Zum Inhalt der Seite

Thirteen Steps Leading Up to the Gallows

Der Gärtner ist immer der Mörder.
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Step 2

Auf dem Boden lag, mit dem Gesicht nach oben und seltsam deformiertem Hinterkopf, ein blonder Junge. Sofort schlug Henriette die Hand vor den Mund.

„Otto!“ sagte sie ruhig, mit belegter Stimme, und beugte sich zu dem Jungen hinab, aber Albrecht hielt sie an der Schulter auf. Seine Augen hatten sich verengt – ein Gespür, das sich über Jahre entwickelt hatte, sagte ihm, dass man vorsichtig sein musste. „Er könnte tot sein.“ Sie schien zu zittern und blieb stehen.

Fritz beugte sich über den Körper und berührte vorsichtig die Halsschlagader. Er nickte langsam und vorsichtig. Dann glitt sein aufmerksamer Blick über den Körper. Erst nach einer ganzen Sekunde räusperte sich Albrecht. „Nun?“
 

„Oh.“ Es war das erste Mal, dass Fritz in Anwesenheit Henriettes sprach. „Er ist tot.“ bemerkte er knochentrocken. Mit der flachen Hand fächerte sich Henriette als Reaktion auf diese Enthüllung erschrocken Luft zu.

„Tot? Der Ärmste!“ Ihre Stimme klang erstickt. Und wieder war die Illusion der Oberschicht zu sehen. Albrecht, aufgewachsen in einem Waisenhaus und später als Privatdiener eines reichen Bengels, war vertraut mit der Scheinheiligkeit all dieser reichen Schnösel, die diese tägliche Schauspielerei in perfektem Maße gemeistert hatten. Er rollte mit den Augen.
 

Fritz' Blick blieb lange auf der Leiche liegen. Erst nach einem gefühlten Monat stand er auf und teilte der Hausherrin ruhig mit, dass man die Polizei rufen sollte. Sie nickte. Das machte Sinn – der genaue Todeszeitpunkt musste ermittelt werden, die Autopsie musste durchgeführt werden, eben alles, was zwei einsame Detektive nicht allein erledigen konnten. Sie fächerte sich weiter Luft zu und verließ den Raum auf der Suche nach dem Hausmädchen, das man auf dem Rücken eines Pferdes auf dem schnellsten Weg in die dicht bevölkerte Stadt schicken konnte, um die Polizei einzuschalten.
 

Fritz murmelte etwas, während die beiden verlassen bei der Leiche standen. Albrecht nickte nachdenklich.
 

Otto war noch nicht lange tot. Er war noch warm, es konnte höchstens eine halbe Stunde seit Todeszeitpunkt vergangen sein. Außerdem hatte Albrecht bemerkt, dass keine Spuren eines Kampfes an seinem Körper zu bemerken gewesen waren, das bedeutete, dass er seinen Mörder gekannt haben musste – vermutlich einer der Angestellten, oder gar der Hausherr, der auf einem „Spaziergang“ unterwegs war, ganz allein, ohne ein Alibi; aber bisher auch ohne Motiv.

Albrecht wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen, und so wartete man, bis Henriette und Georg alle Anwesenden der letzten halben Stunde zusammengefunden hatten und sie sich nebeneinander im Salon aufgestellt hatten.
 

Es war keine überaus reiche Familie, und so gab es auch nicht überaus viele Angestellte. Natürlich die Hausherrin selbst und ihr Chefbutler sowie ihre beiden Kinder. Zumindest Hein konnte man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Täter ausschließen, und aus Rücksicht war auch Roland aus dem Kreise der Verdächtigen herausgezogen worden.
 

Also blieben noch sechs Menschen übrig, abzüglich des Ehemanns Henriettes, der noch immer nicht nach Hause zurückgekehrt war. Zunächst war da natürlich Georg, der treue Diener des Hauses, mit seinen wie in Wachs gegossenen Gesichtszügen, der kerzengerade aufrecht stand und die beiden Detektive ruhig betrachtete, als hätte er niemandem jemals ein Härchen gekrümmt. Neben ihm stand, mit einem für den Berufsstand eher unüblich, ein großer, ungepflegter, ja geradezu dreckiger Mann, der sich ihnen mit eben diesem verdächtigen Grinsen als Hans vorstellte. Wiederum auf seiner anderen Seite kniete, etwas verängstigt, die Amme, die Hände um ihre Hüften geschlungen und sich nervös und zitternd umschauend. „Ist es wahr, dass er tot ist...?“ fragte sie leise, und dabei schien sie fast in Tränen auszubrechen. Die Köchin, ein eher zierliches, blondes Mädchen namens Nicole, warf der größeren und scheinbar auch älteren Frau nur einen Blick zu und hielt sich dann selbst mit Anzeichen von Nervösität den linken Unterarm. Hinter ihr stand der letzte der Angestellten, der Gärtner.

Der Gärtner war immer der Mörder.

Er stellte sich ihnen als Bernd vor und wischte sich die schmutzigen, von Dreck verkrusteten Hände an den Klamotten ab, und sein Blick war genervt und unruhig. Neben Bernd stand Anna, das Hausmädchen, das sie anfangs kennengelernt hatten, und ihr Blick war weder unruhig noch nervös, sondern es spiegelte sich darin tiefes, unerschütterliches Selbstbewusstsein wider.
 

Albrecht schüttelte den Kopf. Es schien unmöglich zu sein, eine Gruppe noch verdächtigerer Menschen zu finden. Fritz blickte durch das Fenster nach draußen und beobachtete die sich im Wind wiegenden alten herrschaftlichen Bäume. „Wann ist Ihr Ehemann zurück?“ fragte er leise und beinahe zerbrechlich.
 

Henriette schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. „Oh Gott! Was, was wenn der Mörder ihn auch-“ Ihre Augen weiteten sich und sie nahm Hein, der still ruhend in einem Kinderbettchen lag, in ihre Arme. „Das könnte ich niemals ertragen!“

Albrecht musste sich wegdrehen, ansonsten würde ihn die Falschheit dieser Person noch umbringen. Allein dieser Tonfall sagte ihm alles, was er wissen musste über die Beziehung von dieser Frau und ihrem Ehemann.

„Wir müssen ihn auf der Stelle suchen! Georg, bringen Sie-“
 

Ohne sie aussprechen zu lassen, öffnete sich die Tür, und Albrechts Herz blieb stehen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Otakuplant
2010-09-01T19:39:11+00:00 01.09.2010 21:39
Spannend! Wie schaffst du das nur immer?
Von:  moi_seize_ans
2010-09-01T15:00:50+00:00 01.09.2010 17:00
Und wieder ist einer gestorben!!
Nicht dass wir am Ende noch so ein Massaker wie im 'Nichts geht mehr' haben. Gönn den Lieben doch mal ein Happy end.

Und Albi, warum so schreckhaft?!
:3
Ein genialer Cliffhänger meine Gutste!


Zurück