Zum Inhalt der Seite

Die sieben Stätten

Die Chroniken Teerens
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Traum

Der nächste Morgen brach regnerisch an und jeder war dadurch ein wenig gereizt. Quinza, Lerko und der Prinz wollten so früh wie möglich aufbrechen und machten sich sofort nach dem Frühstück bereit.
 

„Ihr wollt wirklich schon aufbrechen, Bruder?“
 

„Je früher desto besser. Ich will wissen, was uns erwartet und um das zu erfahren, müssen wir nach Kalisamdo.“
 

„Ihr passt aber gut auf euch auf, ja?“
 

„Natürlich. Ihr beiden aber auch.“
 

„Ich werde mein bestes geben, eure Hoheit. Verlasst euch auf mich.“
 

Kaero nickte Haolon zu, gab seiner Schwester einen Kuss auf die Wange und schwang sich dann elegant in den Sattel. Quinza und Lerko kamen auf dem zweiten Pferd auf ihn zu getrottet. Das dritte, hatten sie beschlossen, würde bei der Prinzessin und Haolon bleiben.
 

„Kommt heil wieder zurück!“
 

Kaero hob zum Abschied die Hand und Lerko drehte sich noch einmal halb um und lächelte.
 

Haolon stellte sich neben Narima. Wie er sah hatte sie Tränen in den Augen und wollte einen Arm um sie legen oder eine Hand auf ihre Schulter, scheute sich aber davor, da er ihr zu nahe treten könnte und er sie nun wirklich nicht so gut kannte, wie den Prinzen. Also seufzte er ein wenig resigniert und sagte:
 

„Wollen wir morgen mit dem Gräber schaufeln beginnen? Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee bei diesem Regen wäre. Ihr könntet krank werden.“
 

Narima nickte stumm und wischte sich die Tränen ab.
 

„Ich muss stärker werden. Definitiv.“
 

„Wie?“
 

Narima sah ihn direkt an.
 

„Ich muss stärker werden. Ich bin viel zu schwach. Ich darf mich nicht immer auf andere verlassen, das kann ich mir jetzt nicht mehr leisten.“
 

„ … Ich verstehe Prinzessin. Wenn ich euch in dieser Hinsicht irgendwie helfen kann, sagt es mir bitte.“
 

„Ist gut. Ich habe nur leider noch keine Ahnung, wie ich das anstellen soll. Ich meine, ich könnte euch zwar fragen, mir die Schwertkunst beizubringen, aber ich weiß, dass ich mit der Art eurer Kunst nicht besonders zurecht komme, Haolon.“
 

„Jeder hat seinen eigenen Weg zu gehen im Leben. Mit Kampfkünsten ist es das Gleiche. Jeder hat seine eigene Technik, die Grundlage ist jedoch dieselbe.“
 

„Die Grundlage... Könnt ihr mir die beibringen?“
 

„Sicher, aber seid ihr euch sicher? Ich meine ihr seid eine Prinzessin...“
 

„Ja, ich bin mir sicher. Vollkommen sicher. Wenn wir hier fertig sind, will ich meinem Bruder helfen und um das zu können, darf ich nicht einfach ein überflüssiges Überbleibsel sein, das man andauernd beschützen muss. Ich will stark genug sein Kaero zu helfen.“
 

Haolon lächelte. Vielleicht waren sich die Geschwister doch ähnlicher, als er das gedacht hatte.
 

„Wenn das so ist, dann duzt mich ab jetzt, eure Hoheit. Wenn ich euch trainiere, will ich nicht dauernd gesiezt werden.“
 

„Gut! Das gleiche gilt dann auch für dich.“
 

„Ah? Aber das kann ich doch nicht machen! Ich meine,... Ich weiß ja, dass wir nicht im Schloss sind oder dergleichen, aber...“
 

„Kein aber! Du duzt mich ab jetzt Haolon! Ich hasse sowieso dieses dauernde gesieze.“
 

„Ähm, gut.... Denke ich...“
 

***
 

Kaero und die Anderen ritten jetzt schon seit einigen Tagen und nun machten sie Rast um die Nacht des fünften Tages zu begrüßen.
 

„Gott!“
 

„Was ist los, Lerko?“
 

„Nichts, gar nichts! Ich bin nur noch nie so lange geritten und jetzt tut mir eben mein verlängerter Rücken weh.“
 

„Ihr seid wirklich noch nie so lange geritten?“
 

„Nein, Quinza. Ich bin ja nur selten wegen meiner Forschung aus dem Schloss gekommen und musste keine Ritte unternehmen.“
 

„Das hättet ihr wohl besser mal getan.“
 

„Ja, allerdings. Das sehe ich jetzt auch ein. Wirklich, aber man kann so etwas ja auch nicht unbedingt ahnen.“
 

„Auch wieder wahr.“
 

„Ihr beiden scheint euch ja gut zu verstehen.“
 

Beide drehten sich um.
 

„Eure Hoheit.“
 

„Ich habe mich umgesehen. Hier ist weit und breit niemand und nichts zu sehen.“
 

„Hm. Wie lange müssen wir noch reiten um nach Kalisamdo zu kommen?“
 

„Noch zirka das doppelte von dem, was wir bis jetzt zurück gelegt haben, wenn ich mich nicht komplett täusche.“
 

„Wohl kaum, mein Prinz. Ihr wart schon immer sehr akkurat und ihr habt die Karte Teerens geradezu portraitiert, wenn ich das so sagen darf.“
 

„Danke Lerko, aber lobe mich nicht zu viel. Jeder macht Fehler. Irren ist schließlich menschlich, nicht wahr?“
 

„Wohl gesprochen! Sagt, euer Hoheit wollt ihr ein wenig mit mir trainieren?“
 

Kaero blickte Quinza etwas fragend an.
 

„Würde ich gerne, aber ist das jetzt der richtige Zeitpunkt? Wir könnten doch jederzeit überfallen werden. Wir befinden uns schließlich auf freiem Land.“
 

„Das ist schon in Ordnung, glaubt mir. Ich bezweifle, dass hier Banditen oder dergleichen vorbei kommen.“
 

Kaero zuckte mit den Achseln.
 

„Wenn ihr meint. Womit fangen wir also an?“
 

„Wie wäre es mit Stabkampf?“
 

„Klingt gut! Na dann, nichts wie los und angepackt würde ich sagen.“
 

Kaero und Quinza trainierten lange und hart, vor allem Kaero, da er zum ersten Mal eine Stabwaffe in der Hand hatte. Quinza bemerkte aber bereits jetzt, dass Kaero äußerst talentiert war. Er lernte unglaublich schnell und konnte sich schon nach kurzer Zeit hervorragend an die neue Waffe und ihren Stil anpassen. Aber trotzdem kam er geplagt wie ein Ackergaul ans Feuer zurück, wo Lerko Wache gehalten hatte.
 

„Da sind ja die beiden Kampftiere. War das Training erfolgreich?“
 

„Absolut. Ich habe viel gelernt und fühle mich jetzt, als hätte mich ein Karren überfahren.“
 

„Dann war es ein gutes Training.“
 

„Du sagst es Lerko. Nur wenn man sich am Ende so elend fühlt, dass man am liebsten schreit, war es ein gutes Training. Ich glaube, so wohl habe ich mich seit Wochen nicht mehr gefühlt.“
 

„Das dachte ich mir. Wie wäre es, wenn ihr euch jetzt hin legt? Ich werde weiter wach bleiben. Ihr könnt euch also auch ausruhen, Quinza.“
 

„Vielen Dank, Lerko, das ist sehr freundlich von euch.“
 

„Nicht der Rede wert. Gute Nacht.“
 

„Gute Nacht, Lerko.“
 

***
 

Der nächste Morgen brach sonnig an und irgendwie hatte Kaero das Gefühl, er könne sich daran gewöhnen durch Teeren zu reisen. Reisen wollte er sowieso schon immer einmal unternehmen, um die vielen Orte und Menschen kennen zu lernen, die sich einmal auf ihn verlassen würden. Schade war nur, dass der Grund jetzt jedoch ein anderer und weitaus ernsterer war.
 

„Eure Hoheit!“
 

„Hm? Was gibt es Lerko?“
 

„Soweit ich mich erinnere, gibt es ein paar Stunden voraus einen Gasthof.“
 

„Ja, das ist korrekt. Ich dachte, wir könnten uns dort ein wenig umhören. Vielleicht bringen uns Gerüchte auf eine gute Spur für unseren Verdacht.“
 

„Das dachte ich mir. Würdet ihr mich wohl vor reiten lassen? Ich werde den Gasthof auskundschaften und euch Bescheid geben, wenn es ungefährlich ist.“
 

„Das ist eine gute Idee.“
 

„Quinza...“
 

„Nun gut. Reite voraus Lerko, aber sei vorsichtig.“
 

„Jawohl, eure Hoheit.“
 

In wenigen Minuten war Lerko am Horizont verschwunden.
 

„Eure Hoheit. Ich schlage vor, dass wenn Lerko in drei Stunden nicht zurück ist, wir selbst nachsehen was los ist. Nur für alle Fälle.“
 

„In Ordnung. Also, warten wir.“
 

***
 

Nach drei Stunden war Lerko immer noch nicht erschienen und Quinza und Kaero machten sich bereit nach ihm zu suchen. Sie ritten zirka eine Stunde lang bis sie den Gasthof erreichten. Bevor sie jedoch hinein gingen nahmen sie ein paar Kleidungsstücke aus ihren Taschen, um sich zu verkleiden. Quinza zog sich einfach um, da sie nicht bekannt war in diesem Bereich Teerens. Kaero zog sich ein Leinengewand über und schlang ein Tuch um seinen Kopf um seine Haare zu verbergen. Dazu band er sich noch ein Tuch halb über sein Gesicht. Nun sah es so aus, als ob er einfach nur sein Auge verbarg. Als sie beide an der Tür standen, hörten sie nur ein paar Stimmen, die recht laut waren und traten ein. Totenstille breitete sich aus und jeder blickte sie ängstlich an. Die Gäste saßen alle stocksteif auf ihren Plätzen und waren nervös. Die lauten Stimmen die sie gehört hatten, kamen von der einzigen lebhaften Gruppe in der Schenke. Sie hatten rote Wämser an und sahen so aus, wie Leute die gerade aus einem Gefängnis ausgebrochen waren. Kaero und Quinza sahen sich an und setzten sich in eine Ecke ohne etwas zu sagen. Vorsichtig blickten sie sich um, um nach Lerko Ausschau zu halten. Sie konnten ihn nirgends entdecken und Kaero begann sich Sorgen zu machen. Obwohl Lerko körperlich recht schwach war, stand er doch jedes Mal gegen Unrecht ein und so wie es sich hier abspielte, war gewiss etwas geschehen, was die Leute terrorisierte.
 

„Ich kann ihn nirgendwo entdecken.“
 

„Ich auch nicht, Quinza.“
 

„Was meint ihr ist geschehen?“
 

Einer der Männer in rot sah zu ihnen hinüber.
 

„Hey ihr zwei! Was tuschelt ihr denn so?“
 

„ …“
 

Der Mann stand auf und kam mit einem unverschämten Lächeln im Gesicht zu ihnen herüber.
 

„Na, was ist? Worüber habt ihr euch so angeregt unterhalten?“
 

Quinza stand auf und verbeugte sich. Sie durften keinen Ärger verursachen.
 

„Es tut uns leid, Herr. Wir waren nur mit einem Reisegefährten von uns hier verabredet und konnten ihn nicht entdecken. Jetzt machen wir uns natürlich Sorgen. Bitte verzeiht.“
 

„Ein Kamerad, wie? Wie sieht er denn aus? Vielleicht haben ich und meine Freunde ihn ja gesehen.“
 

Quinza zögerte.
 

„Was ist jetzt Weib!? Spuck es schon aus!“
 

Die Amazone blickte flüchtig zum Prinzen und dieser nickte kaum sichtbar.
 

„Er ist ein Mönch im mittleren Alter. Er hat eine braune Kutte an.“
 

„Ein Mönch? Oh...! Ich und meine Freunde kennen ihn sehr gut. Er hat hier einen ganz schönen Aufstand angezettelt.“
 

Quinza schluckte schwer und sah wie die Augen des Prinzen funkelten. Sie wusste was passieren würde, wenn der Mann ihr jetzt eine falsche Antwort gab und seufzte innerlich.
 

„Was ist mit ihm geschehen, wenn ich fragen darf?“
 

„Hm? Nicht viel, meine Hübsche. Wir haben ihm ein wenig gezeigt, wer hier die Ordnung ist. Als er bewusstlos war, haben wir ihn in den Stall geworfen, wenn ihr Glück habt ist er noch nicht tot. Hahahaha!“
 

Schnell hatte Kaero sein Schwert gezogen und nun lag die Spitze am Hals seines Opfers.
 

„Er ist wirklich noch besser am Leben, wenn ihr leben wollt.“
 

Innerhalb von ein paar Sekunden war ein Kampf zwischen Kaero und Quinza und den in Rot gekleideten Männern entbrannt. Sie waren zahlenmäßig weit unterlegen und dennoch schlugen sie sie in ein paar Minuten.
 

„W, Wer sind die beiden?“
 

„Es ist nicht wichtig, wer wir sind, sondern wer ihr seid.“
 

„Werbagen. Wir sind Werbagen und unser Meister wird euch alle zerquetschen, wenn er wieder unter uns weilt.“
 

„Meister?“
 

„Der große Cha´Dorom!“
 

„Ja, klar. Träum was schönes.“
 

Kaero verpasste ihm eins mit seinem Schwertrücken und der Werbage ging zu Boden.
 

„Quinza. Geh in den Stall und suche dort bitte nach Lerko. Wenn ich hier fertig, bin komme ich nach.“
 

„Fertig?“
 

„Nun ja. Ich möchte noch ein paar Dinge wissen.“
 

Quinza musterte ihn.
 

„Übertreibt es nicht.“
 

„Natürlich nicht.“
 

„ Ich gehe dann jetzt zu Lerko.“
 

Quinza ging rasch aus dem Schankraum und bemerkte, wie die Leute ihr bewundernd hinterher blickten. Das kommt eben dabei heraus, wenn zu lange Frieden herrscht und die Menschen vergessen, dass es auch etwas anderes gibt. Draußen war es bereits dunkel und man konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Quinza wandte sich dem Stall zu und beschleunigte ihren Schritt. Sie konnte bereits hören, wie jemand schwer atmete. Schnell entzündete sie eine Lampe und ging auf das Atemgeräusch zu. In einem Strohhaufen lag übel zugerichtet, Lerko. Quinza beugte sich zu ihm hinunter. Er hatte Schnittwunden und war grün und blau geschlagen. Ein Fieber hatte sich bereits eingestellt und die Wunden hatten sich wohl entzündet. Sie brauchten einen Heiler, so viel stand fest. Die Amazone ging hinaus und holte Wasser aus dem Brunnen, um die Wunden des Alchemisten zu reinigen. Danach ging sie zu ihren Pferden. Dort angekommen kramte sie in den Satteltaschen und förderte eine Wolldecke zu Tage. Schleunigst ging sie wieder zurück und wickelte Lerko darin ein. Ein paar Minuten nachdem sie mit ihrer Pflege fertig war, betrat Kaero den Stall und verschaffte sich einen Überblick.
 

„Wie geht es ihm?“
 

„Das kann ich nicht wirklich sagen. Was ich sagen kann ist, dass wir einen Heiler benötigen. Wir besitzen keinerlei Medizin und meine Kenntnisse über Wunden und deren Behandlung sind begrenzt.“
 

„Ich verstehe... Vielleicht finde ich im Schankraum jemanden der eine Ahnung davon hat. Das ist das Einzige was wir jetzt tun können.“
 

Quinza nickte.
 

„Habt ihr etwas herausgefunden?“
 

„Ja, … Dieser Cha´Dorom soll angeblich hinter dem Feuer stecken. Aber ehrlich gesagt finde ich das absurd. Laut diesen Werbagen, soll er nämlich der Geist eines großen Magiers sein. Ha! Ich hatte diesen Typen eigentlich für zu alt gehalten, um an Gruselgeschichten zu glauben.“
 

„Vielleicht waren es andere Fanatiker, wie diese die das getan haben. Fanatiker mit magischen Fähigkeiten.“
 

„Möglich. Jedenfalls haben wir jetzt erstmal einen Anhaltspunkt.“
 

„Das ist wahr.“
 

Kaero drehte sich bereits um und wollte gerade gehen, als er abrupt seinen Schritt verhielt und an seine Kette fasste.
 

„Was ist los, eure Hoheit?“
 

Verwirrt schüttelte Kaero den Kopf, als wolle er einen unangenehmen Gedanken vertreiben.
 

„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass jemand meine Hilfe braucht...“
 

„Eure Hilfe? Wer?“
 

Kaero schloß die Augen und umfasste seinen Löwen enger, konzentrierend und fast schon betend.
 

„Haolon... bist du es? Verzeih, ich kann nicht zu dir eilen. Halte durch mein Freund.“
 

„Prinz Kaero? Ist Haolon in Gefahr? Woher wisst ihr das?“
 

Kaero schüttelte erneut den Kopf.
 

„Ich weiß es nicht. Es ist nur mein Gefühl. Vielleicht irre ich mich auch. Ich hoffe es zumindest... Ich gehe jetzt. Schließlich braucht Lerko auch meine Hilfe.“
 

***
 

Eine Frau ging recht gemütlichen Schrittes den Wanderweg zum Schloss Teerens entlang. Sie war bereits erschöpft und hoffte, dass sie bald den Gasthof erreichen würde, den sie letztes Mal auf einer Karte gesehen hatte. Sie schüttelte leicht den Kopf, um sich wieder ein wenig wacher zu machen, wobei weiße Strähnen aus ihrer hoch gesteckten Frisur fielen. Wenn man ihre Haare sah erwartete man, dass man einem runzeligen Gesicht entgegen blicken würde, aber sie hatte ein jugendlich wirkendes Erscheinungsbild. Viele hätten vermutet, dass sie somit einfach nur ungewöhnliche Haare hatte und in Wirklichkeit jung war, aber dem war nicht so. Sie war bereits eine recht alte Frau mit vielen Erfahrungen in ihrem Leben und hatte nur selten Leute getroffen die dies auch bemerkten.
 

Die Frau blickte nach vorne und seufzte erleichtert auf. Endlich war sie beim Gasthof angekommen. Müde klopfte sie an die Tür und trat ein. Die anderen Gäste saßen recht verschreckt auf ihren Plätzen und sie begab sich einfach an die Theke des Schankraums und setzte sich. Langsam setzten die Gespräche wieder ein und die Frau bestellte eine Tasse Tee. Als der Wirt ihr die Tasse hinstellte öffnete sich die Tür des Gasthofes und ein Mann trat ein. Ein paar Sekunden danach bemerkte sie, dass es sich um einen recht jungen Mann handelte. Vielleicht gerade Anfang zwanzig. Er blickte sich einmal flüchtig um und erhob dann seine Stimme.
 

„Ich bitte um Verzeihung, aber ist vielleicht ein Heiler zu Gegend oder jemand der halbwegs etwas von Medizin versteht?“
 

Ein Mann stand etwas zögernd auf.
 

„Es geht um diesen Mönch nicht wahr? Ich bin vielleicht kein Heiler, aber ich verstehe etwas von Medizin. Möglicherweise könnte ich helfen.“
 

Der junge Mann nickte und öffnete bereits die Tür. Die Frau stand etwas seufzend auf. Sie konnte aber auch nie einfach ihre Ruhe haben. Sie ging auf die Tür und den Mann zu und sagte:
 

„Das wird nicht nötig sein, den guten Mann hier zu belästigen. Ich werde euch helfen, ich bin schließlich von Beruf aus eine Heilerin.“
 

Der junge Mann blickte sie für einen Moment lang durchdringend an. Wo hatte sie diesen Blick schon Mal gesehen? Dann nickte der Mann.
 

„Einverstanden. Ihr scheint erfahren zu sein, also werde ich euch einfach mal vertrauen müssen.“
 

Die Frau zog überrascht die Brauen hoch.
 

„Wie ist euer Name, werte Heilerin?“
 

„Ti´In Da´Ura, junger Mann. Und euer?“
 

„ ...Kaero... „
 

Die Heilerin seufzte. Sie war also schon zu spät.
 

„Na, dann lasst uns mal zu eurem Freund gehen.“
 

***
 

„Verdammt! Wieso schaffe ich das nicht?“
 

Wütend warf die Prinzessin Teerens ihr Übungsschwert auf den Boden.
 

„Narima, du solltest dich nicht so aufregen. Du hast doch schon die Grundkenntnisse erlernt und das in nur zwei Tagen. Andere hätten länger gebraucht.“
 

„Aber wieso schaffe ich dann diesen Schwertschlag nicht? Warum?!“
 

„Nun ja, wie du bereits gesagt hast, ist meine Weise der Schwertführung nicht für dich geeignet. Du müsstet einen Lehrer haben, der eine Frauenschwertführung kennt. Und die besitze ich nun wahrlich nicht.“
 

Enttäuscht setzte sich Narima in den Dreck und schmollte.
 

„Du hast ja recht, Haolon, aber ich würde so gerne mehr können.“
 

„Ich weiß, aber das geht nun mal gerade nicht. Du musst dich damit abfinden, dass es erst einmal ausreichen muss, dich selbst zu verteidigen.“
 

Haolon setzte sich neben die Prinzessin und blickte ihr ins Gesicht. Wenn sie schmollte sah sie wirklich süß aus.

Narimas Augen huschten zu Haolon und sie seufzte nochmal tief. Danach ließ sie sich leicht zur Seite fallen, bis ihr Gesicht auf seiner Schulter lag.
 

„Es ist trotzdem nervig.“
 

Haolon blickte verlegen zu Boden.
 

„Vielleicht, aber es ist nun einmal so.“
 

„Hm.“
 

Seit sie damit angefangen hatten sich zu duzen, waren sie sich irgendwie merkwürdig näher gekommen. Nicht sehr viel, aber jeden Tag ein bisschen mehr und mittlerweile war es ihnen sogar angenehm so nebeneinander zu sitzen. Auch wenn sich Haolon etwas verlegen fühlte, denn schließlich, egal wie sehr sie sich vielleicht nachher mochten, war er immer noch ein einfacher Soldat und sie eine Prinzessin. Dann wiederum, dachte Haolon, war es der Prinzessin anscheinend recht egal.
 

„Sollen wir uns dann mal langsam um unser Nachtlager kümmern?“
 

„Ja, sicher. Ich gehe Feuerholz sammeln.“
 

Narima stand geschmeidig auf und begab sich in Richtung Unterholz. Sie sammelte kleine Stöcke und Zweige und geriet damit relativ tief in den kleinen Wald der sie umgab. Als sie zurück ging, die Hände voll und den Magen leer, hörte sie merkwürdige Geräusche von ihrem Lagerplatz und sie beschleunigte ihre Schritte.

Gerade als sie durch das Unterholz brach und den Platz erreichte, sprang etwas kleines, Schleim überzogenes sie an. Narima schrie auf und fiel durch den Angriff zu Boden. Mühsam versuchte sie sich aufzurichten, schrie aber erneut als ein stechender Schmerz am Bein sie zusammen fahren ließ. Sie blickte nach unten und erkannte die kleine Kreatur die sie zuvor überfallen hatte. Es war ein Mirks. Mirks waren, wie sich Narima erinnerte, kleine Geschöpfe die in der Erde lebten. Sie ernährten sich hauptsächlich von Menschenfleisch und waren somit häufig an Orten anzutreffen an denen viele Menschen gestorben waren oder eine große Gruppe an Menschen lagerten. In Städten war man allerdings nicht in Gefahr, da sie gepflasterte Straßen hatten und Mirks anscheinend nicht hindurch brechen konnten. Das war der einzige Grund, weshalb die Straßen und Keller in Städten in Top Zustand gehalten wurden.

Narima trat mit dem zweiten Fuß die kleine Kreatur weg und stand schnell auf. Sie zog ihr Messer und sah den Mirks angeekelt an. Dieser fletschte die kleinen, messerscharfen Zähne und wetzte die kleinen, spitzen Krallen. Man könnte fast meinen, dass er lächelte. Der Mirks sprang auf sie zu und Narima wich aus und stach nach dem kleinen Körper. Sie traf auch und der Mirks krümmte sich vor Schmerz, wälzte sich auf dem Boden und erschlaffte nach kurzer Zeit. Erleichtert atmete sie auf. Dann weiteten sich ihre Augen und sie wirbelte herum.
 

„Oh mein Gott! Haolon!“
 

Sie rannte so schnell sie mit ihrem verletzten Bein laufen konnte.

Mirks waren niemals alleine. Dadurch das sie so klein waren, jagten sie immer in riesigen Gruppen. Und egal wie gut man auch war, Mirks waren immer eine Bedrohung für das eigene Leben.

Narima blieb keuchend stehen. Haolon stand schwer blutend inmitten der Horde Mirks. Um ihn herum lagen bereits dutzende kleine Leichname. Haolon keuchte und hielt sich die schwer verwundete Seite. Sein Schwert lag bereits schlaff in seiner Hand und der Griff war blutverschmiert. Mühsam schlug er jeden ihn anspringenden Mirks beiseite.
 

„Haolon!“
 

Die Mirks drehten die Köpfe in einer schaurigen Einheit zu ihr um.
 

„Bleib weg, Narima!“
 

„Aber, Haolon!“
 

Langsam kroch ein Teil der Mirks auf sie zu. Narima schluckte schwer.
 

„Lauf weg, Narima! Kümmere dich nicht um mich! Ich komme hier schon heil wieder raus! Bitte! Geh einfach!“
 

„Haolon...“
 

„Geh! Ich will dich nicht nur deinetwegen retten! Ich habe es deinem Bruder versprochen! Wie könnte ich meinem König gegenüber treten, wenn ich so erbärmlich versagt habe?! Also geh endlich!!!“
 

Narima raffte ihren Rock hoch und rannte mit Tränen in den Augen davon.

Endlich war sie fort. Haolon seufzte erleichtert auf und ließ das Schwert seinen kalten Fingern entgleiten. Er hätte es keine Minute länger geschafft aufrecht zu stehen, geschweige denn ein weiteres Mal mit dem Schwert aus zu holen. Erschöpft brachen seine Knie ein und er sank zu Boden, mitten in die Mirks hinein. Wenigstens hatte er seinem König gegenüber Wort gehalten. Haolon lächelte.
 

„Sieht so aus, als würde ich ihn wohl doch nicht mehr auf dem Thron sehen. Verzeih mir Kaero, aber ich glaube, du musst jetzt ohne mich auskommen...“
 

***
 

Dunkelheit und Nichts. Licht und Alles. Beides umgab ihn, umkreiste ihn nur um immer wieder stehen zu bleiben und miteinander zu kollidieren. Schwarz und Weiß, Gut und Böse und jedes Mal wenn sie sich berührten, vermischten sie sich miteinander und trieben wieder auseinander. Leben und Tod. Er sah beides jedes Mal aufs Neue geschehen. War die Welt wirklich so unterteilt? In nur zwei Möglichkeiten? Zwei Wege?
 

„Nein, das ist sie nicht.“
 

Erschrocken blickte er um sich. Woher kam diese Stimme?
 

„Folge mir einfach und wir können uns unterhalten. Was hältst du davon?“
 

Ein kleines, schwaches, silbernes Glühen erschien vor seinen Augen und entfernte sich ein Stück von ihm. Zögernd folgte er ihm, obgleich er nicht wusste wie, da er nicht einmal einen Körper besaß in diesem Raum ohne Zeit.

Viele Stunden oder vielleicht waren es auch nur Sekunden, folgte er dem Glühen, bis ihn gleißendes Licht umgab und er die Augen schloss. Vorsichtig öffnete er sie wieder und stand auf einer Lichtung. Die Lichtung umgaben Bäume die scheinbar aus Kristall bestanden und alle paar Sekunden tropfte ein winziger Kristall von einem Zweig und erzeugte einen angenehmen Ton. Hinter den Bäumen konnte er Kristallgebäude erkennen welche leicht die Sonne reflektierten. Er blickte mehr in die Mitte der Lichtung und sah einen kleinen, rund angelegten Bach. Über diesen Bach verlief eine weiße Brücke und diese Brücke führte zu einem weißen Pavillon, in dem auf einer ebenso weißen Bank, eine zarte Gestalt saß, eine Frau. Sie hatte langes Haar, welches durchsichtig schien und im Wind verlief. Ihr Kleid war roséfarben, ihre Haut hell, aber ihre Augenfarbe konnte er nicht ausmachen. Es schien als würde sie sich jedes Mal verändern, wenn er erneut hinsah. Sanft lächelte sie und winkte ihn zu sich heran. Zögernd und langsam schritt er auf sie zu. Wo war er hier?
 

„Du bist in Kondatima, der Stadt aus Kristall.“
 

„Du kannst meine Gedanken lesen?!“
 

Erschrocken über seine eigene Stimme schlug er eine Hand vor seinen Mund.
 

„Entschuldige, habe ich dich erschreckt? Das wollte ich nicht. Ich vergaß, dass Menschen nicht mehr an uns und unsere Fähigkeiten gewöhnt sind. Verzeih.“
 

„Nicht mehr gewöhnt? Was soll das heißen?“
 

„Das sie einmal daran gewöhnt waren. Wir haben einst mit den Menschen zusammengelebt und sie vieles gelehrt. Ebenso haben sie uns Dinge gelehrt, wie zum Beispiel Gefühle. Eine Sache, die wir vorher nicht verstanden und nicht zuordnen konnten.“
 

„Seid ihr etwa... eine Teeren?“
 

„In der Tat. Ich bin eine Kris´Teeren. Mein Name ist Linusia und ich habe euch aus einem bestimmten Grund hierher gebracht, Prinz von Teeren.“
 

Er blinzelte. Prinz von Teeren? Entgeistert blickte er sie an.
 

„Ja, ihr seid ein Prinz. Fürchtet euch nicht. Ihr werdet euch bald wieder an alles erinnern. Der Verlust eures Gedächtnis liegt an der Dimension in der ihr euch befandet. Kommt her, setzt euch und ruht euch aus.“
 

Er tat wie ihm geheißen und blickte Linusia interessiert an.
 

„Warum habt ihr mich her geholt? Zu welchem Zweck?“
 

„Um euch zu helfen und zu warnen. Ebenso um euch einiges zu erklären, was für euch vielleicht schleierhaft erschien.“
 

„ … Dann beginnt, bitte.“
 

„Ihr erinnert euch.“
 

Kaero nickte.
 

„Es ist wahrlich ein merkwürdiges Gefühl, nicht zu wissen wer man ist, selbst wenn es einem erzählt wird. Alles kam gerade in einem Schwall wieder zurück. Ein recht bedrückendes und unangenehmes Gefühl.“
 

„Das ist wahr. Dann werde ich nun beginnen...



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Azahra
2012-01-08T13:13:18+00:00 08.01.2012 14:13
Der Name der einen Frau ist ganz ulkig hihi
Ohje der arme Haolon! Ich hoffe er wird nicht so Enden :(
Und die arme Narmira ... was machst sie nur wenn er nicht mehr da ist? Alleine glaube ich kommt sie nicht so klar ....

Mal sehen wie es weitergeht.
Bin schon gespannt was mit Kearo noch passiert ...

cucu
Azahra



Zurück