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Chance

Manchmal gibt es auch eine Zweite... Wichtel-FF ~~ KaixRei
von

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Man muss manchmal von einem Menschen fortgehen, um ihn zu finden.

Heimito von Doderer
 

Blitzlichter, die einem in den Augen brannten und Lider zwangen sich schützend über ihnen zu schließen.

Unzählige Stimmen, die wild durcheinander riefen und zu einer Mauer aus unglaublichem Krach anschwollen. So laut, dass sich Hände über die Ohren legten, um die Lautstärke auszublenden.

So abgeschottet, ohne zu sehen oder zu hören, blieb nur noch das einengende Gefühl zurück, beinahe als würde man zerquetscht werden und das ließ sich nicht so leicht ignorieren in einer Menschenmasse aus hunderten kreischenden Fans.

Reis Atem beschleunigte sich und plötzlich war die Dunkelheit seiner geschlossenen Augen verschwunden und nichts weiter als ein kurzer Intervall zwischen den grellen Blitzen der Kameras. Die Stille wich dem dumpf dröhnenden Lärm hormongesteuerter Teenager. Und je lauter und heller Rei die Menschen um sich herum trotz Gegenmaßnahmen erlebte, desto höher kroch in ihm Panik.

Klaustrophobie war in seiner Heimat kein Thema gewesen, dort waren schon fünf beieinander stehende Menschen eine Menschenmasse, aber seit er Mitglied der Bladebreakers war und die Menschen, wann immer sie die vier Jungs erkannten, in regelrechte hysterische Anfälle verfielen, war die Tatsache, dass der Chinese mit engen Räumen und vielen Menschen auf wenig Platz einfach nicht klar kam, schlichtweg unumstößlich.

Bisher war er noch immer von einer Panikattacke verschont geblieben, sie hatten immer genug Platz zu den Fans gehabt und konnten die Nähe zu ihnen selbst bestimmen, aber das ging am heutigen Tag nicht. Sie würden gleich eine Pressekonferenz geben und die Fans hatten den Eingang zu dem Geschäft blockiert, sodass sich die Jungs zwischen den Leuten durchzwängen mussten.

Die anderen waren beinahe sofort aus seinem Blickfeld verschwunden und nach kurzem Zögern hatte Rei sich aus dem Wagen getraut und versucht, irgendjemanden zu finden. Jedoch waren die Menschen unerbittlich und so schien es Rei als ob hunderte Hände ihn berührten und an ihm zerrten und die Luft blieb ihm weg.

Er hatte Angst und er begann zu Hyperventilieren. Sein Atem beschleunigte sich ins unermessliche, ohne, dass er mehr Luft bekam, eher im Gegenteil. Der Chinese zitterte am ganzen Körper und begann leise zu wimmern.

Er spürte nicht die Hand die nach ihm Griff oder den Körper, der sich schützend an ihn presste und ihn aus den Menschen zog. Rei spürte nur die Angst gleich ersticken zu müssen.

Nur langsam bemerkte er die relative Stille um sich herum und die Hände, die an seinen Armen entlang strichen. Erst als er die Augen geöffnet hatte und in die Kais sah, wurde ihm klar, dass er zitterte und sich an den Halbrussen klammerte. Noch immer ging sein Atem schneller als normal und es dauerte, bis er die Kraft fand sich von dem Größeren zu lösen. Kurz schien es als wolle der ihn weiter festhalten, nichtsdestotrotz wich er von Rei weg und ließ ihm seinen Freiraum. Dieser schloss behutsam die Augen und atmete kontrolliert ein, sich endlich wieder in Sicherheit fühlend.
 

„Danke.“
 

Schief lächelnd nickte Rei Kai zu, woraufhin dieser nur abwinkte. Kai Hiwatari war immerhin weniger der Typ, der sich als Retter in der Not aufspielte. Auch wenn er erstaunlich viel für das Team tat, ohne dass zumindest Max oder Takao etwas davon bemerkten. Rei sah die kleinen Gesten (und die Großen wie eben) trotzdem und rechnete es dem Blader hoch an.

Ein letztes Mal aufatmend entspannte sich Rei weiter und schenkte dann auch Max und Takao ein Lächeln.

Belustigt nahm er dann auch deren Erscheinungsbild wahr, sie gaben beide eine gute Imitation eines gerupften Hühnchens ab und auch er selbst, nach kurzem, prüfenden Blick an sich herunter, sah nicht besser aus. Einzig Kai war wohl vom Gröbsten verschont geblieben, allerdings war der Halbrusse für sein Temperament bekannt und die Gefahr wollte wohl niemand eingehen.

Es dauerte nicht lang, bis die drei jüngsten im Team sich vor Lachen die Seiten hielten und auch Kai ein Grinsen kaum unterdrücken konnte.
 

#
 

Nach dem Schock an jenem Tag, begann das Team immer mehr zusammenzuwachsen. Die Zwölfjährigen Jungs wurden Freunde, auch wenn Kai und Takao das gerne bestritten.

Vor allem Rei blieb hartnäckig an Kai dran, versuchte seine Eismauer zu durchbrechen und hatte Erfolg. Sie waren die Ältesten im Team und es blieb oft an ihnen hängen, etwas zu richten, waren es kurzfristige Anmeldungen für Wettbewerbe oder Streitschlichter für Takao und Max zu spielen, die sich stritten, wer nun der größere Superheld sei, wohin sie Essen gehen würden, wer wo schlief und weitere ‚Kindereien’, wie Kai sie nannte -auch wenn Kai und Rei sich durchaus schon auf jeweils eine Seite der Jüngeren gestellt hatten und sich dann gegenseitig ebenfalls anfeindeten.

Zusammen erklommen die Jungs den Thron des Bladens, gewannen Meisterschaften und bewältigten Abenteuer.

Sie waren Fünfzehn als der Hype um das Bladen langsam abnahm und der Alltag sie langsam, aber sicher, einholte. Zusammen lebten sie mit Takaos Großvater in einem Dojo in Tokio und genossen ihre Freizeit, ihre Blades immer noch an ihrer Seite.
 

Über die Jahre hatte Rei sich an die Menschen um ihn herum gewöhnt, vor allem, da die japanische Hauptstadt so groß und regelrecht überflutet mit Menschen war.

In den Stoßzeiten U-Bahn zu fahren, war trotzdem keine angenehme Erfahrung für den Chinesen.

Er mochte es nicht, schon gar nicht wenn die Züge so voll waren, dass man sich nicht mehr umdrehen konnte. In solchen Momenten war er froh, nie allein in der Bahn sein zu müssen. Er war sich nicht sicher, wann es genau angefangen hatte, aber Kai hatte irgendwann begonnen, ihn nicht mehr aus den Augen zu lassen.

Rei spürte die Hand des Halbrussen an seiner Seite, dessen Oberkörper an seinem Rücken. Kai stand wie eine Mauer zwischen Rei und den anderen Zuginsassen und vermittelte dem Jüngeren Sicherheit in der beengten Situation.
 

„Hast du Mathe gemacht? Mir fehlt noch eine Aufgabe.“
 

Schmunzelnd drehte Rei seinen Kopf so weit wie möglich, um den Russen neckend anzublinzeln. Der erwiderte jedoch nur mit einem ‚Hn’ der Sorte ‚Ja, hab ich, aber du solltest wirklich anfangen alle deine Aufgaben zu lösen und nicht immer nur die Hälfte, um danach bei mir abzuschreiben.’

Rei boxte dem Anderen leicht in die Seite, eine schwere Tat angesichts ihrer Positionen und lehnte seine Stirn wieder gegen die Fensterscheibe, die Augen nie von der Spiegelung Kais lassend.

Erst Jahre später würde Rei klar werden, dass seine Augen deshalb immer wieder den Russen fanden, weil er sich in den anderen Jungen verknallt hatte. Überhaupt war ihre Beziehung von Anfang an anders gewesen.

Dass Kai nie sehr viel Körpernähe zu anderen suchte, war offensichtlich, aber auch Rei war nie jemand gewesen, der sich jemandem um den Hals warf. Hier und da mal mit Max kuscheln, wenn dieser traurig war, aber mehr war da nicht.

Mit Kai dagegen? Rei lehnte sich an ihn, nahm seine Hand und spielte in ruhigen Momenten, zum Leidwesen Kais, zu gerne mit dessen Haaren. Kais Nähe war wie eine Sucht. Und auch er berührte Rei weitaus mehr als andere Menschen. Vor allem Reis Haare stellten eine Versuchung für Kai dar. Immerzu war er mit dem langen Zopf beschäftigt.

Die Lippen Reis weiteten sich zu einem verspielten Schmunzeln als er die Hand an seinem Nacken spürte, die dort mit den feinen Härchen spielte.

Als die Türen zu ihrer Station aufgingen, griff Rei wie automatisch nach Kais Hand und ließ sich von diesem durch die Menge lotsen, immer mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen und den Blick auf ihren Händen.
 

#
 

Die Zeit war schön und wären sie nur noch ein wenig länger zusammen geblieben, wäre aus ihrer Freundschaft mehr geworden, dessen war sich Rei sicher, aber es kam alles anders.

Reis Onkel aus Paris hatte seinen Neffen gebeten, zu ihm zu ziehen, sie waren immerhin Familie und sein Onkel lebte allein, und Paris war eine Gelegenheit für den Jungen. Davon hatten ihn alle überzeugt und als auch Kai ihn dazu ermutigt hatte, hatte er schließlich die Koffer gepackt.

Es gab eine Abschiedsparty und Tränen am Flughafen. Max klammerte sich, seit sie das Haus verlassen hatten, an Rei und auch Takao blieb so nah wie möglich an ihm (das machte den Klogang unheimlich interessant. Es gab Photos, Rei war allerdings froh, diese nie in der Öffentlichkeit gefunden zu haben).

Als sein Flug aufgerufen wurde, gab es eine Gruppenumarmung (ohne Kai) und auch Rei merkte, wie sich Wasser in seinen Augen ansammelte.

Sich loslösend wuschelte er ein letztes Mal durch Max’ Haare, schnippte Takao das Basecap vom Kopf und verbeugte sich vor Takaos Großvater. Ganz zum Schluss blieb er unschlüssig vor Kai stehen.

Wieso war es so schwer sich von Menschen zu verabschieden? Wieder etwas, was Rei nie verstehen würde.

Mit einem Seufzen sah der Chinese seinem Freund in die Augen und lächelte schwach, ehe er sich mit einem Schritt an Kai warf. Die Arme schlang er fest um dessen Nacken, seinen eigenen Kopf presste er gegen Kais Hals. Belustigt nahm er die kurze Anspannung Kais wahr, bis dieser den Gefallen erwiderte und seine Arme um den Körper des Kleineren legte.
 

„Ich vermiss dich jetzt schon.“
 

Leise murmelte Rei gegen die blasse Haut des anderen, seine Tränen endgültig nicht mehr unterdrücken könnend. Und Kai war zu groß und nun mal kein Schlangenmensch, sodass das mit dem ‚einfach so in die Tasche packen’ seines Freundes auch nichts war.

Kai blieb stumm, strich aber beruhigend über Reis Rücken.

Die Stimme, die seinen Flug mit zunehmender Dringlichkeit ausrief, schreckte Rei hoch und widerwillig löste er sich von Kai. Der sah ihn aufmunternd an. Vorsichtig nahm er Reis Gesicht in seine Hände und strich mit den Daumen die Tränenspuren von den Wangen des Kleineren, schmunzelte als der leicht errötete.
 

„Ich ruf dich an, wenn ich gelandet bin, also lass dein Handy an, ja?“
 

Fahrig fuhr Rei sich mit dem Ärmel über die Augen und sah Kai streng an. Der hob nur skeptisch eine Augenbraue und grinste dann schlicht.
 

„Also, darf ich Suchkommandos losschicken, wenn du dich in 24 Stunden nicht gemeldet hast?“

„Wenn du meinst, am besten fliegst du dann aber persönlich, du weißt immer noch am besten, wo ich mich aufhalten könnte.“
 

Verspielt blickte Rei aus geröteten Augen zu Kai auf, seufzte dann aber als sein Flug erneut ausgerufen wurde. Sein Lächeln wurde schief und er hob kurz seine Hand an.

Kai erwiderte die Geste und lehnte sich vor, zum Schock oder zur Überraschung aller, und presste seine Lippen flüchtig gegen Reis Wangenknochen, unterhalb der Zitrus-Augen.
 

„Lass dich nicht ärgern, Tiger.“
 

Hätte Rei nur ein Gramm weniger Selbstbeherrschung gehabt, hätte er in diesem Moment sich um Kais Hals geworfen und sich geweigert zu fliegen. Er fand sich damit ab, seinem besten Freund ein letztes Lächeln zu schenken und sich dann, samt Handgepäck, in den geschlossenen Bereich zu begeben. Sein letzter Blick durch die Glasscheibe auf seine Freunde blieb an Kai hängen, der schmunzelnd die Hand in einem Gruß hob. Aufgemuntert richtete Rei seinen Blick nach vorne, seinem neuen Leben entgegen.
 

#
 

Es war die Hölle.

Grummelnd schmiss Rei sich auf das Sofa in seinem Zimmer. Es war Sommer und drei Monate her, dass er nach Frankreich umgezogen war. Er ging auf eine Internationale Schule und war nicht einmal so schlecht, wie er befürchtet hatte (Die Nächte voller Lernen mit Kai hatten doch etwas gebracht).

Und schon wieder dieser Kerl.

Seufzend drehte sich der Chinese auf den Bauch und vergrub den Kopf in einem Kissen.

Der Kontakt zu seinem eigentlich besten Freund bestand aus hier und da einer E-Mail und bisher ganzen drei Telefonaten voller peinlicher Stille. Es war frustrierend.

Er vermisste den schweigsamen Halbrussen, aber irgendwie klappte das nicht mit der Entfernung zwischen ihnen.

Und das U-Bahnfahren ging ohne Kai auch nicht. Paris war weitaus weniger Schlimm als Tokio, aber es war etwas anderes, wenn Kai nicht als Schutz zwischen ihm und den Menschen stand. Bei seiner ersten Fahrt mit der U-Bahn war er gerade Mal eine Station weit gekommen, bevor er Panik in sich spürte und hastig aus dem Zug stürzte. Sein Onkel fuhr ihn momentan immer zur Schule und in die Stadt und Rei mochte den Gedanken nicht, dass er seinem Onkel so viele Umstände bereitete.

Das Klingeln seines Handys riss Rei aus seinen Gedanken und wie ein geölter Blitz war er an dem kleinen Elektronikteil und nahm den Anruf entgegen.
 

„Ja?“

„Rei? Olivier hier, ich hab gehört du bist in Paris?“
 

Kurz kam Enttäuschung in Rei auf, dass es nicht ‚sein’ Halbrusse war, aber Olivier war eine Labertasche und stellte eine angenehme Ablenkung dar. Den Nachmittag über unterhielten sich die zwei Jungs, tauschten Geschichten um ihren Lebensverlauf nach den Meisterschaften aus.

Es war der Anfang zu einer Freundschaft, die ihm über die Trennung hinweg helfen würde.

Olivier brachte Rei dazu, auf seine Privatschule zu wechseln. Der Chinese weigerte sich am Anfang, aber Olivier leistete beste Überzeugungsarbeit und verschaffte Rei ein Stipendium. Morgens holte der Franzose seinen Freund von zu Hause ab und nach der Schule gingen sie die Stadt unsicher machen.

Durch Olivier fing er wieder an am Leben teilzunehmen, sehr zur Freude seines Onkels.

Der Chinese akzeptierte nach einer Weile, dass die Entfernung zu Kai zwar schmerzte, aber er sich nicht davon unterkriegen lassen dürfe und einige Jahre später als ihm klar wurde, dass Frauen ihn schlichtweg nicht interessierten, verstaute er Kai in der Schublade der alten Schwärme und genoss einfach, wenn er doch mal ein Lebenszeichen von ihm bekam.
 

#
 

Nach seinem Schulabschluss bekam Rei einen Job bei Oliviers Vater und arbeitete dort zusammen mit seinem französischen besten Freund. Er reiste viel, sah die Welt und hatte hier und da eine Liaison, meistens waren es Geschäftspartner. Olivier verurteilte das zwar, aber der war ja ohnehin seit der Steinzeit mit Enrique zusammen, hatte also kein Recht da mitzureden.

Sich die Haare aus dem Gesicht streichend warf Rei einen letzten Blick in den Spiegel. Die Stirnfransen des Mittlerweile 26-jährigen waren zu einem Pony getrimmt (er gab Olivier dafür die Schuld, aber er konnte es wenigstens tragen; offen genug schwul war er dafür). Die restlichen Haare waren locker in einem Zopf zusammengebunden und hingen ihm über die Schulter. Sein Gesicht hatte irgendwann jegliche Kindlichkeit verloren und stattdessen einen fast kaiserlich, eleganten Zug bekommen (Oliviers Worte).

Amüsiert lachte Rei leise und knöpfte sich seinen weißen Wintermantel zu. Tokio erlebte fast schon einen Rekordwinter. Es schneite geradezu durchgehend und die Temperaturen waren weit unter Null, sehr ungewöhnlich für die eigentlich ja subtropische Großstadt. Darum trug Rei jetzt auch mehrere Lagen dicker Klamotten, um der grauen Pracht der Stadt gewappnet zu sein.

Mit schnellen Schritten verließ Rei sein Hotel und machte sich auf den Weg zur nächsten U-Bahn Station.

Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätte er sich ja ein Taxi genommen, aber sein Geschäftsdate hatte ihm nahe gelegt, die U-Bahn zu nutzen und so jede Menge Zeit und Geld zu sparen. Demnach hatte die Vorbereitung auf dieses Treffen hauptsächlich aus mentalem Training (lies: Rei in winzig kleinen Flurschrank für Stunden einsperren und nicht raus lassen, egal, wie sehr er zetert) und Schocktherapie (‚Lasse micke dicke gaaaanze dicke umarmen, Rei’) bestanden.

Langsam bahnte Rei sich den Weg durch die Menschen. Ein Grinsen verriet seine Laune, war es doch aber wirklich schön mal wieder in der Stadt zu sein.

Er hatte Tokio nach einem kleinen BBA-Revolution-Reunited Treffen vor 2 Jahren nicht mehr betreten. Max und Takao hatten ihn dafür erst letzten Sommer wieder in Paris besucht und auch sonst waren von den alten Teams immer wieder Besucher vor seiner Tür erschienen. Einzig Kai (denn sogar Yuriy und Boris hatten schon bei ihm auf der Matte gestanden) hatte er seit ihrem Abschied vor elf Jahren nicht mehr gesehen. Der Kontakt zu dem Halbrussen war zwar dank E-Mail und hin und wieder Telefonaten noch intakt, auch Gerüchte um den schweigsamen Mann kamen ihm zu Ohren, aber in einsamen Nächten wünschte sich der Chinese manchmal den Älteren an seine Seite, um sich an ihn anzulehnen, denn dafür war sein Lieblingsfranzose, mit fast einem halben Kopf weniger, einfach nicht zu gebrauchen.

So weckte die Stadt Erinnerungen an seine Jugend als sein Leben aus nichts als Bladen und Relaxen bestanden hatte, er hinter Max und Takao aufräumen konnte und sich mit Kai die Nächte um die Ohren schlug.

Rei unterdrückte ein Kichern, denn echte Männer kichern eben nicht, und bog auf die Treppe zur U-Bahn ab.

Unter der Erde war es, dank unzähligen Heizkörpern, angenehm warm und nach dem Bezahlen seiner Karte und dem Suchen des richtigen Gleises, reihte Rei sich in die Schlange der Wartenden ein. Sein Blick lag auf den vielen Menschen vor den Markierungen und als der Zug kam, flüchtete er zur Seite und ließ andere einsteigen.
 

Zum bereits zehnten Mal klingelte Reis Handy jetzt schon und er ignorierte es weiter. Er saß bereits eine halbe Stunde an der Wand gelehnt und sah den Menschen beim Einsteigen in weiter überfüllte Züge zu.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er noch eine Viertelstunde hatte, um zu dem Essen zu kommen. Es ging um einen Millionendeal und der Kunde hatte einen Narren an Rei gefressen, also hatte Olivier ihn gebeten mit zu kommen. Was eine Schnapsidee.
 

„Sind sie in Ordnung, Sir?“
 

Der Chinese blinzelte und winkte ab, die besorgt dreinblickende junge Frau abwimmelnd. Nett waren die Japaner ja, in Frankreich hatten die Leute nur die Nase gerümpft.

Mit einem Seufzen rappelte Rei sich auf und richtete seinen Blick auf die Anzeige. In drei Minuten würde noch ein Zug kommen und den würde er jetzt nehmen. Sollte er da drinnen sterben, würde er wenigstens Clemens Ostermann treffen, der ihm in einer Animeadaption über die Bladebreakers fürs Deutsche seine Stimme geliehen hatte und wann begegnete man seiner Stimme in einer anderen Sprache schon mal persönlich?

Als der Zug einrollte, spannte sich Reis Körper an.

Als die Türen sich öffneten, ging sein Atem schneller.

Als die Menschen sich in Bewegung setzten, kam Rei nicht mehr raus, eingekesselt von kichernden Schulmädchen und grimmigen Geschäftsmännern.

Der Langhaarige versuchte sein Bestes, seinen Atem zu beruhigen und die bedrückende Enge zu ignorieren als er immer weiter in die Mitte des Waggongs geschoben wurde.

Nicht lange überlegend versuchte Rei sich auf die andere Seite durchzukämpfen, um ans Fenster zu kommen. Das war allerdings leichter gesagt als getan und erst eine Station weiter hatte er die Möglichkeit, sich zwischen den Menschen durchzuschlängeln.

Am Fenster angekommen legte Rei seine Hand gegen das Kühle Glas und versuchte das Zittern seines Körpers zu stoppen. Kaum war sein Puls aber wieder unten, wurden die Menschen von den Oshiya, den Männern in Uniform, welche die Züge der U-Bahn stopften, weiter zusammengedrängt und es rammte ihn ein hochgewachsener Mann vor sich.

Im Kampf mit seinen Gliedmassen, einer weiteren panischen Attacke und dem minimalen Platz, der zur Verfügung stand, tritt und stieß er den Mann mehrmals.

Rei spürte nur, wie der Mann sich umdrehte, aber seine geschlossenen Augen und die Hände auf seinen Ohren blockierten jede Kontaktaufnahme. Er gab ein leises ‚Entschuldigung’ von sich und versuchte weiter wieder ruhig zu werden. Arme, die sich dann plötzlich um seine Mitte schlangen und Hände, die ihn weiter gegen das Fenster schoben, brachten ihn zumindest soweit aus dem Konzept, dass sich zu Beruhigen der letzte Gedanke in seinem Kopf war und doch genau das Alles war, was er damit dann tat.

Er riss seine Augen auf und ließ die Arme sinken, ungläubig auf den Mann vor sich starrend.

Da stand er, Kai Hiwatari, sah mit schwarzer Mütze und Lederjacke besser aus denn je und tat das, was er immer getan hatte: Rei aus einer Misere befreien.

Vorsichtig hob Rei eine Hand und stieß seinen Finger testend gegen die, mittlerweile, farbfreie Wange des Größeren, der ihn nur skeptisch ansah. Schulterzuckend ließ Rei seinen Arm wieder sinken und schenkte Kai ein verspieltes Lächeln, ehe er ihm um den Hals fiel.
 

Minuten später saßen sie sich in einem kleinen Café gegenüber. Reis Handy war ausgeschaltet worden, kaum dass sie die U-Bahn verlassen hatten und seine Aufmerksamkeit lag einzig bei dem Russen.

Seine Wangen waren gerötet (ob nun von seinem Tee nach der Kälte draußen oder dem Halbrussen vor ihm sei dahingestellt) und nervös spielte Rei mit seinen Haarsträhnen, Kai gebannt zuhörend.

Wie dieser mehrere Male vor Reis Tür gestanden und niemand ihm geöffnet hatte, weil der Chinese auf Geschäftsreise war (‚Du hättest doch etwas sagen können!’ ‚Ich wollte dich überraschen’) und sich irgendwann mit dem Gedanken abgefunden hatte, dass Rei wohl umgezogen sei und vergessen hatte, es ihm zu sagen, denn Mails waren bei Kai schon seit einiger Zeit keine mehr eingegangen.

Rei erfuhr, dass der beste Freund des Anderen ein gewisser, türkis- und langhaariger, lang vermisster, ehemaliger Beyblader war, dass der Andere mittlerweile in Tokios größtem Schwulenviertel arbeitete und ebenso offen schwul war, wie Rei selbst.
 

Aber das alles, was aus Olivier und dem Geschäftsessen wurde und die Geschichte um den ersten, wirklichen Kuss der Beiden, geschweige denn, was aus ihnen geworden ist und werden kann... das ist eine Geschichte für einen anderen Tag.
 

#
 

Das hier ist der zweite Versuch der Wichtelgeschichte und, lustig-lustig, hab ich wieder Alatus zu gelost bekommen <3 Das hatte seine Vorteile, ich wusste zumindest für wen ich da schreibe XD"

Es ist kurz und es hat ein ekliges Cliffy-Ende auf das vielleicht noch eine FF folgt, in der es dann um das Treffen aus Kais Sicht bzw. überhaupt die Geschichte aus Kais Perspektive gezeigt wird... vielleicht, ich muss mich dazu treten X3

Geplant war nämlich ursprünglich Kai Pov, aber der liegt mir scheinbar so gar nicht und deshalb mal wieder Rei, dieses mal mit nur einer winzigen Portion Zeo am Rande aber ich hoffe, es hat dir trotzdem gefallen, Raito :3 (und allen anderen auch <3)



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Atem
2010-07-13T17:29:28+00:00 13.07.2010 19:29
Awwwwwwwwwwwww~ die Geschichte ist SO süß... auch wenn ich mit dem offenen Ende alles andre als einverstanden bin <o<. Ich will keine Fortsetzung in Form der Geschehnisse aus Kais Sicht... ich will eine allgemeine Fortsetzung... die zwei sollen so schön rumsüßholzraspeln, dass einem die Zähne vor Karies ausfallen XD.
Du hast die Idee des Fotos ziemlich gut umgesetzt XD. Ich hab das Foto gefunden und es mir sehr gut gefallen, also musste es für diese Aktion verwendet werden XD.

Am Besten hat mir die Abschiedsszene am Flughafen gefallen... Kais überraschende emotionale Handlung... ich habe kurz aufgequietscht... das passt irgendwie zu meiner Vorstellung von Kai... und die Bezeichnung zitrusgelb für Reis Augen... awwww~ nochmal so niedlich XD. Ich kann mir nicht helfen. Die zwei sind einfach Zucker... einziges Manko finde ich, ist das offene Ende. Alles ist so schön beschrieben und da ist es dann plötzlich aus... schade eigentlich, aber das wird von mir ausgeblendet... XD ich glaube, ich muss mir die Flughafenszene noch einmal durchlesen *_____*.

*flausch*
Rookie/Rei~
Von:  X66
2010-06-05T23:11:40+00:00 06.06.2010 01:11
Du hast irgendwo geschrieben, dass es sich bei dieser Story eher um eine Art Prolog handelt – das Gefühl hatte ich auch ein bisschen. Ich mochte den Anfang sehr, ebenso wie den Großteil der Mitte inklusive Ende, aber diese Teile kamen mir fast wie separate Stories vor. Einen Verbindungsteil gibt es zwar irgendwie, aber ich habe ihn als etwas zu schnell abgehandelt empfunden – und er fiel mir auch auf, weil er vom Stil her etwas anders ist als der Rest.
Deine Idee und die Story hat allerdings unglaublich Potenzial, denke ich – das Lesen der einzelnen Teile hat mir viel Spaß gemacht und hatte tolle Details (dazu gleich mehr <3), aber insgesamt fehlte mir ein bisschen was in der Entwicklung. Deshalb würde ich mich furchtbar freuen, wenn du noch mehr hierzu schreibst und zwar nicht nur „die andere Geschichte“, die du am Ende erwähnst, sondern auch noch mehr Ausarbeitung des Mittelteils. ♥

Im ersten Teil, in dem es um Reis Klaustrophobie geht, fand ich die Szenen sehr realistisch und das Thema total toll, weil ich eine kleine Schwäche für diese richtigen Beybladestarsstories habe, in denen es darum geht, wie sie damit umgehen, so bekannt zu sein und so. *-* Die Übertragung deines Fotoprompts auch auf eine solche Sache gefiel mir sehr gut.

Da ich den Mittelteil oben schon erwähnt habe, noch zur U-Bahn-Szene mit Kai und Rei: Ach, da hast du mich als Fangirl glücklich mit gemacht XD Nicht nur, dass Kai genau zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist – das Bild von ihm mit Mütze und Lederjacke ist Liebe hoch zehn. Ich saß wirklich so ♥__♥ vor dem Bildschirm, ich sags dir XDD~

Das ein oder andere Tippselchen war sonst noch drin, aber das einzige, was mir im Gedächtnis geblieben ist, ist das kleine ‚sie’ in „Sind sie in Ordnung, Sir?“, welches groß sein müsste.

*plüsch*
Von: abgemeldet
2010-06-05T19:33:40+00:00 05.06.2010 21:33
Es war zwar eine kurze Darstellung, aber ich finde du hast die Szene mit der Platzangst gut dargestellt...und ich finde das Thema passt auch gut zu dem Foto

*lach* jaaa, das liebe Abschreiben der Matheaufgaben...da musste ich iwie schmunzeln...und auch als Rei sich eingestanden hatte, verknallt zu sein, das kam so süß rüber....xD

aber als sich ihre Wege getrennt haben, kann ich mir gut vorstellen wie schwer diese lange Zeit für Rei ohne Kai gewesen sein musste und wie sehr er sich dann gefreut hat, als sie sich wieder gesehen haben...

eine sehr süße und kleine OS...^^
Von:  Shayd_chan
2010-05-23T19:48:25+00:00 23.05.2010 21:48
Wirklich klasse umgesetzt.
Man kann sich das mit der Platzangst in Zügen richtig gut vorstellen, wenn man bedenkt wie voll die manchmal sind. Menschen mit Klaustrophobie haben es schon echt schwer in manchen Situationen.

Süß fand ich auch die "Abschieds"-Szene. Ich konnte mir die Szene, wie auch den Rest der Geschichte durch deine Schreibweise bildhaft richtig schön vorstellen, was für mich beim Lesen schon wichtig ist um manche Dinge besser nach vollziehen zu können.

Das es ein offenes Ende gibt, find ich gar nicht mal so schlimm.
So kann jeder seiner eigenen Fanatsie freien Lauf lassen.

Shayd


Von:  Minerva_Noctua
2010-05-21T09:22:48+00:00 21.05.2010 11:22
Der OS ist wirklich süß.
Es ist nur schade, dass er so abrupt aufhört...
Die Umsetzung der Idee ist klasse.
Besonders hat mir die Szene gefallen, als die Beiden am Anfang in der U-Bahn standen und Kai mit Reis Haaren gespielt hat.
Echt süß.
Gibt es in Tokio echt ein Schwulenviertel? Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht einmal wie tolerant Japaner diesbezüglich sind. Aber ich denke in Asien können sich Schwule nicht so ungestört in der Gesellschaft bewegen wie bei uns.

Bye

Minerva


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