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Drei Schritte

um jemanden zum Fremdgehen zu bewegen
von

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Schritt 3: Der Todesstoß

Der Todesstoß sollte nicht besonders schwer werden. Immerhin hatte ich die ersten beiden Schritte erfolgreich beendet. Menschen mit durchgehend wachem Gewissen hätten wohl ein Problem damit, jemandem den Freund auszuspannen, aber mein Gewissen war grundsätzlich im Tiefschlaf und wachte nur manchmal auf, um sich umzudrehen und mir dabei kurzzeitig ein schlechtes Gewissen zu verpassen.

Noch ein Punkt, der Schritt 3 einfacher für mich machte, war die Tatsache, dass ich meinen Cousin nicht leiden konnte. Was könnte mir jetzt noch im Weg stehen?
 

„Jin?“, fragte Ray, „Darf ich dich um etwas bitten?“ „Klar.“ „Erzähl deinem Cousin nichts von unserer kleinen Unterhaltung heute.“ Verdammt! Ich war so sicher, heute noch den Jackpot zu knacken! „Wieso?“, entgegnete ich mit ruhiger Stimme, die meinen Ärger nicht zeigte. „Ich möchte es ihm selbst sagen. Aber nicht heute.“

Es heißt, man solle aus den Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, etwas Schönes bauen. Doch was sollte ich mit dem Felsbrocken machen, den Ray mir vor die Füße geworfen hatte? Ich hatte jetzt also meinen Erfolg hinter und einen gewaltigen Kieselstein vor mir. Eine völlig unschöne Situation.

Hinzu kam noch, dass ich nicht glaubte, dass Ray jemals ansprechen würde, dass er jetzt einen anderen (mich) kennen gelernt hatte und nicht mehr in dieser Beziehung feststecken wollte. Dafür schien er mir schlichtweg viel zu nett.
 

„Bist du sicher? Ich meine, es ist einfacher, wenn ich der Böse bin.“, schlug ich vor. Der letzte Hoffnungsschimmer, Ray ab morgen als meinen Freund zu bezeichnen. Doch dieser Schimmer verpuffte sofort als Ray den Kopf schüttelte. „Ich mache das schon. Ich will doch nicht, dass du den Bösen spielst. Außerdem sollte ich das auch mal in die Hand nehmen. Schließlich bin ich der Unzufriedene.“ „Aber es macht mir nichts aus.“ „Das ist wirklich lieb von dir, aber es jetzt geht es einfach darum, dass ich so etwas auch einmal selber hinbekommen muss.“ „Gut. Soll ich dir ein Ultimatum setzen?“ „Das wäre vielleicht gar nicht schlecht.“ „Morgen fahren wir nach Hause. Bis dahin möchte ich Gewissheit darüber, ob ich nun weitersuchen soll oder nicht.“
 

Das Ultimatum sollte gewährleisten, dass ich nicht allzu lange warten musste. Wie bereits erwähnt, gehöre ich nicht zu den geduldigen Menschen.

Da fiel mir plötzlich etwas ein: „Sag mal Ray, wo wohnst du eigentlich? Hier in der Nähe oder weiter weg? Ich stehe nämlich nicht besonders auf Fernbeziehungen.“ „Keine Angst.“, antwortete er und zwinkerte mir zu (zumindest glaubte ich das, denn bei ihm konnte ich ja nur ein Auge sehen), „Ich wohne tatsächlich in deiner Nähe.“ „Woher willst du wissen, wo ich wohne?“ „Ich bin eben genial.“ Leider beließ er es bei der Antwort, auch als ich ihn noch 10 Minuten damit nervte, er solle mir sagen, woher.
 

Schließlich lenkte er ab, indem er fragte, ob wir nicht langsam wieder zurück wollten, schließlich war es schon dunkel und es wurde immer kälter. Außerdem kämen die Mücken heraus. Deswegen schlenderten wir wieder zurück und quatschen wieder nur über sinnlosen Kram, bis er mich schließlich fragte: „Was hättest du eigentlich gemacht, um mich zu überzeugen, dass du es ernst meinst, wenn ich deine Checkliste nicht als Grund angesehen hätte? Ein verwirrender Satz oder?“ „Nicht wirklich. Mir wäre schon etwas eingefallen.“ „Sag schon! Hattest du schon einen Plan?“ „Vielleicht.“, sagte ich grinsend und ging einfach weiter, ohne auf seine sich ständig wiederholende Frage („Was hättest du gemach? Was? Was? Was? Was? Was?...“) zu reagieren. Jetzt konnte er selbst einmal von seiner Medizin kosten, keine Antwort zu bekommen. Vielleicht würde er dadurch lernen, dass ich meine Antworten präzise und sofort haben wollte.
 

Wir waren fast angekommen, als ich mich fragte, wieso mein nerviger Cousin nicht alle zwei Minuten Ray angerufen hatte. Mich konnte er nicht anrufen; meine Handynummer hatte er nicht. Ich fragte Ray, was ihn wohl daran hindern könnte. Auch er schien ziemlich verwirrt zu sein, tastete seine Taschen ab und sagte dann: „Ich hab’s wohl bei ihm zu Hause vergessen.“ Das Schicksal meinte es scheinbar gut mit mir oder Ray hatte sein Mobiltelefon absichtlich vergessen. Hatte er geahnt, was ich vorhatte? Oder war es doch nur Zufall? Egal, was es war, es war gut so.
 

Blöderweise fiel mir erst vor der Haustür ein, dass ich auf dem kompletten Heimweg auch Rays Hand hätte halten können, was ihn vermutlich mehr angespornt hätte, meinem Cousin sofort die Kugel zu geben.
 

Am liebsten hat man es doch, wenn einem die Tür von einer freundlich dreinblickenden Person geöffnet wurde. Ray bekam so ein Gesicht von seinem Bald-Ex-Freund zu sehen, aber als dieser zu mir sah, veränderte sich sein Gesichtsaudruck zu purem Hass und grenzenloser Verachtung. Schön zu wissen, dass man so geliebt wird.
 

Schon für das Verpassen des Händchenhaltens hätte ich mich ohrfeigen können, doch ein kleiner Gute-Nacht-Kuss auf die Wange wäre auch noch vor der Tür drin gewesen, wenn ich nicht so voreilig geklingelt und damit verursacht hatte, dass mein Cousin Ray auf Schritt und Tritt verfolgte, um mich bloß nicht in seine Nähe zu lassen. Den Kuss nachzuholen, wäre Selbstmord.
 

Meine Tante hatte mich allein in eines der Gästezimmer geschickt mit den Worten: „Ich nehme an, dass jemand so junges nicht bei den Eltern und nicht bei den Geschwistern schlafen will.“ Glücklicherweise hatte ich also ein Einzelzimmer und musste niemandem beim Schnarchen zuhören.

Ich war fast eingeschlafen, als es plötzlich an meiner Tür klopfte. Die Digitaluhr zeigte 02:23 Uhr. Wer wollte denn um diese Uhrzeit etwas von mir? „Herein.“, versuchte ich zu rufen, was allerdings nur als etwas lauteres Reden herauskam.

Die Tür wurde einen Spalt breit geöffnet. „Hab ich dich geweckt?“ Ich erkannte Rays Stimme und schaltete die Nachtischlampe an. „Nee, ich war noch wach. Komm rein. Was is?“ Kein „t“ bei „ist“ und kurze Sätze: Deutliche Zeichen dafür, dass ich fast geschlafen hatte und somit Ray fast angelogen hatte. Aber fast ist eben nicht ganz und damit nicht verwerflich!

Ray kam herein setzte sich auf die Bettkante, während ich mich aufsetzte. „Ich wurde aus dem Zimmer geworfen.“, sagte er und sah mich irgendwie traurig an. „Wieso?“ Blöde Frage! Aber ich will gerne mal eine Person sehen, die etwas Gescheites sagen kann, wenn sie noch fast schläft. „Ich hab deinem Cousin gesagt, dass ich dich niedlich, hübsch und lieb finde…Eigentlich habe ich sogar noch viel mehr Worte benutzt, weil sie einfach so aus mir heraussprudelten. Jedenfalls hab ich es nicht geschafft, ihm zu sagen, dass ich nicht mehr mit ihm zusammen sein will, weil er mich viel zu schnell herausgeworfen hat. Lange Rede, kurzer Sinn: Darf ich bei dir schlafen?“ Viel zu lange Rede! Ich hatte nur die Hälfte verstanden - die wichtige Hälfte: Er fand mich toll und wollte bei (oder mit?) mir schlafen.

„Klar. Aber das ist ein Einzelbett.“ „Wir sind ja nicht dick.“ „Übereinander passt es außerdem hervorragend.“ „Was?“ „Ich glaube, so etwas im Fernsehen gehört zu haben. Keine Ahnung. Leg dich hin.“ Ich legte mich wieder hin und drehte ihm den Rücken zu.

Er knipste das Licht aus und kroch unter die Decke. Nach kurzem Zögern legte er die Arme um meine Hüften, sodass ich seinen Atem im Nacken spüren konnte.
 

Man stelle sich also vor: Jemand wirklich liebes und irgendwie anziehendes haucht seinen heißen Atem in den eigenen Nacken und legt die perfekten Finger auf das bisschen Haut, das zwischen der eigenen Schlafhose und -shirt hervorschaut. Außerdem landet der eigene Hintern automatisch im Beckenbereich des Dazugekommenen. Alles Weitere, wird hier nicht näher erläutert, denn die eigene Fantasie ist doch immer am spannendsten.
 

Am Morgen darauf, begleitete ich Ray zum Bahnhof und fragte ihn, was er mit meinem Cousin gemacht hatte. „Ich habe ihm gesagt, dass er nicht mehr mein Fall ist. Außerdem hätte ich bereits jemand Anderes gefunden.“, antwortete er, drückte mir einen Kuss auf die Lippen und auf Nase und winkte mir aus dem Zug heraus zu, bis dieser losfuhr und Ray mir nur noch einen Luftkuss zuwerfen konnte. Seine Handynummer und Adresse hatte er mir selbstverständlich zugesteckt mit den ernsten Worten, ich solle ihn anrufen und besuchen. Meine Adresse und Handynummer hätte er sich anderweitig besorgt. Wie er das geschafft hatte, wollte er allerdings nicht verraten, aber das würde ich ihm schon antrainieren. Schließlich hatte ich jetzt die offizielle Erlaubnis, ihn zu erziehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Hizushi
2010-07-02T00:58:48+00:00 02.07.2010 02:58
hach, ich wünschte es ginge weiter~ xD
Von: abgemeldet
2010-06-30T18:57:49+00:00 30.06.2010 20:57
ooh schon vorbei xDD
aber obwohl die FF nicht so lang ist,
ist sie echt gut und nicht zu knapp^^

ich kann nur sagen, dass ich begeistert bin von dieser Geschichte.
Die Ausdrucksweise und die Handlung an sich sind einfach genial,
ein großes Lob von mir :D
Von:  _Cross_
2010-06-30T17:06:06+00:00 30.06.2010 19:06
"dass ich meine Antworten präzise und sofort haben wollte."
Oh ja, ich versteh das u____u
Da sind so Sachen drin....Naja, du weißt wahrscheinlich genau an welchen Stellen ich so habe grinsen müssen, was? XD


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