Coffee or Tea?
Meine Fingernägel waren schon wieder abgenagt. Ich fragte mich, warum ich das immer tat. Ich bemerkte es nicht einmal. Es war einfach eine Art Gewohnheit, in der ich meine Nervosität abbaute. Nur das einzige Problem bei der ganzen Angelegenheit war, dass ich keinen Grund hatte nervös zu sein. Doch dieses Gefühl der Beklemmtheit ließ nicht locker. Ich versuchte es abzuschütteln, es zu ignorieren oder durch andere Tätigkeiten zu ersetzten. Und dann waren wir schon wieder beim Thema. Meine grässlichen Fingernägel. Ich kaute wieder darauf rum.
Wütend steckte ich meine Hände in die Jackentasche um nicht mal in Versuchung zu kommen. Ich blickte auf die Tischkante, die vor mir war. Es war ein altes Holz, wo Jugendliche mit ihren kleinen Taschenmesser Wörter eingeritzt hatten. Das ganze Café war alt. Ich fragte mich warum sie mich ausgerechnet in diese gottverlassene Ecke treffen wollte. Immerhin gab es auch ablegenderer Plätze in der Stadt, die nicht so schäbig aussahen. Ich holte meine Hände doch raus. Da ich nichts zu tun hatte, fing ich an den Rest meines Nagellacks, der schon eh von alleine abblätterte, abzuschaben.
Ich beginn vor Langweile an meine Französischvokabeln im Kopf aufzusagen. Vielleicht tat ich es auch nur um mich abzulenken. Es stimmte schon, dass ich ziemlich viel für die Schule tat und mich richtig ins Zeug legte, wenn eine Arbeit anstand, aber ich hatte auch andere Hobbies. Wobei Lernen ja nicht direkt ein Hobby ist. Es ist einfach wichtig und darüber wird nicht diskutiert. Man kann das mit der Religion vergleichen. In der Kirche fragt keiner, wie und warum. Es gibt Gott einfach und weitere Erklärungen werden nicht geliefert. Vielleicht ist das der Grund warum ich Atheist bin.
Aber zurück zu meinen Französischvokabeln. Venir, partir, sortir, mentir... Apropos Lügen. Ich war immer noch ziemlich sauer auf meine angebliche beste Freundin. Ich wusste echt nicht was sie sich dabei gedacht hatte. Und ich dumme Nuss hab ihr auch noch vertraut. Eigentlich konnte ich es mir auch denken, dass sie das sie diese Gelegenheit ausnutzen würde. Natürlich auf meine Kosten. TenTen sollte nämlich ein Coverbild für die nächste Schulaufführung machen und diese Plakate an möglichst viele Stellen an der Schule kleben. Da staunte ich nicht schlechte als ich an der Schule ankam und neue Tapeten an der Wand hangen. Erst nach näherem Hinsehen bemerkte ich, dass diese neue Renovierung eine Vervielfältigung meines Gesichtes war. Ich meine warum ich?! Ich spielte doch nicht einmal mit!
Es war richtig peinlich gewesen den Leuten ins Gesicht zu schauen. Ich hatte diesen Schultag nur mit viel Ignoranz, Sarkasmus und Witz überlebt, doch TenTen hab ich erst mal in den Grund und Boden beschimpft und ihr vorgeworfen, dass sie eine schlechte Freundin sei. Jedoch nahm sie das mit kühler Gelassenheit und fand die Situation so sehr amüsant, dass sie sogar an fing zu schmunzeln. Ich spürte noch immer die spöttischen Blicke in meinen Rücken. Reflexartig drehte ich mich um, um einen der Schüler dabei zu erwischen wie er mich anstarrte. Stattdessen senkte ein angetrunkner Mann peinlich berührt den Blick. Klasse, der Tag wurde immer besser. Am Ende würde ich noch vergewaltigt am Straßenrand liegen, während mir in Obdachloser eine Leber klaute.
Ich versuchte mir einzureden, dass ich nur Paranoia besaß und das ich den lüsternen Blick des Mannes mir nur einbildete. Oh gottverdammt, warum zur Hölle musste mich meine eigene Mutter nur hier herbestellen plus zu spät kommen? Wenn sie in den nächsten 10 Sekunden nicht auftauchte, war ich weg. Um mein Hirn zu fördern zählte ich es sogar auf Spanisch runter.
Diez.
Nueve.
Ocho.
Vielleicht war es besser, dass sie nicht auftauchte.
Siete.
Seis.
Cinco.
Dann brauchte ich nicht länger hier zu verweilen.
Cuatro.
Tres.
Ich stand vom Hocker auf um mich auf den Endspurt vorzubereiten.
Dos.
Mein Blick war ununterbrochen auf die Eingangtür gerichtet.
Uno.
Aus. Es war vorbei. Ich konnte es kaum glauben, dass das Schicksal diesmal auf meiner Seite war. Zufrieden schnappte ich meine Tasche, hing sie über meine Schulter und bewegte mich auf die Tür zu. Nur für eine Sekunde richtete ich meinen Blick auf meine Schuhe, als schon die Türe aufschwang und eine ziemlich zierliche Frau, dessen Antlitzes überhaupt nicht zu diese Absteige passte, reinspazierte und mich umarmte.
„Mom!“, presste ich hervor und drückte sie von mir weg. Ich hasste es wenn sie das tat.
„Ich habe Neuigkeiten zu berichten, Liebes.“, verkündete sie mir freudestrahlend und zerrte mich wieder auf den Hocker auf dem ich eben saß. Sie selber, setzte sich neben mich auf den Stuhl. „Also, möchtest du Tee oder Kaffee?“ Ich wusste, dass sie nur höflich sein wollte, eigentlich interessierte es sie nicht ob ich trinken wollte oder nicht. Doch aus reiner Neugier um ein bisschen die Psyche meiner Mutter zu provozieren, bejahte ich ihre Frage. Wie erwartet, winkte sie nur ab und meinte, dass ich es später bekäme. Ich fing fast an zu Lachen. „Was ist denn jetzt, Mom? Du bist ja völlig aufgedreht.“
„Okay, ich erzähl’s dir. Also...“ Sie packte mich an den Schultern und hielt mich fest, als ob ich jeder Zeit Feuer unter Hinter fangen könnte und wie eine Rakete ins All schießen würde. Ihre Augen glitzerten und wurden vor lauter Glückseligkeit feucht. Ich fragte mich echt, was sie genommen hatte.
Doch wenn ich recht überlege, war sie schon seit einigen Tagen so hyperaktiv gewesen und benahm sich wie ein Teenager. Das war mir besonders gut aufgefallen, weil seit dem Tod meines Vaters sie nie richtig etwas in Stimmung bringen konnte. Jetzt wurde ich tatsächlich neugierig, obwohl ich dieses Gefühl auf jeden Fall vermeiden wollte. „Ich...“, fing sie noch mal an und langsam raubte mir das den letzten Nerv. Wenn sie meine Geduld weiterhin überstrapazierte, verlor es einfach den Effekt danach. Doch ich hätte nicht erwartet, dass was sie mir jetzt berichtete mich noch tagelang in Schockstarre versetzen würde.
„Mooom...“, sagte ich ungeduldig und krallte mich unbewusst an meiner Jeanshose fest. Meine Mutter wurde rot im Gesicht und öffnete ihren Mund um es endlich auszusprechen.
„Ich werde heiraten.“
Die Erinnerungen der Geschehnisse nach dieser Aussage blieben mir bis heute vorenthalten.
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Das ist der noch beinahe nichtssagende Prolog. Ich hoffe es hat euch gefallen und ich würde mich über ein Kommi freuen.
Das nächste Kapitel folgt bald, also seit gespannt. :)
Eure abgemeldet