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Nippon no Makai

Japans Hölle
von

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Familie

"Make, geh ins Bett."
 

"Nein."
 

"Wieso nicht?"
 

"Aiko darf auch noch wach bleiben! Ich find's ungerecht."
 

"Das ist egal, du gehst jetzt schlafen."
 

***
 

Da lag sie nun, als kleines, schwarzhaariges Mädchen von gut elf Jahren zwischen hellblauem Bettbezug, starrte mit klaren, ebenso schwarzen Augen die dunkle Decke ihres Zimmers an und seufzte. Ihr Magen knurrte laut, was der einzige Grund war, weshalb sie noch immer wach war. Wieder einmal war sie ohne Abendessen auf ihr Zimmer und schließlich ins Bett geschickt worden. Hätte sie zu diesem Zeitpunkt schon das Wort Willkür gekannt, in Zusammenhang mit ihren Pflegeeltern hätte sie es längst verwendet.
 

Make rollte sich auf die Seite, hielt ihren Bauch, als ob sie so das ständige Knurren unterbinden könnte. Zwecklos, ihr Magen schien fast zu lachen, als er das nächste Mal grummelte. Tränen stiegen ihr in die Augen. "Was hab' ich denn getan?", fragte sie sich selbst leise. Geduldig mit sich selbst schluckte sie die aufkommende Trauer und Verzweiflung tapfer hinunter.
 

Sie wusste es nicht genau. Vielleicht hatte sie irgendwann als Baby ihren Brei hinuntergeworfen oder nicht aufgegessen. Es gab viele Theorien, aber keine, die ihr wirklich gefiel. Vielleicht gab es den komischen, alten Mann über den Wolken aber auch wirklich und er mochte sie einfach nicht. Dabei kannten sie sich nicht einmal. Und wenn er doch existieren sollte, was sie stark anzweifelte, so würde sie ihn sowieso hassen.
 

Für was genau, brauchte sie gar nicht lange überlegen: für alles, was bisher schiefgegangen war. In ihren Augen war das eine Menge, aber es aufzuzählen, würde viel zu lange dauern. Außerdem würden die angestaute Trauer und die vielen, nicht vergossenen Tränen an die Oberfläche gespült, sodass sie nicht länger an sich halten und in lauten Trauerschreien ausbrechen würde. Nein, das brauchte sie bei weitem nicht. Aber es war ein guter Weg, um den Hunger zu bekämpfen.
 

***
 

Irgendwann, es musste weit nach Mitternacht gewesen sein und sie war von ihren Überlegungen nur noch hungriger geworden, schlich sie sich hinunter in die Küche. Sie konnte die helle und freundliche Einrichtung des Hauses nur erahnen, musste sich über die Arbeitsfläche aus hellem Holz vorwärts tasten, um zum Kühlschrank zu gelangen. Der Boden unter ihren Füßen knarrte nicht, wenn sie wie auf leisen Pfoten darüber schlich. Kaum ein Licht der Straßenlaternen fand den Weg in das große Zimmer. Bestimmt war noch etwas vom Abendessen da, oder sie konnte sich unbemerkt ein Brot schmieren. Während Make in dieser Hoffnung den Kühlschrank durchstöberte, bemerkte sie nicht, wie sich jemand von hinten an sie heranschlich. Sie nahm eine schwere Salatschüssel aus dem Kühlschrank, stellte sie auf die Anrichte und nahm den Deckel vom Glas, um den Inhalt genauer zu inspizieren. Die Hände waren wie zum Schutz um die Schüssel gelegt.
 

Erst als eine bekannte Stimme hinter ihr ertönte, wurde ihr bewusst, dass sie beobachtet worden war. Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken, geprägt von Angst und Schock, als sie die Worte hörte: "Hab' ich dich! Das sag' ich Mom und Dad, du Diebin!"
 

Make wirbelte, die Schüssel noch immer in den Händen, herum und sah kurze, blonde Haare um ein rundliches Gesicht. Aiko, erkannte sie sofort, denn das Licht des offenen Kühlschrankes schien dem anderen Mädchen direkt ins Gesicht und erleuchtete ihre zierliche und dünne Figur, die so gar nicht zu dem rundlichen Gesicht passen wollte.
 

Noch im selben Augenblick, als sie dies alles bewusst wahrnahm, glitt ihr die Schüssel aus den ausgestreckten Händen und traf das andere Mädchen ihr gegenüber direkt auf den kleinen Brustkorb. Die Schüssel ging zu Boden, zerbrach, und nur Sekunden später trat Aiko taumelnd in einen der Glassplitter. Mit einem lauten Aufschrei fiel die Blonde nach hinten. Ihren Fuß hielt sie in die Höhe gestreckt, sodass Make selbst im Licht des Kühlschrankes erkennen konnte, dass die Scherbe tief im Fleisch steckte. Fast ungerührt, vielleicht auch ein wenig schadenfroh und sehr verwundert über sich selbst war sie unfähig, den Blick von der Verletzung abzuwenden.
 

Es dauerte nicht lange, da waren das Wohnzimmer und die Küche hell erleuchtet, die Eltern wach und Make saß ganz still in einem beigefarbenen Sessel. In sich zusammengekauert musste sie sich Vorwürfe und Absichten von ihrer Stiefmutter unterstellen lassen, zusammen mit dem Hinweis, man wolle sie nicht mehr haben.
 

Ihr Stiefvater war mit Aiko auf dem Weg ins Krankenhaus.



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