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Wenn der Mond fällt

Die Freiheit der Wölfe
von

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Eine Reise beginnt

Nori zitterte vor Kälte, nass bis auf die Knochen und voller Schlamm, doch in diesem Moment war es ihr gleich – Sie hatte nur Augen, Ohren und vor allem die Nase für die neue Umgebung.

Natürlich lag die Witterung der Menschen noch über allem wie ein unheimlicher Schatten, doch es kamen immer neue Gerüche zum Vorschein, vage und flüchtig, dann stärker.

Der feuchte Geruch des gefallenen Regens, der Geruch der durchnässten Erde, der frische Geruch von Gras.

Es war kein richtiger Wald durch den sie wanderten, nur ein kurzer Parkstreifen, dann war dort wieder die kahle Ebene.

Einst war es wohl satte, grüne Wiese gewesen, nach dem Sommer war es nur noch steppiges und robustes Stoppelgras, das sogar auf den giftigsten Boden gedieh, wie hier.

Auf der Hügelkuppe war sie zu sehen, die Stadt der Menschen. Sie war riesig, so groß dass man am Horizont nicht mehr sah als die großen Baue der Menschen. Von ihr kam der giftige Qualm, so intensiv, dass Nori niesen musste und lange Zeit nichts anderes mehr roch.

Die Menschen bauten hoch und weit, doch sie wussten etwas nicht, dass die meisten Wölfe nun begannen zu spüren.

Ihre Zeit auf dieser Welt neigte sich dem Ende zu, zumindest die Art ihres jetztigen Lebens.

Doch noch waren sie ganz offensichtlich da, ihre hohen Bauten, die riesigen, dampfenden Schornsteine und die hohen Mauern.

„Dort lang müssen wir.“, sagte der alte Wolf mit einem Nicken nach Osten.

„Durch die Stadt?“, fragte Nori entsetzt und starrte ihren Begleiter an, doch der hatte sich schon abgewandt um langsam den Hügel herunterzuspringen und bis zu einem verfallenen Haus zu laufen, und die kleine graue Wölfin folgte nur sehr zögerlich.

„Ich dachte, dass du die Menschen hasst.“, sagte sie schluckend und witterte vorsichtig. Kein frischer Menschengeruch, nur noch eine flüchtige Ahnung, dass einst Zweibeiner hier gehaust hatten.

Der russische Wolf ließ sich augenblicklich fallen, die Flucht hatte ihn seine gesamte Kraft gekostet, Nori rollte sich neben ihm zusammen, doch auf ein wütendes Knurren hin, entfernte sie sich um einen Meter und rollte sich dort erneut zusammen, und wartete, dass er etwas sagen würde.

„Du hast gezögert, als ich gefangen wurde.“, sagte sie dann leise und lange Zeit sagte der große Rüde nichts und blieb reglos liegen.

„Ja.“, sagte er schließlich.

„Nun, ich…“, begann sie, doch sie wurde unterbrochen.

„Was hast du erwartet? Meine Heimat hat auf mich gewartet und ich war nicht weit von meinem einzigen Fluchtweg entfernt und zwischen mir und diesem Fluchtweg stand nur eine kleine, naive Wölfin.“

„Und du hast mir doch geholfen.“

„Weil du mich vor den Menschen gerettet hast. Ich war es dir schuldig, und nun ist diese Schuld beglichen.“

Dann legte er den Kopf auf die Pfoten und schloss die Augen, er spürte die Entkräftung nun deutliches als zuvor.

Und auch Nori rollte sich noch enger zusammen und die Gedanken spukten in ihrem Kopf. Er war so ehrlich und sie merkte ihm an, dass sie für ihn nur ein kleiner, tollpatschiger Welpe war, ein Klotz am Bein. Und mir einem Mal begann sie an ihrer Entscheidung zu zweifeln.
 

Die Nacht war traumlos gewesen und Noris Körper schmerzte, als sie sich streckte. Sie sah sich sofort um und der russische Wolf lag noch dort, er hatte sich nicht in der Nacht davongestohlen.

Sie trat zu ihm – Mit genügend Sicherheitsabstand – und wedelte friedlich mit dem Schweif.

„Wenn du möchtest, könnte ich schon mal versuchen, irgendetwas zu erlegen…“

„Als ob du das könntest.“, kam die missgelaunte Antwort sogleich und traf die kleine Wölfin gleich, die zusammenzuckte.

Nein, dachte Nori dann. Sie musste stark bleiben und ihn beweisen, dass sie sehr wohl stark genug war um ihn zu begleiten.

„Mach was du willst, Kleine.“, knurrte Misha und drehte sich auf die andere Seite und Nori wartete erneut. Es wäre nicht schlau, ihn jetzt zu stören.

Und doch hatte sie einen Plan gefasst. Sie würde doch versuchen, draußen etwas zu erwischen, denn die wölfischen Instinkte, die er hatte, hatte sie schon lange.
 

Mit langsamen Schritten verließ sie die Ruine und witterte die frische Morgenluft. Wie viel besser sie doch war, als in ihrem Gehege!

Der Ehrgeiz hatte sie gepackt, sie würde dem Wolf aus dem Land des Winters beweisen, dass sie eine Wölfin war, keine Hündin, eine Jägerin und keine Aasfresserin.

Sie spürte das Erdreich unter ihren Pfoten und die letzen Sonnenstrahlen des Herbstes auf ihrem grauen Pelz. Und mit ihnen kam die Kraft: Mit einem Satz sprang sie in die Luft und lief, lief sich die Lunge aus dem Leib, spürte den Wind in ihrem Pelz.

Mara, dachte sie euphorisch, wenn du dies nur fühlen könntest.

Sie war in ihrem Leben noch nicht so gerannt, so frei und ohne die Zäune die sie bremsen konnten. Und mit einem Mal war sie frei und alleine in ihrer Welt, nur für sich, für den Wind und ihr schlagendes Herz.

Es dauerte lange bis sie sich ausgerannt hatte und in einen gemütlichten Trab verfiel und sich erst dann an ihr eigentliches Ziel erinnerte: Die Jagd.

Sie blieb stehen und legte den Kopf schief, dann witterte sie, doch die Vielfalt von neuen Gerüchen machte ihren Kopf schwummrig. Sie konnte so viel nicht zuordnen, natürlich, das Gras, die Luft, Menschen in der Ferne und Wasser, aber so viel anderes, dass sie nicht benennen konnte.
 

Man musste sagen, dass in diesem Moment der Zufall zu Noris Hilfe eilte. In der Gegend lebten kaum noch Tiere außer den Ratten, und eben solch ein Exemplar lief ihr beinahe vor die Pfoten, eine sehr alte Ratte, die schon einige gute Winter in der Menschennähe verbracht hatte und die Wölfin nicht bemerkte.

Langsam duckte sie sich, mit einem triumphierenden Wolfslächeln. Sollte der Fremde doch sehen, dass sie doch zu etwas taugte und würdig war, in sein Rudel aufgenommen zu werden.

Dicht an den Boden gedrückt schob sie sich ein ganz kleines Stück weiter und beobachtete das feiste Tier, das arglos saß und am Boden scharrte. Nun, zunächst keine Beute, die einer Wölfin würdig war, dachte sie, doch hier musste so etwas wohl genügen. Einen Herzschlag, Zwei und sie sprang, womit sie jedoch nicht rechnete, war dass die Ratte sich entschloss sich im selben Moment zu bewegen, so landete sie im Leeren und die Ratte quietschte, und schoss panisch davon.

Fluchend setzte die Wölfin hinterher, doch so wendig wie diese durchaus nicht dumme Ratte war sie bei weitem nicht und sprang Mal um Mal vor die Ratte, wirbelte herum und biss ins Leere, wobei sie erneut und erneut fluchte und die Ratte sogar zu lachen schien.

Die Ratte schlug weiter Haken, dicht gefolgt von einer Wölfin, und das Nagetier war wohl in der ersten Linie gefährdet, einfach von der unachtsamen Jägerin zertrampelt zu werden.

„Verflucht, Verdammt noch mal, bei allen…“, Sie jagte die widerspenstige Beute ein Gefälle herunter, im Kreis und hoffte nur, dass…

Der russische Wolf hatte sich lautlos genähert und packte das Nagetier blitzschnell und schleuderte sie in die Luft und ließ die erlegte Beute zu Boden fallen, dann begann er schallend zu lachen, laut und Nori wünschte sich, im Boden zu versinken, dann fürchtete sie dass er nie mehr aufhören würde zu lachen, dann wandte sie sich wütend ab, und tatsächlich endete das Gelächter irgendwann und der russische Wolf beobachte amüsiert den Rücken der kleineren Wölfin, die lange so beleidigt sitzen blieb. So blieben sie eine ganze Weile auf dem groben Gras sitzen, bis Nori sich schließlich umdrehte.

„Dürfte ich…auch etwas von der Ratte?“, fragte sie beschämt und der alte Wolf zog immer noch höchst amüsiert die Lefzen zurück.

„Die große Jägerin möchte an der Beute teilhaben?“, fragte er, und Nori seufzte, wedelte versöhnlich mit dem Schweif, es war ihr alles sehr unangenehm, doch sie hielt es nie lange aus, beleidigt zu schweigen.

Noch einmal lachte der russische Wolf, dann schleuderte er ihr die Ratte zu und beobachtete sie, wie sie fraß.

Das konnte ja noch heiter werden, mit diesem Welpen.

Seufzend ließ er sich nieder – Immerhin hatte er seit langem nicht mehr so gelacht.
 

Die beiden Wölfe näherten sich der stinkenden, aufragenden Stadt nur langsam und mit Respekt, obwohl sich nichts zu regen schien.

„Es ist so ruhig.“, sagte Nori und versuchte zu wittern, doch der russische Wolf schüttelte unwirsch das massige Haupt.

„Es ist zu früh für die Menschen.“.

Nach einigen hatten sie die letzte Anhöhe erreicht, die letzten Flecken von fahlem Grün vor der staubigen Stadt.

„Ihre Behausungen stinken nach Krankheit.“, sagte die Wölfin schaudernd, sie fürchtete sich, diese unsichtbare, vorgestellte Grenze auch nur mit einer Pfote zu überschreiten.

„Nun, die Menschen hier leben nach ihren Kämpfen nicht mehr gut.“, sagte der dunkle Wolf desinteressiert „Meine Heimat wartet nicht.“´

Und mit diesen Worten machte er einen Schritt vorwärts.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Cat-girl
2010-10-13T20:45:09+00:00 13.10.2010 22:45
Wow, das Kapi kam aber schnell^^
Jetzt geht’s los, der Weg in die fremde Welt...
Sind sie schon auf dem Weg? Das ging schnell...
Eine sehr gute Beschreibung, ich kann mir alles bildhaft vorstellen...
Gesundheit Nori!
Die Arme...
Ja es ist Zeit, dass die Wölfe die Reise ins freie Leben antreten...
Ja Nori, der Weg hat viele Gefahren
Wie gemein, er hat sie angeknurrt, nur weil sie zu dicht bei ihm lag...
Das war jetzt aber nicht nett, Misha, aber doch treffend...
deutlicher...
Was heißt das jetzt, wird er sich nicht um sie kümmern, muss sie allein zurecht kommen? *ist besorgt*
und mit einem mal, nicht mir....
Nein, Nori! Nicht zweifeln, es macht dich kaputt...
Hey, sie kann es doch wenigstens mal versuchen...
Richtig so Nori
Das kommt mit der Zeit Nori... schön so ein freies Leben, nicht?
Oh, schade... doch kein Fang... das tut mir Leid, Nori
Die Kleine kann aber fluchen, Respekt Nori
Da hat Misha ihr wohl doch noch helfen müssen...
Na wenigstens gibt er ihr etwas zu fressen, ich dachte schon, er würde sie verhungern lassen...
Wie gemein...
nach einigen was?

Was für ein gutes Kapi. Es kam sehr schnell, das ist schön^^
Da fängt das neue Leben für Nori ja gut an, wenn sie nicht mal richtig Beute machen kann, aber es hat ihr ja auch nie einer beigebracht. Wie auch, wenn sie in einem Gehege leben...


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