Mein Todestag
>>Liebste Amalia
Bitte verzeih, dass ich dich allein zurücklasse.
Du bist die beste Schwester die man sich wünschen kann und ich habe
jeden Augenblick den wir zusammen waren genossen.
Wenn du diesen Brief in den Händen hältst, heißt dass das ich nicht
Mehr an deiner Seite bin und zwar weil ich für immer fort bin.
Vielleicht verstehst du es wenn du größer bist, aber sei dir sicher, egal
was passiert, ich werde immer an deiner Seite sein.
Steh auch Mama und Papa zur Seite, denn sie werden sehr traurig
sein.
Doch jetzt ist es Zeit für mich zu gehen und ich möchte dir noch etwas
Wichtiges auf den Weg geben:
Ich liebe dich
Silvana «
Ordentlich faltete ich den soeben geschriebenen Brief zusammen und steckte ihn in den Kuvert mit der Aufschrift: » Für Amalia «. Die Dann legte ich ihn neben anderen zwei, die ich auf dem Tisch platziert hatte.
Einer war für eine Eltern und einer für meine allerbeste Freundin Marianne.
Ich fuhr mir noch ein letztes Mal durch meine Haare, ging in die Küche und öffnete einen der Schübe.
Zielstrebig griff ich nach unserem scharfen, großen Küchenmesser und ging langsam die Treppe hoch.
Da ich wusste dass sich meine Mutter immer zuerst im Bad umziehen ging, wenn sie nach Hause kam, hatte ich mich entschieden es genau da zu tun.
Höchstwahrscheinlich würde mein Vater zuerst nach Hause kommen und die Briefe entdecken.
Er würde panisch versuch mich auf mein Handy zu erreichen, nachdem er alles gelesen hatte, und würde es oben klingeln hören und daraufhin nach oben gehen.
Doch dann wäre es zu spät, aber darüber muss ich mir keine Gedanken mehr machen.
Ich höre auf nachzudenken was passiert und schneide mir mit dem Messer meine Pulsader auf, genau über den vielen anderen Narben.
Mir wird schwindelig und ich falle auf die kalten Fliesen.
Nun sehe ich wie sich mein Blut zu einer Pfütze sammelt und weiß dass es jetzt zu Ende mit mir ist.
Darum schließe ich meine Augen und stelle mir das lächelnde Gesicht meiner kleinen Schwester vor und lächle auch.
Langsam hört mein Herz auf zu schlagen und mein Leben ist vorbei.
Und nun zwei Wochen später kommt mein großer Tag
Es ist ein regnerischer kalter Tag, genau so als ob der Himmel weiß was heute passiert.
Eine Ansammlung von Menschen, viele von ihnen weinen, stehen um mein frisch zugeschaufeltes Grab.
In wunderschönen Buchstaben steht darauf:
Hier ruht
Silvana Camperd
* 21.4.1992
t 15.1.2010
Geliebte Tochter, Schwester
und Freundin
Daneben befindet ein kleines Foto von mir, als ich noch den Willen hatte zu leben.
Es zeigt mich lachend, mit vom Wind verwehtem blondem Haar und voller Freude in meinen grau-blauen Augen.
Ich habe mich auf ein Grab daneben niedergelassen und beobachte meine Eltern, die sich seit meinen Tod ständig dieselbe Frage stellten: »Warum? «.
Und jedes Mal könnte ich ihnen eine reinhauen.
Es war doch ihre Schuld.
Für sie war ich doch nie gut genug.
Ich war angeblich zu dick, tat zu wenig im Haushalt und beschwerte mich angeblich ständig über alles.
Von mir aus könnten sie sich nun bis ans Ende ihrer Tage Vorwürfe machen, was sie denn falsch gemacht hätten und ob sie es hätten verhindern können.
Eigentlich tun mir nur zwei der Trauerangehörigen leid.
1. Meine allerbeste Freundin, die nicht das Geringste von meinen Problemen wusste und 2. meine kleine Schwester die noch nicht versteht warum ich denn weg bin.
Und jedes Mal wenn sie meine Eltern fragt, bricht Ihnen innerlich das Herz und ich muss zugeben mir auch, denn ich kann ihr Gesicht dabei nicht ertragen.
Hätte ich allerdings gewusst, dass ich trotzdem noch ganz normal da wäre, abgesehen davon dass mich keiner sah, hätte ich mir nicht angetan.
Die ganze Zeit höre ich nur eine Frage: »Warum? «.
Und obwohl mich niemand hören konnte schreie ich ihnen entgegen:» Ohne euch wäre, dass nie passiert. «
Aber vielleicht sollte ich von vorn anfangen.
