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Red Moon

Bellas Leben nimmt eine völlig ungeahnte Wende: sie wird zum Werwolf
von

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Das glühende Herz

Diesmal habe ich länger gebraucht, denn es war kompliziert, was ich hier darstellen wollte, und ich hoffe, ich habe es so rüber gebracht, dass es alle gut verstehen. Und für Animexx hier die Spezialversion meines Headers, wo ich absolut nix über Revs sage, sonst wird meine Story ja wieder gesperrt... und das wollen wir doch nicht...
 

Viel Vergnügen beim Lesen

Eure Hi
 


 

Das glühende Herz
 

„Jacob! Bleib doch stehen! Verdammt, Jacob!“ Ich schrie ihm hinterher, nachdem ich ebenfalls aus dem Fenster geklettert war, aber ich wusste schon, dass er nicht anhalten würde. Und schon gar nicht zurückkommen. Dazu war er viel zu verletzt. Und zu wütend.
 

Ich konnte ihn ja verstehen. Es war wirklich übel, dass ich total vergessen hatte, dass ich noch nach Vampir roch. Und sogar schmeckte. Das hätte mir wirklich nicht passieren dürfen. Meine Güte, wo hatte ich nur meinen Verstand gelassen? Der war wohl von den Drachen in meinem Bauch über den Haufen gerannt worden…

Ich kicherte über meinen eigenen Witz, riss mich aber schnell zusammen. Da war nichts Lustiges dran, rein gar nichts. Jetzt hatte ich den Salat und Jacob war auf und davon. Dabei hatte ich mich so gefreut. So euphorisch war ich schon lange nicht mehr gewesen. Ich hatte alles gut machen, ihn für alles entschädigen wollen, was ich ihm all die Jahre angetan hatte. Und er nahm Reißaus. Geschah mir recht.

Ich hätte auch ein wenig vorsichtiger sein sollen. Wer beschwerte sich immer, ich sei so stürmisch? Alice… dabei war ich meist ein sehr ruhiger und eher zurück haltender Mensch. Normalerweise. Bei Jacob war ich eher ein wenig verrückt und durchgeknallt, und sehr spontan. Aber nur bei ihm – weil ich mich da so sicher und wohl fühlte. Und er auch so war. So ausgelassen, so fröhlich, immer zu jedem Blödsinn bereit. Aber jetzt war er das Gegenteil davon, und wenn mir nicht ganz schnell was einfiel, dann würde ich wieder mal tagelang warten dürfen, bis er sich ausgetobt hatte. Er konnte so unheimlich nachtragend sein. Mein Jacob.
 

Ich blickte in die Richtung, in die er verschwunden war. Bestimmt hatte er schon einen guten Vorsprung, aber was er konnte, konnte ich auch. Ich zerrte mir meine Kleider vom Leib, warf sie durch das offene Fenster zurück ins Zimmer und rannte schon ungeduldig los. Ach ja, die Verwandlung… ich nahm mir gar keine Zeit mehr, um lange stehen zu bleiben und mich zu konzentrieren. Ich spürte eh schon das Kribbeln und Ziehen in meinem Rücken, und so machte ich nur einen besonders langen Sprung, wobei ich den Oberkörper weit nach vorne streckte. Man, wenn das schief ging, würde ich voll auf dem Gesicht landen… aber ich schob den Gedanken beiseite und stellte mir nur das große Tier vor, und bevor mein Fuß wieder den Boden berührte, hatte er sich in eine Pfote verwandelt. Ich trabte einfach weiter und war mächtig stolz auf mich. Ich hatte es glatt geschafft, mich im Flug zu verwandeln, wie Jacob damals, als er mich vor Paul rettete. Ich stieß einen Freudenschrei aus, der nur als hohes Kläffen zu hören war, dann spurtete ich so richtig los.

Die Nase auf den Boden gerichtet, rannte ich in den naheliegenden Wald. Der Mond beleuchtete die Umgebung ausreichend, ich sah beinahe so gut wie bei Tag, aber meine Augen würden mir nicht weiter helfen, Jacob zu finden. Es war sein Duft, dem ich folgen konnte, und der lag frisch und so herrlich verlockend direkt vor mir. Ich schnüffelte, sog diesen Geruch tief in meine empfindliche Nase und war vollkommen erfüllt vom ihm. Ich musste ihn finden… und ihm alles erklären.
 

Die Spur führte schnurgerade durch den kleinen Wald, er war keine Haken gelaufen, sondern hatte wohl auf seine Geschwindigkeit gesetzt…oder er hatte sich gar nichts dabei gedacht und war einfach nur losgerannt. Ich war schnell, nicht so schnell wie Leah, aber ich hatte auch was drauf, und so holte ich weit aus und verfolgte seine Duftspur. Farnbüsche streiften meinen Körper, ab und zu knackte es leise unter meinen Pfoten, aber sonst hielt nichts meinen Lauf auf. Ich folgte seiner Fährte, ich musste mich nicht einmal konzentrieren, das Tier übernahm das mit absoluter Präzision. Und so ließ ich meinen Gedanken freien Lauf, während ich ihm schnüffelnd folgte.

Wieder stieg die Flut an Bildern in mir hoch, die mich schon auf der Fahrt hierher in meinem Transporter überfallen hatten. Sie überschwemmten meinen Kopf, und ich war froh, dass ich Wolf war und mir nicht wieder so schlecht und schummrig wurde wie als Mensch noch so kurz zuvor. Doch das Herz klopfte auch dem Tier heftig unter dem dichten Pelz. Obwohl ich ihn nirgends sehen konnte, stand mir sein Abbild umso deutlicher vor Augen: halbnackt wie so oft, seit er Wolf geworden war und die Kleidung scheute, die er sonst ständig mit sich herum schleppen musste, die muskulösen Arm vor der Brust verschränkt, den Kopf leicht geneigt und mit diesem schiefen Grinsen im Gesicht, das ich so liebte. Er fühlte sich so nahe an, als ob er direkt am nächsten Baum lehnen würde… was er aber nicht tat. Das Tier wusste, dass er sehr weit entfernt war und ich kaum aufgeholt hatte. Aber ich gab nicht auf, sondern rannte weiter. Auch ich konnte stur sein.
 

Dann verschwamm das Bild und ich sah uns auf dem Berg kurz vor der Schlacht. Er war weggelaufen nach diesem grauenhaften Schrei, und selbst in der Erinnerung stellten sich mir noch die Nackenhaare auf. Plötzlich sah ich uns beide dort stehen, genau in dem Augenblick, als er meine Arme um seinen Hals legte und sich zu mir herab beugte, um mich zu küssen. Das war noch gar nicht lange her, ich konnte mich gut daran erinnern.

Ich war so verzweifelt gewesen damals, ich hätte alles für ihn getan, damit er ja seine verrückte Idee nicht wahr machte und sich opferte. Trotzdem hatte ich erst gegen ihn angekämpft, hatte ihn noch gemein gefunden, dass er mich regelrecht erpresst hatte, um zum Ziel zu gelangen. Und ich hatte noch gedacht, ich könnte ihm widerstehen, hatte mich steif gemacht und ihn an den Haaren gezerrt, als seine Lippen meine berührten. Wie lächerlich und vergebens diese Gesten gewesen waren.

Er hatte sie nicht wahrgenommen, sich nicht darum gekümmert, sondern einfach nur sein Herz sprechen lassen. Dieses riesige, glühende Herz, das so voller Liebe für mich war. Liebe lag in jeder Bewegung, in jeder Berührung, in diesem unbeschreiblichen Kuss, mit dem er mich wach rüttelte, mit dem er mir zeigte, was in mir geschlummert hatte und was ich nie wahrhaben wollte. Meine Liebe zu ihm. Er hatte sie erweckt, oder besser aufgedeckt. Inzwischen wusste ich, dass sie genauso tief war wie die seine, denn all das Verstecken und Verbergen hatte ihrer Größe nichts anhaben können.

Und wieder spürte ich seine Hitze, fühlte seine fordernden Lippen auf meinem Mund, wieder stand mein Körper in Flammen und wieder hüllte mich die Sonne in rotes Leuchten, das durch meine geschlossenen Lider drang und meine Seele zum Strahlen brachte. Jede Gegenwehr schmolz dahin wie Eis im Frühling, und bald war ich Wachs in seinen Händen, drohte zu schmelzen, zu zerfließen und meine Form zu verlieren, genau wie meine Erinnerung, die jetzt zu verschwimmen begann. Plötzlich sah ich uns wieder als Paar dastehen, aber diesmal fühlte ich mit dem großen, dunklen Jungen, der mich beinahe verschlang, der vor Begehren und Erfüllung völlig überwältig war, der sich tief hinunter beugte und mit geschlossenen Augen und voller Inbrunst das Mädchen küsste, dass er in den Armen hielt. Es war ein schönes Bild, wunderschön, und ich seufzte auf, als ich es sah, aber zu hören war nur ein Winseln, das mich ein wenig aus meinen Träumen riss. Ich streifte die Erinnerung kurz ab, um die Umgebung zu kontrollieren, die Landschaft und mein Ziel nicht zu vergessen. Ich folgte immer noch der Spur, die vor mir lag - ich hatte sie nicht verloren. Dieser verlockende Duft lag immer noch weit vor mir, und ich kam ihm kaum näher. Jacob, so bleib doch stehen… Diese Szene kam mir so bekannt vor, sie erinnerte mich an den Traum, den ich gerade erst geträumt hatte: wie Jacob mich von Edward weg gezerrt hatte und ich seiner Spur folgte, tief in den Wald hinein, und wie ich immer seinem Geruch folgte, bis ich ihn erreichte. Würde ich ihn auch diesmal finden?

Ich schickte Jacob meine Gedanken hinterher in die vom Mondlicht beschienene Landschaft, ich bettelte darum, dass seine Gestalt bald in der Ferne auftauchen würde, dass ich ihn zum Anhalten bringen könnte, dass er mich anhörte, mich erklären ließ. Aber kein riesiger, rostbrauner Wolf tauchte auf, ich begegnete nur kleinen Tieren, die in der Nacht unterwegs waren um Futter zu suchen.

Weiter lief ich, ließ mich nicht beirren und folgte automatisch der Spur, während meine Gedanken wieder zurückkehrten zu meinem süßen Traum. Wieder stand ich mit Jacob auf dem eisigen Berg, fest umschlungen von seinen kräftigen Armen und eng an seine nackte Brust gedrückt. Ich meinte ihn überall zu spüren, empfand seine Hitze wie die meine, wieder bebte mein Herz und zitterten meine Lippen, als ich ihn zurück küsste. Ich konnte nicht mehr sagen, wo die Grenzen unserer Körper waren, sie schienen aufgehoben zu sein, er war ich und ich war er. Ewig wollte ich in dieser Erinnerung verharren, aber sie entglitt mir, wurde unscharf, um dann doch wieder deutlich zu werden, nur wechselte sie die Perspektive. Und dann sah ich mich auf einmal durch seine Augen.

Ich sah mein Gesicht, das vor Aufregung leicht gerötet war, die Augen noch geschlossen, meine dunklen Wimpern warfen lange Schatten auf der blassen Haut über den Wangenknochen. Ich spürte meinen eigenen Puls unter seinen Händen, das wilde Pochen, das nichts war gegen das in seiner Brust. Er zitterte, seine Beine gaben fast nach und er hatte Angst, den Halt unter den Füßen zu verlieren. Er war durcheinander und völlig benommen, und trotzdem durchdrang ihn mit eisiger Schärfe die Erkenntnis, dass der Kuss nur gestohlen und der Augenblick nur geliehen war. Ich spürte dabei seine Gefühle für mich, die er mir entgegen brachte und die überquollen und kaum zu halten waren. Uferlos, kein Ende in Sicht!
 

Er verspürte den Wunsch, mich einfach zu packen und mit mir auf den Armen wegzulaufen, so wie er mit mir den Berg hinauf gelaufen war, aber da unten warteten seine Kameraden, dort war ein Feind zu bekämpfen, und der noch größere lauerte in nicht allzu großer Entfernung hinter ihm und würde ihm das Mädchen wieder rauben. Er wollte es nicht wahrhaben, wollte vergessen, und darum er küsste mich wieder, so stürmisch und wild und voller Schmerz, als ob er die Wirklichkeit damit abstreifen und verdrängen könnte.

Erneut wanderte die Sicht und es war wieder ich, die sich erinnerte an dieses seltsame Bild, wie es hätte mit uns sein können, an Billy, Renée und Charlie in La Push und den beiden kleinen, schwarzhaarigen Kinder, die wild auf und ab hüpften und die irgendwie uns gehörten. Ich war glücklich und traurig zugleich, und der Schmerz nahm mit der Erkenntnis zu, dass es nur eine Illusion war. Die Realität sah anders aus.

Dann war es wieder er, der mich verwundert ansah und dann glücklich lächelte. Damit hatte er nicht gerechnet, dass ich ihn so küssen würde, und sein Herz tat einen Sprung. Er hatte nur provozieren wollen, aber so eine Reaktion hätte er nie erwartet. Noch einmal beugte er sich zu mir herab und küsste mich, so zärtlich, so zögerlich, so fragend, und alle Härte war vollkommen verschwunden. Er bestand nur noch aus grenzenloser Liebe, aus glühendem Herz. Das Gefühl war so übermächtig, und es schien mich einzuhüllen wie eine warme Decke. Ich fühlte es in meiner Erinnerung, konnte es beinahe fassen wie ein echtes Stück Stoff, das mich umfing, mich barg, und die Vorstellung, diese Art des Umschlungenseins jemals wieder verlieren zu müssen, wieder hinaus in die Kälte treten zu müssen, war unvorstellbar.

Genau in diesem Augenblick war damals mein Herz zersplittert, und so bekam das Bild in meiner Erinnerung Risse, es zersprang, platzte auseinander, zerbarst mit einen schrillen, grässlichen Laut, und ich spürte wieder meine Verzweiflung von damals, zu wissen, dass es nicht sein durfte, dass ich das nicht zulassen durfte, dass es falsch war… nein, halt, falsch gewesen war… das war vorbei…

Ich versuchte diese Erinnerungen zu stoppen, versuchte dagegen anzuführen, dass sich nun so vieles geändert hatte. Mein Herz war frei, und es gehörte nur noch ihm. Aber anstatt dass sich Zuversicht auftat, überrollte mich abgrundtiefer Schmerz, der so heftig war, dass er mir den Atem raubte. Er breitete sich immer mehr in mir aus, nahm mir die Luft, schnürte mich ein und drohte mich zu ersticken.

Ich meinte es nicht mehr auszuhalten, mein ganzer Geist bestand nur noch aus brüllender Höllenqual, die mich zu übermannen drohte. Ich hatte das Gefühl, dass es mir die Beine unter dem Körper weg riss, doch das Tier rannte zielsicher weiter ohne zu straucheln. Ich kämpfte dagegen an, versuchte meine Liebe dagegen zu stellen, meine Sehnsucht, meine Hoffnung, dass nun alles gut werden würde, aber es half nichts, seine Qual war um so vieles größer. Ich versuchte mit aller Macht, die Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen, die ein so mächtiges Echo zu haben schienen, das aus seinem puren Leid bestand, mich gehen lassen zu müssen. Dabei hatte sich doch nun alles gewandelt. Ich gehörte ihm, und nichts konnte uns mehr trennen. Es war nicht mehr falsch, ihn zu lieben, ich konnte das jetzt zulassen.
 

Ich winselte und fiepte, schüttelte das mächtige Haupt, um all diese quälenden Gedanken los zu werden, die ich nicht mehr länger ertrug. Warum spürte ich ihn so hautnah, warum marterten mich seine Gefühle, als ob es meine eigenen wären? Aber anstatt mich von der Qual befreien zu können, stieg jener Abschied an seinem Bett wieder in mir auf, und ich sah noch einmal seinen schrecklich malträtierten Körper, wie er schweißüberströmt dalag, die Augen so erschreckend leer und ohne Leben. Danach hatte ich einen Tag lang ununterbrochen geweint, hatte nicht mehr aufhören können, und der grauenhafte Schmerz stieg wieder in mir hoch, den ich damals empfunden hatte, verdoppelt und verdreifacht durch den seinen, und ich spürte sein Herz, das damals zersprungen war, das ausblutete und nur noch leer und schlaff in seiner zerschmetterten Burst zurück geblieben war, genauso wie der Teil meines Herzens, der damals zerbarst und sich von dem anderen Teil gelöst hatte.

Jetzt strauchelte sogar das Tier und fiel über eine Wurzel ins feuchte Moos. Es war zu viel, viel mehr, als ich ertragen konnte, und ich rappelte mich auf, riss den Kopf hoch und jaulte verzweifelt den roten Mond an. Klagend hallte mein einsamer Ruf durch die nächtlichen Wälder, und ich meinte schon, er würde unerhört verhallen. Noch einmal setzte ich an, heulte laut mein Leid hinaus und lauschte, ob ich eine Antwort vernehmen konnte. Endlich wurde mein Ruf aus einiger Ferne erwidert. Er hörte mich also. Warum konnte er dann nicht einfach stehen bleiben? Warum war er nur so verdammt stur?
 

Ich wollte lieber keine Erinnerungen mehr haben und verschloss daher meinen Geist, bevor es mich zerriss, konzentrierte mich nur noch auf die Spur und ihre Verfolgung. Ich legte noch einiges an Geschwindigkeit zu, merkte aber schon bald, dass ich an die Grenzen meiner Ausdauer gelangt war. Wölfe konnten stunden-, ja tagelang in einem völlig gleichmäßigen, geschnürten Trab laufen, aber sprinten oder auch nur ein schnelleres Tempo einzuhalten war ihnen nicht lange möglich. Jake war als Wolf viel größer als ich, seine Beine um einiges länger, und so konnte er mir leicht davon laufen, ohne sich noch groß dabei anstrengen zu müssen. Meine Nase sagte mir, dass ich ihm kein bisschen näher gekommen war, er hatte den Abstand sogar wieder vergrößert und ich wusste, dass ich keine Chance hatte, ihn einzuholen, wenn er nicht wollte. Ich war am Ende meiner Kraft angelangt, mein Herz hämmerte schon, und meine Seele tat mir weh. So erklomm ich noch die kleine Anhöhe, um von dort aus Ausschau nach ihm zu halten, aber ich konnte ihn nicht ausmachen, keine Rascheln, keine Bewegung, nichts, nur die nächtliche Landschaft beschienen von dem kupfernen Mond. Ich legte den Kopf in den Nacken und heulte langezogen. Es klang klagend und voller Einsamkeit, und ich hörte ihn antworten, wie jeder Wolf antworten musste, wenn sein Rudel ihn rief, aber es kam von sehr weit entfernt, und ich wusste, dass es Zeit war, aufzugeben. Enttäuscht warf ich einen letzten Blick in seiner Richtung, dann drehte ich mich um und zockelte langsam wieder zurück zu Billys Hütte.
 

Ich hatte mir viel Zeit gelassen für die Strecke, denn ich war müde und erschöpft und wollte auch irgendwie die Hoffnung nicht aufgeben, dass er doch noch nachkam – aber vergebens. Ich sehnte mich mehr nach Jacobs breiter Brust als nach seinem Bett, um dort zu rasten und kletterte müde durch die Öffnung des kleinen Fensters, als ich endlich mein Ziel erreicht und mich zurück verwandelt hatte. Trotzdem schlich ich noch leise unter die Dusche, um mir endlich den Vampirgeruch abzuwaschen, putze mir die Zähne und legte mich dann nur mit dem Handtuch um den Körper gewunden ins Bett. Und bevor ich den Kopf noch auf das Kissen legen konnte, war ich bereits eingeschlafen.
 

Das Zimmer war schon vollkommen hell und die Vögel schmetterten ihre Lieder, als ich endlich erwachte. Billy rumorte nebenan herum und klapperte mit Geschirr. Ich riss die Augen auf und sah mich um. Der Platz neben mir war leer… Jacob war nicht gekommen, ich lag alleine in dem viel zu großen Bett. Völlig erschöpft von dem langen Lauf in der Nacht und vor allem von dem Schwall an Erinnerungen und Gefühlen blieb ich noch eine kurze Weile liegen. Es war Jacob gewesen, den ich in dieser Nacht gespürt hatte, da war ich mir sicher, und ich war schockiert, wie sehr er immer noch litt. Ich wusste nicht, welche Verbindung wir zueinander gehabt hatten, und ob es das war, was sie Rudelfunk nannten. Auf alle Fälle war es heftig gewesen, und wenn nur ein Bruchteil davon real war, dann würde ich mich schon wundern, wenn Jake überhaupt wieder aus dem Wald gekrochen kam. Ich würde nichts anderes tun können als warten.
 

Ich beschloss, aufzustehen und zog mich an. Leise öffnete ich die Türe und erblickte Billy, der in seinem Rollstuhl vor dem Herd saß und in einer Pfanne rührte. Mit einem verschämten „Guten Morgen“ schlich ich aus dem Zimmer und zog die Türe hinter mir zu, denn mir war klar, dass er unseren Krach in der Nacht durchaus mitbekommen haben müsste. Wir waren nicht gerade leise gewesen bei unserem Streit. Was er sich jetzt wohl dachte, vor allem, wo ich so überraschend mitten in der Nacht wieder aufgetaucht war? Aber er schien ein wenig in Gedanken verloren zu sein.

„Hahtsch tsche-eeh“ war alles, was er murmelnd heraus brachte, und ich vermutete, dass es ein Gruß war. Ich rührte weiter für ihn in der Pfanne mit Rührei und Speck, verteilte es auf die zwei Teller, die er gleich aufgedeckt hatte, als er mich gesehen hatte und setzte mich zu ihm an den Tisch. Wie immer war ich hier willkommen, und wie immer war ich sehr hungrig.
 

„Er ist nicht da?“, fragte er mich nach einiger Zeit. Ich schüttelte nur verneinend den Kopf, spießte stumm mein Rührei auf und biss ein Stück Toast ab. „Er kommt schon wieder. Gib ihm einfach etwas Zeit“, versuchte er mich zu trösten, und ich befürchtete, dass er mehr mitbekommen hatte, als mir lieb war.

„Ich weiß nicht, er war ziemlich sauer auf mich“, entgegnete ich gepresst zwischen zwei Bissen Brot und schaute trübe vor mich hin. Meine ganze Freude, die ich mit Jacob teilen wollte, war verflogen, und ich hatte keine Ahnung, wann er wieder auftauchen würde. Er konnte ziemlich lange schmollen, das wusste ich schon zu Genüge. Und Grund dazu hatte ich ihm auch mehr als genug gegeben. Außerdem musste ihm in all seinem Schmerz erst einmal klar werden, was ich versucht hatte, ihm mitzuteilen. Und ich wusste ja nicht einmal, ob er mich überhaupt noch wollte. Ich seufzte tief, bevor ich das Glas Orangensaft an die Lippen setze. Es war der letzte Schluck, und ich würde nach dem Frühstück gleich für Billy einkaufen gehen, das Mindeste, was ich tun konnte, wo ich ihm schon den Kühlschrank leer futterte.
 

Ich merkte gar nicht, dass Billy mich die ganze Zeit beobachtete, aber als ich aufsah, sah ich direkt in seine besorgten, dunklen Augen. Er wirkte ein wenig geistesabwesend, und bestimmt hatte er eine Menge Fragen, vor allem darüber, was ich hier suchte, nachdem ich so fluchtartig sein Haus verlassen hatte und warum sein Sohn nun tobend davon gelaufen war.

„Ah yah soh tschid?“ Wieder Worte in dieser seltsamen, weichen Sprache. Nur mit Jacob sprach er sonst in seiner Muttersprache, aber die beiden waren jetzt schon wieder einige Zeit alleine gewesen und hatten sich bestimmt wieder daran gewöhnt.

„Billy, ich kann dich nicht verstehen“, entgegnete ich und schaute ihn fragend an. Anscheinend hatte er gar nicht bemerkt, dass er die andere Sprache gewählt hatte, und er setzte nach.

„Geht es dir gut, Mädchen?“ Sah ich so besorgniserregend aus, dass er mich nach meinem Befinden fragte? Ich hätte eher gedacht, dass er sauer auf mich war, weil ich Jacob vertrieben hatte. Ihm ging es nicht gut, um ihn sollten wir uns Sorgen machen. Aber er hatte nun mal mich gefragt, und ich grübelte, wie ich es ihm beschreiben konnte. Sollte ich ihm überhaupt etwas erzählen? Gar noch von Edward? Das war ein kniffliges Thema, und ich wusste nicht, wie ich beginnen und was ich überhaupt sagen sollte, aber bevor ich zu sehr nachdachte, fing ich einfach an. Er hatte mir auch vom Tod seiner Frau erzählt, und das war ein viel heikleres Thema gewesen als die Trennung von einem Freund.

„Es ist alles weg.“

Er blickte mich ziemlich verständnislos an. Vielleicht sollte ich doch nicht einfach damit rausplatzen. Aber andererseits drängte es mich auch, über alles zu reden. Es war noch kein Tag vergangen, seit ich mit Edward Schluss gemacht hatte, und trotzdem kam es mir wie eine Ewigkeit vor.

„Ich habe mich von Edward getrennt, weil all meine Gefühle für ihn einfach verschwunden waren.“

Er konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, und ich musste dran denken, dass er wohl auch nicht gut auf den Vampirjungen zu sprechen war. Er hatte seine Abneigung aber nie so offen gezeigt wie die anderen.

„Und da bist du gleich hergekommen, um es Jacob zu sagen?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

„Na ja, ihm wollte ich vor allem sagen, dass meine Gefühle für ihn nicht verschwunden sind. Ganz im Gegenteil… aber das ist wohl nicht so gut angekommen…“ Ich nagte an meiner Unterlippe und blickte auf den Tisch. Irgendwie war es mir schon peinlich, mit Jacobs Dad über ihn zu sprechen.

„Das wird schon wieder“, versuchte er mich erneut zu ermutigen. „Lass ihm Zeit, der kommt zurück. Er ist schon lange völlig verrückt nach dir. Vielleicht war das einfach nur zu viel für ihn…“ Und er zwinkerte mir sogar zu. Ich wusste ja, dass er und Charlie schon lange versuchten, Jake und mich zu verkuppeln, und auch wenn mich das sonst immer geärgert hatte, so freute ich mich heute, hier einen Verbündeten zu haben.
 

„Was ist denn mit deinem Edward auf einmal gewesen? Ihr habt doch heiraten wollen?“

Ich zuckte mit den Achseln. Mir kam es ja selbst unglaubwürdig vor, so als ob mir jemand eine schräge Geschichte erzählte.

„Ich kann es selbst nicht so recht beschreiben. Es war alles so unwirklich. Ich hatte ihn lange nicht mehr gesehen, weil ich erst sicher gehen wollte, dass ich ihn ja nicht noch einmal anfallen würde. Sam hatte mir auch jedes Treffen verboten, bevor er mir sein Okay dazu gab, damit ich ja den Vertrag nicht verletzen würde.“ Billy nickte, er kannte Sams Eifer.

„Und gestern ist er dann gekommen… und alles war weg.“ Ich klang richtig verzweifelt, denn auch wenn es eine Tatsache war, so hatte ich immer noch Probleme, es zu verstehen. „Billy, das kann doch nicht sein ... dass Gefühle einfach verschwinden? Dass sie sich in Luft auflösen, einfach so.“ Und ich schnippte mit den Fingern.
 

Ich hätte nicht gedacht, dass der sonst immer so stille Mann mir eine Antwort geben würde.

„Das kommt bestimmt von deiner neuen Werwolfpersönlichkeit. Dass du Edward auf einmal nicht mehr leiden konntest.“ Er versuchte mich tatsächlich zu trösten.

„Aber wie kann ich mich denn noch auf meine Gefühle verlassen, wenn sie einfach so vergehen? Kann mir das nicht wieder passieren?“ Denn das war das letzte, was ich Jacob jemals antun wollte. Das würde er nicht überleben, und daher war es mir so wichtig, hierauf eine Antwort zu wissen.

„Mit einem Vampir schon – halt dich lieber an Werwölfe, da hast du länger was von.“ Ich schaute Billy überrascht und auch ein wenig verärgert an. Das saß er mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht und machte allen Ernstes Scherze, und das auch noch über mein Liebesleben. Na ja, vielleicht sollte ich es wirklich nicht so ernst nehmen und mir so gewaltige Vorwürfe machen. Trotzdem war ich wirklich verzweifelt. Bisher war ich immer von der Größe meiner Gefühle überzeugt gewesen. Sie hatten mich stark gemacht, hatten mich die wahr gewordenen Schauergeschichten überleben lassen, hatten mich ohne Zögern an meiner Liebe festhalten lassen, meinen Freundschaften. Ich konnte immer noch nicht fassen, dass sie verstrichen wie ein Lufthauch.

„Jetzt mal im Ernst, Billy. Du hast doch auch schon geliebt. Ist deine Liebe für deine Frau denn einfach so vergangen?“ Ich sah ihn neugierig an, gleichzeitig wurde mir bewusst, was ich ihn da fragte. Du meine Güte, ich hätte nie gewagt, mit Charlie so etwas zu reden. Seine Gefühle für meine Mam waren immer absolut unantastbar gewesen, er hätte mir nie eine Antwort gegeben. Und mit dem Seelenleben seiner Tochter war er ebenfalls gnadenlos überfordert. Aber vielleicht war er ja auch nur ein besonders schweigsames Exemplar von Mann der alten Baureihe, das über Gefühle noch nicht reden konnte. Bei den modernen Jungs lief das schon ganz anders – zum Glück.

Tatsächlich legte Billy die Gabel beiseite und setzte zu einer Antwort an. „Ich liebe meine Frau noch wie damals.“ Ich schluckte, als ich die Trauer in seinen Augen sah und bereute, diese alte Wunde wieder aufgebrochen zu haben. „Aber das ist etwas anderes. Sie wurde mir… entrissen.“

Ich nickte nur. Billy wusste bestimmt, was es hieß, endlos zu lieben.

„Aber ich hatte auch Frauen vor ihr geliebt. Sie war nicht die erste, und ich kann dir versichern, dass Liebe nun auch mal vergehen kann. Auch wenn du im Augenblick meinst, das sei der Gipfel, das höchste, was dir jemals widerfahren wird, so wird erst die Zeit beweisen, wie groß deine Gefühle wirklich sind.“ Betreten schaute ich auf den Tisch.

„Liebe muss Zeit haben, muss wachsen dürfen, und vor allem muss sie erwidert werden. Am Anfang kommt dir jede überwältigend vor, aber erst die Jahre macht sie wirklich groß.“

Gut, er hatte mehr Erfahrungen, war verheiratet gewesen, hatte Kinder. Aber ich war mir so sicher gewesen, dass ich Edward für immer lieben würde, sonst hätte ich Jacob doch nie so verletzt. Trotzdem wollte ich nicht einfach so klein bei geben.

„Aber es können sich doch nicht all meine Empfindungen in Rauch auflösen?“.

Billy legte seine Hand auf meine und packte mich tröstend am Handgelenk.

„Liebe kommt, Liebe geht. Da kannst du nichts dagegen machen. Und vor allem nicht in deinem Alter.“ Wieder grinste er. Vielleicht hatte er ja Recht und ich steigerte mich da nur zu sehr in eine Jungmädchenschwärmerei hinein. Aber so war es mir nie vorgekommen. Mit Edward war alles so bedeutsam gewesen, ja richtig dramatisch. Auch wenn ich das mit der Hochzeit schon gewaltig übertrieben gefunden hatte. So ernst hatte ich es dann doch nicht haben wollen. Vielleicht sollte ich Beziehungen in meinem Alter doch noch etwas lockerer sehen… aber nie könnte ich mit Jacobs Gefühlen spielen. Nie! Billy redete da so leicht daher.

„Würdest du das auch noch sagen, wenn meine Gefühle für Jake einfach verrauchen würden?“ Aber er antwortete gleich ohne zu zögern.

„Ja, denn du kannst nichts erzwingen. Liebe ist nicht beeinflussbar. Man kann sie nicht erzwingen… nur annehmen.“

Damit schien sein Sohn aber gerade ein gewisses Problem zu haben. Aber Billy hatte Recht. Ich seufzte und fühlte mich auch irgendwie beruhigt. Ich drückte seine Hand mit meinen Fingern und lächelte ihn an.

„Du gibst mir Bescheid, wenn er wieder auftaucht?“ „Natürlich! Und mach dir keinen Stress, das wird schon alles wieder.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Legoory
2012-01-15T16:52:27+00:00 15.01.2012 17:52
Mir wird Billy immer sympathischer xD
Der Typ ist so cool, wie er Bella mit Scherzen aufmuntert. Und das braucht sie jetzt.
Von: abgemeldet
2010-12-19T21:50:40+00:00 19.12.2010 22:50
Hui. Das war ja wieder ein Kapitel.
Besonders gut finde ich hier, das Bella Vertrauen gegenüber Billy zeigt indem sie mit ihm über Jacob redet und seinen Rat auch annimmt.
Und ich hoffe das Jake noch einmal an den Kuss zurückdenkt und bemerkt wie viel aufrichtige Liebe in ihm gesteckt hat!

Hm, kommt jetzt erst ein Kapitel aus der Sicht von Jacob oder schon die Fortsetzung? Oder vielleicht ein Kombikapitel mit beidem?
Ich bin herrlich aufgeregt >_<
Und hoffe natürlich das du sehr schnell weiterschreibst!
Und liebe Grüße an den Freund, dem es hoffentlich besser geht ^^
Yuki♥
Von:  saso2
2010-12-19T21:37:10+00:00 19.12.2010 22:37
echt wieder mal schönes kapitel freu mich echt aufs nächste
Für einen moment hab ich echt gedacht das sie jetzt jacob doch hören konnte also durch rudel funk ^^
Von: abgemeldet
2010-12-19T19:20:31+00:00 19.12.2010 20:20
aaaaaaaaaaaaa amch bitte gaaaaaaaaaaaaaanz schnell weiter!!!!!

boah...ich kann heute nacht bestimmt nicht schlafen!!! was meinst du wie lange du brauchst???

ich bin richtig gespannt!!!!

lg
Von:  eilatan89
2010-12-19T16:09:42+00:00 19.12.2010 17:09
Billy scheint ja richtig Verständnis für Bella zu haben.
Echt schön beschrieben besonders die Gedanken wie die Zukunft sein würde.
vielleicht kriegt sie das doch noch hin mit dem Wolfs-funk wer klasse.
Wird es eigentlich noch eine Sicht von Jacob geben wie er die Sache sieht? was er fühlt? er scheint ja genauso zu leiden wie Bella, aber was denkt er darüber. Echt klasse das Kapitel freu mich schon auf das nächste!


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