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Yue

von

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Reunion

„Wow… It’s been a while since I was here last…“
 

„Hey! Yue-chan! Your school campus doesn’t really look like you always described it!”

“Yes I know, Fye-san… The outward appearance has changed a lot but inside it’s still the same…”
 

Ich drehe mich langsam und vorsichtig um mich selbst, streiche mir mit einer raschen Bewegung mein knielanges, schwarzes Haar aus dem erhitzen Gesicht und werfe es über meine Schulter. Alles ist noch so, wie es vor exakt drei Jahren war.

Es ist später Nachmittag, ein heißer und trockener Tag, die Luft draußen bricht fast vor unterdrückter Hitze, wie am Tag meiner Abreise. Im Schulgebäude dagegen ist es angenehm kühl. Es sind Sommerferien. Drei Jahre sind vergangen, drei verdammte lange Jahre, seit ich mein Heimatland Deutschland verlassen habe und nach Japan gegangen bin.
 

Und jetzt? Ja… jetzt bin ich wieder zurückgekommen, zurück nach Deutschland, an dieselbe Schule, die ich damals besucht habe.

Wie am Tag meiner Abreise spüre ich feste, bohrende Blicke auf meinem Körper, die mich fast aufzuspießen scheinen.
 

Die Blicke meiner damaligen Freunde. Sie haben Sommerschule und verändern unsere Schulzeitung, das Wandblatt für das kommende Schuljahr.
 

Wie erstaunt sie mich anstarren! Ich muss nicht einmal kurz zu ihnen hinüberschauen, um zu wissen, wie sie mich ansehen.

Ich kenne sie viel zu gut. Das Wissen über sie ist für mich wie eine Waffe, die mich gleichzeitig schützt und angreifbar macht.
 

Ich drehe langsam meinen Kopf zu ihnen hinüber. Da stehen sie und starren mich an. Diejenigen, die mich vor drei Jahren so furchtbar behandelt haben, die sich schamlos meine Freunde nannten, mich allein ließen, als ich sie so dringend brauchte, aber gleichzeitig von mir hartnäckig forderten, auf ewig für sie da zu sein.

Ich sehe sie gleichgültig an, mein Blick gleitet über sie hinweg und durch sie hindurch. Sie haben mich auf jeden Fall erkannt und genauestens identifiziert, kein Zweifel, und jetzt sind sie zu feige, etwas zu sagen. Jetzt hat sie ihr ach so treuer Mut verlassen. Yue Tsujikawa, ein rotes, feindliches Tuch, ein unglaublich abstoßender Lockduft für den machtbesessenen Stier!
 

Hinter mir bewegt sich auf einmal jemand ganz rasch, packt mich vorsichtig am Arm und rüttelt leicht an meiner Schulter. Hellrosa Haare, taillenlang, treffen mich schmerzhaft im Gesicht und reißen mich aus meinen düsteren Gedanken. Schnell wende ich meinen Blick ab von allen Starrenden. Es ist Louise, die mich an der Schulter gefasst hat und mit einem breiten Lächeln fragt:

„Yue-chan? Shall we go now? It’s okay for you to remember all the precious memories you share with that school, but we mustn’t be late.”
 

Louise. Sie ist vor allem der Grund, warum ich mich in den letzten drei Jahren nicht mehr so furchtbar benutzt gefühlt habe. Sie war die Erste, die auf mich zugegangen ist, sich ernsthaft mit mir befasst und mich nie verraten hat. Ich liebe Louise, wie ein Mensch seine Schwester nur lieben kann, und dabei sind wir noch nicht mal verwandt. Louise hat es geschafft, durch ihre einfache, naive Herzlichkeit wieder ein wenig Sonne in mein Leben zu zaubern und mir den Glauben an tiefe Freundschaft, den ich nach langen Jahren fast vollständig verloren hatte, zurück zu geben. Ich kann nicht mal Deutsch mit ihr sprechen, denn sie ist Japanerin und spricht nur Englisch und Japanisch, und trotzdem verstehen wir uns besser als jeder Deutsche mit seinesgleichen. Darüber bin ich unendlich dankbar.
 

„Louise-chan’s right, Yue-san, let’s go now.” Das war Fye, Louises liebster und einziger Cousin. Er ist wahnsinnig nett und spricht fast perfekt Englisch. Sein Gesicht gleicht einer untergehenden Sonne, stark und fein und er schenkt mir die Sicherheit, die ich von meinen damaligen Freunden so sehr gebraucht und niemals bekommen habe.
 

Und da ist dann noch Yamato, der bescheiden und still im Hintergrund herumhängt und sich ohne große Worte ein Bild seiner neuen Umgebung macht. Ihn habe ich eigentlich nur kennen gelernt, weil er ständig mit Fye herumhing und weil Fye ständig um Louise herum war und ist, musste Yamato zwangsläufig auch einmal mit mir in Kontakt treten.

Er ist ein netter Kerl und immer zur Hand, wenn man ihn brauchen könnte. Manchmal habe ich allerdings den Eindruck, dass er mit seinen Gedanken in eine andere Welt entschwindet und sich nicht mehr bei uns befindet, aber das ist eine komplett andere Geschichte. Wir wollen schließlich nicht vom Thema abschweifen.
 

„Alright, let’s go!“. Ich streiche mir wieder eine lästige schwarze Haarsträhne aus meinem Auge und nehme mit steigender Wachsamkeit Kurs auf das Schulsekretariat. Obwohl es noch zwei Wochen Sommerferien bis Schulanfang sind, sind schon Schüler in der Schule, die wie gesagt, Sommerschule haben, um sich bis zum neuen Schuljahr aufzubessern. Ein paar kommen ausgelassen die große Freitreppe, die mitten in der Aula endet, herunter gerannt und schubsen sich gegenseitig lachend und kreischend aus dem Weg.

Was hätte ich darum gegeben, auch einmal so ausgelassen mit meinen damaligen Freunden sein zu können…
 

„Yue-chan!“ Ich drehe mich erschrocken um, als ich so unvermutet von hinten angesprochen werde. Louise zeigt unauffällig auf die Gruppe Schüler, die mich seit meinem Eintreten in die Aula unentwegt beobachten und anstarren. Auf meine damaligen Freunde. „See, Sora-sensei, he just…“
 

Oh nein. Nur nicht das auch noch. Hätte ich besser auf ihn geachtet, wäre das jetzt nicht passiert. Dann wäre vieles vielleicht komplett anders verlaufen und dann hätten mich viele Schüler nicht für komplett verrückt gehalten und für das was ich fast täglich tue, komme ich mir schon lächerlich genug vor.

Sora-sensei ist der Typ Mensch, den die heutige Zivilisation knallhart als unglaubwürdigen Sonderling abstempeln würde und das hat meiner Meinung nach auch seinen Grund. Er bringt es nämlich einfach nicht fertig, an einer halbwegs hübscheren Frau vorbeizulaufen, ohne sie auf einfache, aber unglaublich dämliche Art und Weise anzumachen.
 

Man könnte ihn theoretisch als neurotischen Schwerenöter bezeichnen, aber weil Sensei eine Seele von Mensch ist und trotz seines kleinen Ticks es fertig bringt, zumindest die Welt eines kleinen Schülers zu verändern, wäre das etwas zu hart definiert. Er ist eben ein Mann, der wahnsinnig nett ist und einen kleinen, aber feinen Sprung in der Schüssel hat.
 

Ich frage mich jedes verdammte Mal, wenn Sensei sich an eine Frau ranmacht, warum es ausgerechnet mein Job sein muss, ihn kurz und schmerzlos unschädlich zu machen und das Schicksal seiner unschuldigen Opfer wieder in die richtige Bahn lenken zu müssen. Wenn ich mir aber den Part so ansehe, den Louise zu übernehmen hat (nämlich die entwaffnende, erklärende Entschuldigung danach), bin ich mit meiner Aufgabe doch ganz zufrieden und beklage mich nur im allerschlimmsten Notfall.
 

So wie heute. Weil wir aber nicht besonders viel Zeit haben bis wir vier uns anmelden müssen, und Sensei mir sonst meine restliche makellose, friedliche (!!) Schulkarriere ruinieren würde, entfernen Fye und ich ihn gewaltsam von meiner damaligen Lehrerin Inoue-san (sie heißt mit Vornamen übrigens Hana) und Yamato sammelt Louise ein, die ihr und allen anderen in wenigen englischen Worten und einer perfekten Verbeugung erklärt, dass Sensei in Gegenwart von hübschen Frauen nicht mehr ganz normal ist.

Dann hole ich insgeheim noch einmal symbolisch ganz viel Luft, straffe die Schultern, richte mich auf und klopfe gleichmäßig an die Türe meines neuen/alten Schulsekretariats.
 

Hätte ich früher nicht „Freunde“ gehabt, die sich wie die hinterletzten Idioten benommen hatten und immer Zustimmungen von mir wollten, dann hätte ich es wahrscheinlich unglaublich peinlich gefunden, mich jemals mit Sora-sensei und meinen jetzigen Freunden abgeben zu müssen.

Aber gerade weil sich meine damaligen „Freunde“ wie die hinterletzten Idioten benommen haben und immer Zustimmungen von mir wollten, bin ich ziemlich froh, so verrückte Leute um mich herum zu haben, denn sie geben mir genau die Erkenntnis, die ich so unendlich vermisst habe, in der ganzen Zeit.
 

Auch wenn wir verrückt und laut und manchmal auch schwierig sind: Vielleicht ist genau diese Verschiedenheit das, was unsere Freundschaft so besonders macht.
 

K A P I T E L__1_______E N D E



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