Kopf, „wir haben doch gerade eben noch so schön zusammen gelacht. Wie kann man denn da weinen?“

„Bleib da. Bitte!“, schluchzte sie kaum hörbar an seiner Schulter, „Hier ist alles so groß … das Bett, das Zimmer … Ich fühl mich so verloren!“ „Ich kann dir aber versichern …“, flüsterte er ihr daraufhin ins Ohr, „ … dass du kein Stückchen geschrumpft bist. Du hast immer noch genau die richtige Größe!“
 

Er war ganz leise. Fast hätte sie ihn überhört. Doch er war da gewesen, in seiner Stimme. Der belustigte Unterton.

Und das Mad Hatter dann auch noch, auf ihre ernst gemeinte Sorge so eine Antwort gab, das machte sie richtig wütend.
 

Beinahe schon grob stieß sie ihn von sich und funkelte ihn dann aus tränennassen Augen zornig an. „Hör auf, dich über mich lustig zu machen! Du verstehst mich überhaupt nicht … Ihr versteht mich alle nicht!“, brach es plötzlich aus ihr heraus, wenn auch unterbrochen von heftigem Schluchzen, „Ihr geht alle davon aus, ich würde kämpfen, aber … aber dass ich noch nie ein Schwert in der Hand gehalten hab … und dass ich … dass ich vielleicht Angst hab … vor diesem Kampf … darauf kommt ihr überhaupt nicht … das interessiert euch gar nicht!“
 

Für ein paar Sekunden schien der Hutmacher einen Kampf mit sich selber auszufechten, nicht wissend, ob er nun mitfühlend, verletzt oder wütend sein sollte. Dann jedoch siegte das Mitgefühl. Ganz sanft nahm er ihr Gesicht in seine Hände und streichelte mit den Daumen die Tränen von ihren Wangen: „Alice, wir würden dich niemals zu dieser Schlacht zwingen. Das mit dem Jabberwocky ist allein deine Entscheidung!“ „Aber wenn ich nicht kämpfe, dann lass ich euch im Stich!“, protestierte sie. Hatters Lippen verzogen sich zu einem schwachen, gequälten Lächeln: „Dann ist es wohl unser Schicksal, im Stich gelassen zu werden! … Ich kann natürlich nicht für alle Unterländler sprechen, aber die weiße Königin zum Beispiel würde dir deswegen niemals Vorwürfe machen … und meine anderen Freunde auch nicht!“

„Du mir auch nicht?“, Alice‘ Stimme war bei dieser Frage leise und ängstlich. Das Lächeln des Hutmacher wurde eine Spur breiter und sehr viel freundlicher: „Ich dir doch am allerwenigsten!“
 

Wie von selbst schlangen sich ihre Arme erneut um den Hutmacher. „Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll!“, sie schloss die Augen und drückte ihn, „Ich weiß es einfach nicht!“

Mit einem Mal erwiderte Mad Hatter die Umarmung. Seufzend hielt er Alice ganz fest. „Solltest du dich doch dazu entschließen, in die Schlacht zu ziehen …“, flüsterte er, „dann verspreche ich dir … gut auf dich Acht zu geben … und mich sofort einzumischen, wenn es zu gefährlich wird! In Ordnung, Alice?“

Sie nickte.

Langsam versiegten die Tränen. Langsam übertrug sich Hatters Wärme auf ihren Körper und mit ihr auch eine bleischwere Müdigkeit. Sie konnte sich gerade noch ein wenig mehr in seine Arme kuscheln, dann fielen ihr die Augen zu.
 

Behutsam legte der Hutmacher die schlafende Alice zurück in die Kissen. Für eine Weile betrachtete er noch ihre entspannten Gesichtszüge, bis er sich schließlich zu ihr hinab beugte und ihr einen hauchzarten Kuss auf die Wange gab.
 


 

*~*~

Ende

*~*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von: abgemeldet
2010-05-24T12:54:17+00:00 24.05.2010 14:54
Das ist eine unglaubliche Geschichte... Caro, ich bin ernsthaft beeindruckt. (Jetzt in den Pfingstgerien hab ich auch endlich Zeit, deine Sachen zu lesen xD)
Du beschreibst so einfühlsam und anschaulich die Dinge, die für die meinsten Menschen im wesentlichen immer unsichtbar bleiben werden... nämlich die kleinen Momente & Gefühlsregungen, die wirkliche ...Liebe schenken kann... das finde ich unglaublich!
Ich finde, du hast ein Talent dafür, den Hutmacher in seiner liebenswerten Verrücktheit zu zeigen und den weichen Kern unter seiner kunterbunt harten Schale hervorzukehren und Alice hier von der kindlichen Seite zu zeigen, die sie auf ihre Weise fast noch mehr als reife und erfahrene Persönlichkeit erscheinen lässt. ...mag vielleicht übertrieben sein, aber ich bewundere das.
Der Oneshot hat natürlich wenig Handlung - aber die braucht er auch gar nicht... du schaffst es auch so, mehr zu erzählen als so mancher Romanautor. Das ist zumindest meine Meinung.
Caro, ich bin stolz auf dich *__________*°°
Von:  rutila-luu
2010-05-04T18:04:31+00:00 04.05.2010 20:04
Wirklich schön geschriebener kleiner One Shot =)
Du hast die beiden gut getroffen und dass du gerade den Abend vor dem Kampf nochmal thematisiert hast, finde ich toll, weil sie da sicher solche Gedanken, wie du sie beschrieben hast, hatte und die dann so viele nachvollziehbare Emotionen in ihr hervorrufen.^^ Deswegen finde ich auch, dass der Hutmacher da sehr gut reinpasst, um sie zu trösten und ihr gut zuzureden =) Wirklich süß ^-----^

Von: abgemeldet
2010-05-01T20:01:03+00:00 01.05.2010 22:01
+wunderschön+ Keineswegs OOc und sehr gefühlvoll *~*
Von:  Leillia
2010-04-11T16:54:23+00:00 11.04.2010 18:54
Wirklich sehr schöne Kurzgeschichte.
Die Handlung ist niedlich und auch ich kann nur eins sagen: Du hast die Charas perfekt getroffen. Ich konnte mir den Mad Hatter perfekt im Schlafanzug vorstellen (und irgendwie hatte er bei mir den Zylinder immer noch aus, was schon sehr amüsant aussah) ;)
Von:  Schattenhaar
2010-04-08T04:35:53+00:00 08.04.2010 06:35
Wow, eine wunderschöne Geschichte und du hast den Charakter und die Wortwahl des Hatters und von Alice meiner Meinung nach perfekt getroffen. Konnte mir die beiden richtig gut vorstellen ^^ Vielen Dank
Von:  Clarice
2010-04-05T13:03:00+00:00 05.04.2010 15:03
Eine wirklich niedliche Idee die Lücke zu füllen. Ich merke deine Alice is genau so launisch wie meine, die ich grade schriftlich verewige. XD
Ich liebe den Hutmacher und er hat in deiner FF wirkich süße Momente :D
Schön gemacht^^
Von:  LammL
2010-04-02T19:50:55+00:00 02.04.2010 21:50
Die FF ist voll süß ^^ Ich hab den Film heute erst gesehen und die beiden sind einfach das perfekte Paar.^^
Von:  FallenWings
2010-04-01T22:52:41+00:00 02.04.2010 00:52
Unglaublich schöne One Shot. So schön geschrieben und mit so viel Gefühl. Ich bin ganz verrückt nach Burtons Alice im Wunderland, umso mehr hab ich deine FF auch angeschmachtet ;)

Zu schön <33


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