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Seven years from now

von

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Saeki, Yun

Sorry, heute kommt das Kapitel ganz schön spät. Mein Freund und NaNoWriMo haben mich etwas aufgehalten :)
 

Für Yun gibt es jetzt auch einen Steckbrief!

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I know you've suffered

But I don't want you to hide

It's cold and loveless

I won't let you be denied
 

Soothing

I'll make you feel pure

Trust me

You can be sure
 

I want to reconcile the violence in your heart

I want to recognise your beauty's not just a mask

I want to exorcise the demons from your past

I want to satisfy the undisclosed desires in your heart

(Muse- Undisclosed Desires)
 

Den Weg zu Touyas Wohnung hatte Shindo noch nie schneller zurückgelegt. Nicht, dass er den direkten Weg über seinen Balkon genommen hätte, aber er war im Sprint die Treppen hinunter und durch die bereits geöffnete Tür gerannt. Als er in Touyas Wohnzimmer stolperte, sah er bereits Scherben und einen faustgroßen Stein auf dem Boden liegen. Touya stand wieder am Fenster und sah angestrengt in die Nacht.

Shindo holte einen Besen und fegte das Glas zusammen, da klingelte es schon an der Tür. Er ging öffnen, denn Touya schien immer noch versteinert. Miyagi und sein Kumpel, Satoru, kamen hinein und plapperten etwas von einem Jungen, der sie auf dem Parkplatz fast umgerannt hatte. Als sie Shindos immer noch geschocktes Gesicht sahen, hielten sie inne und schauten fragend. Er ruckte nur mit dem Kopf in Richtung Wohnzimmer und schloss die Tür wieder.

Die beiden sogen erschrocken die Luft ein, als sie den Scherbenhaufen entdeckten. Shindo überlegte kurz und fragte dann: "Was habt ihr gerade gesagt über einen Jungen, der über den Parkplatz gerannt ist?"

Touya drehte sich endlich um und sah die Jungen aufmerksam an.

Satoru war es, der antwortete. "Es war kurz nachdem wir das Scheppern gehört haben, aber wir dachten, jemand hätte ein Glas fallen lassen oder so. Er ist in einem Riesentempo an uns vorbei, viel haben wir nicht gesehen. Er war etwas kleiner als wir und hatte schwarze Haare, aber mehr konnte man im Dunkeln nicht erkennen."

Shindo und Touya sahen sich ernst an und dachten das Gleiche: das waren keine Streiche mehr, das war Aggression, die genau auf Touya gerichtet war. Nur, was konnte er einem kleinen Jungen getan haben?

Es klingelte erneut. Shindo ging die wenigen Schritte zurück und öffnete den drei Jungs, die noch in der Runde fehlten. Sageki hielt ein Päckchen in der Hand und grinste, allerdings nur, bis er den Ausdruck seines Gegenübers sah. Shindo fragte sich, was die Jungen in seinem Gesicht lasen, aber es schien aufschlussreich genug zu sein. Auch sie strebten an ihm vorbei zum Ort des Geschehens und wirkten geschockt.

"Touya-san, hast du dir irgendwie in letzter Zeit mal Feinde gemacht?" fragte Sageki. Er war irgendwann dazu übergegangen, Touya zu duzen. Sageki schien Touya als eine Art Ziehvater angenommen zu haben, was vielleicht damit zusammenhing, dass seine Eltern aus Tokyo wegziehen wollten. (Letzteres war die Kurzform des vertraulichen Gesprächs zwischen Sageki und Touya, wegen dem Sageki vor Kurzem vor der Tür seines Lehrers gehockt und gewartet hatte.)

"Man sollte meinen, mit dem Briefkasten bist du schon gestraft genug", knurrte Shindo.

Sageki blickte zwischen ihnen hin und her und lächelte wieder. "Ach stimmt. Hier, Touya-san, wir haben zusammengelegt." Er hielt Touya das Päckchen hin, das diesen schließlich aus seiner Starre erlöste. Er deutete ein Lächeln an und nahm es entgegen, etwas überrascht von dem Gewicht, das der Karton in seiner Hand hatte. Mit fahrigen Fingern öffnete er das Paket und zum Vorschein kam ein neuer Briefkasten. Er war schwarz mit modellierten Ranken an der Seite. An der Unterseite waren in weißer Farbe die Schriftzeichen für "Tengen" und "Ouza" und daneben ein gemalter Löwe.

"Ihr hättet doch nicht –"

"Wir wollten uns nicht mehr gruseln, wenn wir herkommen", fiel ihm Hikaru-kun ins Wort und grinste. Sie hatten alle gewusst, wie verhasst Touya sein Monster-Briefkasten war. "Sehen Sie es als frühes Geburtstagsgeschenk."

Er betrachtete den Briefkasten lächelnd, dann zeigte er auf den Löwen. "Was hat es damit auf sich?"

"Du hast doch den Löwenpokal gewonnen, gleich nachdem du Pro wurdest", erwiderte Sageki. Touya zog die Augenbrauen hoch. Das war etwa zehn Jahre her. "Ich war damals fünf und mein Opa hat mir immer von den Go Pros erzählt. Auch von dir. Er hat mir erzählt, wie du die ganzen eingesessenen Pros hast alt aussehen lassen."

"Danke, Jungs", lächelte Touya sie an und Shindo war froh, ihn doch wieder halbwegs gut gelaunt zu sehen. Das konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass in ihrer Mitte immer noch ein großer Stein und Glasscherben lagen. Er machte sich wieder daran, diese zusammenzukehren und warf sie dann behutsam in einen Mülleimer.

Solange die Jungen da waren, und sie blieben meist lange bis nach Mitternacht, so wie auch heute, sprachen sie nicht mehr von dem Vorfall. Vergessen konnten sie ihn allerdings schwerlich, denn den ganzen Abend über wehte kühle Nachtluft durch das Loch in der Balkontür herein.

Als schließlich auch Sageki gegen zwei gegangen war, standen Shindo und Touya am Fenster und sahen in die Nacht.

"Du solltest die Polizei einschalten", murmelte Shindo und nippte an einem seiner Energy-Drinks, die er mittlerweile auch in Touyas Kühlschrank deponiert hatte.

"Ich würde das gerne allein klären. Ich will wissen, was ich ihm getan habe." Shindo seufzte. Konnte Touya nicht einfach mal andere Leute machen lassen? Er legte dem Ouza eine Hand auf die Schulter und sah ihn aufmunternd an.

"Ich werd auf jeden Fall die Augen offen halten. Was meinst du, könnte er noch tun?"

"Keine Ahnung, ich war nie ein Kind, das Streiche gespielt hat", erwiderte Touya.

"Das glaube ich", grinste Shindo. Stattdessen überlegte er, was einige seiner Schulkameraden gelegentlich angestellt hatten. Klingelstreiche, Wasserbomben, Scherzanrufe. Aber was konnte nach dem Sprengen eines Briefkastens, Zerschneiden von Autoreifen und dem Einschlagen eines Fensters noch kommen? "Naja, wenigstens den Briefkasten bist du jetzt los."

Touya lächelte, diesmal wieder ehrlich, und auch Shindos Mundwinkel zogen sich nach oben.

"Da fällt mir ein –", meinte Touya plötzlich, "Der Fotoband ist rausgekommen. Zweihundert sind schon verkauft, ich hab einen gratis bekommen." Er lief in sein Schlafzimmer und kramte in einem Schrank herum, bis er mit den Fotobuch zum Hokutopokal zurückkam, das er Shindo in die Hand drückte. Sie setzten sich auf die Couch – diesmal wieder mit Touyas üblicher Ermahnung – und betrachteten die Fotos gemeinsam. Dazu war Touya bisher selbst nicht wirklich gekommen.

Auf den ersten Seiten waren Fotos der Teilnehmer und kurze Lebensläufe abgedruckt – in klein war auch Touya dabei – dann folgten schon die Fotos, ab und zu unterbrochen von den Kifus der Spiele. Da waren Fotos von ihrer Ankunft, eines, wie Touya und Ko Yongha Hände schüttelten.

Es gab Fotos von den Jungs während ihrer Partien und gleich nach ihrem ersten Sieg, auf denen Sageki noch gerötete Augen hatte. Da war auch das Gruppenfoto mit Touya, auf dem er wie der große Bruder der drei wirkte.

Touya merkte an, dass der Fotograf von der Eröffnungsveranstaltung tatsächlich kein Foto belassen hatte, auf dem Touya zu sehen war. Er wusste noch gut, wie verdammt müde er gewesen war. Und wie er Shindo mit Hong gesehen hatte. Das Ganze kam ihm vor, als wäre es Jahre her, dabei waren es nur etwa sechs Wochen.

Auch vom zweiten Tag gab es einige Fotos, anscheinend hatten die Jungs nach dem Korea-China-Tag gemeinsam mit dem Fotografen und einem Teil des Teams eine kleine Stadttour gemacht. Sogar ein paar Sehenswürdigkeiten schienen sie besucht zu haben. Shindo musste zugeben, dass die Jungen ausgesprochen fotogen waren.

Langsam blätterten sie durch die Fotos vom Tag der Japan-Korea-Partien. Es gab auch Bilder von Touya, wie er nervös in der vorderen Reihe des Zuschauerraums saß und auch wie er und Shindo sich unterhielten. Shindo sah, wie ernsthaft sie wirkten. Sie waren keine Jungen mehr wie bei ihrem ersten Hokutopokal. Sie waren erwachsen geworden, auch wenn er das ungern zugeben wollte.

Es gab Fotos von nach der Niederlage, die Jungen sahen sehr gefasst aus.

Und schließlich erreichten sie ihren Abschied, zwei, drei Bilder vom Flug und schließlich von ihrer Ankunft in Japan. Das vorletzte Foto waren von ihnen beiden, müde, aufeinander gestützt, aber glücklich lächelnd.

Dieses Bild sah Shindo lange an. So sahen sie beieinander also aus. Es sah so natürlich aus, weil sie die Nähe des anderen gewohnt waren. Das Bild war einfach perfekt.

"Gut, nicht wahr?" meinte Touya. "Ich hatte auch keine Ahnung."

Shindo nickte. Tja, das bewies wohl einfach, dass sie irgendwie zueinander gehörten. Sie hatten es ja schon immer gewusst, deswegen waren sie ewige Rivalen für den jeweils anderen. Aber es waren einfach zwei Hälften, die hier zusammenkamen. Wie im Go. Touya war schwarz – ruhig und tiefgründig – während Shindo weiß war: kindlich und verspielt.

Shindo wusste, dass er sich allein wegen diesem Foto den Fotoband kaufen würde.

~x~

Am nächsten Tag stand Shindos nächste Partie an in der neuen Runde des Gosei-Wettkampfes. In dieser Woche begannen die Qualifikationspartien für den Tengen-Titel, in denen er allerdings noch nicht spielen musste. Sein Platz in den späteren Runden war durch seinen Rang bereits gesichert. Der Niveauanstieg war bereits spürbar im Kampf um den Gosei, doch auch in dieser Runde konnte ihm niemand die Stirn bieten, das wusste er jetzt schon. Erst in der nächsten Runde, bereits nächste Woche, traf er auf Touya. Er freute sich auf diese Partie und sein Nacken kribbelte, wenn er daran dachte. Sie trafen bei Weitem nicht oft genug aufeinander für seinen Geschmack...

Nach seiner Partie traf er Saeki, mit dem er früher in Morishitas Lerngruppe gewesen war. Saeki war jetzt Anfang dreißig und ein mäßig erfolgreicher Pro. Er besaß keinen Titel, aber im letzten Jahr war er der Herausforderer für den 10-dan gewesen. Er trug die hellbraunen Haare immer noch auf etwa fünf Zentimetern Länge und wirkte wie früher wie ein sehr fröhlicher Mensch.

"Ich habe letztens gegen Touyas Liebling vom Hokutopokal gespielt", erzählte Saeki grinsend, während er gut gelaunt an einem Pfeiler neben Shindo lehnte. Shindo wusste nicht, was es war, aber etwas wirkte verändert an dem Dunkelblonden.

"Welchen meinst du? Sie sind alle drei seine Lieblinge", grinste Shindo.

"Matsuda", erwiderte Saeki. Shindo brauchte eine halbe Ewigkeit bis er darauf kam, dass 'Hikaru-kun' eigentlich Matsuda Hikaru hieß. Am Ende stieß er ein langes "Aaaah " aus. "Ich habe ihn zwar geschlagen, aber er kann ein richtiger kleiner Kampfzwerg sein", fuhr Saeki fort. "Ein bisschen wie du damals."

"Ich bin nur kein Zwerg mehr. Kämpfen kann ich immer noch."

"Aber das musst du nur noch selten." Saeki lächelte leicht und es wirkte fast etwas bitter. Shindo war an ihm vorbeigezogen, er hatte ihn so schnell überrundet, obwohl er doch viel jünger war. Aber er hatte immer gewusst, was für ein Talent Shindo innewohnte, es war gar nicht verwunderlich gewesen. Trotzdem hatte er immer gern der Ältere und Bessere bleiben wollen. Nun war er nur noch der Ältere.

"Vor einer Weile habe ich Morishita-sensei getroffen. Seine Tochter hat eine Konditorei eröffnet", erzählte Saeki weiter.

Sie unterhielten sich noch fast eine Stunde. Neben den offensichtlichen Informationen, die sie austauschten, sendete Saeki vieles unterbewusst aus. Er erwähnte nie eine Freundin. Shindo hatte sowieso plötzlich das Gefühl, Saeki sei Yun sehr ähnlich mit seiner sanften, freundlichen Art. Die Bitterkeit schien dem Alter geschuldet und kam selten hervor.

Aufgrund seines Verdachtes tauschte er schließlich Nummern mit Saeki und nahm sich vor, auf les-garçons, der Seite, auf der er seit Neuestem so viel surfte, nach dem anderen zu suchen.

Ihre Unterhaltung wurde durch Touya abgebrochen, der gerade selbst von einer Partie kam und sie zufällig entdeckte. Er schien gar nicht herüberkommen zu wollen, doch dann entschied er sich anders. Saeki verabschiedete sich von ihnen und ging in Richtung der Fahrstühle.

"Meijin", grüßte Touya unbewegt, während er unbewusst mit dem Daumen den Knöchel seines Mittelfingers massierte. Shindo lächelte matt. "Touya Tengen", erwiderte er.

"Hast du gerade Zeit?" fragte der Tengen und Ouza.

Shindo sah auf die Uhr. Gegen vier stand das Kommentieren einer Partie an. Er hatte etwa zwei Stunden, also nickte er.

"Ich treffe Ayumi jetzt, komm doch mit. Ich wollte euch einander längst vorstellen." Shindo lächelte breit. Er wusste, was es bedeutete: er nahm die Stelle des Schwiegervaters ein. Wenn sie ihm nicht gefiel, würde sie es schwer haben. Außerdem hatte er mittlerweile schon einiges von der besagten Dame gehört und war schon gespannt darauf, sie selbst treffen zu können.

Sie machten aus, dass Touya ihn danach wieder zum Institut fuhr und nahmen den dunklen Sportwagen des Ouza.

Ayumi hatte sich anscheinend schon daran gewöhnt, ihren eigenen recht straffen Zeitplan um den von Touya herum zu basteln, da dieser noch nicht etabliert genug war, um viele Terminwünsche an das Institut zu richten. Sein Vater hatte das gekonnt, aber der hatte auch ein paar mehr Titel gehabt als er.

Sie trafen sich nur fünf Minuten vom Institut entfernt in einem kleinen Bistro. Shindo war sehr gespannt und als er einen Blick in den Laden warf, wusste er sofort, wer Ayumi sein musste. Sie war wunderschön und auch ihm fielen die glatten, seidenen Haare auf, von denen Touya so gern schwärmte. Wäre sie noch zu haben, dann wäre sie auch nach seinem Geschmack gewesen.

Nicht nur, dass sie eine wahre Schönheit war. Auch Shindo mochte ihre Geradlinigkeit und Ehrlichkeit, mit der sie ihn sofort begrüßte.

"Shindo-san! Endlich treffe ich Sie, Touya-san redet kaum von jemand anderem", lächelte sie fröhlich und verbeugte sich. Sie klang, als kenne sie ihn schon ewig.

Sie setzten sich zu dritt an einen Tisch beim Fenster und Ayumi begann, von einem neuen Projekt zu erzählen. Ihr längstes war gerade in der Abschlussphase und es wurden die letzten Treffen mit den Kunden durchgeführt, in denen die Software implementiert und vor Ort getestet wurde. Offensichtlich waren nur minimale Fehler aufgetreten – da hatte sie schon viel Schlimmeres erlebt. Wenn alles gut lief, war dieses Projekt also bald abgeschlossen und sie konnte sich auf die anderen beiden konzentrieren.

Es dauerte nicht lange, bis auch Shindo zu erzählen begann, von Turnieren und Wettkämpfen im Ausland, an denen er gemeinsam mit Touya teilgenommen hatte. Er holte peinliche Geschichten raus und schonte den anderen nicht unbedingt. Wie die Woche, in der er herumerzählt hatte, Touya hätte sich in einer Bar geprügelt, obwohl er nur eine mit aller Macht gewischt bekommen hatte, weil er Shindo aus einem Alptraum hatte wecken wollen. Das hatte er kein zweites Mal versucht.

Oder wie er Touyas Monatsplan vom Institut mal mit seinem eigenen vertauscht hatte und der Ouza zwei seiner Partien durch Abwesenheit verlor, bevor er es bemerkte. Er erzählte auch von Touyas schrecklicher Kleiderwahl, wie einem lila Hemd zu dunkelblauem Anzug und dazu eine hellblaue Krawatte. Und das war noch einer seiner guten Tage gewesen.

Mittlerweile trug Touya zur Arbeit fast nur noch dunkle Anzüge mit weißem Hemd, weil man da einfach nichts falsch machen konnte und er so nicht ständig Shindos Sticheleien zu hören bekam.

Sie blieben so lange zusammen in dem Bistro, bis Shindo nur noch zehn Minuten bis zu seinem Termin hatte. Touya und er verabschiedeten sich schließlich hastig und eilten zum Auto und damit zum Institut.

"Und?" fragte der Ouza, nachdem sie kurze Zeit still im Wagen gesessen hatten.

Shindo lächelte schief. "Sie ist toll", erwiderte er nach ein paar weiteren Sekunden. "Ein Wunder, dass du so ein Mädchen gefunden hast, aber irgendwann muss sich dieses Gesicht ja mal auszahlen", grinste er belustigt. Touyas Mundwinkel zuckten leicht und für den Rest der Fahrt schwiegen sie. Beim Institut sprang Shindo nur aus dem Auto und rief Touya ein Danke zu, bevor er hinein sauste und gerade noch rechtzeitig kam.

Es war eine weitere Partie im Rahmen des Gosei-Turniers: zwei mittelklassige Pros, viel Publikum gab es nicht. Shindo wusste von seinem kleinen Fanclub, der regelmäßig seine Partien und Veranstaltungen besuchte, doch an diesem Tag war keine der jungen Damen anwesend.

Am Nachmittag, nachdem die Partie recht unspektakulär geendet hatte, rief er Saeki an. An diesem Tag brauchte er ein Ventil, um etwas Anspannung abzulassen, und wenn er richtig lag, war Saeki vermutlich auch nicht gerade abgeneigt. Er erzählte dem anderen am Telefon, er wolle gern mal wieder eine Partie gegen ihn spielen und lud ihn zu sich nach Hause ein. Auf dem Weg zu seiner Wohnung bestellte er Pasta zu seiner Adresse und dort angekommen beseitigte er die gröbste Unordnung im Wohnzimmer.

Gegen acht klingelte es und Shindo sprang zur Tür, um zu öffnen. Vor ihm stand der Pasta-Bote und hinter diesem sah er Saeki die Treppen hochsteigen. Er winkte dem Älteren zu und bezahlte ihr Essen. Dann winkte er ihn herein und ins Wohnzimmer.

"Hey! Sieh dich am besten nicht zu genau um", grinste er und schloss die Tür hinter ihnen. Dann wuselte er in die Küche und holte zwei Teller. "Wollen wir einen Film sehen?"

Saeki wirkte erst etwas überrascht, weil sie sich ja eigentlich für Go verabredet hatten, nickte dann aber. Shindo wählte einen Western, bei dem man mit viel Fantasie etwas Homoerotik hineininterpretieren konnte. Das war seine Art, ein großes Fragezeichen aufzustellen. Mit Frauen war so etwas immer einfacher gewesen, da begab man sich nicht auf Glatteis, wenn man vermutete, dass sie auf Männer standen.

~x~

Noch während des Filmes hatten sie angefangen, rumzuknutschen und hatten es nicht einmal mehr ins Schlafzimmer geschafft. Saeki hatte ihn zwar anfangs an Yun erinnert, war allerdings in vielerlei Hinsicht ganz anders. Yun war sanft und ruhig, während Saeki rastlos wirkte. Das war er früher nicht gewesen. Stattdessen hatte sich ein fast grober Zug an ihm gezeigt, der Shindo wieder an die Bitterkeit erinnerte, die er in seinem früheren Senpai vorher nie gesehen hatte.

Die Nacht war nicht besonders schön. Während bei der Nacht mit Hong die Freundschaft zwischen ihnen alles umso Intensiver gemacht hatte, konnte er jetzt Saekis Neid genau spüren, der plötzlich ihre Beziehung durchdrang. Er war immer noch ein netter Kerl, nur vielleicht nicht mehr zu Shindo. Dieser war froh, als er am Morgen allein auf seiner Couch aufwachte und nur eine kurze Nachricht Saekis auf der Garderobe vorfand:

Guten Morgen. Viel Erfolg mit dem Gosei. Man sieht sich.

Oder in anderen Worten: ruf bloß nicht an und den Titel würde ich dir auch nicht gönnen, dachte Shindo bei sich. Er seufzte. Sein Rücken schmerzte und die Nacht war den Aufwand und das bisschen Vorfreude überhaupt nicht wert gewesen. Stattdessen hatte er sich runterziehen lassen von Saekis plötzlicher Düsterkeit.

Er brauchte jetzt wirklich etwas, was seine Stimmung aufhellte. Erst später hatte er seinen ersten Termin an diesem Tag. Touya war vermutlich beschäftigt. Wenn er nicht im Institut war, verbrachte er die meiste Zeit mit Ayumi, sodass Shindo sich manchmal etwas einsam und vernachlässigt fühlte. Er konnte es Touya allerdings nicht verdenken, denn er sah sehr gut, wie vernarrt er in seine Freundin war.

Stattdessen rief er Yun an. Plötzlich sehnte er sich nach dem Kindergärtner, der ihn mit seiner lieben Art immer beruhigen konnte.

"Hey, kann ich dich sehen?" fragte er direkt am Telefon. Der andere zögerte kurz, dann nannte er ihm die Adresse seiner Arbeitsstätte. Shindo fuhr sofort los. Dort angekommen stand er erst eine Weile vor dem Eingang. Eigentlich konnte er ja nicht so gut mit Kindern. Schließlich fasste er sich ein Herz und betrat das Gebäude, dessen Eingang ihn mit bunten Bildern anlächelte.

Er stand in einem langen Flur, von dem viele Zimmer abzweigten – aus einigen von denen hörte er Kinderlachen und -weinen, dazu die besänftigenden Stimmen von Frauen. Aus einem Raum rannten gerade zwei Knirpse heraus, mit Stöcken bewaffnet, die sich gegenseitig jagten. Hinter ihnen her stürmte Yun aus dem Zimmer und lachte ausgelassen. Er wirbelte herum und sah Shindo im Eingang stehen. Sofort wurde er ernst und kam zu ihm getrabt.

"Ist was passiert?" fragte er besorgt. Yun war toll, dachte Shindo. Er hatte schwarze Haare, die ihm wirr in Stirn und Nacken hingen und jetzt vom Rennen zerzaust waren. Er hatte warme, braune Augen, die immer sanft wirkten und weiche Hände, die immer viel wärmer waren als Shindos. Der Go-Profi wusste einiges über Yun, dabei kannten sie sich eigentlich erst seit Kurzem. Yun war gerade erst zwanzig, aber in mancher Hinsicht viel erwachsener als er.

"Hmm", machte Shindo und lehnte den Kopf an die Schulter des anderen, wofür er sich etwas hinunterbeugen musste. Er atmete den Geruch des anderen ein, Mandeln und Fingerfarbe, und merkte, wie er schon ruhiger wurde. "Willst du vielleicht mit mir zusammen sein?" murmelte er in die Schulter. Er meinte es so. Obwohl er einige Männer und Frauen getroffen hatte, wollte er endlich etwas Ernstes. Er hatte zwar keine unsterblichen Gefühle für Yun, aber ein bisschen liebte er ihn schon, also warum nicht?

Yun war einige Momente still, entspannte sich dann aber unter dem anderen. "Shindo... natürlich. Ja, gern", lächelte der er und küsste Shindo sanft auf die heruntergebeugte Stirn. Es würde nicht ewig halten, aber im Moment fühlte Shindo sich, als bräuchte er jemanden, an den er sich halten konnte. Und Yun war genau der Richtige.



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