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Übermensch

超人
von

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Engellieder

Titel: 超人 - Übermensch

Disclaimer: Nix meins, alles dem Herrn Kitagawa.

Genre: hurt/comfort, angst

Wörter: 990

Rating: PG

Pairing: SakurAiba
 

Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, -

und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;

er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,

und wir haben langsam einander erkannt...
 

("Engellieder", Rainer M. Rilke)
 

Früher hat Sho immer mal wieder kleine Nachrichten per Mail geschrieben. In Zeiten, in denen in der Mittagspause Zeit zum Atmen und zum Essen war, nicht nur zum Inhalieren eines Kombini-Bentô.
 

Stress, hat er gelernt, kann gut oder schlecht sein. Das hängt von der Tagesform ab, von Qualität und Quantität. Sho weiß zum Beispiel, dass ein Terminkalender wie der seine Ohnos sicheren Tod bedeuten würde.
 

„Wie war das mit dem Auf-Menschen?“, fragt Aiba mit leiser Stimme und ganz kleinen Äuglein, als Sho ihn heimfährt. Es ist Anfang Mai 2010, die Bäume blühen noch- verrückt genug, um armen Allergikern wie Aiba das Atmen zu erschweren. Sho hat sich sein Stück angeschaut.

Hat ihn und seine tausend Träume gesehen.

Und seine Rotznase.
 

„Auf-Mensch?“, murmelt Sho verwirrt und überfährt auf der Straße beinahe irgendetwas kleines Schwarzes, wahrscheinlich eine Straßenkatze.

„Ja, von diesem europäischen Klugscheißer...wie hieß er noch gleich?“

Aiba hält sich den Kopf und beugt sich etwas vor, als würde der Gedanke dann nach vorne fallen, direkt auf seine Zunge. Sho lehnt sich ebenfalls etwas vor, greift ins Handschuhfach und drückt ihm die Packung mit den Kopfschmerztabletten in die Finger.
 

„Du meinst Nietzsche, oder? Und seinen Übermenschen.“
 

Sie bleiben in einer Nothaltebucht auf der Rainbow-Bridge stehen. Nicht, dass der Ort auf dem Weg liegen würde. Aber die Aussicht ist atemberaubend.
 

Vor ihnen leuchtet Odaiba, die bunten Lichter von Fuji TV. In der Ferne hört man Schiffshörner, in der Luft setzen über dem Flughafen Haneda zwei Maschinen zur Landung an und blinken rötlich in den Nachthimmel hinein. Der Wind zerrt wütend an Aibas Haaren bis der die besonders stylische Mütze tiefer in die Stirn zieht.

Etwas gekrümmt, beinahe wie ein alter Mann, lehnt er am Auto, zwischen Beifahrertür und der Absperrung der Brücke und raucht.
 

„Nietzsche hätte uns sicher klasse gefunden.“, röchelt er in die laue Abendluft hinein. Pollen und Nikotin. Dabei hat Sho ihm die extra leichten Zigaretten gegeben, in der Hoffnung, dass ihm die Sache mit dem Placeboeffekt nicht so schnell einfällt.

„Weil Leute denken, dass wir die idealen Menschen darstellen?“, grinst Sho aus dem Beifahrerfenster mit heruntergekurbelter Scheibe.

„Ich glaube nicht.“

Der Schaltknüppel drückt in seinen Hintern.
 

„Ich verstehe nichts von europäischer Philosophie, aber ich denke, Nietzsche würde uns sicher ganz furchtbar finden. Aber das macht nichts, weil Philosophen nicht unsere Zielgruppe sind.“
 

Aiba lacht laut- und humorlos, schüttelt leicht den Kopf.
 

„Aber ich kann alles sein“, sagt er dann.
 

Mit der Kippe im Mundwinkel, mit dem ernsten Blick und den vom Wind glasig gewordenen, sehnsüchtig in die Ferne starrenden Augen nimmt Sho ihm das sogar ab.

„`Ich kann sie alle hinters Licht führen und niemand wird es je bemerken.´“

Aiba reibt sich die Nase.
 

„Nino hat das mal gesagt. Ist schon eine ganze Weile her.“

„Glaube ich.“

Sho würde auch gerne aussteigen und frische Luft schnappen. Der Wind treibt ihm im Moment nur Zigarettenrauch ins Auto. Aber die Brücke ist hoch und darunter nur Wasser, das man unter den Füßen zwischen den Gitterstäben am Boden sieht.
 

„Er spielt.“

„Nino spielt immer.“, entgegnet Sho.

„Man weiß ja nie, wann er mal wirklich etwas ernst meint.“
 

Früher ist er mit Nino nicht so gut klargekommen, genau aus diesem Grund. Er hat kein Problem mit Menschen, die geradeheraus sagen, zeigen, fühlen. Jun und Aiba hat er immer irgendwie verstanden. Aber Nino, das ist ein Kapitel für sich.
 

Aiba schnippst die Kippe über die Brücke.

„Weißt du“, setzt er an, als er die Autotür wieder öffnet, seinen Bandkollegen zurück auf dessen Platz winkt und sich in den Beifahrersitz fallenlässt,

„Manchmal wünsche ich mir, ich könnte es genauso clever halten wie er.“
 

Er hat den Geruch von draußen mit hereingebracht, das Salz der See, die Feuchtigkeit des Windes und die Dunkelheit der Nacht.

„Wenn Nino niemals wirklich er selbst ist, kann er auch nichts falsch machen. Es ist alles nur ein Spielchen. Für Leader ist es Kunst. Er verletzt die Regeln, aber er versagt niemals wirklich. So als ob er malen würde. Er hat einfach das Gefühl.“

Er zieht sich die Mütze vom Kopf und wuschelt sich durch die Haare.

„Jun-kun lieben sie alle. Ich meine, wer liebt ihn nicht? So wie dich.“
 

Das Autoradio spielt Dead by Sunrise.

“Dich lieben sie alle.”

Sho kann sich nicht erinnern, den Sender eingestellt zu haben. Er schaut durch die Frontscheibe hoch in den Himmel, wo es tintenschwarz und dennoch für Sterne zu hell ist.

„Ich bin kein Spieler oder Künstler.“, murmelt Aiba.

„Ich habe kein Netz und keinen doppelten Boden. Und manchmal- nur ganz manchmal...“

„Masaki.“
 

Der Mann gehört ins Bett. Mit einem guten Anti-Allergiemittel. Mit mehr als drei Stunden Schlaf täglich. Mit ausgewogenen Mahlzeiten. Mit einem Wochenende.

Sho weiß, dass zuviel Stress aus Aiba ein Häuflein Elend macht. Manchmal will er sagen, dass er seinen Gefährten kaum wiedererkennt- bis er nicht weiß, ob das hier nicht eben auch Aiba ist. Eine kleine, zitternde Bitte, jenseits der Rampenlichter.
 

Er legt den Arm um Aibas Schulter und zieht ihn, so gut es geht, zu sich heran. Wer Masaki nicht gut genug kennt, würde sagen, dass er genauso weint wie er lacht- atemlos, heiser und laut. Tatsächlich ist er aber ganz leise. Nur die Nase zieht er ab und an hoch, das Gesicht in Shos Schulter vergraben.
 

Und hat Angst. Wie ein Kind, dem im Dunkeln die Taschenlampe ausgegangen ist.
 

Sho küsst seine Schläfe und tappt in einem lautlosen Takt mit der Hand auf seine Schulter wie er das bei seinem kleinen Bruder früher gemacht hat.
 

„Die Sache mit dem Übermenschen ist“, sagt er sanft als Aiba im Handschufach nach Taschentuchresten sucht,

„dass er nicht wirklich existiert. Sondern nur ein philosophisches Gebilde ist. Wie kannst du etwas sein, das es gar nicht gibt?“
 

Masaki schüttelt nur leicht den Kopf und dann senkt sich die Nacht schwer und wie ein Schleier über ihm nieder, frisst leise alle restlichen Worte und Ängste auf. Bis nur noch federleichte Berührungen bleiben.
 

Und das Dilemma, dass ein Mensch sich niemals selbst überwinden wird können.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Tatsu-addict
2010-08-07T08:05:03+00:00 07.08.2010 10:05
wow!
das ist so ziemlich alles was mir im moment dazu einfällt!
ich bin total begeistert!!!
wirklich absolut toll!
danke, dass du das mit uns geteilt hast!!!
Von:  Otoya
2010-06-13T16:41:52+00:00 13.06.2010 18:41
Das ist großartig!!! Wie solch ein thema in alltägliche handlungen eingepackt ist... wunderbarer erzählstil... ganz sachlich und sanft, was die thematik nur irgendwie noch verstärkt.


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