verstohlene Blicke
Als der Malfoy seinen Gemeinschaftsraum betrat, befanden sich schon die meisten beim Frühstück und andere vermutlich sogar noch in den Betten. Angestrengt seufzte der Slytherin, als er sich den Plan für das Quidditchfeld ansah, auf dem Gryffindor definitiv zu oft trainieren durfte. Das würde er nachher noch mit der Weasley klären müssen.
»Weißt du was? Wenn du sie haben willst, nimm sie dir. Nur zu, ich werde dich nicht aufhalten«, hörte er seinen besten Freund sagen und ließ seine Hand mit dem Pergament sinken. Langsam schritt der Malfoy die Treppe hinab und warf einen skeptischen Blick auf Albus und Lorcan, die sich gegenüber saßen und scheinbar in eine heftige Diskussion verwickelt waren. »Du verdienst sie wirklich nicht. Allein wie du von ihr sprichst, so, als wäre sie eine Flasche Feuerwhiskey, den man mal eben so weiter reicht«, sagte der Scamander und nun war es an Scorpius eine Augenbraue zu heben. Als er sich neben dem Potter aufs Sofa nieder ließ musterte er die beiden eingehen und versuchte dann einen etwas interessierten Tonfall aufzusetzen. »Habe ich was verpasst?«
Albus lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ja, Lorcan will Dominique vögeln«, sagte er andächtig und schien auf eine Reaktion seines besten Freundes zu warten. Doch jene blieb aus, denn der Blonde strich sich nur gelangweilt durchs Haar. »Bin ich der einzige hier, der das schon vorher wusste?«, fragte er weiter und der Slytherin neben ihm hob beide Augenbrauen und frage: »Woher wusstest du das?«
Das war eine amüsante Frage, wie der Malfoy fand. Jeder, der auch nur ein bisschen Verstand besaß - und den hatte sein bester Freund durchaus - würde das wohl bemerken. »Ich habe Augen im Kopf und schaue in Dominiques Gegenwart nicht nur auf ihre Oberweite«, murmelte Scorpius und warf Albus einen allessagenden Blick zu. »Dafür bist du in letzter Zeit in Rose Anwesenheit meist in Gedanken ganz wo anders, bei gewissen Nächten, in den sie sich gnädig erwiesen hat und sich endlich einmal von dir hat durchnehmen lassen«, meinte der Potter und Scorpius warf ihm einen skeptischen Blick zu. Es war riskant sich mit ihm anzulegen, da er so gut wie jede Lage sofort durchschaute und auch alles über ihn wusste. Immerhin waren sie seit dem ersten Jahr die besten Freunde.
»Sag mal, Lorcan, kam das gerade von dem Idiot, dessen neues Opfer nur mit ihm redet, weil sie an seinen Bruder rankommen will?« Der Blonde grinste in Lorcans Richtung, während der Schwarzhaarige neben ihm einen entsetzend Gesichtsausdruck aufsetzte. »Alice steht doch nicht auf James!«, behauptete er dann laut und sah sich nachträglich im Gemeinschaftsraum um. Zum Glück, war keiner außer ihnen zu sehen.
»Ich habe Longbottom mit keinem Wort erwähnt«, meinte der Malfoy und grinste noch immer überlegen, während sein bester Freund ihm einen bösen Blick zuwarf. »Das ist mein Trick!«, sagte er, erhielt aber nur ein Schulterzucken des Angesprochenen.
Nun war es an dem Scamander sich auch wieder an diesem Gespräch zu beteiligen, dass eine äußerst interessante Wendung zu nehmen schien. »Gib‘s auf Potter, wir haben gesehen, wie du sie ansiehst«, sagte der Braunhaarige und zog die Mundwinkeln zu einem Grinsen nach oben. Der Potter dagegen fand das ganze rein gar nicht witzig, denn eigentlich ging es in diesem Gespräch darum, dass Lorcan ganz offensichtlich auf seine beste Freundin stand und nicht, dass er Gefühle für Alice hatte. Nicht, dass er die hatte, oder so, nein. Das war alles ganz anders. Wenn er sie ansah, dann nur, weil sie irgendetwas tat, was seine Aufmerksamkeit erregte - alles -, oder weil er an den Kuss dachte - immer - und nicht, weil er sie gerne anstarrte. Obwohl sie nun wirklich nicht gerade hässlich war und - ach.
»Ich starre Longbottom nicht an«, sagte er und seine Stimme war so voller Selbstsicherheit, dass er sich beinahe selbst geglaubt hätte. »Klar und Scorpius will Rose nicht noch mal flachlegen«, sagte Lorcan ironisch und der Erwähnte verdrehte genervt seine Augen. »Habt ihr früh morgens wirklich kein anderes Thema, als irgendwelche Weiber?«, fragte er und zum ersten Mal schien es, als würde er sich viel erwachsener als Lorcan verhalten. Die Ironie an der Sache war nur, dass sich dieses eigentlich so simple Thema für alle drei über den ganzen Tag ziehen würde.
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Das Training war beinahe vorbei, was Hugo äußerst zufrieden stimmte. Nicht, dass er etwas vor hatte, jetzt, wo es mit Lily mehr als nur schlecht lief, es war nur viel zu warm um in den langen Umhängen in der Luft rumzufliegen. Das war viel leichter gewesen, als James noch Kapitän war und er ihn bitten konnte, mal eine Pause zu machen. Bei Bell war solch eine Frage vollkommen irrelevant, weil sie niemals darauf eingehen würde. Stattdessen würde das für ihn - und zwar nur für ihn - extra Training bis zum Abwinken bedeuten, denn wenn er so schnell schlapp machte, hieße das ja, dass er keine Kondition hatte.
Eigentlich war es bedauernswert, dass gerade er, der einzige, der nicht hin und weg beim Anblick seines Kapitäns war, so viel Zusatztraining hatte, dass er langsam schon jede Flugtechnik im Schlaf nachstellen konnte. Wogegen Smith schon den ganzen Tag damit prahlen musste, Bell heute endlich so weit zu bringen, dass er ebenfalls mehr Zeit mit ihr verbringen konnte. Er wollte sie provozieren, damit sie ihm Zusatztraining zuteilte, weil er meinte, das wäre die beste Gelegenheit sie für sich zu gewinnen. Absoluter Schwachsinn, denn wenn es nach der Trainingsstundenanzahl ging, müsste Hugo schon mit seinem Kapitän verheiratet sein.
»Ich will dich ja nicht kritisieren, Bell, aber wieso trainierst du eigentlich nie mit uns?«, fragte der blonde Gryffindor und der Weasley musste sich ein Grinsen verkneifen. Das war der dritte Versuch den Smith startete, um sie zu provozieren und auch ohne irgendeine Reaktion abzuwarten, wusste Hugo ganz genau, dass es wieder einmal nicht funktionieren würde. Das Team sah Bell als ihren hübschen Kapitän, aber keiner von ihnen sah die starke Persönlichkeit und ihr Talent Leute zu durschauen. Allein deswegen wusste er auch ohne hinzusehen, dass sie den Kopf leicht schief legte und eine Augenbraue hob. Er wusste auch, dass Boyle neben ihr immer kleiner wurde, aus Angst, er könnte etwas von ihrer Reaktion abbekommen.
Eigentlich wusste er nicht, wieso Nick Boyle in Gryffindor und nicht in Hufflepuff gelandet war, denn er hatte weder so etwas wie Courage, noch irgendeine Art von Selbstvertrauen. Er stand schon seit dem ersten Jahr auf Bell und hatte niemals auch nur einen Versuch gestartet ein ernsthaftes Gespräch mit ihr zu führen. Aber Hauptsache Hugo konnte sich dann im Schlafraum wieder anhören, wie fantastisch und graziös sie doch war. Schwachkopf.
»Nun, ich wollte tatsächlich schon einige Male mit trainieren, aber dann fiel mir wieder ein, dass ich dann alle Punkte machen würde und du wieder einmal nur nutzlos in der Gegend rumhängen würdest. Also verzeih bitte, wenn ich zuerst will, dass du wenigstens irgendeine Art des Werfens beherrscht, denn um ehrlich zu sein Smith - du wirst wie ein Mädchen«, sagte der Kapitän und nun war Hugo außer Stande sich ein Grinsen zu verkneifen. Auch der Hüter des Teams Leslie Grey lachte leise, während John Smiths Mund sich öffnete und gleich wieder schloss, als die Bell ihre Hand hob. »Ich gebe dir den Tipp, erst einmal Fangen und Werfen zu lernen, wenn du wirklich willst, dass ich auch mal mit trainiere. Deine Flugkunststückchen alleine beeindrucken mich nämlich absolut gar nicht«, beendete sie ihre Rede und wandte sich dann Hugo zu.
»Und du vergiss das Zusatztraining nicht. Es mag gut möglich sein, dass du gut freihändig fliegen kannst, aber deswegen kannst du Boyle«, als sie eine Handbewegung in Richtung des anderen Treibers machte, zuckte dieser leicht zusammen, »noch lange nicht einfach so vom Besen werfen.« Der Weasley verdrehte die Augen und nickte leicht. Bell zu provozieren war eine feine Sache, aber die paar Wochen extra Training hätte er nicht gerade gebraucht.
Die Blonde wandte sich kurz ihren Pergamenten zu, ehe sie erneut ihren Kopf hob und ihr Team musterte. »Was steht ihr hier noch so rum?«, fragte sie und ehe Hugo sich versah, war die Hälfte des Teams im Begriff zu gehen, während die anderen ihm einen müden und mitleidigen Blick zuwarf. »Wir sehen uns dann im Gemeinschaftsraum. Wenn sie dir was antun will, verhex sie einfach, sie werde dann vor Gericht für dich lügen«, murmelte Leslie und Hugo grinste seinen Freund an. »Ich werd versuchen, sie bis zum Ende der Saison am Leben zu lassen«, zwinkerte der Weasley und der andere Gryffindor lachte nur, ehe er ebenfalls Richtung Kabine verschwand.
»Mir liegt sehr viel an diesem Team, aber manchmal könnte ich jeden einzelnen von ihnen erschlagen«, hörte er die Blonde dann sagen und nickte nur leicht. Ihm war bis vor kurzem nicht bewusst gewesen, wie anstrengend es sein musste, der weibliche Kapitän von solch einer Horde Idioten zu sein. James hatte es noch leicht gehabt, denn ihn hatte man nicht stundenlang verstohlene Blicke zugeworfen und damit konnte sich das gesamte Team auch auf ihr Spiel konzentrieren. Selbst als Bell dann zeitgleich mit ihm ins Team kam, konnte man sagen, dass der Potter die Mannschaft immer dazu gebracht hatte, sich nicht nur auf sie zu konzentrieren.
»Du hast eben zwei Handicaps, Bell«, murmelte der Weasley, als sich seinen Flugumhang abklopfte. Die Blonde hob eine Augenbraue und sah ihren Gegenüber an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank. Als jener seinen Kopf zu ihr wandte, verstand er, dass sie keine Ahnung hatte, wovon er sprach. Er lächelte sie entschuldigend an, was sie dazu brachte, den Kopf schief zu legen. »Zum einen bist du ein Mädchen. Das einzige Mädchen und noch dazu der Kapitän, was das alles ziemlich kompliziert macht. Und zum anderen bist du auch alles andere als ein schlechter Anblick. Wenn Smith sich also aufspielt, oder Boyle drei Mal ums Feld rennt, um endlich den Schnatz zu fangen, dann tun sie das nur, weil sie dich beeindrucken wollen, was meiner Meinung nach traurig ist. Man kann also sagen, dass wir die Dummheit des Teams deinem guten Aussehen zuschreiben können«, erklärte der Braunhaarige und zwinkerte Theresa zu, welche ihn nun mehr als skeptisch musterte.
»Denkst du Komplimente bringen mich dazu, dein Zusatztraining wieder zu verkürzen?«, fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Er lachte leise. »Nein, das habe ich heute gar nicht vor«, gab er von sich und blickte dann aufs Feld hinaus. »Probleme mit der Potter?«, fragte Bell, als könnte sie seine Gedanken lesen. Er nickte nur leicht. »Und deswegen ist es gut, dass ich jetzt genug Zeit damit verbringen kann, Extratraining zu schieben und beim Fliegen keinen Gedanken an sie verschwende«, murmelte er, warf der Bell kurz einen Blick zu und stieg dann auf seinen Besen. Die junge Frau legte den Kopf in den Nacken und hob die Hand vor ihre Augen, um ihn im Sonnenlicht besser zu sehen.
»Was ist jetzt? Her mit dem Klatscher, ich muss doch trainieren abzuwehren, ohne jemand anderen zu erschlagen«, sagte er etwas lauter und sah dann, wie sein Kapitän leicht lächelte. Als sie sich von der Tribüne erhob und sich den Bällen zuwandte, biss sich der Weasley auf die Unterlippe. Er hatte gerade tatsächlich Theresa Bell nachgesehen...
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Es war normal, dass Albus Potter mit Alice Longbottom stritt. Alltäglich, dass sie ihm vorwarf kindisch zu sein und gewöhnlich, dass er dafür meinte, sie wäre viel zu kleinlich. Doch das Schauspiel, welches sich Dominique gerade bot, war nichts Bekanntes. Es löste ein unangenehmes Ziehen in ihrer Brust aus, als sie sah, wie der Schwarzhaarige der kleinen Gryffindor nachlief, nur damit er weiterhin mit ihr reden konnte. Nein, sie sprachen nicht miteinander, sie stritten und gestikulierten dabei wild, aber trotzdem war etwas anders als sonst. Vielleicht war es diese gewisse Vertrautheit, die man ihnen direkt ansah. Albus sprach ruhig, das erkannte die blonde Veela, auch wenn sie von ihrem Platz am See nicht ausmachen konnte, worum es ging, während Alice einen genervten Gesichtsausdruck aufgelegt hatte. Dennoch wirkte es nicht, wie eine unangenehme, oder angespannte Situation. Rose, die neben den beiden ging, blickte plötzlich zwischen den beiden hin und her und schüttelte dann lachend den Kopf, woraufhin Alice stehen blieb, sie ansah und Albus ebenfalls zu grinsen begann. Es wirkte so vertraut, als würde es jeden Tag passieren.
Nun sah die Longbottom zu dem Slytherin und sagte etwas, was ihn dazu brachte, unglaublich gelassen und wahrhaft erheitert aufzulachen. Dominique war sich sicher, dass sie den Potter noch niemals so ausgeglichen gesehen hatte. Zumindest nicht, wenn sie dabei war, denn mit Scorpius und Lorcan hatte er dieselbe Vertrautheit.
Wieso also, konnte er das nicht auch mit ihr haben? Wahrscheinlich war es genau das, was ihm in ihrer Gegenwart fehlte - diese Zufriedenheit und das gemeinsame Lachen.
Dominique warf erneut einen Blick zu den dreien und dann erst bemerkte sie, was wirklich los war. Es war, als stand es dem Schwarzhaarigen ins Gesicht geschrieben, als er die Longbottom überlegend ansah. Da war etwas in seinen Augen, das so viele Gefühle auf einmal deutlich machte, dass Dominique beinahe bitter aufgelacht hätte. Es war beinahe so, als würde Albus auf die kleine Streberin stehen. Aber das konnte nicht sein. Nein, das durfte nicht sein. Was sollte er von einer wie Longbottom, solch einem grauen Mäuschen, wollen, wenn er ebenso gut jemanden wie sie haben konnte?
Als die Blonde wieder aufsah, um sich zu vergewissern, bemerkte sie, dass Albus freundschaftlich einen Arm um seine Cousine gelegt hatte, während er immer noch mit der Longbottom diskutierte, die ihn mit skeptischem Blick musterte. Obwohl sie aussah, als würde sie ihn für gestört halten, bemerkte Dominique dennoch, dass die Abscheu in ihrem Blick fehlte. Noch vor zwei Wochen, hätte er nicht so einfach neben der stolzen Gryffindor und ihrer besten Freundin marschieren können, weil Alice ihn wahrscheinlich dermaßen angegiftet hätte, dass er sofort das Weite gesucht hätte. Außerdem hätte er das vermutlich auch nicht gewollt, also was hatte sich großartiges verändert?
Das war eine Frage, die sich Dominique schon vor eineinhalb Wochen gestellt hatte, als Albus zum ersten Mal einfach so auf Alice zuging und mit ihr sprach. Schon damals hätte sie schwören können, dass er einen anderen Tonfall aufgelegt hatte und das Streitgespräch eher auf vertrauter Ebene stattgefunden hatte, doch jetzt hatte sie den endgültigen Beweis dafür - was auch immer man Albus eingeflößt hatte, ließ ihn Alice Longbottom mit verstohlenen Blicken mustern, die er eigentlich nur ihr zuwerfen sollte...
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Lily trat leise in den Vertrauensschülerraum und lächelte, als Louis sie ansah. Es bestand noch immer eine seltsame Spannung zwischen ihnen, die heute früh schon im Unterricht leicht zu bemerken war. Jetzt, wo sie ihrem besten Freund gegenüber stand, konnte sie es nicht mehr abstreiten. Da war etwas.
Vielleicht war es die bedrückende Stille, obwohl sie ihm liebend gerne von ihrem Streit mit Hugo erzählen würde. Vielleicht war es aber auch der Streit im Allgemeinen und ihre seltsamen Gefühle. Sie vermisste ihren eigenen Freund nicht, noch hatte sie das Bedürfnis den kurzen Streit zu klären. Es entsprach der Wahrheit, was der Weasley gesagt hatte, das wurde ihr immer mehr klar. Hätte Louis gefragt, ob sie mit ihm zusammen sein wollte, wäre sie augenblicklich darauf eingegangen, obwohl sie eigentlich keine Ahnung hatte, was sie für ihn empfand. Sicher war, dass es größer sein musste, als das Glücksgefühle, das Hugo in ihr auslöste, weil sie wusste, dass er sie liebte und brauchte.
Das Lächeln starb und der Blonde legte leicht den Kopf schief. Sein Gesichtsausdruck war gequält, weil er auch ohne Worte wusste, was los war. Das war schon immer so zwischen ihnen gewesen - Louis hatte sie nie irgendetwas erzählen müssen, denn er hatte immer gewusst, wenn es ihr schlecht ging. Ganz im Gegensatz zu Hugo, der immer stundenlange Erläuterungen über ihren Tag wissen wollte. Natürlich war es umgekehrt genauso, denn während sie sofort wusste, dass mit ihrem besten Freund etwas nicht stimmte, musste sie bei dem anderen Weasley ebenfalls erst nachfragen.
»Was ist denn?«, fragte der Blonde und erhob sich von seinem Schreibtisch. Als er vor ihr stand strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht und lächelte aufmunternd. Egal, was es war, egal, was sie getan hatte - Louis konnte sie es erzählen. Sie konnte mit ihm über alles reden und sie konnte jedes noch so kleine dumme Gefühle mit ihm ausdiskutieren, bis sie wusste, was es war. Aber, wie sollte sie ihm mitteilen, dass sie vielleicht gleich auf ihr Herz hätte hören sollen? Dass sie die Freundschaft zwischen ihm und Hugo in solch eine Lage brachte, nur, weil sie selbst den Fehler gemacht hatte und nicht reagiert hatte, als die Stimme immer wieder sagte, sie würde in Louis verliebt sein. Wie sollte sie ihm das mitteilen?
»Ich weiß es nicht«, sagte sie ehrlich und biss sich auf die Unterlippe. »Aber ich glaube, das mit Hugo und mir funktioniert nicht«, murmelte sie verdrossen und ihr bester Freund warf ihr einen mitleidigen Blick zu, ehe er sie in seine Arme zog. In jene, von denen sie wusste, dass sie sie ewig schützen würden. Zumindest bis er erfahren würde, wieso das niemals gut laufen würde.
»Ich habe das Ganze zu schnell entschieden«, sagte sie weiter und löste sich von ihm. »Es tut mir leid, dass ich zu sehr auf dich eingeredet habe«, erwiderte der Blonde und sie strich sich fahrig durchs Haar. »Es ist nicht deine Schuld, ich hätte es wissen müssen. Merlin, wie konnte ich nur so unüberlegt handeln«, murmelte sie und plötzlich brach alles über sie herein. Hugos Geständnis, seine Gefühle, der Schmerz in seinen Augen, als er erkannte, was sie empfand und ihre eigenen Gefühle, die sie nicht deuten konnte.
Sie atmete tief durch und massierte dann mit ihren Zeigefingern ihre Schläfen. Merlin, sie war erst fünfzehn, da empfand man so etwas noch nicht und man musste auch garantiert nicht solche Entscheidungen treffen. Seit wann war ihr Leben so kompliziert und seit wann waren ihre besten Freunde nicht mehr einfach nur beste Freunde?
»Lily«, wisperte Louis und verzog den Mund zu einer schmalen Linie. So aufgewühlt hatte er sie noch nie gesehen. Es tat ihm ungewohnt viel weh, ihr nicht helfen zu können und vor allem nicht genau sagen zu können, was mit ihr los war. Was auch immer zwischen Hugo und ihr vorgefallen war, es musste grauenhaft gewesen sein.
Die Braunhaarige hob ihren Kopf leicht an und sah dann in die blauen Augen ihres Gegenübers. Er teilte ihren Schmerz, ohne zu wissen, was sie mitnahm. Allein das sollte ihr bei ihrer Entscheidung helfen. So egoistisch es auch war zu behaupten, dass sie zu Hugo niemals so eine Bindung hätte aufbauen können, so entsprach es doch der vollkommen Wahrheit. Sie hätte ihn niemals so nah an sich rangelassen und ganz bestimmt hätte sie sich ihm gegenüber auch niemals so verletzlich gezeigt. Ehemaliger bester - nun fester - Freund hin, oder her.
»Ich würde gerne etwas ausprobieren«, sagte die Potter, als sie sich wieder gefangen hatte und der Junge ihr gegenüber legte den Kopf leicht schief. Langsam überbrückte sie den Abstand zwischen ihnen und es war ihr, als würde ihr bester Freund den Atem anhalten. Doch er bewegte sich keinen Millimeter, während sie nur knapp einen halben Schritt von ihm entfernt stehen blieb. Vorsichtig stellte sie sich auf die Zehnspitzen und, als wäre es das Normalste der Welt, legte sie seine Lippen hauchzart auf seine. Es fühlte sich so ganz anders an, als bei Hugo. So vertraut, gewöhnlich, angenehm, schön, magisch und alle Glücksgefühle, die man empfinden konnte, auf einmal. Lily war sich sicher, dass es das war. Das waren die Gefühle, die ein Kuss auslösen sollte und nicht irgendeine Leere im Inneren.
Als sie sich von ihm löste, hatte sich Louis immer noch nicht gerührt. Er betrachtete sie mit einem trüben Blick, den sie nur allzu gut deuten konnte, denn egal, wie oft es schon vorgekommen war - jetzt in diesem Moment war das, was sie getan hatte, falsch gewesen. Ihre Lippen brannten immer noch, als sie Abstand von ihrem besten Freund gewann und augenblicklich wieder Atmen konnte. Es war befreiend zu wissen, was man wollte, selbst, wenn sie damit alles riskiert hatte.
»Lily«, gab der Blonde von sich. Seine Stimme war ausdruckslos und monoton, fast schneidend, doch die Angesprochene reagierte kaum. In ihrem Inneren tobte es. »Ich glaube, ich liebe dich«, sagte sie einfach so schnell heraus und biss sich im nächsten Moment auf die Lippe. Die Augen ihres besten Freundes weiteten sich, während er den Mund leicht öffnete, um etwas zu sagen, ihn dann jedoch wieder schloss, da kein Ton über seine Lippen kommen wollte. Lily überkam ein ungewohntes Gefühl der Kälte, obwohl es ziemlich warm im Raum war. Als Louis erneut ansetzte, etwas zu sagen, wusste sie, dass sie die Antwort eigentlich gar nicht hören wollte, weil sie sie kannte. Sie wusste immerhin immer genau, was er tun, oder sagen wollte.
»Das ist bedauernswert«, meinte der Blonde. Sein Blick war immer noch genauso ausdruckslos, wie sein Tonfall. »Ja, finde ich auch«, antwortete sie schnell und dann verließ sie den Raum einfach so.
Draußen angekommen atmete sie heftiger, als zuvor und stützte sich dann haltsuchend an der gegenüberliegenden Mauer ab. Ihr war in diesem Moment vollkommen egal, dass gleich andere Vertrauensschüler vorbei kommen konnten und auch, dass einige Portraits sie skeptisch ansahen und schon zu tuscheln begannen. Das einiges was zählte war, dass nun dank ihr sämtliche Freundschaften zerstört wurden. Die zwischen ihr und Louis, sowie die zwischen ihr und Hugo, vielleicht sogar die, zwischen Hugo und Louis. Plötzlich fiel alles wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
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Scorpius durchschritt die Bibliothek schnell und ignorierte Irma Pince, die ihm mitteilte, dass man sich an diesem Ort ruhig verhalten sollte und dass Rennen im Schulhaus absolut verboten war. In Gedanken antwortete er, dass er zum Glück Schulsprecher war und sich so gut wie alles erlauben konnte. »Toller Quidditchplan, Weasley«, sprach er andächtig und hätte fast gesagt, dass sie offenbar keine Ahnung von diesem Spiel hatte, aber das wäre glatt gelogen gewesen. Sie war eines der wenigen Mädchen in seinem Jahrgang, das seine Leidenschaft für diesen Sport teilte.
»Danke«, antwortete sie knapp und wandte sich wieder gänzlich dem Regal vor sich zu. »Das war Ironie«, meinte der Malfoy und hob eine Augenbraue, weil sie ihm scheinbar einfach so keine Beachtung schenkte. »Ich weiß. Es interessiert mich aber nicht«, meinte Rose. Ihr Tonfall war äußerst freundlich. »Weasley, wieso bekommt Gryffindor immer zu den perfekten Zeiten das Feld?«, fragte der Blonde und die Angesprochene drehte sich nun endlich zu ihm. Der Grund war eigentlich simpler, als er annahm, denn eigentlich wollte sie ihren Bruder lediglich davor bewahren den ganzen Tag Zusatztraining schieben zu müssen. Sie wusste, dass Bell die Regel hatte, dass nach sechs Uhr abends nicht mehr trainiert wurde, also würde sie ihrem Bruder maximal zwei Stunden Extratraining verpassen können.
»Slytherin hat doch auch gute Zeiten«, merkte die Rothaarige an und zog ein Buch aus dem Regal und ließ es auf dem Tisch fallen. »Um fünf Uhr morgens«, murmelte der junge Mann und fuhr sich beiläufig durch die Haare. »Ja, wenn sie mit dem Training fertig sind, haben sie noch den ganzen Tag für anderes Zeug Zeit.« Rose ging zum Tisch und hob einen Stapel von anderen Büchern auf, die sie sogleich in die Regale schob. Kurz wandte sie sich ihm zu und lächelte süffisant. »Kannst du aufhören so herumzulaufen?«, fragte der Slytherin und ließ sich auf einem der Stühle nieder.
»Weißt du Malfoy, wir hätten kein Problem mit dem Quidditchplan, wenn du anwesend gewesen wärst, als ich ihn geschrieben habe«, meinte die Weasley und blätterte in dem Buch, nachdem sie zuvor so lange gesucht hatte. »Ich war gestern den ganzen Tag im Schulsprecherraum. Wann hast du den geschrieben, um fünf Uhr morgens?«, gab er miesgelaunt zur Antwort, was sie leise lachen ließ. Dennoch mied sie seinen Blick. »Sei nicht albern. Um sieben, nach dem Frühstück«, antwortete sie erheitert und Scorpius griff sich an die Stirn. Diese Frau würde ihn irgendwann noch in den Wahnsinn treiben!
»Ist das die Rache dafür, dass ich eine Freundin habe?«, fragte er weiter. Dieser Gedanken schien ihn irgendwie zu erfreuen, ganz im Gegensatz zu Rose, die ihn nun skeptisch ansah. Dennoch war ihre Stimme vollkommen ruhig. »Ob du es glaubst, oder nicht, es dreht sich nicht alles nur um dich«, sagte sie und wandte sich sofort wieder ihren Büchern zu. Belustigt hob der Slytherin eine Augenbraue und lehnte sich zurück. »Du bist eifersüchtig«, stellte er dann fest, doch auch diese Provokation prallte scheinbar mühelos an ihr ab. Diesmal sah sie nicht einmal auf. »Glaub das, wenn es dir dann besser geht«, murmelte sie nur und der Blonde seufzte leicht.
»Was wäre sonst der Grund dafür, dass du das Team so schikanierst!«, versuchte er es weiter. Was bei Merlins Bart war mit ihr passiert, dass sie nicht einmal mehr auf die dümmsten Provokationen einging? »Würde ich nicht eher dich oder deine Freundin schikanieren, wenn ich eifersüchtig wäre? Aber keiner von euch ist im Team, also kann es ja vielleicht sein, dass ich den Plan einfach so gemacht habe, weil mir danach war«, sagte sie und stützte ihre Hände auf dem Tisch ab. Ihre Augen blitzen leicht auf, doch er wusste, dass er verloren hatte und sie sich heute nicht mehr provozieren lassen würde. Langsam legte er den Quidditchplan auf den Tisch und deutete dann auf die Tabelle der Slytherins. »Die Zeiten sind inakzeptabel«, betonte der Malfoy erneut.
»Aber alle Kapitäne, die Schulleitung und Madame Hooch haben unterschrieben. Du bist der einzige, der die Zeiten bescheuert findet«, erklärte die Rothaarige und der junge Mann ihr gegenüber verdrehte die Augen. »Es macht dir Spaß mich zu ärgern, oder?«, fragte er und nun war es an der Weasley leise zu lachen. »Denk nicht so schlecht von mir. Obwohl es natürlich nicht ganz langweilig ist, dich schön zu provozieren.« Sie wäre wahrhaft eine gute Slytherin geworden, besonders, wenn man davon ausging, dass sie der Umgang mit den richtigen Leuten auch noch die fehlenden Eigenschaften geleert hätte. Die Überlegung hatte nur einen Haken - sie verhielt sich ausschließlich in seiner Gegenwart so.
»Wenn du Katz und Maus spielen willst - gerne«, merkte der Blonde an und rutschte gerade, sodass er ihrem Gesicht näher war, näher an sie heran, was sie natürlich sofort registrierte. Mit einem Ruck hatte sie sich wieder aufgerichtet und schwang ihren Zauberstab, sodass alle Bücher wieder an ihrem Platz waren. »Zerbrich dir ruhig deinen hübschen Kopf darüber, wie du mich nerven kannst. Ich gehe in der Zwischenzeit und mache irgendetwas, was mich auch interessiert«, meinte Rose, als sie ihren Zauberstab wieder einpackte und ihm ein übertrieben freundliches Lächeln schenkte. Scorpius räusperte sich. »Wood wird sich bestimmt freuen, dich zu sehen. Er hat etwas von einem Hund, der dir nachläuft und immer brav mit dem Schwanz wedelt«, antwortete er und sah dann, wie die Gryffindor sich auf die Unterlippe biss. Für kurze Zeit kam es ihm vor, als würde er so etwas wie Schmerz in ihren Augen sehen können, doch das verging, als sie wieder ihr Grinsen aufsetzte. »Jetzt bist aber du der Eifersüchtige«, meinte sie und nahm ihre Tasche. Er erhob sich geschmeidig und bewegte sich sogleich auf sie zu. Ihre klaren blauen Augen ließen ihn keine Sekunde unbeobachtet, bis er vor ihr stand und sie wieder in eine andere Richtung sah. Nun war es offiziell - sie mied seinen Blick, genauso wie sie begonnen hatte, eine Fassade um sich herum zu bauen.
»Ich schätze, man kann es dir nicht verübeln«, sagte er leise und die Weasley musterte ihn kurz. »Geh zu deiner Freundin, Malfoy«, sagte sie plötzlich in einem veränderten Tonfall und bewegte sich dann auf eine andere Abteilung zu.
Der Malfoy reckte das Kinn nach vorne und beobachtete, wie die Weasley davon stolzierte. Es störte ihn nicht, dass sie ihn wieder einmal einfach so stehen gelassen hatte, nein, dafür fand er seine neuen Erkenntnisse zu interessant. Irgendetwas stimmte mit ihr nicht und er würde rausfinden, was es war, denn dieses Spiel war noch lange nicht beendet.
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Es war später Nachmittag, als Lily ihren Freund auf dem Astronomieturm fand. Er starrte wie gebannt auf die Ländereien, sein Gesicht war ausgeglichen, fast zufrieden, obwohl er wusste, was los war. Zum ersten Mal konnte sie sagen, dass sie auch mit Hugo die Verbundenheit empfand, die sie mit Louis teilte. Bedauernswert, dass es gerade in solch einem Moment dazu kam.
Sie stellte sich neben ihn und ließ die Arme auf dem Geländer baumeln, genau wie immer. Er kannte sie, in und auswendig, wusste wie sie reagierte, wie sie fühlte und was sie sagen wollte. Aber all das sprach er nicht aus. Er behielt es für sich, weil das hier nicht der richtige Zeitpunkt dafür war. Vermutlich würde er auch nie kommen.
Einen ganzen Tag hatte Hugo zeitgehabt, um sich auf alles einen Reim zu machen und nun wusste er, dass sie nicht dasselbe anstrebte, wie er - zumindest nicht mit ihm. Und, obwohl er mittlerweile nicht mehr sicher war, ob er sie wirklich so sehr liebte, wie er gedacht hatte - denn dann würde er doch alles tun, um sie zu halten, oder? - so wollte er sie dennoch nicht zu einer Beziehung zwingen, nur weil er vielleicht irgendetwas wie Liebe für sie empfand.
Wie töricht er doch gewesen war, zu glauben, dass es funktionieren konnte, wo er doch immer gesehen hatte, wie sie Louis ansah. Wenn man genau hinsah, hatte man sogar sehen können, dass sein bester Freund das Mädchen mit demselben Blick ansah und das allein hätte ihn dazu bringen müssen, sie aufzugeben. Weil er ihr bester Freund war und eigentlich zwischen ihnen hätte vermitteln sollen. Aber vermutlich war erst ein Schmerz wie dieser nötig, um ihm das klarzumachen.
»Es ist vorbei, oder?«, fragte die Potter in einem Flüstern. Sie sah ihn nicht an und er tat es ihr gleich. Es würde ihnen nichts bringen, sich bei solchen Worten auch noch in die Augen zu sehen. »Ja«, murmelte er und stützte sich aufs Gelände, genoss den Wind, der aufkam und durch seine Haare fuhr. Vereinzelte Regentropfen fielen zu Boden, die zu ihrer beider Stimmung passten.