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Bound to you

von
Koautor:  jastra93

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Prolog

Wenn man an das Wort ‚Dschinn‘ denkt, dann fällt den meisten wohl als erstes ein Flaschengeist ein, welcher in einer Lampe wohnt und demjenigen, der diese Lampe reibt, drei Wünsche erfüllt, nicht wahr? Was natürlich in den Augen der Menschheit reine Fiktion ist...

Aber was, wenn es doch nicht so sehr Fiktion ist? Was, wenn tatsächlich sogenannte ‚Dschinn‘ existieren? Natürlich sind sie nicht alle dick oder blau, im Gegenteil, sie ähneln für gewöhnlich vom Aussehen her sehr stark den Menschen. Und sie leben auch nicht in Lampen, sondern in ganz normalen Häusern, können sich aber durchaus in Rauch verwandeln um dann in Lampen, Vasen oder anderen Gefäßen zu hausen. Denn diese sind von innen viel größer als ein Mensch vermuten könnte, weshalb sich ein Dschinn dort mit seinen Kräften ein hervorragendes Heim schaffen kann. Ungünstig wird es erst, wenn jemand ein Gefäß verschließt und nicht wieder öffnet, denn ab einer bestimmten Zeitspanne der Gefangenschaft sind Dschinn verpflichtet, demjenigen, der ihr Gefäß öffnet und sie damit befreit drei Wünsche zu gewähren. Daher die Legenden um diese Wunscherfüllung. Natürlich gibt es auch gewisse Regeln, in einem Regelwerk zusammen gefasst welches jeder Dschinn auswendig kennt und an das er sich halten muss, da man nicht gegen es verstoßen kann. Was nicht heißt, dass es nicht trotzdem genug Schlupflöcher gibt. Aber darüber könnte man sich ewig auslassen und darum geht es hier ja überhaupt nicht. Zumindest nicht direkt. Denn diese Geschichte erzählt von einer etwas anderen Art, diese Schlupflöcher zu benutzen. Aber sie beginnt noch an einem ganz normalen, verregneten Tag in einer Kleinstadt in England, an dem ein ganz normaler Junge schon bald feststellen wird, wie schnell sich das eigene Leben auf den Kopf stellen kann...

Drei Wünsche?

Ethan
 

Bereits seit Stunden prasselte der Regen erbarmungslos auf die Erde nieder, verzierte Straßen und Gehwege mit einer Hand voll Pfützen. Autos fuhren viel zu schnell darüber hinweg und das Wasser spritzte in alle Himmelsrichtungen.

Der rosa Regenschirm, den meine jüngere Schwester Ashley mir förmlich aufgezwungen hatte, war da leider auch keine große Hilfe.

Vermutlich wäre es besser gewesen, ich hätte dieses dämliche Ding gar nicht erst angenommen. Nass geworden war ich so oder so, aber es hätte mir eine Menge dummer Seitenblicke erspart.

Einen Jungen mit rosa Regenschirm sah man nun einmal nicht alle Tage und ich gab zu, der Anblick wirkte extrem lächerlich.

Ob ich wollte oder nicht, ich musste zugeben, an ihrer Stelle hätte ich an Lachen auch nur schwer unterdrücken können, wäre einer der Typen mit einem solchen Schirm an mir vorbei gelaufen, aber nun in der Rolle des Angestarrten zu sein, war einfach nur grauenvoll.

Hatte meine Schwester absichtlich darauf abgezielt mich zum Gespött der Leute zu machen oder einmal mehr nicht nachgedacht über das, was sie tat?

Wahrscheinlich war Variante Nummer Zwei und ich selbst sollte mich wohl nicht beschweren, immerhin hatte ich mir das Ding aufschwatzen lassen und war damit selbst schuld.

Ein Seufzen verließ meine Lippen, ehe ich das peinliche Ding kurzer Hand einfach zusammenklappte und geschlossen neben mir her trug, wo es nicht mehr so ins Auge der Betrachter stach.

Am liebsten hätte ich bei diesem Wetter überhaupt nicht das Haus verlassen, nur leider konnte man sich nicht aussuchen, wie das Wetter ausfiel, wenn man wichtige Besorgungen zu erledigen hatte und in diesem Fall sahen meine Besorgungen eigentlich nur eine Sache vor: Ein Hochzeitsgeschenk für meine Eltern.

Meine Schwester und ich hatten schon seit Monaten darauf gespart, um meinen Eltern etwas gönnen zu können, das sie an die alten Zeiten erinnerte. Die Zeiten, in denen Geld eine unserer geringsten Sorgen gewesen war, in denen sie der Highsociety angehört hatten, zumindest begrenzt.

Nur leider war das süße Leben schneller vorbei gewesen, als uns allen lieb gewesen war, eine einzige falsch gewählte Person, der man vertraute, und alles zerfiel...

Es mochte fünf Jahre her sein, das es geschehen war, aber meine Eltern litten noch immer, erst recht wenn es um Tage wie diese ging, die sie damals im großem Stil zu feiern gepflegt hatten.

Ihr verlorenes Geld konnten wir ihnen nicht wiedergeben und genug Geld auftreiben, um ihnen eine solche Feier zu gönnen, ebenso wenig, aber immerhin hatten wir genug zusammen bekommen, um ihnen einen Dekorationsgegenstand zu kaufen, der ihren Ansprüchen gerecht werden würde.

Früher hatte meine Mutter eine ganze Sammlung dieser Dinge besessen, von denen wohl eines mehr wert gewesen war als das Haus, in dem wir heute lebten und mein Vater hatte sie ebenfalls zu schätzen gewusst, daher waren Ashley und ich überein gekommen, das der Antiquitätenladen mein Ziel sein sollte.

Eigentlich hatte ich gehofft, sie würde mitkommen, um mir beim Aussuchen zu helfen, aber sie hatte zufälligerweise ein Date mit einem gut aussehenden Typen bekommen – was neuerdings irgendwie am laufenden Band der Fall war und ich fragte mich wirklich, ob sie das nur erzählte, um als der Jungenschwarm schlechthin zu gelten oder tatsächlich so viele verschiedene Verehrer hatte und ich mir Sorgen machen musste.

Letzten Endes stand ich also alleine vor dem Laden, öffnete die Tür und bemühte mich, nicht den kompletten Boden mit einer erfrischenden Regendusche zu beglücken.

Der Verkäufer würde es mir sonst vermutlich danken.

Eine Weile sah sich mich unschlüssig in dem Geschäft um, passierte die Reihen mit den vielen Gegenständen auf und ab.

Es gab viele schöne Stücke, keine Frage, nur leider war das meiste bereits außerhalb unseres Budgets. So viel wir auch gespart hatten, unser Taschengeld war begrenzt, unsere Ersparnisse damit ebenso.

Da konnten die vielen Statuen, Kerzenständer, Gemälde, Schränke oder das teure Porzellangeschirr noch so großartig sein, wenn wir es uns nicht leisten konnten, brachte uns das nicht weiter.

Eine halbe Ewigkeit suchte ich die Regale und Reihen durch, über Tierstatuen und Götterstatuen, die ich irgendwann keiner Religion mehr zuordnen konnte, über Skulptur-Gebilde von denen ich mich wirklich fragte, ob es eine Art abwegiges Sonnensystem oder eine andere Form von moderner Kunst darstellen sollte.

Egal wie viel ich mich bemühte, etwas zu finden, rein gar nichts wollte preislich in unseren Rahmen passen und die Dinge, die es doch taten, waren es nicht einmal wert, angesehen zu werden, jedenfalls aus meiner Sicht. Dafür schaffte ich es allerdings beinahe über eine Katze zu stolpern, die sich zwischen den Regalen zusammengerollt hatte. Was mussten diese Tiere sich auch immer solche Plätze zum schlafen aussuchen?!

Notgedrungen steuerte ich wieder die Ausgangstür an, musste dabei allerdings an der Kasse vorbei, an der gerade eine junge Verkäuferin einige neuen Kisten mit Vasen auspackte.

Neugierig geworden blieb ich stehen, ließ meinen Blick über die einzelnen Exemplare schweifen und entdeckte eine schlichte Vase. Sie hatte einem hellen, etwas blassen Weißton, erinnerte mich entfernt an Perlmutt und die verschnörkelten, schwarzen Muster darauf, entfalteten ihre Wirkung prächtig. Der viele Staub darauf, störte das nahe zu perfekte Abbild einfacher Schönheit in keinster Weise und ich mir sicher, meine Mutter würde sie lieben, wenn ich sie ihr mit Ashley überreichen würde.

„Wie viel wollen sie für die Vase haben?“, wollte ich von der Verkäuferin wissen und konnte meinen Ohren kaum trauen, als der Preis tatsächlich sogar ein wenig unter unserem Ersparnissen lag!

Gehört, gekauft lautete in diesem Moment meine Devise, keine Minute später verließ ich den Laden mit der eingepackten Vase und kämpfte mir den Weg zurück nach hause auf den überfüllten Straßen frei, hoffte das die Vase dabei ja heil bleiben würde!

Die Sonne zeigte sich zwischen den Wolken, beinahe so als wollte sie mit ihrem Anblick feiern, was ich für einen tollen Fund in diesem Laden gemacht hatte.

Um was für einen Fund es sich dabei jedoch wirklich handelte, konnte wohl keiner ahnen zu diesem Zeitpunkt.

Irgendwann hatte ich mein Zuhause wieder erreicht und spähte zunächst einmal in die Einfahrt, um sicher zu gehen, das meine Eltern nicht zufälligerweise früher nach hause gekommen waren.

Es wäre immerhin unvorteilhaft, wenn sie sehen würden, wie ich ihr Geschenk in meinem Zimmer versteckte und ihnen mit 'euer Geschenk!' zu antworten, wenn sie fragten, was ich mitbrachte, wäre auch nicht das, was ich eigentlich sagen wollte.

Allerdings schien das Glück gerade beschlossen zu haben, mir für diesen Tage hold zu sein.

Kein Wagen in Sicht, weder in der Einfahrt noch sonst irgendwo in der Nähe!

Ich sperrte die Haustür auf, betrat das mittelgroße Haus und rief nach meiner Schwester, nur um von der lauten Stille empfangen zu werden, die mir förmlich aus jedem Winkel des Gebäudes entgegen schrie.

Seufzend schnappte ich mit ein Staubtuch aus der Küche und begab mich damit und mit der Vase in mein Zimmer, schloss vorsichtshalber die Türe ab und legte die Sachen auf mein Bett.

Der Schirm wurde zum Trocknen ins Badezimmer gebracht und ich zog mir erst einmal ein paar trockene Sachen an, föhnte mir die Haare trocken, ehe ich mich auf mein Bett fallen ließ und die Schuhe auszog.

Ich packte die Vase aus, griff mir das Staubtuch und wischte sie zunächst einmal von außen ab, bis sie blitze blank im Tageslicht, das durch mein Fenster fiel, schimmerte.

Nun wurde es allerdings einmal Zeit, den Deckel abzunehmen und sie auch innen zu entstauben! Das konnte ich meiner Mutter bei einem Hochzeitsgeschenk schlecht selbst überlassen.

Wie würde das denn ankommen?

'Hier hast du ein Geschenk zum selbst sauber machen, alles Gute zum Hochzeitstag!'?

Nein, nicht mit mir...ich mochte keinerlei Begabung für das Putzen haben, aber eine Vase zu entstauben war nun wirklich keine sonderliche Meisterleistung oder Herausforderung!

So legten sich meine Finger schließlich um den Deckel, öffneten die Vase.

Allerdings war es nicht der Staub, der darin steckte oder stecken sollte, der meine Aufmerksamkeit danach in Anspruch nehmen sollte...
 

Ven
 

Als meine doch im Moment eher karg beleuchtete Behausung plötzlich von Licht durchflutet wurde hatte ich anfangs die Befürchtung ich würde träumen.

Es hatte alles eigentlich damit begonnen, dass ich mir vor einiger Zeit ein bequemes Quartier gesucht hatte, um nach einer längere Reise mal wieder zu verschnaufen. Ich war an einem Antiquitätenladen vorbei gekommen und mir war diese zwar schlichte aber dennoch sehr hübsche Vase aufgefallen und als der Besitzer des Ladens gerade nicht hinsah hatte ich es mir darin gemütlich gemacht. Dumm nur, dass dieser blöde Idiot ausgerechnet da den Deckel zu machen musste. Denn ich mochte mächtig genug sein um mich in Rauch verwandeln und in einer Vase leben zu können, aber da sie verschlossen war konnte ich auch nicht wirklich wieder heraus. Oder kann Rauch seit neuestem Vasendeckel anheben?

Aber gut, so schlecht ist es in so einer Vase ja auch gar nicht, denn es sieht zwar recht eng aus von außen, ist aber recht bequem. Ich meine, da ist genug Platz für ein Himmelbett, eine komplette Küche, ein Badezimmer und eine Bibliothek. Der große Nachteil an diesen Vasen ist wohl, dass man nicht viel zu tun hat. Naja, aber ich war ja nicht ohne Grund ein Dschinn. Daher die ganzen Bücher.

Trotzdem wird einem ziemlich schnell langweilig wenn man ein paar Jahre in so einer blöden Vase gefangen ist, nur weil niemand dieses dumme Ding öffnet.

Umso überraschter war ich also, als mitten in Shakespeares ‚Romeo und Julia‘, was ich bestimmt zum zwanzigsten Mal las - ich mochte Shakespeares Dramen eben, auch wenn man es mir vermutlich nicht ansah - plötzlich Licht in die Vase fiel. Tageslicht, welches logischerweise nicht von den Lampen kam, die ich erschaffen hatte um nicht im Dunkeln sitzen zu müssen.

Fröhlich ließ ich das Buch fallen und verwandelte ich mich in Rauch, um endlich aus dieser verdammten Vase zu verschwinden, mitten hinein in irgendein Zimmer, was ich vorher noch nie gesehen hatte - logisch, wenn ich hier noch in dem gleichen Antiquitätenladen wie damals gewesen wäre hätte ich den Besitzer vermutlich zur Schnecke gemacht, was ihm einfällt seine Vasen jahrelang zu verschließen...!

Aber wie auch immer, derjenige, der die Vase geöffnet hatte war nicht der alte Typ von damals. Als ich neben der Vase wieder meine feste Gestalt angenommen und mich einmal gestreckt hatte besah ich mir denjenigen genauer, der mich herausgelassen hatte und nun drei Wünsche frei hatte. Schwarze, recht kurze Haare, blaue Augen und ein hübsches Gesicht. Das war doch mal ein Meister nach meinem Geschmack, keine fette arrogante Dame oder ein seniler alter Greis, die die Vase gekauft hatten sondern ein Junge der wenn überhaupt gerade volljährig war, also ungefähr so alt wie mein Körper aussah. Nette Sache. Zumindest netter als seine Reaktion auf mein Auftauchen hin. Wobei ich vermutlich ähnlich geschockt geschaut hätte wie er gerade, wenn vor mir jemand aus einer Vase entsteht. Und ich das nicht schon hunderte Male selbst getan hätte natürlich. Nur der darauffolgende Satz hätte ruhig etwas höflicher sein können.

„Wer zur Hölle bist du und was hast du hier zu suchen?!“

Ich war zugegeben etwas überrascht gleich so angepflaumt zu werden, ich meine hey, ging man so mit jemandem um, der einem drei Wünsche erfüllen konnte? Wobei andererseits... davon wusste er ja noch gar nichts, vielleicht war eine Vorstellung doch angebracht. Deshalb lächelte ich nur fröhlich als ich antwortete.

„Mein Name ist Ven und ich bin eher zufällig hier. Da ich hier niemanden sonst sehen kann nehme ich an, dass du derjenige warst, der die Vase geöffnet hat?“ Nicht, dass ich nachher versehentlich noch dem falschen drei Wünsche erfüllte. Aber der Junge nickte, bevor er nach dem Grund fragte. „Ganz einfach: Ich bin ein Dschinn und durch einen dummen Zufall in dieser Vase da eingesperrt worden. Und das Gesetz besagt, dass ein Dschinn demjenigen, der ihn aus so einer Gefangenschaft befreit drei Wünsche erfüllen muss.“, erklärte ich kurz, damit der Mensch zumindest ungefähr im Bilde war was eigentlich los war. „Und nun rate mal, wer jetzt drei Wünsche frei hat.“

Das schien der Mensch erst einmal kurz verdauen zu müssen, bevor er antworten konnte. Wobei, ob man das ‚verdauen‘ nennen konnte wenn er mich ansah, als wenn ich ihm soeben eröffnet hätte der Himmel wäre grün?

Naja, immerhin war er nicht komplett geschockt wie schon so manch anderer Mensch dem ich begegnet war, sondern fing sich bald wieder und setzte zu eine Antwort an.

„Ach so, ein Dschinn, der mir jetzt drei Wünsche erfüllt weil ich ihn befreit habe... na darauf hätte ich aber auch gleich kommen können! Weißt du was? Wir nehmen schnell den fliegenden Teppich vom Boden, fliegen in der Musikschule vorbei und holen noch Elvis Presleys toten Geist aus einer Gitarre, damit der, weil er mir ach so dankbar ist, das ich ihn befreit habe, am Hochzeitstag meiner Eltern exklusiv für sie auftritt!“

Damit blinzelte ich ihn dann kurz mit hochgezogener Augenbraue an. Er hielt das ganze also für einen Witz? Dann würde ich ihm wohl beweisen müssen, dass das mein voller ernst war.

„Tut mir Leid, wiederbeleben gehört zu den wenigen Einschränkungen in Sachen Wunscherfüllung. Ein fliegender Teppich wäre allerdings machbar wenn du möchtest.“, antwortete ich daher völlig ernst gemeint auf seine sarkastischen Worte, bevor ich ihn anlächelte. „Da du mir aber nicht zu glauben scheinst kann ich dir gerne eine kleine Kostprobe liefern.“ Mit diesen Worten färbte ich kurzerhand einmal sämtliche Einrichtungsgegenstände im Raum weiß. Es hinterließ einen netten Effekt wenn man so etwas größer anlegte, außerdem war weiß toll. Natürlich würde ich sein Zimmer auch wieder in seinen Ursprungszustand versetzen... später. „Glaubst du mir jetzt? Oder muss ich zu drastischeren Maßnahmen übergehen? Zugegeben, das war jetzt nicht sonderlich spektakulär, aber dieser Raum ist nicht besonders groß, für größere Dinge wäre mehr Platz nicht schlecht. Außerdem heb ich mir das lieber für deine Wünsche auf, meinst du nicht?“, fragte ich belustigt und sah mich grinsend im Raum um.
 

Ethan
 

Ich hatte wirklich schon eine Menge in meinem Leben erlebt, aber so etwas wie heute, war mir noch nie passiert.

Als wäre es schon nicht genug, das plötzlich wildfremde Jungen in meinem Zimmer auftauchten und behaupteten, Dschinns zu sein, die mir nun drei Wünsche erfüllen würden, mussten gewisse Jungen auch noch gleich Kostproben geben, mit denen kein normaler Mensch rechnen könnte.

Vollkommen überrascht sah ich mich in meinem Zimmer um, das plötzlich vollkommen weiß geworden war.

Meine Augen sahen, was sie sahen, aber mein Verstand weigerte sich strikt zu glauben, was ich dort erblickte.

Eigentlich war ich mir ziemlich sicher, das meine Augen in Ordnung waren und der Junge hatte auch nichts getan, von dem ich hätte sagen können, er hätte meine Sinne dadurch beeinflussen können.

Also gab es nur drei Erklärungen, was diese Begegnung hier eigentlich war!

Entweder, es handelte sich um einen Traum, den ich gerade träumte, zugegeben, einen wirklich realistischen Traum, aber es wäre nicht der erste 'reale' Traum, den ich gehabt hatte von daher.

Wenn das nicht der Fall war, hatte ich es wohl irgendwie geschafft, Wahnvorstellungen zu entwickeln! Wer weiß, vielleicht hatte die Vase ja giftige Dämpfe verschlossen, die ich beim Öffnen nun inhaliert hatte? Das wäre die einzige Erklärung für Wahnvorstellungen, die mir einfiel, außer vielleicht, das ich mir irgendwo den Kopf angeschlagen hatte, man wusste ja nie!

Oder es handelte sich um Variante 3 und das hier war die Realität, so abwegig sie auch klingen musste.

Wenn ich so darüber nachdachte, erschienen mir Variante 1 und Variante 2 am glaubwürdigsten, vor allem...es musste doch ein Traum sein! Natürlich, es konnte gar nichts Anderes sein, wann würde ich mich in der Realität denn von meiner Schwester überreden lassen, mit einem rosa Regenschirm durch die Gegend zu laufen?!

Ein Traum, nicht mehr und nicht wenig, damit hatte ich es zu tun...also konnte es nichts schaden, ein wenig mitzuspielen und die Abwechselung zu genießen, die man in so einem Traum bekam, oder?

Allerdings würde ich schon darauf aufpassen, mir nicht die Apokalypse herbei zu wünschen, für den unwahrscheinlichen Fall, dass es sich doch um die Realität handeln sollte, wäre das fatal und auch wenn ich nicht daran glaubte, so viel Verantwortungsbewusstsein hatte ich in diesen Zweifelsfällen doch.

Ich atmete tief ein und aus, schloss einen Moment lang die Augen und entspannte mich, ehe ich den Dschinn wieder ansah.

„Okay...nehmen wir einfach mal an, ich glaube dir jetzt anhand dieser Sache und überlege, meine drei Wünsche einzulösen. Du hast gesagt, es gibt Einschränkungen, weshalb du niemanden wiederbeleben kannst, oder? Was gibst noch für Einschränkungen? Ich meine, ich werde mir wohl kaum 1000 Wünsche mehr wünschen können, oder Unsterblichkeit...oder die Weltherrschaft? Nicht, das ich das jetzt vor hätte oder so, das sind nur die besten Beispiele, die mir gerade einfallen, man...hat nun einmal nicht jeden Tag mit einem Dschinn zu tun, der einem drei Wünsche zu erfüllen gedenkt.“, wandte ich mich fragend an ihn.

Vermutlich würde es einen Haufen von Beschränkungen geben, selbst in einem Traum wie diesen und bevor ich mir irgendwelche Wüsche zurechtlegte, die anschließend nicht umzusetzen waren, wollte ich lieber gleich hören, was im Rahmen des möglichen war und was nicht.

Kaum, das ich meine Fragen gestellt hatte, war der Dschinn auch so frei, sie mir zu beantworten.

"Eigentlich ist es relativ simpel: Du kannst dir keine weiteren Wünsche wünschen, wie du richtig erkannt hast. Ansonsten kann ich niemanden umbringen oder wiederbeleben, aus Liebesangelegenheiten halte ich mich auch komplett heraus und Gedanken von Anderen werden auch nur im äußersten Notfall angefasst. Ansonsten steht es dir frei dir zu wünschen was immer du willst, solange es nicht die bestehenden Machtverhältnisse auf den Kopf stellt, weil für DAS Chaos will ich nicht verantwortlich sein.", erklärte er mir.

Das klang in der Tat simpel vom Prinzip her. Es müsste möglich sein, Wünsche zu finden, die meinen Vorstellungen entsprachen, ohne das sie mit diesen 'Regeln' in Konflikt kamen.

„So ist das also, klingt gar nicht so kompliziert, wie ich erwartet habe...sag mal gibst ein Verfallsdatum auf die Wünsche? Also einen Zeitrahmen, in dem ich mich entscheiden muss, was ich haben will, sonst verfällt es oder dergleichen?“, hakte ich nach.

Nicht, das ich mir nun eine Ewigkeit Zeit ließ, mir meine Wünsche zu überlegen, nur um anschließend mitten im Denkprozess gesagt zu bekommen 'Die Zeit ist um, deine Wünsche sind verfallen!' oder dergleichen.

„Nein, gibt es nicht, aber es wäre nett, wenn du dir nicht ewig damit Zeit lassen würdest, weil ich nicht von dir weg kann, bis ich dir diese drei Wünsche erfüllt habe.“, antwortete er mir.

Ein leichtes Seufzen verließ meine Lippen.

Mit anderen Worten, je eher ich mich entscheiden würde, was ich wollte, je eher wäre ich diesen Dschinn wieder los, hätte meine Ruhe und alles würde so sein, wie vorher...oder ich würde aufwachen eher gesagt. Immerhin konnte es nicht anderes als ein Traum sein, wenn die Vorstellung, sich zumindest für eine kurze Weile wünschen zu können, was man wollte, mir durchaus zusagte.

Ich ließ mich der Länge nach aufs Bett fallen, starrte hoch zur Decke und dachte nach.

Das ich den Dschinn dabei vorerst ignorierte, war mir herzlich egal.

Ich tat das immer, wenn ich nachdachte, es hatte eine seltsam beruhigende Wirkung, das regelmäßige Muster meiner Decke zu betrachten und half in der Regel wunderbar dabei, meine Gedanke zu sortieren.

Nur dieses Mal nicht, denn meine gewohnte Holzdecke, leuchtete mir mit dem netten weiß entgegen, das ein gewisser Dschinn im kompletten Raum verteilt hatte.

„Sag mal hättest du die Güte, deine Kostprobe wieder zurückzunehmen? Es irritiert einen ungeheuer, wenn alles um einen herum weiß ist, ich fühle mich wie auf einem leeren Blatt Papier.“, bat ich mit einem leicht genervten Unterton.

Ein Schulterzucken seitens des Dschinn war zu sehen.

„Sicher.“, bekam ich zur Antwort, ehe mein Zimmer genauso schnell seine Farben zurückerlangte, wie sie es verloren hatte.

„Wunderbar, danke dir.“, bedankte ich mich anstandshalber, ließ meine Gedanke nun schweifen.

Im Nachhinein konnte ich nicht mehr sagen, wie lange ich darüber gegrübelt hatte, bis ich eine ungefähre Vorstellung von den drei Wünschen hatte, die ich einzulösen gedachte, wobei es vielleicht ganz gut war, den dritten Wunsch noch einmal abzuklären. Nicht, das er unter den Machtverhältnisse-Teil fiel, der eingeschränkt war.

Ich setzte mich wieder auf, blickte zu dem Dschinn herüber.

„Sag mal...angenommen ich würde mir eine übernatürliche Gabe wünschen, fiele das dann unter die Machtverhältnisse-Beschränkung?“, wollte ich wissen.

Einen Moment lang sah der Dschinn nachdenklich aus, als grübele er darüber, was das für ein Wunsch sein könnte, den ich mir ausgedacht hatte.

„Das kommt ganz darauf an, was willst du denn gerne können?“, fragte er schließlich, ein wenig neugierig, wenn ich mich nicht täuschte.

„Nun ja, ich würde gerne die Absichten von Personen durchschauen können, wissen, wann sie es ernst mit mir meinen oder vorhaben, mich zu betrügen oder dergleichen. Ist das machbar oder zu viel des Guten?“, erwiderte ich.

Für einen kurzen Augenblick legte seine Stirn sich in Denkfalten, doch so schnell wie sie gekommen waren, verschwanden sie auch wieder.

„Ich denke, wenn du dich dazu ein wenig anstrengen musst, um die Personen zu durchschauen und sie dazu nicht nur einmal anblicken musst, geht das schon in Ordnung. Also ist das nun einer deiner Wünsche?“, bekam ich meine Antwort schließlich.

Mit einem „Ja, das wäre dann damit einer von dreien.“, setzte ich mich wieder auf, sah ihn von Angesicht zu Angesicht an.

Er nickte.

„Okay. Hast du dich für die anderen beiden Wünsche auch schon entschieden?“, hakte er nach.

Nun war ich es, der ein Nicken von sich sehen ließ.

„Ja, habe ich. Weißt du, es gibt einen Kerl, der meine Eltern vor ein paar Jahren übel abgezockt hat, sie haben deswegen einen Haufen Probleme bekommen und viel von dem verloren, was sie einst besaßen. Ich hätte gerne, das meine Eltern und alle anderen Personen, die dieser Kerl abgezockt hat, wieder zurückbekommen, was sie dadurch verloren haben. Das wäre einer der letzten beiden Wünsche und der andere...ich will, dass der Kerl geschnappt wird und für seine Taten im Gefängnis versauert, das sollte auch machbar sein, oder? Damit wären meine drei Wünsche bereits entschieden.“, erklärte er.

„Schön, wenn du das wirklich willst...bist du dir sicher, dass es diese drei Wünsche sein sollen?“, wollte der Dschinn noch einmal wissen.

Anscheinend war er so freundlich noch einmal nachzufragen, falls ich etwas zu korrigieren hätte.

„Ja, ganz sicher sogar, also von daher...würde ich sagen, bringen wir es hinter uns, damit du wieder deiner Wege ziehen kannst.“, meinte, zuckte leicht mit den Schultern.

Spätestens danach würde ich sowieso aufwachen, also warum noch großartig weiter über die Wünsche grübeln?
 

Ven
 

Also eins musste man diesem Kerl lassen: er war ein überraschend guter Mensch. Der Großteil der Menschen wünschte sich Geld oder andere materielle Gegenstände wenn er schon mal drei Wünsche frei hatte, dieser Junge aber wollte stattdessen einen Kerl hinter Gitter bringen und allen ihr Geld zurück geben. Und selbst diese Fähigkeit war keine besonders mächtige, aber eine durchaus praktische.

Aber wie auch immer, er hatte sich für seine drei Wünsche entschieden, nun war ich dran. Ich begann mit den letzten beiden Wünschen, da diese leichter zu erfüllen waren als der erste. Ich musste mich nicht einmal sonderlich lange konzentrieren, da hatte ich den besagten Täter, gesteuert durch den Wunsch des Jungen, bereits gefunden und nun musste ich nur noch dafür sorgen, dass die Polizei benachrichtigt wurde und das Geld im Nachhinein an seine Besitzer zurückgehen konnte. Und hey, als Dschinn war das ja wohl eine meiner leichtesten Übungen.

Die Sache mit dieser Fähigkeit war schon etwas schwieriger, immerhin musste ich dafür einen Teil dessen, was einen Menschen ausmacht verändern. Aber wir Dschinn besitzen ja nicht umsonst Fähigkeiten, die die Vorstellung der meisten Menschen übersteigt. Von daher war auch das schnell getan, natürlich mit der entsprechenden Einschränkung.

Als also alles getan war lächelte ich den Menschen an. „So, Mission erledigt, Auftrag ausgeführt, Wünsche erfüllt, wie auch immer. Spätestens morgen sitzt der Betrüger hinter Gittern und deine Eltern sowie die anderen Personen von denen er Geld hat haben sämtliche Summen wieder auf ihrem Konto. Und auch der dritte Wunsch ist ordnungsgemäß erfüllt worden, wobei du da sicherlich noch herum probieren musst, denn du magst die Fähigkeit nun besitzen, sie aber kontrollieren lernen musst du selbst. Zufrieden?“, verkündete ich gut gelaunt, jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis ich endlich wieder frei war. Meine Güte, ich war schon ewig nicht mehr an der frischen Luft...!

Und dem Jungen schein es ähnlich zu gehen wie mir, da er mit einem leichten Grinsen ein einfaches „Mehr als zufrieden, danke.“ äußerte. Naja, das, oder er war einfach froh mich los zu werden, manche Menschen waren trotz der Sache mit den Wünschen viel zu skeptisch uns gegenüber.

Aber mir sollte es egal sein, mit diesen Worten war ich laut Gesetzeslage frei, ich konnte endlich mal wieder reisen!

„Sehr schön. Dann verabschiede ich mich jetzt. Wobei... darf ich vorher noch fragen wie du heißt? Nur mal so aus Interesse.“

Warum genau ich das jetzt noch fragte wusste ich auch nicht, aber es konnte ja nicht schaden. Und überraschenderweise bekam ich sogar eine Antwort. „Na schön, wenn du es unbedingt wissen willst: Ich heiße Ethan.“

„Ethan? Netter Name. Er bedeutet stark und beständig soweit ich weiß. Hat doch was, findest du nicht?“ Ja, auch Namenslexika gehörten zu der Lektüre, die ich mir aus Langeweile und Frust in dieser Vase angesehen hatte. Und es hatte tatsächlich mal einen Nutzen gehabt, man glaubt es kaum. „Aber egal, ich verschwinde dann mal. Wer weiß ob wir uns wiedersehen, aber vorerst würde ich sagen: Lebewohl!“

Mit diesen Worten ging ich zum Fenster und öffnete es, nur um noch einmal zu winken und dann kurz darauf herauszuspringen. Man mochte mich für einen Verrückten halten, aber ein Dschinn würde selbst den Sturz aus einem Hochhaus überleben. Immerhin hat man nicht ohne Grund phänomenale Kräfte. Die ich für diesen Sprung nun allerdings nicht wirklich benötigte.

Stattdessen landete ich also einfach auf einem Fleckchen Gras, wenn auch etwas ungeschickt - über die Jahre schien ich wohl etwas aus der Übung gekommen zu sein - und machte mich dann auf den Weg in irgendeine Richtung. Das wichtigste war doch wohl, dass ich mich wieder frei bewegen konnte.

Also ging ich die Straße entlang, die merkwürdigen Blicke der Passanten, die gesehen hatten, wie ich aus dem Fenster gesprungen war ignorierend und mich lieber etwas umsehen. So wirklich viel hatte sich in den letzten Jahren wie es schien ja glücklicherweise nicht getan, zumindest ähnelte alles hier immer noch dem, was ich gewohnt war. Es war eine typische Kleinstadt in den Abendstunden halt, die Leute liefen auf dem Bürgersteig auf dem Weg nach Hause oder vielleicht auch einkaufen, einige Autos fuhren vorbei, dessen Fahrer wohl die gleichen Ziele hatten... ein paar Teenager waren komplett aufgetakelt mit Miniröcken und zentimeterdicker Schminke im Gesicht wohl auf dem Weg zu irgendeiner Party... die Menschen änderten sich wirklich nie. Aber das machte nichts, ich konnte endlich wieder hingehen wohin ich wollte...!

Oder so dachte ich zumindest.

Denn ich war vielleicht gerade einhundert Meter weit gelaufen und abgelenkt durch das abendliche Treiben der Stadtbewohner, da prallte ich plötzlich frontal gegen eine Art Mauer. Also, keine wirkliche Mauer, ich war weder blind noch blöd genug eine solche zu übersehen, aber stattdessen eine spirituelle Barriere. Und ich kannte die Art dieser Barriere. Das war der Grund, weshalb ich Ethan gesagt hatte, ich käme erst von ihm weg wenn ich seine Wünsche erfüllt hätte. Denn wenn ein Dschinn befreit wurde musste er in der Nähe seines Retters bleiben, bis er ihm die drei Wünsche erfüllt hatte, dazu diente diese Barriere. Allerdings verstand ich nicht, wieso sie nicht verschwunden war nachdem ich die drei Wünsche erfüllt hatte. Denn ich war mir sicher, alle drei Dinge korrekt ausgeführt zu haben, was hinderte mich am weitergehen?

Doch so sehr ich mich auch gegen die Barriere stemmte - und dabei für die meisten Menschen wohl noch mehr wie ein kompletter Vollidiot oder ein Irrer aussehen musste, es sei denn sie hielten mich für einen Pantomime da ich vermutlich ziemlich stilecht die Barriere abtastete in der Hoffnung eine Lücke zu finden - sie wollte nicht nachgeben. Im Gegenteil, sie bewegte sich einmal sogar auf mich zu. Was allerdings auch daran liegen konnte das Ethan sich bewegt hatte. Also war ich im Prinzip immer noch eingesperrt, wenn auch in einem größeren ‚Käfig‘. Verdammt. Was sollte ich denn jetzt machen...?

Ein Problem kommt selten allein...

Ethan
 

Ich war mehr als zufrieden mit den Wünschen, die ich mir gewählt hatte, immerhin hatte ich auch ganz geschätzte zehn Minuten darüber nachgedacht!

Und vor allem waren es keine selbstsüchtigen Wünsche, die nur mir alleine etwas brachten. Nun gut, ich hatte letzten Endes auch etwas davon, wenn meine Eltern ihr Geld zurückbekamen, logischerweise, aber deswegen hatte ich es mir nicht gewünscht!

Ich sah dem Dschinn eine Weile lang hinterher, ließ mich wieder auf das Bett fallen und dachte über das alles nach.

Egal ob Traum oder nicht, im Moment fühlte ich mich aus irgendeinem Grund einfach nur großartig, als könnte ich einen Haufen Bäume ausreißen!

Eine Weile lang blieb ich liegen, dann verschwand ich nach unten und machte mir etwas zu essen, sah einmal prüfend in die Einfahrt, als ich am Tisch saß und in das Toastbrot biss.

Meine Eltern waren noch immer nicht zurück, vermutlich steckten sie wieder einmal im Stau auf der Autobahn zur Großstadt, in der sie arbeiteten und meine Schwester würde sich auch eine Weile lang nicht mehr blicken lassen.

Naja...mir konnte es eigentlich auch reichlich egal sein, immerhin war das alles höchstwahrscheinlich nur ein Traum, da sollte ich mir den Kopf nicht zu sehr zerbrechen.

Ich ging nach oben, sah eine Weile fern in meinem Zimmer und begrüßte meine Eltern und meine Schwester, als sich meine Familie schließlich doch eine Weile später wieder zuhause einfand.

In einem ruhigen Moment nutzte ich die Gelegenheit, lotste meine Schwester in mein Zimmer und präsentierte ihr die Vase, die ich für unsere Eltern besorgt hatte, natürlich ohne zu erwähnen, das ein komischer Junge heraus gekommen war, obwohl...es wäre vielleicht ganz lustig, ihre Reaktion in diesem Traum darauf zu testen.

Letzten Endes entschied ich mich jedoch lieber dagegen, wer wusste, in was für einen Alptraum sich das alles sonst verwandelte und außerdem bestand immerhin noch die potentielle, aber unwahrscheinliche Möglichkeit, das es kein Traum war, was ich heute erlebt hatte, sondern die Realität...oder doch eine Wahnvorstellung, die ich besser nicht noch schlimmer machen sollte, als sie dann ohnehin schon war.

„Und was meinst du, gefällt sie ihnen?“, fragte ich Ashley nachdem sie die Vase eine Weile lang kritisch beäugt hatte.

„Oh natürlich wird sie ihnen gefallen! Mutter küsst dir die Füße Ethan, hast du gut ausgesucht!“, erwiderte sie.

„Ja, habe ich wohl...jedenfalls besser als du den Regenschirm für mich.“, gab ich mit einem Seufzen zurück, begegnete ihrem verwirrten Blick.

„Wieso? War der Regenschirm etwa kaputt?“, wollte sie wissen.

„Nein, ist nicht so wichtig, vergiss es einfach, wie war dein Date?“, hakte ich nach.

„Ach weißt du...“, setzte sie an, ehe sie mir eine Menge Dinge in einer atemberaubenden Geschwindigkeit erzählte, wie das eben nur schwärmende Mädchen beherrschten.

Immerhin konnte ich herausfinden, das der Kerl Mike hieß, sie sich einen Film zusammen angesehen und Händchen gehalten hatte, aber ansonsten hatte der wohl seine Griffel bei sich behalten.

Umso besser für ihn, sonst hätte der rosa Regenschirm eine neue Anwendung gefunden, an der er nicht einmal halb so viel Spaß gehabt hätte, wie ich das hatte.

Irgendwann ging auch dieses Gespräch zu Ende und ich wünschte meiner Schwester so wie meinen Eltern eine gute Nacht, verkroch mich in mein Zimmer ins Bett und freute mich auf ein ruhiges Wochenende.

Müde kuschelte ich mich in die Decke ein, fragte mich im Halbschlaf, ob ein Traum so realistisch sein konnte, wie das alles hier und ob es einen Traum in einem Traum geben konnte oder man aufwachte, wenn man in einem Traum einschlief, ehe ich letzteres tatsächlich tat.

Als ich am nächsten Morgen gegen das Licht der Sonne blinzelte, die durch mein Zimmerfenster schien, ahnte ich nicht, was ich erblicken durfte, sobald ich die Augen öffnete.

Zunächst sah ich nur zur Zimmerdecke hinauf, setzte mich anschließend in meinem Bett auf, um mich zu strecken und richtig wach zu werden.

Da entdeckte ich ihn: Mitten in meinem Zimmer saß der Dschinn vom Vortag.

Einen Moment lang starrte ich ihn nur geschockt an, als mich die Erkenntnis, das diese Begegnung nun definitiv kein Traum gewesen war, traf wie ein Blitz und durch mein ganzes Bewusstsein zuckte, aber als ich mich wieder gefasst hatte, hatte ich erst einmal andere Sorgen.

„Okay...ich habe drei Fragen und ich denke es wäre besser, du gibst mir eine ordentliche Erklärung zur Antwort! Erstens: Wie kommst du hier herein? Zweitens: Was hast du in meinem Zimmer zu suchen? Und drittens: Wie lange sitzt du schon da und beobachtest mich, Stalker?!“, zischte ich ihm entgegen.

Der Morgen fing wirklich schon fantastisch an!

„Ja, dir auch einen schönen guten Morgen.“, war das erste, was ich von Ven zu hören bekam, ehe er sich endlich daran machte, meine Fragen zu beantworten.

"Zu deinen Fragen: Erstens, ich bin durch die Tür gekommen wie sonst? Wäre es dir lieber gewesen wenn ich das Fenster genommen hätte? Zweitens, ich habe darauf gewartet das du aufwachst, da wir ein kleines Problem haben... und drittens, ich bin kein Stalker, jedenfalls hab ich keine krankhafte Sehnsucht nach dir die sich nur durch das beobachten und verfolgen von dir befriedigen lässt. Wie gesagt, ich hab nur gewartet bis du wach wirst. Seit irgendwann kurz vor Mitternacht."

Seine Worten brachten mich zum Seufzen und ich strich mir die Haare hinters Ohr – etwas, das ich oft tat, wenn ich gereizt war – und schüttelte leicht den Kopf bei diesen Worten.

„Weißt du, ehrlich gesagt ist es mir Jacke wie Hose, ob du durch die Tür oder das Fenster herein gekommen ist, Fakt ist, ich habe dich nicht herein gelassen, okay?! Und schön, das du hier gewartet hast, bis ich aufgewacht bin, wirklich großartig und oh jetzt bin ich ultimativ beruhigt! Also kein Stalker, sondern nur ein Einbrecher, wunderbar, warum sagst du das denn nicht gleich?!“, gab ich zischend zurück, atmete einmal ein und aus.

Irgendwie musste es doch zu schaffen sein, ruhig mit diesem...Dschinn zu reden!

„Okay...also was für ein ach so grauenvolles Problem haben 'wir' abgesehen davon, das du dir einfach so Zutritt zu meinem Zimmer verschafft hast, hm?“, wollte ich nun immerhin etwas ruhiger, aber nicht minder gereizt und mit ordentlich anklagendem Unterton in der Stimme wissen.

Natürlich hatte Ven auch gleich einen passenden Gegenkommentar parat!

„Hey, ich bin kein Einbrecher! Ich bin ein Dschinn und nicht eingebrochen sondern ganz normal durch die Vordertür gegangen. Außerdem musste ich in deinem Zimmer warten, ich kann ja schlecht deinen Eltern erzählen das ich ein Dschinn bin der ihrem Sohn drei Wünsche erfüllt hat.", erwiderte er, rollte dabei eindrucksvoll mit den Augen, als wollte er mir beweisen, das ich nicht die einzige Person im Raum war, die genervt sein konnte!

Okay er hatte wohl recht damit, dass er schlecht so etwas zu meinen Eltern sagen konnte, aber deswegen musste er ja nicht hier in meinem Zimmer warten! Er hätte auch wiederkommen und klingeln können am heutigen Tage!

Gerade, als ich ansetzen wollte, um ihm das unter die Nase zu reiben, fuhr er allerdings fort und kam auf ein gewisses Problem zu sprechen, das meine Gedanken gleich auf andere Dinge lenken sollte.

"WIR haben das Problem, dass ich nicht von dir weg komme. Normalerweise löst sich die Barriere, die dafür sorgt das der Dschinn solange in der Nähe seines Retters bleibt mit der Erfüllung des dritten Wunsches auf, aber bei dir ist sie nicht verschwunden. Glaub mir, ich wäre schon längst gegangen wenn ich gekonnt hätte, ich bin nicht aus Spaß wieder zurück gekommen.", erklärte er, sichtlich nicht besonders froh über diese Tatsache.

Da war er wohl auch nicht der Einzige, der sich ach so sehr freute.

„Bitte...WAS?!“, rief ich, konnte meinen eigenen Ohren kaum glauben und musste mich erst einmal beruhigen, um den Jungen nicht in Grund und Boden zu schreien.

„Eines lass dir gesagt sein, wenn das ein Gott verdammter Scherz ist, er ist nicht witzig, nur fürs Protokoll! Wenn du mir hier einen Streich zu spielen versuchst, schwöre ich dir, ich werde das komplette Gott verdammte Internet, gemeinsam mit sämtlichen mir erreichbaren Bibliotheken nach 'Wie töte ich einen Dschinn' durchsuchen, nur damit wir uns verstehen!“, schimpfte ich, obwohl man eigentlich schon gleich erkennen konnte, das ich nicht wirklich gedachte, ihm etwas anzutun, wenn das der Fall sein sollte.

„Aber nun gut...noch mal um etwas klar zu stellen: Du bist ohne meine Erlaubnis hier eingedrungen, egal ob mit Gewalt oder ohne: DAS ist Einbruch, aber lassen wir das, wir haben wohl anscheinend wirklich andere Sorgen. Also...was genau heißt 'Du kommst nicht mehr von mir weg!' in diesem Fall, hm? Was bedeutet das für uns? Und vor allem, was sollen wir dagegen unternehmen? Dich noch einmal in die Vase zu sperren, zu befreien und mir wieder drei Wünsche erfüllen lassen?“, grummelte ich. Die letzten Worte waren natürlich kein ernst zu nehmenden Vorschlag, mal ganz abgesehen davon, das ich keine Lust hatte, drei weitere Wünsche möglichst sinnvoll und nicht übertrieben zu verbrauchen, konnte das nicht die Lösung unseres Problems sein. Etwas das beim ersten Mal fehlgeschlagen war, konnte beim zweiten Mal nicht ohne Grund plötzlich funktionieren!

Ich hoffte nur, das sich dieses Problem schnell in den Griff bekommen ließ, denn auch, wenn ich an sich nichts gegen Ven hatte – abgesehen davon, das er unerlaubt hier eingebrochen war und auf dieser Meinung würde ich weiter beharren – wollte ich ihn nicht die ganze Zeit an mir kleben haben...
 

Ven
 

Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Meine Güte, was der Mensch seine schlechte Laune gerade an mir auslassen musste, ich konnte doch nichts dafür.

Zugegeben, ich war ohne seine Erlaubnis in sein Haus gegangen, aber andernfalls hätte ich ja noch lange warten können. Nicht, dass dieses Problem jetzt weiter wichtig war, damit konnten wir uns später noch befassen, vorerst gab es wichtigeres.

Von dem Ethan immer noch halb zu glauben schien, ich würde das hier zum Spaß machen.

„Hör mal, ‚Ich komme nicht mehr von dir weg‘ heißt genau das. Ich kann mich maximal rund einhundert Meter von dir entfernen. Und das ist kein Witz. Wenn ich mich weiter bewegen will werde ich von einer Barriere aufgehalten, die sich in die Richtung bewegt in die du gehst. Stell es dir wie eine Kugel vor, deren Zentrum du bist und aus der ich nicht heraus kann. Was das für uns bedeutet kannst du dir wohl denken, ich fürchte du wirst mich nun eine Weile am Hals haben. Denn mir ist kein Fall bekannt in dem etwas derartiges schon einmal passiert ist, von daher weiß ich auch nicht was wir dagegen tun können. Aber versuch gar nicht erst mich nochmal einzusperren, ich müsste nicht nur längere Zeit darin gefangen sein, da ich dir gerade erst Wünsche erfüllt habe kann ich das in absehbarer Zeit nicht nochmal machen. Diese Regeln sind vor allem dazu da den Missbrauch der Kräfte eines Dschinns von einem Menschen vorzubeugen und man kann sie leider nicht mal so eben ändern.“, erklärte ich schließlich um dem Anderen wenigstens ein paar Grundregeln zu erläutern. Vielleicht würde er sie mal benötigen, man konnte ja nie wissen.

„Wie auch immer, so ist die Lage. Und da ich leider von dir abhängig bin... was willst du tun? Außer dich damit abzufinden mich von nun an eine Weile ständig in deiner Nähe haben zu müssen.“, fragte ich nun und sah den Jungen mit schief gelegtem Kopf an. Bislang hatte er jedenfalls wenig begeistert ausgesehen und das änderte sich auch nicht, als er einmal seufzte, bevor er antwortete.

„Na wunderbar... sieht also so aus, als müssten wir wohl oder übel mit einander auskommen, bis wir irgendwie herausgefunden haben, wie sich das lösen lässt, hm?“ „Korrekt.“, meinte ich nur schulterzuckend und sah ihm dann zu, wie er die Stirn in Falten legte, vermutlich am nachdenken. Da ich nichts weiter zu sagen hatte schwieg ich solange ebenfalls, bis er dann erneut die Stimmer erhob. „Naja... erst einmal müssen wir einen Weg finden, meinen Eltern zu erklären, warum ich eine fremde Person hier habe... vielleicht eine Art Austauschschülergeschichte? Du kannst nicht zufällig dafür sorgen, dass sie der Meinung sind, du wärst schon vor ein paar Tagen angekommen und sie wären damit einverstanden gewesen oder so? Das könnte die Sache erleichtern, aber fällt wohl in den verbotenen Bereich und ansonsten....keine Ahnung was ich tun soll oder will, ich habe nicht tagtäglich mit übernatürlichem zu tun, tut mir ja sehr leid!“ Ich war mir nicht ganz sicher warum er sich am Ende so aufgeregt hatte, da ich die Idee eigentlich gar nicht schlecht fand und sie sogleich in die Tat umsetzte. Denn es war zwar verboten die Erinnerungen von Menschen für Wünsche zu manipulieren, nicht aber wenn es um die Geheimhaltung unserer Art ging. Immerhin waren zu viele Menschen zu machtgierig als dass sie uns akzeptiert hätten wenn sie wüsste, dass wir mächtiger waren als sie. So aber war das kein Problem, da ich ja nicht verschwinden konnte und beinahe nebenher sorgte ich dafür, dass mich die Familie als Austauschschüler kannte. Und kaum, dass ich fertig war begann Ethan auch schon wieder zu sprechen.

„Wir könnten einfach mal versuchen, ein paar Informationen zu bekommen, irgendwann muss doch so etwas schon einmal vorgekommen sein oder? Es gibt nicht zufällig eine Dschinnhotline, für dich und die anderen bei der ihr anrufen könnt oder einen Dschinnherrscher, dem wir einen Besuch abstatten könnten, irgendetwas?!“, fragte er also, allerdings konnte ich nur mit den Schultern zucken. „Also von einer derartigen Hotline ist mir leider nichts bekannt-“ „Wäre ja auch zu einfach gewesen...“ „-und einen Herrscher haben wir nicht, da wir alle an das Regelwerk gebunden sind und ansonsten tun und lassen können was wir wollen. Wenn jemand zu sehr über die Stränge schlägt können ihn die Anderen immer noch zurecht weisen.“

Das schien Ethan dann doch zu interessieren. „Aber wenn ihr keinen Herrscher habt und an das Regelwerk gebunden seid, gibt es da niemanden, der darüber wacht oder das geschaffen hat? Oder wurde das von den Dschinns zusammen beschlossen?“ Ich musste leicht lächeln als ich mich an die Geschichten erinnerte die mir meine Mutter als ich noch kleiner war oft erzählt hatte um mir die Regeln zu erklären , bevor ich es für den Menschen zusammenfasste. „Im Prinzip ist es nichts weiter als mächtige Dschinnmagie, welche von allen Dschinn beschlossen und dann von den stärksten festgelegt wurde. Somit kommt kein normaler Dschinn gegen dieses Regelwerk an. Es ist ein bisschen wie eure Gesetze, nur eben unmöglich zu brechen.“ Auch wenn es Geschichten gab, laut denen man die Regeln umgehen konnte, aber natürlich waren all diese Dinge zu den Ammenmärchen getan worden und niemandem war ein Fall bekannt wo das einem Dschinn gelungen war.

Aber dennoch, irgendetwas mussten wir doch tun können. Gab es wirklich keine Möglichkeiten herauszufinden, ob das noch anderen passiert war? Mir fiel auf die Schnelle nur eine Sache ein, die man vielleicht versuchen konnte.

„Ich befürchte, die einzige Möglichkeit an solche Informationen zu kommen wäre, einen anderen Dschinn zu finden und einfach zu fragen. Aber es ist sinnlos nach einem zu suchen, wir hätten vermutlich ohnehin keinen Erfolg. Aber hier in der Stadt ist doch ein Antiquitätenladen, korrekt? Möglicherweise haben noch andere Menschen Dschinn entdeckt... und wenn einer von ihnen befreit wird fällt das den Dschinn in der Nähe auf, also vielleicht haben wir Glück? Die Chancen stehen zumindest besser, hier einen zu treffen als irgendwo beim Herumreisen. Denn wie du vielleicht bemerkt hast unterscheiden wir uns an sich kaum von euch Menschen.“, erklärte ich daher und konnte wirklich nur hoffen, dass ich recht hatte und in diesem Antiquitätengeschäft noch weitere Dschinn waren. Genug Gefäße gab es sicherlich.

Und immerhin schien Ethan mir mehr oder weniger zuzustimmen als er mit den Schultern zuckte. „Naja einen Versuch ist es alle Mal wert und einfacher als meinen Eltern jetzt irgendwie zu erklären, warum wir plötzlich ganz weit verreisen müssen, ist es auch... obwohl das mit dem verreisen theoretisch geht, wenn wir den 'Austausch' umkehren, also für den Notfall. Irgendwie wird das schon funktionieren hoffe ich und solange müssen wir wohl irgendwie miteinander auskommen, hm?“

Ich nickte langsam auf die Worte hin. „Sieht so aus, ja.“

„Dann sollte ich dich vorwarnen: Wie du vielleicht gemerkt haben solltest, ist meine morgendliche Laune unausstehlich, bevor ich geduscht oder einen Kaffee getrunken habe...erst recht, wenn man gleich morgens mit so etwas konfrontiert wird...!“, fuhr er schließlich fort.

Ach, deswegen benahm er sich gerade so mürrisch? Das hätte er auch früher sagen können, hey, wozu war ich ein Dschinn? Ich konnte ihm zwar keine Wünsche mehr erfüllen, aber ein Tablett mit einem ordentlichen Frühstück - natürlich mit Kaffee - herbeizuzaubern war ja nun kein Kunststück.

„Hier. Geht es damit besser?“, fragte ich leicht belustigt als ich ihm das Tablett reichte. Frühstück im Bett, er sollte sich glücklich schätzen...! Man bekam so etwas viel zu selten. Naja, als Mensch jedenfalls vermutlich, ich selbst konnte mir mein Frühstück ja zaubern wohin ich wollte.

Aber gut, Ethan schien herbeigezaubertes Frühstück nicht ganz so gewohnt zu sein wie ich, da er erst einmal überrascht blinzelte. Das verwandelte sich dann jedoch schnell in ein Grinsen. „Hey, ein Dschinn im Haus ist durchaus praktisch!“

Was mich wiederum die Hände in die Seiten stemmen ließ. Natürlich war mir klar, wie er das gemeint hatte, aber das hielt mich nicht davon ab mitzuspielen. „So? Na glaub bloß nicht, dass das jetzt regelmäßig passiert, klar?“, erwiderte ich gespielt empört bevor ich ihm die Zunge heraus streckte. Wobei ich das sogar teilweise ernst meinte. Einen Kaffee mochte ich ihm morgens ans Bett zaubern können, aber zum Frühstück sollte er das tun, was er immer tat, andernfalls würde es irgendwann Aufsehen erregen. Was, wenn ich mal so darüber nachdachte für mich dann wohl auch galt, so als ‚Austauschschüler‘.

Während Ethan sich nun anständig bedankte bevor er zu frühstücken begann besorgte ich mir nur einen Apfel, den ich aß während ich noch etwas über meine momentane Situation nachgrübelte. Jetzt war ich also vorerst ein Austauschschüler. Aber... Moment, Schüler? Hieß das, ich sollte eine Schule besuchen? Wobei ich das ohnehin musste wenn Ethan es tat. Verdammt... ich und Schule, wir hatten uns noch nie sonderlich gut verstanden, diese Regeln dort sagten mir nicht so ganz zu. Und nun erneut? Herrje... das konnte ja heiter werden. Aber apropos Schule...

„Hey Ethan, sag mal... welches Datum haben wir eigentlich? Oder zumindest welchen Wochentag? Irgendwie verliert man in diesen dämlichen Vasen gerne mal sein Zeitgefühl.“, fragte ich schließlich nachdem wir beide eine Weile schweigend gegessen hatten. Denn viel mehr, als dass ich wohl mehrere Jahre in der Vase war wusste ich auch nicht. Ich hatte immerhin keinen Fernseher da unten gehabt.
 

Ethan
 

So gesehen hätte es auch schlimmer kommen können, als das hier. Ich hätte mit irgendeinem vollkommen unerträglichen Dschinn in dergleichen Situation stecken können oder vielleicht hätte Ven gleich gar nicht mehr hundert Meter von mir weg gekonnt oder sonst irgendetwas in dieser Hinsicht! Man wusste ja bekanntlich nie, was das Leben so für einen bereit hielt und so gesehen hatte ich eigentlich noch Glück gehabt.

Ven war in Ordnung, wenn er wohl auch ein wenig frech und ganz leicht kindisch wirkte, so wie er mir die Zunge herausgestreckt hatte, aber man durfte in seinem Leben auch einmal kindisch sein, insofern störte mich das nicht!

Außerdem konnte er mir Frühstück ans Bett zaubern! Das würde zwar jetzt wohl kaum jeden Tag der Fall sein, doch es war ganz praktisch jemanden mit solchen Talenten zu haben. Immerhin wäre ein Frühstückstablett nicht das einzige, was er herbei zaubern konnte.

Die Frage nachdem Datum allerdings, brachte mich kurz ins Stutzen, aber eigentlich war es verständlich, dass er nach all dieser Zeit wissen wollte, was für ein Tag heute war.

„Also heute ist Samstag, der 5.September 2004, wenn du es wissen möchtest...also genug Zeit den Antiquitätenladen heute auseinander zu nehmen, so zu sagen. Aber vorher ziehe ich mich erst einmal an und gönne mir eine Dusche, warte einfach so lange hier, ja? Es wird schon nicht so lange dauern...“, erwiderte ich, ehe ich ohne eine wirkliche Antwort abzuwarten, einfach einige Anziehsachen aus dem Schrank hervor kramte und ins Bad verschwand.

Natürlich schloss ich die Türe sorgfältig ab, obwohl ich ahnte, das eine verschlossene Türe einen Dschinn nicht aufhalten würde, wenn er unbedingt hier herein wollte, aber ich hoffte einfach mal, dass er es nicht für nötig hielt, mich zu ärgern, in dem er mich beim Duschen störte und stand kurze Zeit später schon unterm warmen Wasser.

Eine morgendliche Dusche hatte etwas ungeheuer entspannendes, danach fühlte ich mich manches Mal ausgeruhter als nach vielen Stunden Schlaf.

Ich beeilte mich heute morgen extra ein wenig, immerhin wollte ich Ven nicht all zu lange alleine in meinem Zimmer lassen – wer wusste, wie interessant er die ganzen Schubladen sonst noch fand und was er so entdecken konnte! – schließlich hatte er schon notgedrungen die ganze Nacht auf mich gewartet.

Schnell hatte ich mich abgetrocknet und angezogen, die Haare waren ebenso schnell geföhnt und gekämmt. Da sollte noch jemand sagen, ich würde nicht auf mein Aussehen achten, wenn ich mir schon die Zeit nahm, meine Haare vorm Spiegel zu richten!

Kaum das ich soweit fertig war, steuerte ich bereits mein Zimmer wieder an, nur um zu sehen, wie sich meine Schwester gerade in eben dieses begab.

Einen Moment lang wollte ich rufen, um sie aufzuhalten, damit sie Ven nicht in meinem Zimmer sah, aber gesehen davon, dass es zu spät war, fiel mir wieder ein, dass sie ihn wohl als den 'Austauschschüler' kennen sollte.

Damit wäre diese unglückliche Situation wohl gerettet...

Ich seufzte einmal leicht, kehrte in mein eigenes Zimmer zurück, nur um zu sehen, wie meine Schwester Ven mit einem „Guten Morgen Venni!“, umarmte und einmal fest an sich drückte.

Oh...das war ziemlich typisch sie, keine Frage, aber es hinderte mich nicht daran, einen warnenden Blick an den Dschinn zu werfen, der deutlich signalisierte, das ich ihm jeden Finger, den er nicht von Ashley ließ, ab zu hacken gedachte.

Ven schien den Blick verstanden zu haben und kommentierte ihn mit einem Augenrollen.

„Hast du geschlafen oder hat Ethi wieder zu laut geschnarcht?“, wollte sie wissen, legte den Kopf leicht schief, während sie ihn fragend ansah und nur langsam aus ihrer Umarmung entließ.

"Keine Sorge, ich hab sehr gut geschlafen.", antwortete er Ashley mit einem strahlenden Lächeln, das ihr garantiert den Kopf verdrehen würde! Oh dieser Schuft!

Ich räusperte mich, um ihr zu signalisieren, das ich mich ebenfalls im Raum befand und sie hören konnte.

Wer eine solche Schwester hatte, brauchte wirklich keine Feinde mehr!

„Oh Ethi! Warst du unter der Dusche Brüderchen?“, wollte sie wissen.

„Ja, sieht ganz so aus und du hast dich in der Zeit mit Ven unterhalten, hm?“, erwiderte ich, kam näher und unterdrückte den Drang, Ashley ein gutes Stück von einem gewissen Dschinn fort zu zerren.

„Natürlich! Du warst ja nicht da von daher...sagt mal Jungs, was habt ihr heute schönes vor, hm?“, fragte sie, richtete ihren Blick dabei natürlich nur an Ven, als wollte sie ihm damit sagen, das es sie in seinem Fall mehr interessierte.

„Ach wir erledigen ein paar Besorgungen und ich zeige Ven noch ein bisschen die Gegend.“, gab ich zurück.

„Oh sehr schön, kann ich mitkommen?!“, wollte sie wissen, hakte sich 'zufälligerweise' bei Ven ein, gerade so als rechne sie damit, das es gar nicht anders sein konnte, als das er sie dabei haben wollte!

„Nein tut mir leid, das wird so eine Männersache und außerdem können wir dich nicht dabei haben, wegen einer...Überraschung, okay? Du willst dir nicht die Spannung verderben, oder?“, beantwortete ich ihre Frage in der Hoffnung, sie würde so locker lassen.

„Ach so ist das? Nein das will ich wirklich nicht, na dann wird das wohl ein langweiliger Tag werden, ihr Lieben! Kommt schnell wieder nach hause zurück, ja? Wir könnten uns heute Abend ja einen Film anschauen!“, schlug sie vor, klimperte in Richtung des Dschinns so eindrucksvoll mit den Wimpern, dass ihn diese schwungvolle Bewegung hätte umwerfen müssen, bei der Windböe, die so etwas entfachen sollte!

„Wenn dir langweilig ist, dann ruf doch diesen Mike an oder wie er hieß und geh noch einmal mit ihm ins Kino?“, schlug ich ihr vor.

Ein lautes Schnauben war von Ashley zu hören.

„Mike? Ethan ich bitte dich! Der Typ ist doch von vorgestern, aber Kino klingt ganz gut..sag mal Venni, hast du morgen Abend schon etwas vor?“, fragte sie, schenkte dem Dschinn ihr mit unter bezauberndes Lächeln.

Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte! Wie konnte der Kerl von vorgestern sein, nachdem sie mir gestern Abend noch in höchsten Tönen von ihm vorgeschwärmt hatte?!

Wirklich verstehe einer die Frauen!

Allerdings beschäftigte ich mich lieber einmal damit Ven einen 'Wenn du Ja sagst bist du so etwas von tot!'-Blick zuzuwerfen, den noch nicht viele Kerle wegen meiner Schwester zu sehen bekommen hatten.

Er konnte sich glücklich schätzen!

Anscheinend amüsierte ihn dieser Blick jedoch mehr, als ihn abschreckte, denn er war tatsächlich dreist genug, mich daraufhin anzugrinsen!

So ein frecher Kerl! Irgendwann musste man dem wohl Manieren beibringen...

Allerdings wandte er sich auch schnell wieder Ashley zu, die gespannt auf seine Antwort zu warten schien.

"Tut mir Leid, ich kann leider nicht. Ein Andermal, ja?", antwortete er ihr schließlich.

Oh wie gerne hätte ich in diesem Moment meine Arme um seinen Hals gelegt und ihn erwürgt!

„Oh...das ist schade, aber da kann man wohl nichts machen, ich komme drauf zurück, du bist ja noch eine Weile hier, also bis dann!“, meinte sie, hauchte Ven frech einen Kuss auf die Nasenspitze und verließ das Zimmer- natürlich nicht ohne eindrucksvoll ihre Hüften zu schwingen und mit ihrem Hintern zu wackeln.

Seit wann hatte meine Schwester es eigentlich so extrem auf Typen abgesehen? Ich wusste ja, dass sie seit der Sache mit John vor einigen Jahren etwas komisch drauf war, aber so?

Man lernte wohl nie aus!

Ich währenddessen beschloss, den Dschinn ein wenig mit Ignoranz zu strafen, als Zeichen dafür wie begeistert ich von der Art und Weise war, wie er mit meiner Schwester umging.

Also sagte ich rein gar nichts zu ihm, zog meine Jacke und meine Schuhe an und lief die Treppe herunter.

Er würde wohl oder übel mit mir kommen müssen, ob es ihm passte oder nicht!

Ich sagte nur kurz meinen Eltern im Gehen Bescheid, wohin wir verschwand, ehe ich das Haus mit dem Dschinn verließ und die Richtung Antiquitätenladen ansteuerte, nach wie vor schweigend.

Es hatte einen Vorteil Ven an zu schweigen: Ich war nicht in Versuchung ihn anzubrüllen, er solle die Finger von Ashley lassen!

Nur ob er das auch als ach so tollen Vorteil sah, war einmal dahingestellt, man wusste ja nie, was in den Kopf mancher Leute so vor sich ging.
 

Ven
 

Du meine Güte, war Ethan jetzt etwa beleidigt? So kam es mir jedenfalls vor, als er ohne ein weiteres Wort den Raum verließ. Schulterzuckend folgte ich ihm und nachdem ich seinen Eltern höflicherweise ebenfalls auf Wiedersehen gesagt hatte war er auch schon aus dem Haus gegangen. Natürlich immer noch schweigend.

Ich rollte mit den Augen nachdem ich aufgeholt hatte und lief eine Weile schweigend neben ihm her, bis es mir zu blöd wurde. „Hey sag mal, bist du jetzt beleidigt? Ich hab das Angebot deiner Schwester doch abgelehnt, was willst du mehr? Glaubst du ich stehe auf sie weil sie versucht hat mich anzuflirten? Ich weiß doch nicht mal ihren Namen.“

Als er daraufhin allerdings immer noch schwieg sah ich ihn mit gehobener Augenbraue an. Na gut, dann eben anders. „Dann willst du also, dass ich ihr das nächste Mal wenn sie fragt zusage? Meinetwegen, hübsch ist sie ja.“ Daraufhin bekam ich dann schließlich doch eine Reaktion. Auch wenn sie nur aus einem gezischten „Das wirst du NICHT.“ bestand.

„Geht doch. Warum nicht gleich so? Und nun hör auf hier einen auf beleidigte Leberwurst zu machen, ich will absolut gar nichts in dieser Richtung von deiner Schwester und selbst wenn ich es wollen würde, ich könnte gar nicht mit ihr weggehen, jedenfalls nicht ohne dich. Also bitte.“, führte ich ihm noch einmal vor Augen. Er brauchte sich jetzt wirklich nicht so haben. „Außerdem bin ich nun auch kein SO schlechter Freund, was denkst du eigentlich von mir? Mit diesem Mike scheinst du ja auch kein Problem gehabt zu haben.“, fügte ich noch kopfschüttelnd hinzu, denn es stimmte zwar, dass ich nichts von seiner Schwester wollte, aber dass er da von sich aus so dagegen war kratzte zugegeben etwas an meinem Stolz.

Und immerhin, nachdem er einmal ausgelassen geseufzt hatte bekam ich tatsächlich eine Antwort, die aus mehr als einem Satz bestand. „Schön, wenn du nichts von ihr willst, ich hoffe das wird auch so bleiben!“, begann er und strich sich die Haare hinters Ohr - eine Angewohnheit von ihm? - bevor er fortfuhr. „Ach, wir sind Freunde? Das ist mir aber neu! So schnell freunde ich mich mit niemandem an... und das mit Mike ist etwas anderes, ich kann den Typen genauso wenig ausstehen wie dich, ich wollte sie nur von dir weglocken... und außerdem ist er kein Dschinn! Aber wenn er ihr das Herz bricht, werde ich ihn persönlich erwürgen...“

Daraufhin blinzelte ich verwirrt. Wer hatte was davon gesagt, dass wir Freunde waren? Obwohl ich da auch nichts dagegen gehabt hätte, hey, viele Freunde zu haben konnte schließlich niemals schaden. Aber er schein das anders zu sehen. Dennoch sollte ich ihn wohl korrigieren. „Ich hätte zwar nichts dagegen mich mit dir anzufreunden, da du eigentlich gar kein so schlechter Kerl zu sein scheinst, auch wenn du deiner Schwester ruhig mehr Vertrauen schenken könntest was die Wahl ihres Freundes angeht, aber eigentlich ging es mir mehr darum, dass ich gar kein so schlechter FESTER Freund wäre. Also angenommen ich würde irgendetwas von deiner Schwester wollen.“, erklärte ich ihm daher, was er allerdings nur mit einem „Da wäre ich mir aber nicht so sicher.“ kommentierte.

„Hey, was soll das denn heißen?! Und überhaupt, was hat das damit zu tun, dass ich ein Dschinn bin? Glaubst du, Dschinn können nicht genauso gut eine Beziehung führen wie Menschen?“, grummelte ich und verschränkte die Arme, nun selbst ein bisschen beleidigt. Ethan kannte mich doch kaum, wie wollte er das da beurteilen können?

„Das soll heißen, das ich keine Ahnung habe, wie du tickst...und ich mir damit nicht sicher sein kann, ob du gut für sie bist oder nicht aber mach dir nichts draus, wenn es um meine Schwester geht ist keiner gut genug, außerdem hast du ja keine Ahnung warum sie so drauf ist, okay? Der letzte Freund, der sie hatte hat sie auf üble Weise verarscht und zu ihr gesagt, es würde kein Kerl der Welt freiwillig mit ihr etwas anfangen wollen: Also muss sie sich jetzt selbst am laufenden Band beweisen, dass sie jeden Kerl haben kann, den sie haben will...!“

Oh... gut, dieser Grund klang irgendwie verständlich. Auch wenn ich es noch nie hatte nachvollziehen können warum manche Menschen so drauf waren wie dieser Exfreund... was brachte es einem denn, andere zu verletzen? Aber noch bevor ich irgendetwas hätte erwidern können holte Ethan noch einmal tief Luft und sprach weiter.

„Was das mit dem zu tun hat, das du Dschinn bist? Dass sie es nicht weiß und du nicht weiter als hundert Meter von mir weg kannst zum Beispiel! Außerdem wird da wohl noch der ein oder andere Unterschied zwischen Mensch und Dschinn zu finden sein, wenn du mich nach dem Datum gefragt hast und nicht nur nachdem Monat, warst du wohl Jahre lang in der Vase, oder? Also gehe ich einfach mal davon aus, das ihr viel länger lebt als Menschen und wenn das mal kein Problem für eine ordentliche Beziehung zwischen Mensch und Dschinn ist, weiß ich auch nicht...“

Hm... vermutlich hatte er recht, das mit dem altern konnte durchaus ein Problem werden. Aber keines, dem man nicht Abhilfe schaffen konnte. Wenn ein Dschinn und ein Mensch sich wirklich liebten gab es immer noch ein paar Möglichkeiten, wie sie diese Liebe nicht aufgeben mussten. Auch wenn es dann umso schwieriger wurde, wenn sie feststellten, doch nicht füreinander geschaffen zu sein. Diese Liebe war wirklich eine heikle Angelegenheit. Allerdings wurden meine Gedanken dahingehend unterbrochen, als Ethan nach einer kurzen Pause noch einmal kurz zu sprechen begann.

„Ist ja auch egal, wir haben andere Sorgen!“

Und damit hatte er vollkommen recht, weshalb ich nickte. „Das stimmt wohl. Ist es noch weit bis zum Antiquitätenladen?“ Nun sah ich mich auch endlich einmal um. Wir waren definitiv über diese einhundert Meter Grenze hinaus, an der ich gestern Gescheitert war, was meine Theorie, dass ich an ihn gebunden war nur bestätigte. Aber es hinderte mich nicht daran, mich doch neugierig etwas umzuschauen, es war schließlich, wie der Mensch richtig geschlussfolgert hatte, bereits ein paar Jahre her seit ich das letzte Mal die Außenwelt gesehen hatte. Da kam mir eine Stadt mit ihrem Samstagvormittag-Treiben gerade recht um endlich mal wieder ein paar Leute um mich zu haben. Denn in so einer Vase war man ja nicht nur gefangen, es wurde auch irgendwann unglaublich einsam. Und der Telefonempfang war nicht gerade der beste. Aber egal, das lag jetzt hinter mir und so beobachtete ich stattdessen die vielen Menschen und besah mir die Läden. Lange würde es bestimmt nicht mehr dauern, andernfalls wären wir nicht zu Fuß gegangen. Und tatsächlich entdeckte ich den Laden noch bevor mir Ethan antworten musste. In so einem Laden hatte meine Vase also gestanden? Interessant...

Dementsprechend interessiert sah ich mich um, als wir schließlich hinein gingen, allerdings überließ ich Ethan jegliche Konversation mit der Verkäuferin, falls sie irgendetwas zu sagen hatte. Abgesehen von der Begrüßung natürlich.
 

Ethan
 

Vielleicht war Ven doch gar nicht mal so übel, wie ich einen Moment lang geglaubt hatte? Jedenfalls wirkte es nicht so, als hätte er sich zwingend über mich lustig machen wollen mit all diesem Gerede vorhin und auch ansonsten war überraschend umgänglich, wenn man sich gerade nicht mit ihm stritt oder mit ihm über etwas diskutierte.

Wobei...kam es mir nur so vor oder diskutierten wir Beide überraschend oft?

Eigentlich konnte es mir ja egal sein, wäre da nicht die kleine aber feine Tatsache gewesen, das ich ihn nicht los werden könnte und wohl die ganze Zeit über an der Backe haben würde!

Na das würde ja großartig werden auf die Dauer, wenn ich mir so überlegte...mit einem 'Ich wäre jetzt gerne alleine!' konnte ich ihm auch nicht kommen, was sollte er bitte schön in hundert Meter Entfernung großartig machen oder wohin sollte er verschwinden?

Also musste ich mich wohl oder übel darauf einstellen, die Zeit, die ich sonst für mich selbst nahm, in Zukunft nicht zu bekommen, bis wir dieses Problem aus dem Weg geräumt hatten.

Ein eindeutiger Dämpfer für meine ohnehin schon angeschlagene Laune, aber ich riss mich zusammen, um es nicht unfairer Weise an Ven auszulassen, das immerhin auch nichts dafür konnte und in dieser Situation genauso festsaß, wie ich selbst.

Der Laden näherte sich und ehe ich die Frage beantworten konnte, die er mir gestellt hatte, war er dem Dschinn schon selbst ins Auge gesprungen.

„Die Frage hat sich wohl erübrigt, hm?“, gab ich darum zurück, begleitete ihn in den Laden und begrüßte die Verkäuferin, sah mich zunächst einmal um, immerhin hatte sie gestern eine Menge Vasen ausgepackt und wie nicht anders zu erwarten war, standen diese auch nun in einem Regal, das zuvor noch leer gewesen war.

Ich ließ meinen Blick über die Vasen schweifen, aber es sah nichts danach aus, als habe es einen Deckel...also blieb mir nichts anderes übrig, als zur Verkäuferin zu laufen.

„Ich rede mal mit der Verkäuferin und du schaust dich mal um, vielleicht bemerkst du ja irgendetwas, das ich übersehen habe?“, schlug ich vor.

„Ist gut.“, hörte ich Ven antworten, während ich mich bereits um wandte und zur Verkäuferin ging, die an der Verkaufstheke stand, die Katze, über die ich gestern beinahe gestolpert war auf dem Arm.

Sie strich ihr durch das Fell und die Mieze maunzte, als sie mich erblickte, beinahe so, als wollte sie mein Auftauchen kommentieren.

„Verzeihung? Sie führen nicht zufällig noch mehr dieser Vasen mit Deckeln, wie ich gestern eine gekauft habe, oder?“, wollte ich wissen.

Die Dame musterte mich ein eine Weile lang stumm.

„Tut mir leid, die Vasen mit den Deckeln sind vor einiger Zeit verkauft wurde, die neuen Vasen sind alle ohne, außer der einen, die sie gestern erworben haben, junger Mann.“, erklärte sie mit einem Lächeln.

„Oh Mist...ist es lange her, seit die verkauft worden? Sie können sich nicht zufällig daran erinnern, an wen sie die verkauft haben, oder?“, hakte ich hoffnungsvoll nach.

Die junge Verkäuferin wirkte ein wenig überrascht – egal womit sie gerechnet hatte, diese Reaktion war es wohl nicht gewesen – doch wie fasste sich recht schnell wieder.

„Ich wusste gar nicht, das Vasen sie so sehr interessieren, junger Mann, aber tut mir leid, ich darf ihnen nicht sagen, wer die Vasen gekauft hat, selbst wenn ich es noch weiß, das ist verboten und einige sind schon länger verkauft worden, andere nicht.“, erwiderte sie.

„Okay...dann trotzdem danke!“, war alles, was ich dazu noch sagte, ehe ich zu Ven zurückging, um ihm das zu erzählen und mit ihm zu überlegen, was wir als nächstes tun könnten.

Dabei hörte ich die Verkäuferin die Katze „Was hast du denn für ein Problem mit dem Jungen?“ fragen, aber ich dachte mir nicht wirklich etwas dabei, ebenso wenig, als die Katze ein weiteres Mal zur Antwort maunzte.

Ich wollte Ven gerade ansprechen, da wandte er seinen Blick Stirn runzelnd in Richtung der Verkäuferin mitsamt der Katze um.

„Ist irgendetwas?“, fragte ich etwas verwirrt, bekam aber nur ein „Warte mal kurz.“, zu hören.

Anscheinend war ihm irgendetwas aufgefallen, das ich übersehen hatte?

Er ging auf die Verkäuferin zu, musterte sie und die Katze eine Weile stumm.

"Entschuldigung, haben Sie diese Katze schon lange?", fragte er die Dame schließlich.

Die Frau schien ein ziemlich überrascht von dieser Frage zu sein, starrte Ven gerade an, als hätte er sie gefragt, ob ihre Oberweite echt war, während die Katze in ihrem Armen Ven aus unerklärlichen Gründen an fauchte.

Was zur Hölle war denn bitte jetzt hier los?!

Ich folgte Ven zu Katze und Verkäuferin, um näher am Geschehen zu sein, wenn ich auch nicht wirklich begriff, was das alles hier werden sollte.

„Nein, die Katze befindet sich erst seit einem Monat in meinem Besitz, junger Mann, warum willst du das denn wissen?“, rang sich die junge Frau zu fragen durch, nachdem sie sich wieder gefasst hatte.

Einen Moment lang betrachtete Ven die Katze mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck.

„Nur so. Haben sie zu der Zeit auch Vasen mit Deckeln geführt?“, hakte er nach.

„Ja, haben wir, warum?“, erwiderte die junge Frau, während Ven sich nun der Katze zu wandte.

Ich konnte es kaum glauben, als er tatsächlich die Katze an maunzte!

Aber als wäre das nicht noch verrückt genug, erstarrte die Frau mit einem Mal und wurde ziemlich bleich.

„Woher weißt du das denn?“, fragte sie Ven leise.

„Bitte...was?! Könnte mich mal jemand aufklären, was hier los ist, ich verstehe nur 'Miau'!“, mischte ich mich in dieses Gespräch ein.

Irgendetwas war doch hier ober faul und ich wollte auf der Stelle wissen, was es war und mich hier nicht stundenlang fragen, was zur Hölle eigentlich von Statten ging!

Die Katze maunzte irgendetwas in Vens Richtung, von dem ich keine Ahnung hatte, was ich bedeuten sollte, während die Verkäuferin mich nur mit einem zögerlichen Blick bedachte.

Anscheinend hatte sie nicht das Bedürfnis, mich in ihr Wissen einzuweihen, also wandte ich mich lieber zu Ven um, in der Hoffnung, das wenigstens er einen Kommentar dazu abgeben würde, der nicht nach 'Miau' klang und mit dem ich etwas anfangen konnte!

„Wissen Sie, Sie sind nicht die einzige die diese Sprache sprechen kann, auch wenn es ganz gut ist, dass Sie es können. Damit wäre wohl auch geklärt wer die drei Wünsche frei hatte. Aber was mich viel mehr interessiert... wie viele Wünsche haben Sie noch?“, wollte Ven von der Frau wissen, ehe er tatsächlich so gütig war, mich einmal aufzuklären.

„Wir scheinen bei unserer Suche doch Erfolg gehabt zu haben. Diese Katze ist ebenfalls ein Dschinn und da die Frau mich verstanden zu haben scheint ist ziemlich klar, dass sie die drei Wünsche frei gehabt haben muss.", erklärte er, bevor er zu der Verkäuferin zurück sah und mit einem „Also?“, nach einer Antwort verlangte.

Jetzt ergab das ganze für mich einen Sinn!

„Ja, sieht ganz so aus, als wäre ich ertappt worden, hm? Ich habe keinen Wunsch mehr frei, junger Mann, aber du scheinst ja ziemlich gut informiert zu sein...bist du auch ein Dschinn?“, brachte sie ihre Frage hervor, sah zwischen mir und Ven hin und her.

So langsam fügten sich die Puzzle-Teile für alle Beteiligten wohl zusammen.

„So ist das also...“, murmelte ich, nickte an Vens Stelle auf die Frage der Frau hin.

„Ist er und er gehört zur Zeit zu mir...allerdings sind meine Wünsche ebenfalls verbraucht. Darf man fragen, warum der Dschinn noch bei ihnen ist? Kann es sein, dass er nicht gehen konnte?“, hakte ich gleich ein wenig nach. Wenn sie das gleiche Problem hatte, wie wir, dann hatten wir vielleicht einen Anhaltspunkt gefunden mit dem wir etwas anfangen konnten!

„Woher wisst ihr das? Sagt nur, ihr Beide habt das gleiche Problem, wie wir?!“, erwiderte sie, sah überrascht zwischen uns Beiden hin und her.

Wir hatten tatsächlich jemanden gefunden, der mit den gleichen Komplikationen zu tun hatte! Vielleicht wäre es uns nun möglich, diese Situation irgendwie schnell aufzulösen, damit jeder seiner Wege ziehen konnte...
 

Ven
 

Überrascht hatte ich zugehört, als die Verkäuferin davon berichtete, das gleiche Problem zu haben wie wir. „Genau so sieht es aus...“, antwortete ich daher auf ihre Frage, bevor ich mich an den Dschinn wandte, der weiterhin als Katze auf ihrem Arm war. „Hast du eine Ahnung, was man dagegen unternehmen könnte? Die Regeln besagen doch immerhin, dass die Barriere nur solange bestehen bleibt bis der dritte Wunsch erfüllt wurde.“, fragte ich in ihrer Sprache. Da man als Dschinn alle Sprachen der Welt beherrschte, da man sich auch verständigen musste, egal wer die drei Wünsche frei hatte, war es ein leichtes, mich mit einer Katze zu unterhalten, auch wenn das für die meisten Leute wohl mehr als dämlich ausgesehen haben musste, so ein Junge, der eine Katze an maunzt.

Aber alles was zählte war, dass mich der andere Dschinn verstand und antworten konnte. „Tut mir leid, ich weiß leider auch nicht was da los ist. Wie du gehört hast bin ich schon seit einem Monat bei Jana, also ihr hier.“ Die Katze blickte die Verkäuferin kurz an um dann wieder zu mir zu sehen und weiter zu sprechen. Oder zu miauen. Wie auch immer. „Ich fürchte aber, dass wir zwei nicht die einzigen sind, die das betrifft. Ursprünglich dachte ich zwar, es wäre eine Ausnahme bei mir aber nun habe ich dich getroffen. Wir müssen-“

Doch weiter kam er nicht, da er mit einem genervten „Hey!“ von Ethan unterbrochen wurde. „Freut mich ja, das ihr euch gut versteht, aber ich bin auch noch da!“ Ach ja... Ethan verstand unsere Unterhaltung ja gar nicht, das hatte ich darüber, dass ich endlich mal wieder auf einen andere Dschinn getroffen war, der auch noch das gleiche Problem hatte wie ich, irgendwie völlig vergessen. „Oh, sorry.“, meinte ich daher entschuldigend lächelnd bevor ich mich noch einmal an die Katze wandte. „Könntest du dich für eine Weile zurück verwandeln? Ethan hier versteht die Sprache der Tiere leider nicht.“

Und tatsächlich sprang die Katze vom Arm der Verkäuferin auf den Tresen und verwandelte sich kurz darauf in einen brünetten jungen Mann, welcher gut gelaunt auf eben dieser Oberfläche saß. „So besser?“, fragte er leicht lächelnd und sah zu Ethan.

„Ja, danke, viel besser!“ war die Antwort und der Dschinn nickte bevor er wieder ernst wurde. „Wir haben nur festgestellt, dass wir beide keine Ahnung haben, was los ist oder was man dagegen unternehmen kann. Aber dafür ist es wahrscheinlich, dass es noch mehr Dschinn wie uns gibt. Keine Ahnung ob das nur mit denen passiert, die in einer der Vasen aus diesem Laden stecken oder auch mit anderen, aber das sollten wir irgendwie in Erfahrung bringen. Du kennst nicht zufällig irgendjemanden, der sich in letzter Zeit irgendwie anders verhalten hat oder so?“

Interessiert blickte ich ebenfalls zu Ethan, welcher die Zeit über aufmerksam zugehört und schließlich geseufzt hatte, vermutlich wohl weil auch die beiden Anderen keine Lösung für unser Problem hatten. Das war eigentlich eine gute Frage, vielleicht gab es hier ja wirklich noch andere Dschinn die nicht verschwinden konnten.

Der Mensch überlegte etwas, aber schließlich schien ihm tatsächlich etwas eingefallen zu sein. „Ich weiß nicht, ob das darauf passt, aber wir haben jemanden in der Klasse, der eigentlich ein verdammt schlechter Schüler ist, aber aus irgendeinem Grund hat er in der letzten Zeit viele gute Noten, teilweise sogar Bestnoten geschrieben... könnte das verdächtig genug für so etwas sein?“

Ob es verdächtig sein könnte? Also wenn der Kerl nicht wie durch ein Wunder von selbst kapiert hatte, dass er lernen musste und das dann in so kurzer Zeit so gut hinbekommen hat war das nicht nur verdächtig sondern sogar recht offensichtlich das Werk eines Dschinn. Naja, außer natürlich der Typ war ein Meister im spicken und abschreiben geworden oder sowas. „Es klingt ziemlich nach dem Werk eines Dschinn.“, erklärte ich daher und der andere Dschinn nickte zustimmend. „Wir sollten der Sache auf jeden Fall auf den Grund gehen. Am besten ist es wohl, wir fragen ihn irgendwie unauffällig aus. Vielleicht haben wir Glück?“

Auch Ethan nickte nun. „Sicher, wir können ihm am Montag in der Schule mal unter sechs Augen sprechen, denke ich? Du wirst mich wohl oder übel sowieso begleiten müssen, Ven...“ Ach ja, da war ja was. „Erinnere mich bloß nicht daran...“, murmelte ich seufzend. Schule. Na super. Immerhin war Samstag, ich hatte also noch zwei Tage Zeit, mich seelisch und moralisch darauf vorzubereiten, aber dennoch...

„Gut, dann würde ich Vorschlagen, wir vier treffen uns am Montag nachmittags wieder hier? Dann könnt ihr berichten was ihr herausbekommen habt.“ Damit unterbrach der andere Dschinn meinen Gedankengang - glücklicherweise, wer dachte schon gerne über Schule nach? - und sprang von Tresen. „Wie auch immer, vielleicht sollten wir uns erst einmal vorstellen? Es ist immer besser zumindest die Namen der Leute zu kennen mit denen man sich trifft, nicht wahr?“ Ich blinzelte. Tatsächlich, wir hatten uns nicht einmal vorgestellt. Wir unhöflich. Das sollten wir nachholen, weshalb ich nickte bevor ich zu sprechen begann. „Das stimmt natürlich... also mein Name ist Ven und das hier ist Ethan.“ Damit schlang ich spielerisch meine Arme um die Schultern des besagten Menschen, wie um zu verdeutlichen wen ich meinte, auch wenn das eigentlich klar war. Und hey, Ethan ließ es sogar mit sich machen, jedenfalls war seine einzige Reaktion ein überraschtes Blinzeln. Naja, und ein nicht sonderlich zufriedener Blick, aber hey, damit konnte ich leben!

„Mein Name ist Jana.“, meldete sich dann die Verkäuferin auch mal wieder zu Wort. „Ihr könnt mich im Übrigen ruhig duzen, ich fühle mich sonst so alt.“ Ich hätte am liebsten gefragt wie alt sie denn sei, riss mich aber noch zusammen, es hieß ja man solle Frauen nicht nach ihrem Alter fragen und vermutlich stimmte das auch, da sie dann oft so... zickig reagierten. Warum auch immer.

„Und ich bin Jason.“, stellte sich als letztes nun auch der andere Dschinn vor. Sehr schön, dann wussten wir jetzt immerhin die Namen der Anderen zwei. Und jetzt?

„Nun, da wir uns einander vorgestellt haben würde ich allerdings vorschlagen, dass ihr zwei euch noch ein schönes Wochenende macht, denn der Laden hier läuft leider nicht von selbst.“, schlug Jana schließlich vor und ich nickte. Das klang ganz gut und etwas anderes konnten wir im Moment wohl ohnehin nicht tun.

„Gute Idee. Hey Ethan, lass uns ins Kino gehen! Ich war schon ewig nicht mehr da und mich interessiert brennend was für Filme zur Zeit laufen. Was meinst du?“ Der besagte dachte etwas darüber nach, scheinbar skeptisch - warum auch immer, es war doch nur ein Kinobesuch? - bevor er antwortete. „Na gut, ich habe eh nichts besseres vor...also gehen wir?“ „Okay!“

Damit verabschiedeten wir uns von den zwei Anderen und verließen das Geschäft. Als wir wieder auf der Straße waren ergriff Ethan allerdings noch einmal das Wort. „Magst du vorher noch etwas essen? Wir müssen wahrscheinlich sowieso noch nach Hause Geld zusammenkratzen, das wächst bekanntlich nicht auf Bäumen.“

Belustigt sah ich zu ihm. Er hatte wohl schon wieder vergessen, dass ich als Dschinn keine Probleme damit hatte mir Dinge zu erschaffen? Aber egal, nach Hause war dennoch eine sehr gute Idee.

„Also wenn du willst können wir auch bei dir zu Hause essen, du musst mir nur sagen was du haben willst. Und wegen dem Geld brauchst du dir nun wirklich keine Sorgen zu machen. Geld mag nicht auf Bäumen wachsen aber ich hab trotzdem genug davon. Aber was soll‘s, lass uns gehen!“, meinte ich fröhlich und so machten wir uns auf den Weg zu ihm nach Hause. Hoffentlich hatten seine Eltern bis dahin mal die Nachrichten gesehen oder waren bei der Bank gewesen. Am besten natürlich beides. Auf das Gesicht war ich gespannt~

Freizeitgestaltung für Anfänger

Ethan
 

Zwar hatte unser Besuch im Antiquitätenladen nicht den gewünschten Erfolg erzielt und das Problem war nicht gelöst wurden, aber immerhin hatten wir einen weiteren Dschinn mitsamt Meisterin gefunden, die das gleiche Problem hatten wie wir.

Damit waren wir der Lösung dieser Sache zumindest ein kleines Stückchen näher gekommen, das spürte ich einfach!

Jeder noch so kleine Schritt in die richtige Richtung würde uns den Antworten näher bringen, die wir wirklich brauchten.

„Okay dann essen wir einfach irgendetwas einfaches bei uns zuhause und machen uns anschließend auf den Weg, das schaffen wir schon.“, wandte ich mich an Ven, schenkte dem Jungen sogar ein leichtes Lächeln.

Irgendwie war die Situation nicht einmal halb so schlimm wie ich sie mir vorgestellt hatte, zumindest bisher, und wer wusste, vielleicht würde es auch nicht mehr schlimmer werden?

Immer schön positiv denken, so sagte man doch immer!

Es dauerte nicht lange, dann hatten wir mein Zuhause erreicht und kaum, dass wir die Tür geöffnet hatten, konnte ich meine Mutter durch die Küche gehen sehen, das Telefon in der Hand.

Sie redete mal wieder sehr schnell und aufgeregt, wie immer wenn etwas passierte, und hatte gerade verdammt gute Laune, wie mir schien.

Was war wohl passiert?

„Ethaaaaaaaaaaaaaaan!“, kreischte Ashley, als sie um die Ecke kam, umarmte mich einmal und anschließend auch Ven, ohne dass einer von uns wusste was hier gerade los war.

Zumindest ich nicht...dem zufriedenen Gesichtsausdruck des Dschinns zu urteilen nach, hatte er sehr wohl eine Ahnung was hier los sein konnte.

„Du glaubst es nicht, du glaubst es nicht! Komm...komm ins Wohnzimmer, es gibt tolle Neuigkeiten, riesige Neuigkeiten! Du auch Ven...kommt!“, meinte sie, hakte sich bei uns Beiden ein und zog uns in Richtung Wohnzimmer.

„Okay, okay wir kommen, was ist denn los?“, wollte ich wissen, begegnete im Wohnzimmer dem strahlenden Lächeln meines Vaters.

Wie lange war es her, dass ich das gesehen hatte?

Mit einem Mal begriff ich, was los war, der Fernseher lief noch immer, die Nachrichten waren wohl gerade vor einigen Minuten erst um gewesen.

Eigentlich hätte ich auch gleich darauf kommen können.

Ich lächelte wissend, auch wenn es wohl besser gewesen wäre wenn ich weiter den Ahnungslosen gespielt hätte.

Ven hatte anscheinend ganze Arbeit geleistet!

„Ethan du glaubst es nicht! Der Kerl, der uns damals abgezockt hat, ist endlich gefasst worden! Anscheinend hat er aus Reue das Geld zurückgezahlt, das er gestohlen hatte und sich anschließend bei der Polizei gestellt...jetzt kommt er in den Knast, muss für alles büßen was er getan hat und wir haben unser Geld zurück! Ich konnte es kaum glauben aber ich habe mit unserer Hausbank telefoniert und es stimmt, es ist alles wieder da, ist das nicht großartig?“, fragte er, kam auf mich, Ven und Ashley zu und umarmte uns alle drei auf einmal, ungeachtet der Tatsache, dass Ven ja eigentlich nicht zur Familie gehörte.

Das schien dem Dschinn auch klar zu sein, denn er hielt sich zurück, ließ nicht mehr als ein zufriedenes Lächeln von sich sehen.

„Das sind ja großartige Neuigkeiten!“, gab ich zurück, erwiderte kurz die Umarmung, die gleich schon wieder gelöst wurde.

„Ja, nicht wahr? Deine Mutter kann es immer noch nicht glauben! Sie telefoniert gerade alle Verwandten, Freunde und Bekannten durch, um die guten Nachrichten zu erzählen! Du kannst sie ja...sie wird immer euphorisch bei so etwas und du weißt, wie viel Schuld sie sich gegeben hat, weil sie den Typen damals ausgesucht hatte...“, erklärte mein Vater mit einem leichten Kopfschütteln.

Oh ja, das wusste ich noch zu gut...meine Mutter hatte sich die Schuld gegeben und mein Vater hatte versucht ihr das auszureden...das Ende der Geschichte war gewesen, dass sie sich beide gegenseitig die Schuld gegeben hatten und ihre Ehe beinahe daran kaputt gegangen wäre, doch zum Glück hatten sie diese Krise meistern können.

„Umso besser...ich schätze dann wird es demnächst ein Familientreffen im großen Stil geben, um diese Angelegenheit angemessen zu feiern?“, fragte ich meinen Vater.

„Natürlich wird es das geben, aber jetzt organisier ich unser Vermögen erst einmal neu, wir reden später wieder darüber, ich glaube unser lieber Austauschschüler kommt sie sonst wie das fünfte Rad am Wagen vor, also macht euch noch einen schönen Tag, Ethan...Ven.“, meinte er, wandte sich wieder einigen Unterlagen zu, die sich auf dem Couchtisch türmten.

„Viel Vergnügen!“, wünschte ich ihm, verließ mit Ven den Raum und war nur froh, dass Ashley sich auf die Modezeitschriften gestürzt hatte um ihren Schrank mit dem Geld neu zu füllen nach all der Zeit...sie lief uns also nicht hinterher und meine Mutter war zu beschäftigt mit den Telefonaten, um uns zu bemerken, während ich nach oben in mein Zimmer ging, gemeinsam mit einem gewissen Dschinn.

Kaum, dass die Türe hinter uns geschlossen war, strahlte ich in Vens Richtung.

„Ich würde sagen, du hast ganze Arbeit geleistet mein Lieber...danke!“, bedankte ich mich für das, was er geleistet hatte.

Es war sicherlich nicht das einfachste gewesen!

Im ersten Moment wirkte Ven überrascht, doch dann lächelte er.

„Keine Ursache.“, erwiderte er fröhlich. Anscheinend freute er sich mit uns mit.

Gar kein so schlechter Kerl, wenn ich so darüber nachdachte...und eigentlich sah er auch ganz in Ordnung aus mit diesen silbergrauen Haaren und diesen hellen, blauen Augen...Moment!

Was zur Hölle dachte ich denn da gerade?!

Also wirklich...hatten da etwa die Yaoi-Manga, die ich für meine Schwester besorgt hatte, einen schlechten Einfluss auf mich gehabt?

Ich hatte eigentlich nur kurz reingeschaut, um zu wissen, was ich ihr besorgt hatte, doch anscheinend hatte selbst das schlimme Schäden hinterlassen...

„Nun...essen wir mal, hm? Ich hätte nichts gegen Pizza einzuwenden.“, schlug ich vor und staunte nicht schlecht als wir kurze Zeit später Pizza-Kartons auf meinem Bett finden konnten.

„Bitte sehr.“, erklärte Ven, mit einem leichten Grinsen auf den Lippen und ich nickte ihm anerkennend zu.

„Lass es dir schmecken!“, forderte ich ihn auf, fiel mehr oder minder über meine eigene Pizza her – es war nicht so, dass ich meine Manieren vergessen hätte aber ich hatte jetzt einfach wirklich Hunger bekommen nach dem heutigen Tag bisher – und es dauerte nicht lange bis ich zu ende gegessen hatte, ebenso wie Ven.

„So...dann wollen wir mal, oder? Gibt es irgendwelche Filme, die du besonders magst und sehen willst? Ich meine ich weiß nicht aus welcher Zeit du kommst, aber so ungefähr wirst du ja wissen, was du magst und was nicht, oder?“, wollte ich wissen.

„Bestimmte Filme...? Eigentlich nicht, solange es kein Romanzen-Zeug, Kitsch oder Horror ist schau ich mir alles gerne an! Und wenn du wüsstest aus welcher Zeit ich komme hättest du nicht gefragt, denn damals gab es noch keine Filme. Aber egal, wir können ja schauen was läuft wenn wir da sind und uns dann entscheiden.“, antwortete der Dschinn mir, genauso fröhlich wie er die ganze Zeit schon war.

Ehrlich gesagt gefiel er mir fröhlich ohnehin besser als anders, aber das musste man ihm ja nicht auf die Nase binden!

„Gut...dann schauen wir einfach mal, was so läuft, ich glaube es läuft ein ziemlich guter Psychothriller zur Zeit, wenn ich mich nicht täusche, das könnte doch schon eher etwas sein, mal schauen ob wir dich mit dem neumodischen Zeugs schocken können!“, lachte ich leicht.

„Komm schon, SO lange war ich jetzt auch nicht in der Vase, meinst du da hat sich so viel verändert?“, gab Ven zurück. Ich konnte ihn nur angrinsen und leicht mit den Schultern zucken.

„Wer weiß, wer weiß? Ich war ja vor so und so vielen Jahren nicht im Kino, also kann ich das leider nicht beurteilen!“, scherzte ich, steckte ein wenig Geld und dergleichen ein, ehe ich mit Ven das Haus verließ und das Kino ansteuerte.

Das Kino zu dem ich Ven mitnahm war nur wenige Straßen von unserem Haus entfernt und nicht so sehr besucht, dass man Angst haben musste keinen Platz mehr in Vorstellungen zu bekommen.

Es war nicht das größte Kino in der Kleinstadt aber dafür umso gemütlicher mit den schönen, schwarzen Sesseln und den Kissen, die dieses Kino – als einziges mir bekanntes Kino dieser Art – für seine Besucher zusätzlich bereit legte.

Die Preise waren auch mehr als anständig, sowohl was Karten, als auch was Popcorn und Getränke anging, denn nicht selten kam es vor, dass man die Besucher mit billigen Kartenpreisen lockte, nur um ihnen bei Snacks und Getränken noch einmal extra tief in die Taschen zu greifen.

Das war hier nicht der Fall, eher im Gegenteil!

Ich erinnerte mich da an einen Kinobesuch vor zwei Jahren, als meine Schwester noch jünger gewesen war und nicht mehr genug Geld hatte um sich ein zweites Getränk zu kaufen: Die alte Dame, der das Kino mit ihrem Mann gehörte, hatte ihr sogar die Hälfte gratis nachgefüllt.

Vielleicht lag es auch daran, dass ich dieses Kino lieber mochte als die Anderen? Auch wenn die Leinwände etwas kleiner waren und die Auswahl nicht so groß?

Die Atmosphäre hatte einfach etwas anderes, entspannte so viel mehr als jedes andere Kino, das ich besucht hatte in meinem Leben.

Aus meiner Sicht und der der anderen Stammgäste, konnte das Cinemar von keinem anderen Kino geschlagen werden, wenn es auch einen Haufen Leute gab, die das anders sahen!

„So...da wären wir.“, erklärte ich Ven als die großen, blauen Leuchtbuchstaben des Kinos in Sicht kam.

Ich konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken als ich bemerkte, dass das 'e' in dem Wort noch immer nicht leuchtete...wie lange war die Leuchte schon kaputt?

Irgendwie gehörte das zu diesem Ort einfach dazu, alles Andere würde sich wohl komisch anfühlen!
 

Ven
 

Interessiert besah ich mir das Kino als Ethan und ich dort angekommen waren. Es sah ja gar nicht so schlecht aus, zwar fehlte bei einem der Buchstaben oben drüber das Licht, aber als wir hinein gingen konnte ich eine gewisse heimische Atmosphäre vorfinden. Nicht schlecht, diese Großstadtkinos waren da so ganz anders... „Nettes Kino habt ihr hier.“, kommentierte ich leicht lächelnd als wir uns anstellten um die Karten zu kaufen. Allerdings musste ich zugeben, eine Sache störte mich, auch wenn das Kino dafür reichlich wenig konnte. Nämlich der Film.

Musste es denn ausgerechnet ein Psychothriller sein? Ich meine sicher, ich hatte gesagt das ich keine Romanzen, keinen Kitsch und kein Horror mochte, und Thriller waren ja etwas anderes als Horrorfilme, aber... es lief doch auf das Gleiche hinaus...! Trotzdem wollte ich jetzt keinen Rückzieher machen, wie sähe das denn aus? Ich musste es eben ertragen wie ein Mann!

...oder so.

Also hoffte ich auf das beste als wir schließlich mit Popcorn und Getränken - was wäre ein Kinobesuch immerhin ohne den Knabberkram? - auf unseren Sitzen saßen und die Lichter ausgingen.

Es waren nicht unbedingt viele Leute in diesem Film, wir hatten den Saal fast für uns allein, mit Ausnahme von einem Pärchen schräg vor uns und einem Kerl mittleren Alters in einer der vorderen Reihen. Aufbauend...

Aber gut, der Anfang des Films war ja noch harmlos. Mehr oder weniger. Es ging um eine 0815 Krankenschwester auf deren Station mehr Leute starben als gewöhnlich. Erst, als sie irgendwie herausgefunden hatte, dass eine ihrer Kolleginnen für Geld einige Patienten tötete und ihr das dann auch noch auf die Nase binden musste geschahen seltsame Dinge. Die natürlich mit einer ordentlichen Portion Spannung herüber gebracht wurden. Und natürlich blieb es nicht nur dabei, als diese Frau schließlich zu ihrer heimlichen Liebe geflohen war, begann sich irgendetwas an seinem Verhalten zu verändern. Und als er schließlich versuchte, sie ebenfalls zum Schweigen zu bringen waren die darauf folgenden Szenen so spannend, aber gleichzeitig auch so verdammt gruselig, dass ich nicht einmal bemerkte, wie ich mich an das nächstbeste klammerte, was gerade zur Verfügung stand. Und das war dummerweise Ethans Arm, welchen er neben mir auf die Armlehne gelegt hatte.

Das bemerkte ich allerdings erst, als er sich räusperte und ich, als ich verwirrt zu ihm sah dann auch bemerkte, was ich gerade tat. Und natürlich musste er es kommentieren. „Alles in Ordnung mit dir?“, fragte er daher leicht amüsiert. „Du brauchst keine Angst zu haben, die Leute kommen nicht aus der Leinwand heraus und tun dir schon nicht weh!“

„Das weiß ich auch...!“, murmelte ich beinahe schmollend - aber nur beinahe, Männer schmollen nicht! - und ließ ihn los um stattdessen meine Arme zu verschränken. Wie peinlich...! Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss und konnte nur hoffen, dass es dunkel genug war damit niemand es sehen konnte. Dieser blöde Film... wenn das Mädchen vor uns sich an seinen Freund klammerte war das eine Sache, aber ich war ein Kerl! Und Ethan ebenfalls.

Aber das schien auch mit die schlimmste Stelle gewesen zu sein, zumindest behielt ich meine Arme für den Rest des Films bei mir. Was nicht hieß, dass ich nicht froh war als die Lichter endlich wieder angingen. Ich meine, ich liebte ja Filme und man konnte mit mir sehr viel ansehen, aber das... ich war einfach zu anfällig gegen diese blöden Gruselmomente in Horrorfilmen. Oder eben Thrillern. Jetzt konnte ich nur noch hoffen, dass er das nicht noch einmal erwähnen würde... am besten wäre es wohl wenn ich es vergessen würde. Oh ja. Und das bitte möglichst schnell.

„Und was machen wir jetzt...?“, fragte ich daher schließlich als wir wieder vor dem Kino standen. Immerhin ging so ein Film selten länger als zwei Stunden, wir hatten immer noch genug Zeit, irgendetwas zu machen wenn wir uns nicht irgendwo langweilen würden. Und von Langeweile hatte ich für die nächsten Jahre wirklich genug gehabt...

Aber vorerst musste natürlich ein Kommentar von Ethan kommen, dass ich mich ‚tapfer geschlagen hätte‘... na danke. Das klang irgendwie nicht gerade aufmunternd, trotz des Lächelns was vermutlich genau dazu gedacht war. Da half das Eis, was er mir kurz darauf spendierte schon eher. Sicher, ich konnte mir so etwas jederzeit herbei zaubern, aber wenn jemand anders dafür Geld ausgab freute man sich doch gleich viel mehr darüber, nicht wahr?

Deshalb war ich auch bereits wieder besser drauf, als der Andere schließlich einen Vorschlag hatte, was wir als nächstes unternehmen konnten. „Tja ich weiß nicht, ob dir so etwas ein Begriff ist, aber was hältst du davon, ein wenig in einer Disco tanzen zu gehen, hm? Das muntert dich bestimmt wieder auf!“ Woraufhin ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen ansah. „Sag mal, für wie lange glaubst du war ich in dieser Vase gefangen? Zugegeben, es waren ein paar Jahre, aber Discos gibt es ja schon etwas länger.“, fragte ich etwas verwirrt, lächelte allerdings dennoch leicht. Eis wirkte manchmal eben Wunder. „Trotzdem können wir gerne eine besuchen, da war ich ja auch schon ewig nicht mehr. Zeigst du den Weg?“, fügte ich dann noch schnell hinzu, immerhin wollte ich auch nicht, dass er wieder beleidigt sein würde oder so wegen meinem Kommentar. Bei manchen Menschen ging das schließlich verdammt schnell. Aber bei Ethan schien das glücklicherweise nicht der Fall zu sein und so sagte er nur „Sicher, hier entlang!“ und ging in eine Richtung vor, in die ich ihm dann einfach mal folgte.

Und so dauerte es nicht lange, bis wir schließlich die besagte Disco erreicht hatten. Was auch nicht sonderlich schwer zu erkennen war, da der Name in bunten Lettern oben drüber stand und man die Musik noch bis auf die Straße hörte. Aber glücklicherweise nicht allzu laut, denn ich hatte nicht vor bei einem Discobesuch demnächst mein Gehör zu verlieren. So traten wir ein und ich sah mich etwas um. Es waren für diese Tageszeit schon überraschend viele Leute hier, musste wohl daran liegen, das Samstag war. Es waren jedenfalls definitiv genug um den Laden als gut besucht beschreiben zu können, vielleicht sogar noch ein paar mehr, aber auch wiederum nicht so viele, als dass man keinen Platz mehr gefunden hätte um zu stehen. Die Tanzfläche sah auch schön groß aus und lud mich förmlich dazu ein, dort zu tanzen, da auch die Musik nicht übel war. Logisch, andernfalls wäre hier wohl kaum so viel los.

Also ließ ich Ethan vorerst stehen in der Hoffnung, dass er da schon nichts dagegen haben würde mich mal etwas los zu sein, um mich auf eben diese Tanzfläche zu schwingen. Ich hatte zwar jahrelang nicht mehr tanzen können, daher waren meine Fähigkeiten dahingehend vermutlich etwas eingerostet, aber das war ja beinahe wie mit dem Fahrradfahren, man verlernte es nicht. Ich brauchte nur mal wieder etwas Übung!

Und genau die hatte ich nun auch eine ganze Weile, während ich ausgelassen vor mich hin tanze und die Welt um mich herum dabei einfach mal komplett ausblendete. Erst als ich so langsam Durst bekam, da tanzen durchaus ziemlich anstrengend sein konnte, besann ich mich wieder etwas und ging daher schließlich zur Bar, die etwas abseits der Tanzfläche stand und diverse Fruchtcocktails anzubieten hatte, die mir aber alle komplett unbekannt waren. Aber egal, ich bestellte mir einfach irgendeinen gegen den Durst. Genug Geld hatte ich schließlich immer. Und während dieser gemixt wurde sah ich mich kurz in der Disco um, da ich mich fragte, ob Ethan wohl irgendwo in der Nähe war, nicht, dass ich nachher noch eine unschöne Überraschung erlebte weil er sich mehr als einhundert Meter von mir entfernt und mich damit wohl automatisch mitgezogen hätte. Aber ich sah beruhigt, wie er nicht allzu weit entfernt stand und konnte mich damit wieder dem Drink zuwenden, der nun vor mir stand und bezahlt werden wollte. Also drückte ich dem Barmann das Geld in die fordernde Hand und nippte an dem Cocktail, welcher ziemlich gut schmeckte. Auch wenn er einen merkwürdigen Beigeschmack hatte den ich nicht so ganz zuordnen konnte. Aber egal, solange es im großen und ganzen schmeckte war es doch gut, nicht wahr?

Und so trank ich das ganze Glas relativ schnell leer, gefolgt von einem zweiten. Erst als ich das dritte bereits in der Hand hielt bemerkte ich die Veränderung. Denn irgendwie erschien mir alles plötzlich soviel fröhlicher als ohnehin schon. Und... bildete ich mir das ein, oder war es wärmer geworden hier drin? Ich versuchte, den Grund dafür zu erfassen, aber gleichzeitig bemerkte ich, wie sich meine Gedanken lieber zu zerstreuen schienen, was das Konzentrieren irgendwie erschwerte. Erst, als ich noch einen Schluck von diesem Drink nahm ging mir endlich ein Licht auf. Dieser seltsame Geschmack, das war Alkohol! Ich hatte es nur deshalb vergessen, weil ich wegen meiner ziemlich niedrigen Toleranzgrenze kaum was vertrug. Und in der Vase hatte ich sowieso keinen Grund dazu mich zu betrinken. Ich Idiot.

Nun arbeitete mein Verstand aber immerhin noch genug, als dass mir klar wurde, dass ich Ethan finden musste. Das beste würde wohl sein, wenn ich schleunigst nach Hause käme, nicht, dass ich in meinem angetrunkenen Zustand noch Blödsinn anstellte. Was für Dschinn leider wesentlich einfacher - und auffälliger! - sein konnte als für Menschen.

Irgendwie schien ich es dann am Ende doch geschafft zu haben, den Anderen ausfindig zu machen und zu ihm zu gehen. Nur gut, dass ich noch halbwegs anständig laufen konnte, mein Körper war noch minderjährig, ich sollte eigentlich gar keinen Alkohol intus haben... was auch immer sich dieser Barmann dabei gedacht hatte. Und Ethan sah mich auch stirnrunzelnd an, als ich vor mich hin nuschelte was passiert war. Also, sofern man bei der Lautstärke der Musik noch von nuscheln reden konnte.

Aber gut, irgendwie schafften wir es dann doch noch, mich unbeschadet zurück zu sich nach Hause und irgendwie an seinen Eltern vorbei in sein Zimmer zu bekommen. Es machte jedenfalls keinen guten Eindruck, den Austauschschüler bereits 'wenige Tage' nach seiner Ankunft angetrunken aufzufinden. Auch wenn ich ja nicht direkt etwas dafür konnte, ich hätte vermutlich besser aufgepasst wenn ich geahnt hätte, dass dort Alkohol enthalten gewesen war.

Aber was geschehen war, war geschehen und das letzte woran ich mich erinnerte, bevor ich das Bewusstsein verlor - oder vielleicht war ich auch einfach eingeschlafen? - war, dass ich in Ethans Zimmer in Richtung Bett gefallen war. Hoffentlich hatte ich es auch erreicht, andernfalls würde das Erwachen... nun ja, schmerzhafter werden als ohnehin schon...
 

Ethan
 

Kaum, dass wir die Disco betreten hatten, war ich natürlich mehr als dankbar gewesen, ein wenig Ruhe zu bekommen, doch im Nachhinein hatte ich das Gefühl, es wäre wohl klüger gewesen, Ven nicht alleine zu lassen. Dann hätte ich wenigstens keinen betrunkenen Dschinn nach hause bringen müssen!

Wenigstens konnte er noch halbwegs anständig von selbst laufen, wenn er auch hier und da so sehr schwankte, dass ich mich darauf einstellte, ihn notfalls aufzufangen, was glücklicherweise jedoch nicht der Fall wurde die ganze Zeit über.

Irgendwie schafften wir es sogar an meinen Eltern und Ashley vorbei zu kommen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, das wäre sonst noch ein wenig lustig geworden und ich hätte mir von meinen Eltern einen Vortrag zum Thema Verantwortung anhören dürfen, mit dem sie auch recht gehabt hätten.

Es ging tatsächlich auf meine Kappe, ich hätte mir schließlich denken können, dass ich Ven nach all diesen Jahren nicht alleine auf die Bar loslassen konnte!

Er hatte doch keine Ahnung von den neumodischen Cocktails, bei denen man nicht wirklich begriff, wie viel Alkohol sich darin befand, bis es zu spät war!

Gut, er musste auch schon viele getrunken haben oder eine extrem geringe Alkoholtoleranz haben, aber dennoch hätte ich es verhindern können, wenn ich besser auf ihn aufgepasst hätte!

Das war wohl auch einer der Gründe, warum ich nur ein Seufzen von mir hören ließ, als er mehr oder minder auf mein Bett stürzte und gleich einschlief.

„Na wunderbar....“, murmelte ich vor mich hin.

Eigentlich hatte ich nicht vor gehabt, mein Bett an ihn abzutreten, aber unter diesen Umständen beschloss ich eine Ausnahme zu machen, es wäre nun auch mehr als gemein gewesen, ihn auf den Boden zu legen und dort lag er ganz gut.

Also nahm ich meine Decke und deckte ihn anständig zu, damit er nicht noch die Nacht fror, man wusste ja nie, wie kalt es wurde.

Ich stellte fest, dass sein Gesicht eigentlich ziemlich hübsch aussah, wenn er schlief.

Unschuldig und wehrlos, wenn man so darüber nachdachte, konnte er gerade nicht viel tun, um sich in irgendeiner Art und Weise zu verteidigen.

Er wäre das perfekte Opfer für eine künstlichere Attacke auf sein Gesicht gewesen, aber das wäre nun mehr als gemein gewesen nach dem, was heute passiert war und so groß die Verlockung auf wahr, die Lippen und Augenlider mit der Schminke meiner Schwester ein wenig zu 'verschönern' so fies wollte ich nun auch wieder nicht sein, also ließ ich es bleiben und ihn in Ruhe schlafen.

Ich selbst zog mir notgedrungen die Bettcouch einmal aus, um es mir darauf bequem zu machen.

Sie war nun wirklich nicht der beste Ort um zu schlafen und ich würde am nächsten Tag sicherlich einen steifen Nacken haben, doch für eine Nacht sollte es irgendwie zu ertragen sein.

Es dauerte nach den heutigen Ereignissen auch gar nicht lange, dann war ich bereits eingeschlafen.

Am nächsten Morgen weckte mich die Sonne recht früh, noch bevor Ven aufgewacht war, wie es schien, also nutzte ich diese Gelegenheit einmal, um etwas nett zu sein und unseren Alkohol gequälten Dschinn ein wenig aufzumuntern, stellte ein Frühstückstablett in der Küche zusammen und stellte es neben ihn ans Bett. Hoffentlich gefiel ihm das überhaupt, wo er sich doch eigentlich alles ohnehin herbei zaubern konnte...

Naja es war ja nicht so, als würde ich das noch hunderte Male machen von daher wäre es auch nicht so schlimm, wenn die Sache ihn nicht so aufmunterte, wie geplant.

Ich selbst gönnte mir einen Kaffee in der Küche, um ansprechbar zu sein, versuchte meinen steifen Nacken irgendwie zu lockern, doch so recht gelingen wollte mir das nicht.

Ich kam nach oben zurück, nahm mir meine Kleider und zog mich im Badezimmer an, ehe ich zurück in mein Zimmer ging und überlegte, ob ich Ven ebenfalls etwas zum anziehen heraus suchen sollte oder er sich einfach etwas herbei zaubern würde.

Letzten Endes war wohl letzteres wahrscheinlicher, aber wer wusste, wie ein Dschinn auf so viel Alkohol reagierte? Vielleicht ging es ihm ja zu schlecht, um zu zaubern?

Also kramte ich vorsorglich etwas einfaches zum Anziehen hervor, legte es bereit.

Entweder er zog es an oder nicht und wenn nicht, hatte ich schon etwas für morgen früh heraus gesucht, von daher.

Ich hörte ein leichtes Brummen aus der Richtung meines Bettes, wandte mich dahin um.

Anscheinend kam der gute Ven gerade zu sich.

Der Dschinn hielt sich beim Aufrichten den Kopf, sah sich ein wenig desorientiert um und grummelte Flüche in einer Sprache, die ich nicht verstand, vor sich hin.

Er brauchte wohl einen Moment um sich zu erinnern, was geschehen war und zu begreifen, wo er war, doch als er mich im Raum erblickte, schien er soweit zu sich gekommen zu sein.

„Sag mal was zum Teufel tut ihr Menschen in eure Drinks? Mein Schädel bringt mich noch um...“, brummte er vor sich hin und ich musste mich wirklich zusammenreißen, ihn nicht noch gemeinerweise auszulachen, bei dem Bild, das sich mir gerade bot.

Irgendwie war das einfach süß...halt! Hatte ich gerade ernsthaft süß in Zusammenhang mit einem Jungen gedacht?!

Meine Schwester hatte wohl wirklich keinen guten Einfluss auf mich!

Ich blinzelte einmal überrascht, zuckte mit den Schultern.

„Das nennt sich Alkohol und scheint dir nicht so besonders zu bekommen, hm? Das wird schon wieder, ich gebe dir erst einmal eine Kopfschmerztablette, okay?“, erwiderte ich.

„Hey, ich weiß was Alkohol ist...! Mir ging es eher darum, dass ich nicht nachvollziehen kann warum ihr ihn mit Säften mixt... und das nicht einmal erwähnen könnt... Andernfalls hätte ich das Zeug ja nicht getrunken, ich weiß, dass ich nicht viel aushalte...“, gab der Dschinn ein wenig empört zurück.

Ich wollte gerade grinsend nachhaken, da murmelte er bereits ein „Frag nicht.“ in meine Richtung und ich ließ es gnädigerweise bleiben, kramte stattdessen eine Tablette aus meinem Nachttischschrank hervor und reichte sie Ven mit einem Glas Orangensaft vom Frühstückstablett, das dem Dschinn auch dadurch ins Auge fiel.

Einen Moment lang sah er es an, als versuchte er sich selbst begreiflich zu machen, was dort vor ihm stand, ehe sich ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen zeigte.

„Danke.“, bedankte er sich noch immer lächelnd, nahm die Kopfschmerztablette mitsamt dem Glas aus meiner Hand und nahm sie erst einmal, ehe er frühstückte.

„Willst du nichts essen?“, wollte er dabei wissen.

„Ich habe schon gefrühstückt. Ich bin schon etwas länger wach als du, aber das macht nichts.“, erklärte ich, ließ mich auf das Sofa fallen und sah ihm beim essen zu.

„Da drüben habe ich dir was anderes zum anziehen heraus gesucht, falls du willst.“, fügte ich hinzu, lehnte mich leicht gegen die Rückenlehne das Sofas und überlegte, was ich mit Ven heute so tun konnte.

Hier herum zu hocken war nicht so mein Plan für einen Sonntag, aber etwas mit meinen Freunden und diesem Dschinn zu unternehmen, gefiel mir auch nicht unbedingt...also würde ich ihn einfach aussuchen lassen, was wir heute tun könnten. Ich hatte auch schon ungefähr eine Idee, was ihm gefallen könnte, nach all der Zeit, die er in der Vase gesteckt hatte: Etwas, dass Spaß machte.

Eine Weile lang betrachtete er die Kleidungsstücke etwas nachdenklich, ehe er mir eine Antwort darauf gab.

„Danke, das ist nett. Aber ich will dir nicht zu sehr zur Last fallen wenn du mich schon eine Weile am Hals haben wirst... außerdem fürchte ich, dass mir deine Sachen etwas zu groß sein werden. Und meinst du nicht, deiner Familie fiele auf, wenn ich in deinen Sachen herumlaufe? Vielleicht wäre es besser etwas anderes anzuziehen.“, überlegte er.

So hatte ich die Sache noch gar nicht gesehen, aber Ven hatte wohl recht, es würde auffallen, wenn er andauernd in meinen Sachen herumlief – einmal würden meine Eltern es wohl für einen Zufall halten, aber sie würden früher oder später misstrauisch werden – und die Größe könnte auch nicht ganz passen.

„Hm...auch wieder wahr, da hast du recht! Also dann musst du dir wohl etwas eigenes herbei zaubern, Kleiner...oder ein paar Zentimeter wachsen!“, scherzte ich mit einem leichten Kichern.

Ven schien meine Begeisterung jedoch nicht wirklich zu teilen.

Ich war mir nicht sicher, ob er einfach ein wenig schmollte oder sich bloß ärgerte, aber ich wusste schon, wie ich ihn wieder auf andere Gedanken bringen würde.

„Jetzt aber mal Spaß beiseite...was magst du heute unternehmen, hm? Wenn du willst, könnte ich dich in den Zoo und in den Zirkus mitnehmen. Letzterer ist gerade in der Stadt und gibt heute Abend eine Vorstellung und vorher könnten wir in den Zoo, wenn du willst.“, schlug ich vor.

Dieser Vorschlag schien dem Dschinn schon eher zu zu sagen, man konnte die Vorfreude förmlich in seinen Augen aufblitzen stehen.

Ein hübsches Paar Augen, wenn ich so darüber nachdachte...

Ich schüttelte leicht den Kopf, als könnte ich diese komischen Gedanken damit vertreiben und konzentrierte mich lieber auf die Antwort, die Ven mir gab.

"Wirklich? Das wäre toll, ich war schon ewig nicht mehr im Zoo und in einem Zirkus schon gar nicht...!", erwiderte er, sprühte förmlich von Begeisterung.

„Gut, freut mich, dass dir die Idee gefällt! Wir können meinetwegen auch gleich los, gefrühstückt haben wir Beide schon, du müsstest dich nur noch anziehen.“, stellte ich mit einem leichten Schmunzeln fest.

Wie sich ein Dschinn wohl umzog, wenn er Magie benutzte?

„Okay!“, rief Ven ein wenig euphorisch und ehe ich mich versah, verwandelten sich seine Kleider vor meinen Augen.

So funktionierte das also? Interessant...

„Da staunst du, was?“, wollte der Dschinn mit einem leichten Grinsen wissen.

„Ja, irgendwie schon...aber egal, lass uns gehen, je eher wir in den Zoo kommen, desto besser, nachher wird es sonst so voll und die Schlange am Eingang...“, erklärte ich, rollte leicht mit den Augen, wenn ich an den letzten Zoobesuch dachte. Eine dreiviertel Stunde hatten wir in diese verdammten Schlange warten dürfen, weil nur eine Kasse besetzt gewesen war! Furchtbar...

So verließ ich mit Ven schließlich einmal mehr unser Haus und gab mir die größte Mühe, Ashley daran zu hindern, mit zu kommen. Ein Glück nur, dass unsere Eltern beschlossen hatten, mit ihr shoppen zu gehen und sich das somit leider nicht mit unserem Ausflug vereinen ließ.

Also hatten wir diese Angelegenheit relativ schnell geklärt und verließen das Haus, um mit dem Bus zum Zoo zu fahren.

Es dauerte auch nicht allzu lange, bis wir den Zoo erreichten und ich erleichtert feststellte, dass sich der Besucherandrang in Grenzen hielt und wir nicht ewig lang warten mussten.

Ich kaufte uns die Eintrittskarten – auch die, für das Aquarium, damit wir uns die Delfin-Show ansehen konnten, die Ven bestimmt gefallen würde – und betrat mit dem Dschinn den Zoo.

„So, da ich alles kenne würde ich sagen, du bestimmst wo es hin geht, also: Was willst du zuerst sehen?“, wollte ich wissen, überließ die Gestaltung unseres Tages hier damit vollkommen Ven.

Nicht ganz uneigennützig: Ich war froh, wenn ich gerade mal nicht nachdenken oder planen musste und der Dschinn würde sicherlich nichts dagegen haben.
 

Ven
 

Woah... was ein Gelände.

Das war ungefähr der erste Gedanke den ich hatte als ich das Gelände des Zoos sah. Nach Jahren in einer engen Vase kam einem diese Fläche hier wirklich verdammt groß vor. Und das Beste daran: Überall waren Tiere, ich hatte mich ja schon ewig mit keine Tier mehr unterhalten! Naja, abgesehen von Katzen-Jason, aber der war ja auch kein richtiges Tier. Aber egal, laut Ethan durfte ich mir sogar aussuchen wo es hingehen sollte...!

Da waren doch die düsteren Gedanken von heute früh schon fast vergessen.

Ich sah mir also eine Übersichtskarte des Zoos an, die direkt am Eingang stand. Hmm... es gab so viele Tiere die ich sehen wollte, am liebsten natürlich ohnehin alle, aber irgendwo musste man ja anfangen. Also lief ich einfach mal in eine Richtung drauf los, die als Rundgang gekennzeichnet war, da würden sicherlich die meisten Tiere dabei sein, so ein extrem großer Zoo war es wohl im Vergleich mit anderen seiner Art sicher nicht. Für mich reichte er allerdings dennoch.

Die erste ‚Station‘ unseres Rundgangs waren die Affen. Oh ich liebte Affen, sie konnten die tollsten Geschichten erzählen...! Also trat ich so nah es erlaubt war an einen der Affenkäfige heran um die Aufmerksamkeit von einem zu erregen, ohne gleichzeitig irgendwie merkwürdig zu wirken. Nur gut, dass die Menschen nicht allzu sehr auf mich achteten. Solange ich nicht anfing hier zu randalieren oder so sollte es gehen. „Hey...!“, meinte ich daher probehalber in der Sprache der Affen. Natürlich leise genug um von den Umstehenden nicht für geistig gestört erklärt zu werden aber gerade laut genug, als dass der Affe mich verstehen musste. Und das tat er scheinbar auch, da er mich überrascht - soweit das für einen Affen möglich war - ansah. „Du... sprichst unsere Sprache?“ Ich nickte lächelnd, woraufhin der Affe das erst einmal dem halben Käfig erzählen musste.

Typisch, immer diese geschwätzigen Tiere. Affen waren da manchmal schlimmer als tratschende Weiber, die meisten Menschen wussten es nur nicht. Dadurch hatte ich allerdings bald die Aufmerksamkeit von beinahe der Hälfte der Affen im Käfig. Was irgendwie merkwürdig aussehen musste. Aber was interessierte es mich, solange niemand nachsehen kam was mit dem Affen los war. Und allzu lange wollte ich hier ohnehin nicht herumstehen, weshalb ich mich auch bald von den Affen verabschiedete und gerade noch rechtzeitig wieder zu Ethan sah, als dieser mit den Augen rollte. „Was? Affen sind toll. Naja, eigentlich sind alle Tiere toll, manchen sieht man es nur nicht ganz so sehr an. Aber nun komm, ja? Der Rundgang ist noch weit und da vorne stand ein Schild das die Löwen Junge bekommen haben...! Die sind bestimmt noch ganz klein und unschuldig!“

Mit diesen Worten packte ich ihn am Arm und zog ihn weiter durch den Zoo, allerdings an jedem Gehege anhaltend um mir die Tiere ansehen zu können, wenn gerade weniger los war wechselte ich auch mal ein, zwei Worte mit ihnen. Ich wusste, dass ich mich gerade vermutlich ziemlich kindisch verhielt, aber das war mir egal. Jeder durfte doch mal kindisch sein, nicht wahr? Und ich liebte Zoos nun einmal.

So dauerte es doch noch eine Weile bis wir dann endlich bei den Löwen angekommen waren. Die Löweneltern lagen ruhig auf einer Wiese während das Junge fröhlich und mit erstaunlich viel Energie durch das Gehege hüpfte. Es war einfach süß...! Ethan schien der gleichen Meinung zu sein, da er kurz darauf einen Kommentar in dieser Richtung abgab. Allerdings schien ihn das Löwenbaby gehört zu haben und kam nun zu uns hinüber. „Süß? Ich? Mal schauen ob du mich immer noch so süß findest wenn ich dir die Augen auskratze...!“, grummelte es verstimmt, allerdings klang es eher nach einem kindlichen Versuch wie sein Vater zu brüllen. Was es nur noch niedlicher machte und mich leise lachen ließ. „Ich fürchte es mag dich nicht...“, murmelte ich grinsend zu Ethan und winkte dem kleinen Löwenbaby zu, welches sich scheinbar verwirrt ein Stück vor das Gitter setzte und uns hinterher sah, als ich Ethan zum nächsten Tiergehege zog. Hach ja, kleine Tierbabys waren einfach zu süß...!

In den restlichen Tiergehegen passierte dann allerdings leider nichts allzu spannendes mehr, auch wenn ein paar Tiere durchaus interessante Geschichten auf Lager hatten. Ich konnte ja nun nicht ewig an jedem Gehege stehen und mich mit den Tieren unterhalten, denn auch wenn ich irgendwann begonnen hatte, Ethan eine Zusammenfassung davon zu geben was gesprochen wurde, es war natürlich anderes, als es wirklich zu verstehen. Immerhin wusste er ja nicht einmal, ob ich die Wahrheit sagte.

Daher besah ich mir die letzten Tiere schließlich ohne große Konversation und als wir dann mit dem Rundgang durch waren, war es auch schon fast Zeit für diese Delfin-Show im Aquarium. Fische und andere Meeresbewohner interessierten mich im Allgemeinen eher weniger, da sie oft sehr schweigsame Genossen waren, aber bei Delfinen sah das anders aus. Außerdem fragte ich mich, wie die Menschen diese Shows wohl aufbauten wenn sie doch die Delfine gar nicht verstehen konnten.

Also wartete ich dementsprechend gespannt als Ethan und ich schlussendlich auf unseren Plätzen saßen und bereits kurz danach die Vorstellung begann. Und es wurden wirklich atemberaubende Kunststücke gezeigt mit den Delfinen. Ich konnte nur hoffen, dass es diesen nichts ausmachte solche Dinge zu tun, aber es schien, als wüssten die Leute da ausnahmsweise was sie taten. Gut so. Denn bei Tierquälerei sah ich ganz gerne mal rot und das wäre wohl keinem der hier Anwesenden gut bekommen. So aber konnte ich mich wie alle anderen an den Tricks und Spielereien erfreuen, die diese Show ausmachten.

Nur schade, dass es so bald schon wieder vorbei war, aber man konnte den armen Tieren so etwas ja auch nicht ewig zumuten, von daher war es wohl ganz gut. Dennoch hatte es sich wirklich gelohnt. „Euer Zoo ist fantastisch, weißt du das?“, meinte ich daher zu Ethan während wir uns so langsam auf den Weg zum Ausgang machten. Und auch er lächelte gut gelaunt, bevor er antwortete. „Ja ich weiß, er ist toll... auch wenn es hin und wieder etwas überfüllt ist!“ „Naja, ist aber auch kein Wunder. Die Atmosphäre hier ist toll, die Tiere sind nett und diese Delfinshow war klasse, fandest du nicht auch?“

„Klar! Ich sehe sie zum dritten oder vierten Mal, aber sie ist immer wieder fantastisch...“ Er nickte dabei und machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach. „Willst du noch irgendetwas hier tun oder gehst weiter in Richtung Zirkus?“

„Hm...“ Ich sah mich noch einmal um, eigentlich musste ich alle Tiere hier gesehen haben. Und wenn nicht, wie konnten den Zoo sicher noch ein weiteres Mal besuchen wenn nötig. Daher zuckte ich nur mit den Schultern. „Also meinetwegen können wir zum Zirkus. Was ist das eigentlich für einer? Ein großer? Also der letzte Zirkus in dem ich war hatte ziemlich tolle Sachen und war auch dementsprechend groß, aber sind die heutzutage immer noch so?“ Da wir vermutlich noch ein kleines Stückchen Weg vor uns hatten wenn der Zirkus nicht direkt neben dem Zoo lag würde sicher noch genug Zeit sein, diese paar Fragen zu beantworten. Ich war halt neugierig, das war ja nicht verkehrt. Für gewöhnlich jedenfalls nicht. Und im Moment auch nicht, da mir Ethan immerhin meine Fragen beantwortete. Oder es zumindest versuchte, wenn ich seinen nachdenklichen Gesichtsausdruck richtig deutete. Und tatsächlich kam kurz darauf eine Antwort. „Ich weiß ja nicht, wie du einen Zirkus kennst? Aber für meinen Geschmack ist er schon groß genug, etwas, das man nicht gleich alle Tage sieht? Was willst du denn genauer wissen?“

Was ich genauer wissen wollte...? „Naja, eigentlich frag ich mich nur, ob sich großartig etwas an der Art der Präsentation getan hat... aber egal, ich denke ich werde es dann ja sehen, nicht wahr?“, meinte ich schließlich optimistisch. Der Andere konnte ja nun auch nicht alles wissen, da musste ich mich eben etwas gedulden, sobald wir in der Vorstellung saßen würde ich es ja mitbekommen.

Und wenn ich mich nicht sehr irrte sah ich in einiger Entfernung sogar schon das Zirkuszelt. Jedenfalls sah es sehr danach aus. Und war auch nicht unbedingt klein. Sehr schön, vielleicht hatte diese Vorstellung ja doch noch etwas von früher? Wir würden es bald sehen.
 

Ethan
 

Würde Ven sich im Zirkus genauso freuen wie im Zoo? Irgendwie hatte er mich an ein kleines Kind erinnerte mit diesem Leuchten in den Augen, wann immer er etwas entdeckt hatte, dass er noch nicht gesehen hatte und diese sprühende Begeisterung, mit der er die Gespräche mit den Tieren führte...ob ich es zugeben wollte oder nicht, er war irgendwie süß auf seine Art und Weise, so kindlich sie gerade auch wirkte.

„Ja, du wirst es vermutlich sehen, schätze ich? Ich würde es dir ja auch schon sagen, aber ich habe keine Ahnung wie der Zirkus früher war, tut mir leid...ich bin nicht so alt wie du!“, meinte ich mit einem leicht schelmischen Grinsen, während wir den Zirkus erreichten.

„Sag mal, da fällt mir ein...wie alt bist du eigentlich, Ven? Ich meine du siehst genauso alt aus wie ich, aber als Dschinn...wie viele Jahre hast du auf dem Buckel?“, wollte ich wissen.

Die Frage schien den Dschinn überrascht zu haben, so verdutzt wie er mich ansah, doch fasste er sich recht schnell wieder und zuckte mit den Schultern.

„Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Nach einhundert Jahren hatte ich keine Lust mehr zu zählen. Warum auch, es interessiert doch eh niemanden wie alt man ist und normalerweise würde mir auch kein Mensch glauben, wenn ich irgendein Alter nenne was jenseits der Hundert liegt wenn ich aussehe wie siebzehn. Aber mein hundertster Geburtstag ist schon weit länger als nur ein paar Jahre her, soviel kann ich dir sagen. Vielleicht wissen es meine Eltern oder so, die legen da mehr Wert drauf als ich.“, antwortete er mir.

Damit war nun ich es, der überrascht und verdutzt aus der Wäsche schaute.

„Echt? Ich hätte gedacht man will wissen wie alt man ist, aber wenn dir das nicht so wichtig ist...ich schätze, für einen Dschinn ist das einfach etwas anderes, weil man es nicht 'braucht', hm?“, überlegte ich.

„Kann sein? Mich interessiert es jedenfalls nicht wirklich.“, gab Ven schulterzuckend zurück.

Danach ließ ich das Thema einfach fallen, kaufte lieber die Eintrittskarten für den Zirkus und betrat das große Zelt mit Ven.

An sich sah es hier ganz in Ordnung aus, wenn ich mich so umsah...es hatte etwas!

Die hohe Zeltdecke, behangen mit einer Menge an Scheinwerfern, die die Manage erhellten. Wohl damit die Zuschauer auch später noch sehen konnten was sich hier abspielte, so langsam setzte die Dämmerung ein.

Gemeinsam mit Ven suchte ich nach geeigneten Plätzen, welche nicht zu nah an der Manege waren um Aufsehen zu erregen – nicht das Ven noch der Versuchung erlag, hier mit den Tieren zu reden oder dergleichen – aber auch nicht zu weit weg um ordentlich mit zu bekommen, was vor sich ging.

Das war nicht ganz so leicht, wie ich es mir erhofft hatte, aber irgendwie gelang es uns schließlich doch.

Lange warten mussten wir auf den Beginn der Vorstellung auch nicht mehr, nur eine Viertelstunde nachdem wir saßen und uns mehr oder minder schweigend umgesehen hatten, begann die Vorstellung.

Oh und was für eine Vorstellung das war! Die Seiltänzer, die sich hoch durch die Lüfte schwangen, in akrobatischen Meisterleistungen verstand sich – und das ohne Netz! – die Raubtierbändigerin mit ihren Tigern und Löwen, die durch flammende Reifen sprangen und eine Menge anderer Kunststücke vorführten – einer von ihnen balancierte über einen hölzernen Balken hoch in der Manage und gab in der Hälfte des Weges ein beeindruckendes Brüllen von sich – aber die Feuerspucker erst!

Mir wurde vom zusehen schon heiß, wenn sie die hohen Flammen in die Luft spuckten, als seien sie in Wahrheit Mensch gewordene Drachen, die das schon seit vielen, vielen Jahrhunderten taten!

Es war einfach nur fantastisch...so fantastisch, dass ich mir selbst wie ein kleines Kind vor kam, weil ich mich von der Atmosphäre in diesem Zelt so mitreißen ließ, aber sei's drum, ich durfte auch einmal kindisch sein!

Der Clown war für meinen Geschmack nicht ganz so lustigwie ich es mir erhofft hatte – vielleicht lag es auch daran, dass ich keine Clowns mochte und ich ihn deshalb nicht lustig fand – aber ganz in Ordnung.

Als letztes kam der Magier dran, führte ein paar kleinere Zaubertricks vor, die eine Menge Applaus ernteten.

Ven war von der Vorstellung bisher ebenso begeistert gewesen, wie ich, doch das schien mit einem Mal ein Ende zu haben, wie ich feststellen durfte.

„Und sowas nennt sich Magier“, murmelte er neben mir, sah den Typen in der Manage nicht gerade freundlich an.

„Was hast du denn für ein Problem mit dem Magier?“, flüsterte ich ihm kopfschüttelnd zu.

„Also bitte, das, was der da vorne tut sind billige Tricks, da kann er sich auch gleich 'Lügner' oder wenigstens 'Zaubertrickmeister' nennen. Ich bestreite ja gar nicht, dass er viel geübt haben muss für das da, aber echte Magie hat ein ganz anderes Niveau.“, erwiderte Ven.

War da ein beleidigter Unterton in seiner Stimme oder bildete ich mir das nur ein? Vielleicht ärgerte es ihn einfach, dass er als Dschinn, als richtiger 'Magier' wenn man so wollte, einen Amateur sehen musste, der sich so bezeichnete? Oder so ähnlich?

Vielleicht hätte ich mir als Gabe lieber das Gedanken lesen wünschen sollen?

Oder den Mund halten sollen, denn das, was ihn verließ, um Ven eigentlich nur zu necken, war nicht gerade besonders einfühlsam, wenn ich im Nachhinein darüber nachdachte.

„Ach und du meinst du kannst es besser?“, fragte ich, in herausfordernden Ton.

Ven sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Natürlich kann ich es besser. Das, was der Kerl da macht kriege ich mit dem kleinen Finger hin und zwar ohne die Tricks, die er verwendet. Naja, außer das mit dem Zerteilen von Menschen, aber ich kenne den Trick dahinter. Und ich glaube, es wäre auch keine gute Idee wirklich jemanden zu zerteilen.“, meinte er, in einem Ton, der erklärte, das es so und nicht anders sein konnte.

„So? Na das will ich erst mal sehen, wie du das besser hinbekommst, aber das Zerteilen von Frauen darfst du gerne weglassen, wir wollen ja nicht, dass noch etwas passiert, nicht wahr?“, gab ich zurück, wohl bewusst der Tatsache, dass Ven das sicher konnte, doch sich nun in seinem Stolz herausgefordert fühlen würde, mir das unter Beweis zu stellen.

Eine gratis Vorstellung mit einem richtigen Magier! Was wollte man mehr? Da hatte ich nicht einmal ein schlechtes Gewissen, den Stolz des Dschinns auszunutzen.

Es war nicht unbedingt nett, keine Frage, aber ich war auch kein Heiliger und es tat immerhin niemandem wirklich weh, Vens Fähigkeiten etwas heraus zu fordern, oder? Es war ja nicht so, als hätte ich behauptet, das er überhaupt nichts könne oder dergleichen!

So fies konnte ich auch gar nicht sein, dieses Necken – mit hin und wieder etwas Eigennutz – war das schlimmste, was ich mir leistete, wenn überhaupt.

Ven verschränkte die Arme – ob er nun beleidigt war? – ehe er zu einer Antwort ansetzte.

„Bitte, wie du meinst. Wenn wir wieder bei dir sind beweise ich es dir. Auch wenn du es wissen solltest, oder hast du deine Fähigkeit noch immer nicht ausprobiert?“, erklärte er, wirkte dabei fast schon wie ein trotziges Kind.

„Oh...darauf freue ich mich jetzt schon und nein, ich habe sie noch nicht ausprobiert, das war bisher noch nicht von Nöten, weißt du? Außerdem muss ich erst einmal herausfinden, wie genau das funktioniert, eine Bedienungsanleitung für ganz Dumme gab es nämlich leider nicht dazu.“, scherzte ich, konnte mit ein leichtes Kichern nicht verkneifen.

„Du wirst schon noch sehen!“, erwiderte Ven, wirkte dabei ziemlich sicher, mir beweisen zu können, was er auf dem Kasten hatte.

Die Vorstellung hatte sich mittlerweile dem Ende zugeneigt, der Zirkusdirektor bedankte sich bei allen Zuschauern und die Besucher verließen das Zelt.

Das galt auch für Ven und mich.

Wir schwiegen Beide in der Menschenmenge – unter so vielen Leuten konnte man eben nicht ungezwungen über Dschinn reden und deren anstehende Vorstellungen reden – und auch als wir zuhause waren, wurde das Thema erst einmal nicht angesprochen.

Heute war meine Mutter einmal zuhause und erwartete uns mit einem Abendessen, bei dem einmal seit langem die ganze Familie – inklusive eines gewissen Dschinns – an einem Tisch saßen.

Danach verschwand ich mit Ven auf mein Zimmer – es war ungeheuer schwer Ashley davon zu überzeugen, nicht mit auf unser Zimmer zu kommen, aber irgendwie hatte ich sie einmal mehr abwimmeln können – und schloss die Tür hinter uns ab, damit nicht zufällig jemand in den Raum platzte, ehe ich mich auf das Bett fallen ließ und gespannt zu dem Dschinn sah.

„Na dann zeig doch einmal was ein Dschinn so alles kann!“, forderte ich ihn auf, bemühte mich herausfordernd zu schauen, obwohl es viel mehr die Neugierde und Faszination war, die mich gerade erfüllten.
 

Ven
 

Zugegeben, ein bisschen beleidigt war ich immer noch als wir endlich allein auf Ethans Zimmer waren und dieser meinte, ich könne jetzt anfangen, aber glücklicherweise hatte es sich über die Zeit und das wirklich sehr leckere Essen von seiner Mutter wieder halbwegs gelegt.

Stattdessen war ich fest entschlossen, dem Jungen zu zeigen was richtige Magie war. Denn das bisschen Hokuspokus von diesem... selbsternannten ‚Magier‘ konnte ja selbst der jüngste Dschinn bereits, also bitte.

„Gerne.“, meinte ich daher auf Ethans Aufforderung hin. „Hättest du gerne etwas bestimmtes? Ich meine, Sachen wie das obligatorische Kaninchen aus dem Hut Zaubern oder Leute schweben lassen sind nicht sonderlich schwer, wenn du etwas derartiges sehen willst bitte.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Oder du lässt mich mal richtige Magie zeigen, nicht nur Zaubertricks ohne die Tricks.“ Denn es gab auch noch ein paar Sachen, die kein menschlicher Magier, der nicht vielleicht selbst drei Wünsche frei gehabt hatte, konnte. Dinge, die man selbst als Dschinn eigentlich fast nie verwendete, einfach weil es keinen Sinn machte und man sie nicht benötigte, weder zum Wunscherfüllen noch zum normalen Reisen. Aber sie waren machbar.

Und natürlich lautete die Antwort „Richtige Magie, bitte!“. Naja gut, es war eigentlich auch kein Wunder, vermutlich wollten die meisten Menschen erst einmal richtige Magie sehen, wenn sie schon die Chance dazu hatten. So auch Ethan, der mich nun grinsend ansah.

„Okay, wie du willst. Ich hoffe nur, dass du danach nicht noch einmal auf die Idee kommst in Frage zu stellen, ob ich mich mit so einem Zirkusmagier messen könnte.“, meinte ich nur und konzentrierte mich, während ich plante, was genau ich ihm zeigen wollte. Nur schade, dass wir hier recht beengt waren, im Freien hätte ich etwas weit imposanteres zustande bringen können. So beschränkte ich mich auf ‚Miniaturmagie‘, die allerdings eigentlich sogar komplizierter war, da man zusätzlich aufpassen musste, die Grenzen die man hatte, hier in Form der Zimmerwände, nicht zu überschreiten.

Aber schließlich begann ich mit meiner zweitliebsten und wohl imposantesten Magie: Der Feuermagie. Wie gesagt, gewöhnlich benötigten wir Dschinn so etwas nicht und spezialisierten uns eher auf das, was beim Wunscherfüllen hilfreich sein konnte, aber gelegentlich wünschten sich manche Menschen auch, ein Element kontrollieren zu können. Und auch, wenn sie natürlich niemals die volle Kontrolle darüber bekommen durften war es wie mit Ethans Fähigkeit, ein bisschen war erlaubt. Daher gehörte auch das zu unseren Fähigkeiten.

Und so erschien also kurz darauf eine kleine Feuerkugel zwischen uns, welche sich so detailgetreu wie möglich schließlich in einen Minidrachen verwandelte, der leise brüllte, bevor er einmal um Ethans Kopf flog um daraufhin in der Mitte des Zimmers aufzuleuchten und in einem kleinen, aber bunten Feuerwerk zu explodieren. Ich hätte ihn ja am liebsten noch Feuer spucken lassen, aber das war dann doch etwas gefährlich, bereits das Feuerwerk musste ich sehr klein halten, denn ich wollte nun wirklich nicht dafür verantwortlich sein, wenn am Ende versehentlich ein Teil der Einrichtung abfackelte. Auch wenn ich es wohl problemlos wieder hätte erneuern können, ich musste es nicht übertreiben und unbegrenzte Magiereserven hatte ich ja nun auch nicht.

Aber es war ja nichts geschehen, also sah ich zu dem Anderen, zufrieden mit meiner kleinen Vorstellung und gespannt auf dessen Reaktion. Und was für eine Reaktion ich bekam. „Das ist ja fantastisch!“ Ich schien irgendwie eine seiner Vorlieben getroffen zu haben, jedenfalls grinste er mich begeistert an und begann, mich mit Komplimenten zu überhäufen.

Ich kam nicht einmal dazu, ihn irgendwie zu unterbrechen um mich zu bedanken, was damit endete das ich bei dem ganzen Lob ziemlich verlegen wurde - SO toll war der Drache doch jetzt auch nicht gewesen... oder? - und überhaupt nichts mehr zu sagen wusste.

Irgendwann schien Ethan dann allerdings auch aufgefallen zu sein, dass er ziemlich viel geredet hatte, jedenfalls schloss er schließlich den Mund und... war er etwa gerade rot geworden? Naja, zumindest leicht rosa, aber das reichte mir schon. Hey, er hatte mich geärgert, da wollte ich ihm den ‚Gefallen‘ eben gerne zurückgeben. „Stehst du etwa auf Drachen?“, meinte ich grinsend und piekte ihm leicht mit dem Zeigefinger in die Wange, woraufhin er mich erst einmal überrascht ansah. „Kann schon sein?“ war dann die ausweichende Antwort, bevor ich wieder auf den eigentlichen Grund für diese kleine Vorführung zurück kam. „Aber ich hoffe das auch dir jetzt klar geworden ist, dass so ein angeblicher Zauberer gar nicht versuchen brauch, sich mit einer echten magiebegabten Person zu vergleichen. Obwohl ich zugegeben auch etwas beeindruckt bin, mit welchen Tricks sie versuchen, euch weiß zu machen, dass sie echte Magier wären.“

„Oh ja, mehr als überzeugt: Begeistert! Damit kann ein Trickser nicht mithalten...leider!“, war dann die Antwort, die mich ja eigentlich hätte zufrieden stellen müssen, wenn da nicht dieses freche Lächeln in Ethans Gesicht gewesen wäre, was mir ziemlich eindeutig sagte, dass er es ohnehin schon gewusst hatte, nur scheinbar eine Extravorstellung haben wollte. „Du bist unmöglich, weißt du das?“, grummelte ich, allerdings nicht wirklich beleidigt nachdem er mich schon so mit Komplimenten überschüttet hatte, die ganz und gar nicht gespielt geklungen hatten. Trotzdem war ich nicht allzu begeistert davon, wie gern er mich zu ärgern schien - insbesondere als er als Antwort nur grinsend ein „Ich weiß!“ äußerte - und setzte mich schließlich mit verschränkten Armen auf sein Bett, wo ich mich kurz im Zimmer umsah, bevor mein Blick zu ihm zurückkehrte. „Und jetzt?“, fragte ich mit schief gelegtem Kopf, woraufhin er etwas nachdachte. „Keine Ahnung? Wir könnten uns eigentlich mal überlegen wo du schläfst heute.“, begann er schließlich. „Ich weiß ja nicht, ob du das Sofa haben magst oder nicht, aber ich weiß, dass ich heute mein Bett wieder bekomme! Und ansonsten sollten wir vielleicht auch langsam ins Bett, morgen ist...Schule und wir haben eine Menge vor uns, schon vergessen?“

Als ich das mit der Schule hörte ließ ich kurz den Kopf hängen, nickte aber. „Stimmt. Aber keine Angst ich nehm dir dein Bett schon nicht wieder weg.“ Es war mir ohnehin schon peinlich genug, dass ich es in der vorigen Nacht getan hatte, aber das konnte ich jetzt wohl kaum noch ändern, also versuchte ich es stattdessen lieber zu verdrängen. „Das Sofa reicht völlig.“ Das stimmte zwar nicht ganz, das Himmelbett in dem ich die letzten Jahre geschlafen hatte war sicherlich besser gewesen, aber wenn ich zwischen Himmelbett in Gefangenschaft und Sofa in, wenn auch nur halber, Freiheit wählen konnte war die Antwort doch wohl klar.

So machten wir uns also soweit Bettfertig und es dauerte nicht sonderlich lange, da waren wir, komplett im Schlafanzug, dabei, seine Couch auszuziehen. Bettzeug besorgte ich mir auf die Schnelle selbst, bevor wir es uns schließlich an unserem jeweiligen Schlafplatz gemütlich machten. Was bei mir hieß, dass ich mir das Sofa unbemerkt etwas weicher machte, denn ich wollte am nächsten Tag nicht mit einem steifen Nacken aufwachen. Das würde meine Laune jedenfalls nicht sonderlich steigern und sie würde ohnehin nicht gerade weit oben sein. Schule... schon wenn ich daran dachte bekam ich Gänsehaut. Na das konnte ja was werden...

Aber ich würde es überleben und so sah ich noch kurz zu, wie Ethan für uns den Wecker stellte, bevor wir uns eine Gute Nacht wünschten und ich schließlich einzuschlafen versuchte. Mit den Gedanken an Schule war das zwar nicht gerade einfach, aber in solchen Momenten war ich immer ganz froh, dass wir Dschinn nicht so viel Schlaf benötigten. Naja, es sei denn wir hatten getrunken, wie ich eindrucksvoll feststellen durfte... oder unsere Kräfte waren wirklich erschöpft.

Aber so ging es einigermaßen, weshalb ich dann auch trotz der eher üblen Aussichten für den nächsten Tag auch irgendwann eingeschlafen war...

Dschinn und Schule

Ethan
 

Die Nacht verlief ruhiger, als ich dachte, obwohl meine Gedanken mich eine halbe Ewigkeit nicht einschlafen ließen.

Nur hätte ich den Wecker am nächsten Morgen – wie eigentlich jeden Morgen – liebend gerne gegen die Wand geschleudert. Ich war nun einmal ein extremer Morgenmuffel und nicht einmal ein Wecker konnte mich an einem Montagmorgen aus meinem warmen Bett locken, ohne meine Laune gleich in den Keller zu befördern.

Wirklich aufstehen wollte ich nicht und anscheinend ahnte meine Schwester das, denn sie war so frei, einfach in den Raum hinein zu stürmen – nachdem sie sehr laut angeklopft hatte – das Licht anzuschalten und in voller Montur – wie lange war sie bitte schön schon auf, dass sie sogar vor mir fertig war?! – in der Türe zu rufen.

„Aufstehen ihr Süßen! Ich habe den Frühstückstisch bereits für uns gedeckt! Na kommt! Die Schule ruft, die Sonne scheint, ein neuer, toller Tag beginnt und heute können wir Venni die Schule genauer zeigen, nicht wahr, Ethi?“, rief sie kichernd.

Ich grummelte etwas unverständliches in mein Kissen, zog mir die Decke über den Kopf – jetzt hatte ich nun wirklich keine Lust mehr, aufzustehen – und hoffte, sie würde einfach wieder gehen, doch so leicht machte sie es mir nicht, sondern zog mir lieber die Decke weg.

„Ashley! Hey!“, beschwerte ich mich, saß sofort aufrecht im Bett.

„Geht doch...kommt in fünf Minuten herunter!“, meinte sie, wandte sich noch einmal zu Ven um, um ihm ihr schönes Lächeln zu zeigen, dann war sie auch schon zur Türe raus, entging noch knapp dem Kissenanschlag, den ich auf sie zu verüben versucht hatte.

Das arme Kissen rutschte an der Wand entlang auf den Boden.

„Morgen...“, murmelte ich in Vens Richtung, machte keinen Hehl daraus, das ich bereits jetzt geladen war.

Aber was sollte man auch sonst erwarten, wenn man mich als Morgenmuffel auf eine solche Art und Weise weckte?! Das grenzte an seelische Grausamkeit, wenn man mich fragte.

„Morgen...“, bekam ich eine Antwort von Ven, der schon viel wacher als ich zu sein schien.

Für die Frage, die daraufhin folgte, wäre ich ihm unter Umständen sogar wirklich um den Hals gefallen, wenn meine Laune nicht entsprechend mies gewesen wäre.

„Kaffee?“, fragte der Dschinn.

„Oh ja...bitte!“, bat ich, rieb mir die Augen und staunte nicht schlecht, als einen Moment später eine dampfende Kaffeetasse für mich bereit stand, schenkte Ven sogar ein dankbares Lächeln, sobald der Geruch des Kaffees meine morgendliche Laune zu retten begann.

„Danke.“, bedankte ich mich auch noch richtig, kaum das die Tasse geleert war.

„Keine Ursache.“, erwiderte der Dschinn.

Ich verschwand ins Badezimmer, während Ven sich in meinem Zimmer 'umzog' und kurze Zeit später saßen wir mit einer ziemlich energetischen Ashley am Frühstückstisch.

„Morgen Jungs, da seid ihr ja! Was wollt ihr? Toasts, Waffeln, Pfannkuchen oder doch ein Ei? Ich habe einiges vorbereitet, nur für euch!“, erklärte sie, deutete auf den überfüllten Tisch.

Das 'für euch' hätte sie wohl auch gleich in ein 'für Ven' umändern können, aber das sprach ich nicht laut aus, immerhin musste man keinen Zickenterror heraufbeschwören und der war in dieser Hinsicht bei Ashley schon vorprogrammiert.

Ich nahm mit einem leichten Seufzen am Tisch Platz, bedankte mich nun auch bei Ashley.

Ven bedankte sich ebenfalls bei ihr, setzte sich neben mich.

So richtig wohl in seiner Haut schien er sich nicht zu fühlen, so eindeutig wie Ashley um seine Aufmerksamkeit buhlte...oder bildete ich mir das nur ein?

Das Frühstück hätte unruhiger nicht verlaufen können, denn aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen, hielt es meine Schwester für zwingend notwendig, Ven alle zwei Minuten zu fragen, ob er nicht noch irgendetwas wollte oder brauchte.

Letzten Endes schafften wir es damit, so lange zum Frühstücken zu brauchen, dass wir auf dem Schulweg rennen durften.

Das einzige, positive daran war wohl, dass meine Schwester 'Venni' nicht die ganze Zeit voll quatschen konnte.

Irgendwann schien ihr nämlich aufgefallen zu sein, dass viel reden und schnell laufen, sich nicht gut genug vertrug.

Wenn ihr Kopf auch erst hatte ordentlich rot anlaufen müssen, bis es so weit gewesen war, aber immerhin!

Die Schule kam in Sicht und noch niemals zuvor, war ich so froh darüber gewesen, dass meine Schwester in ein anderes Gebäude musste.

„Viel Spaß in der Schule, Jungs!“, wünschte sie uns, ehe Ashley in der Menge verschwand, nur um einer Schar gaffender Mädchen Platz zu machen, die den Austauschschüler aus der Ferne etwas genauer unter die Lupe nahmen.

„Werden wir ja haben, die Schule macht ja auch so viel Spaß!“, murmelte ich sarkastisch vor mich hin, obwohl ich nicht sagen wollte, ob ich das wirklich auf Ashleys Frage geantwortet hatte oder ob ich einfach nur ein Ventil gesucht hatte, meine Luft abzulassen.

Kaum das wir das Gebäude getreten hatten, kamen uns von der Klasse aus auch schon Alan und Yannik entgegen, meine besten Freunde.

„Ethi, Ven guten Morgen! Na ihr zwei? Habt ihr am Wochenende schon die Gegend unsicher gemacht?“, fragte Alan mit einem leichten Grinsen, klopfte uns Beiden auf die Schulter.

Einen Moment lang war ich verwirrt, bis ich mir wieder ins Gedächtnis rief, dass Ven ja bereits als Austauschschüler bekannt war.

„Ja, wir hatten unseren Spaß und ihr?“, antwortete ich schnell und möglichst ungenau, in der Hoffnung, die Beiden würden etwas von sich erzählen.

„Oh ja...hatten wir! Pass auf, wir waren Beide in der Disko, nicht weit weg vom Kino und zwar gestern, kennst du ja...da waren die Hammermädels...Zwillinge sage ich dir! Al und ich dachten wirklich, wir hätten das große Los gezogen, als wir es geschafft haben, mit den Beiden zu tanzen, aber...ihre Freunde haben sie nachher vor der Disko abgeholt...“, erklärte Yannik, zuckte leicht mit den Schultern.

Ja, das klang nach den Beiden...immer irgendwelche Frauengeschichten, die in einer Katastrophe endeten ehe sie überhaupt anfingen...typisch!

„Und bei euch Beiden? Na los, wir wollen Details!“, verlangte Alan zu wissen, sah Ven auffordernd an.

Im ersten Moment schien Ven sich zu wundern, weil er angesprochen wurde, doch kurze Zeit darauf setzte er schon lächelnd zur Antwort an.

„Wir waren im Kino, im Zoo und im Zirkus. Und es war eigentlich alles ziemlich toll, aber ich glaube, ihr kennt euer Kino und euren Zoo ohnehin besser als ich, da brauche ich kaum etwas zu erzählen, nicht wahr? Wobei die Löwenbabys wirklich niedlich waren...!“

Sein Blick traf den meinen, während sich ein Grinsen auf seinem Gesicht zeigte, das ich nicht richtig zu deuten wusste...woran er wohl genau dachte?

Mit einem abschließenden „Viel mehr ist allerdings dann auch nicht passiert.“, wandte er sich wieder an Yannik und Alan.

„Ach so, wenn es weiter nichts gewesen ist. Aber wenn du noch nicht in unserer Disko warst, müssen wir das unbedingt noch nachholen, ich bin mir sicher, du kriegst einen Haufen junge Mädels ab, mit dem Aussehen...!“, überlegte Alan.

„Ja...! Und ich habe gehört, Ashley macht sich ganz schön an dich ran, hm? Hat dir Ethi noch nicht die Augen ausgekratzt, damit du seine Schwester nicht mehr anschauen kannst?“, fügte Yannik lachend hinzu.

„Ha ha! Sehr witzig Jungs, haben wir gelacht – ich war alleine, ihr erinnert euch?“, gab ich brummend von mir.

„Oh je, da ist aber jemand ganz schön mit dem falschen Fuß aufgestanden!“, kicherte Yannik, stieß Ven leicht mit dem Ellenbogen an.

„Scheint so...“, erwiderte der Dschinn ein wenig unbeholfen – anscheinend wollte er sich nicht unbedingt gegen mich stellen, wusste aber auch nicht recht, was er sonst dazu sagen sollte.

Ehe ich die Gelegenheit hatte, noch einen Kommentar abzugeben, läutete es bereits zum Unterricht und wir machten, dass wir in die Klasse kamen, suchten uns einen ordentlichen Platz aus um dem Unterricht zu lauschen.

Anscheinend waren alle der Ansicht Ven und ich säßen nebeneinander. Es störte mich nicht wirklich, aber es war seltsam, dass der Dschinn selbst die Sitzordnung umgeworfen hatte.

„Na dann einmal auf ins Vergnügen...“, murmelte ich zu Ven, schenkte ihm ein schwaches, erzwungenes Lächeln, kurz bevor der Lehrer den Raum betrat, um den Unterricht zu beginnen.
 

Ven
 

‚Vergnügen‘ war gut...

Bislang hatte ich ja noch verdrängen können was ich mir hier eingebrockt hatte - naja, außer während der kurzen Zeit, in der ich dafür sorgte, in der Schule als Austauschschüler bekannt zu sein um keine blöden Fragen gestellt zu bekommen - aber nun...

Da half der gemurmelte Satz von Ethan und dieses nicht sonderlich überzeugende Lächeln leider auch nicht wirklich. Schule, nach so vielen Jahren ohne... aber gut, ich war ein Kerl, ich sollte aufhören so herum zu jammern! Stattdessen sollte ich lieber das Beste daraus machen was ich konnte.

Was sich allerdings zugegeben als leichter gesagt als getan herausstellte, als ich endlich mitbekam, was genau denn die erste Unterrichtsstunde sein würde.

Mathe.

Ich meine, bei allen Schulfächern, in denen man mit Sprachkenntnissen und Allgemeinwissen, was ich ja beides zur Genüge besaß, sehr weit kam musste es ausgerechnet Mathe sein? Das Fach, wofür man verstehen musste was man da tat, da auswendig lernen nichts brachte. Und so ganz nebenbei das Fach, was ich schon immer als am überflüssigsten gefunden hatte. Das brauchte man doch im Leben fast nie. Das einzig wichtige was ich konnte war das Kopfrechnen, insbesondere was das Geld anging und so kleinere, nützlichere Dinge.

Aber natürlich nicht im Mathematikunterricht einer Schule. Hier begann der Lehrer nach einer kurzen Begrüßung damit, die Stunde vom letzten Mal wieder aufzunehmen. An der ich ja seiner Meinung nach teilgenommen hatte. Leise seufzend schlug ich mein eigens für diesen blöden Unterricht hergezaubertes Mathebuch auf, auf der Seite die der Lehrer genannt hatte und sah hinein.

Wow und ich dachte immer wir Dschinn würden alle Sprachen der Welt beherrschen um uns überall verständigen zu können... na ich konnte nur all die Dschinn bemitleiden, die je von einem Mathematiker befreit wurden.

Nun hieß es allerdings erst einmal, das wir ein paar Aufgaben rechnen sollten. Ich warf erneut einen Blick in das Buch. ‚Differenziationsregeln‘... musste man das kennen? Das klang für mich mehr nach Regeln, wie man Dinge zu unterscheiden hatte, von wegen wenn man zwei Dinge differenzieren sollte, aber irgendetwas sagte mir, dass DAS nicht gemeint war... möglicherweise die vielen Zahlen und Buchstaben da auf der Seite...

Leicht hilflos (okay zugegeben, eigentlich war ich schon halb panisch, aber das klang so unmännlich...) sah ich zu Ethan. Was sollte ich denn jetzt machen? Ich war schon froh zu erkennen, dass es sich bei diesem Gewirr aus Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen um Formeln handelte, aber mit diesen rechnen können war etwas ganz anderes...

Naja, nicht, dass er eine sonderlich große Hilfe war. Er grinste mich stattdessen lieber schadenfreudig an. Gut, er war nett genug mir einen Zettel zuzuschieben, vermutlich mit dem Inhalt der letzten Stunde, aber ich verstand davon ungefähr genauso viel wie ein Neugeborenes vom Springseil springen...

Und natürlich half es mir genauso wenig, als wir dann die Ergebnisse verglichen. Ich war für Mathematik einfach nicht geschaffen, ich hatte seit wir mit Funktionen begonnen hatten keine Lust mehr gehabt und das war bereits Ewigkeiten her...

Aber natürlich blieb es nicht dabei. Mein Glück war in den letzten Tagen wirklich miserabel. Erst das mit der Barriere, die nicht verschwinden wollte und nun wollte dieser blöde Mathelehrer auch noch Aufgaben rechnen lassen um sie einzusammeln und zu bewerten...! Kein Wunder, dass Mathelehrer so unbeliebt waren... Aber mal ganz davon abgesehen... ich konnte nicht eine Aufgabe lösen und eine glatte Sechs würde glaube ich nicht sonderlich gut kommen, auch wenn mich persönlich meine Noten nicht kümmern musste, es ließ Ethan vermutlich auch nicht gerade in einem sonderlich guten Licht dastehen wenn sein Austauschschüler ein totaler Versager in Mathe war...

Also gut, dieser Kerl hatte es nicht anders gewollt. Dann eben anders. Als alle begannen, die Aufgaben zu rechnen und ihre Blätter zu beschreiben nahm ich mir zwar ebenfalls ein Blatt und einen Stift, sorgte aber mit ein klein wenig Hilfe meinerseits dafür, dass sich der Füller fast schon von selbst über die Seite bewegte und die Lösungen aufschrieb. Ich selbst hatte zugegeben nicht die geringste Ahnung was ich dort eigentlich aufschrieb, aber es würde schon stimmen. Oder zumindest korrekter sein als alles, was ich ansonsten zustande gebracht hätte und mir damit mit Sicherheit den Hintern retten. Allerdings wurde der Unterricht dadurch nicht spannender, wenn man nur zusehen konnte, wie sich die Aufgaben quasi von selbst rechneten. Denn wenn ich mit jetzt umsehen würde und trotzdem weiterschreiben käme einem das vermutlich viel zu verdächtig vor, als ließ ich die Langeweile notgedrungen über mich ergehen und sah zu, wie sich eine Aufgabe nach der anderen auf meinem Blatt komplettierte.

Am liebsten hätte ich die Antworten ja direkt auf dem Blatt erscheinen lassen, aber wenn mich niemand schreiben gesehen hätte, mein Blatt aber dennoch mit Antworten gefüllt war... nein danke, es hatte schon einen Grund warum wir unsere Kräfte geheim hielten.

Aber schließlich hatte sich auf die letzte Aufgabe vervollständigt und ich legte den Stift zufrieden zur Seite und gab das Blatt ab. Na also. Damit würde dieser Unterricht dann hoffentlich etwas erträglicher werden. Außerdem konnte ich mit endlich wieder in Ruhe umsehen, wobei mich der Rest der Klasse eigentlich gar nicht so sonderlich interessierte. Abgesehen vielleicht von Ethan, bei dem ich mich gerade ohnehin fragte , wie weit er denn war. Ob er wohl gut war in Mathe? Beurteilen konnte ich das bei meinem Level ja leider nicht wirklich. Aber es schien so, da er nur kurz nach mir ebenfalls seinen Zettel abgab.

Und während nun nach und nach immer mal wieder ein, zwei Schüler ihre Aufgaben einreichten beschloss ich, solange ein wenig zu schreiben. Ich war keineswegs besonders gut darin oder so, aber es half sehr gut gegen Langeweile und als enormer Bücherwurm musste ich es einfach mal probieren. Allerdings bemerkte ich nicht viel später, wie mich Ethan stirnrunzelnd von der Seite ansah. Ich sah etwas verwirrt zurück und vergewisserte mich mit einem kurzen Blick, dass der Lehrer momentan am Lehrerpult - welches glücklicherweise nicht unbedingt in der Nähe war - beschäftigt war, bevor ich ganz einfach flüsternd nachfragte. „Was ist?“

Mit leichtem Grinsen sah er mich an und legte seinen Kopf schief, bevor er genau so flüsternd antwortete. „Deine Schrift...sieht toll aus! Wie machst du das? Alles was ich schreiben will, kann kein Mensch lesen...so etwas ist normalerweise den Damen vorbehalten!“ Und natürlich musste er diesen letzten Teil mit einem frechen Grinsen sagen. Da konnte er mir auch gleich ‚Du Mädchen.‘ ins Gesicht sagen. Auch wenn das nicht stimmte...! Naja... gut, meine Handschrift war wirklich sehr ordentlich und manche Mädchen mochten so schreiben, gerade weil sie sogar leicht verschnörkelt war, aber da konnte ich ja nun wirklich rein gar nichts dafür...!

Und nein, auch wenn es so aussehen mochte, ich schmollte nicht! Stattdessen wandte ich mich lieber wieder dem Text zu an dem ich gerade saß - Poesie, weil ich zu etwas anderem irgendwie nicht in der Lage war - und grummelte etwas in meinen nicht vorhandenen Bart. Natürlich im Flüsterton, ich wollte nicht wirklich noch vom Lehrer ermahnt werden, egal, ob es mich kümmern musste oder nicht.

Nicht, dass mir das etwas gebracht hätte, da Ethan sich, kaum dass der Lehrer damit beschäftigt war, die abgegebenen Blätter zu zählen plötzlich zu mir herüber lehnte und mir direkt ins Ohr flüsterte, ob ich denn jetzt beleidigt wäre... dieser Junge konnte einen aber auch aus dem Konzept bringen...! Es war Ewigkeiten her das mir überhaupt irgendjemand ins Ohr geflüstert hatte und irgendwie fühlte sich der Atem eines Anderen leicht merkwürdig an wenn er auf die eigene Ohrmuschel traf. Aber mal so ganz davon abgesehen war ich nicht beleidigt...! Naja... vielleicht ein bisschen. Also zuckte ich als Antwort nur mit den Schultern. Wobei ich ihm ohnehin nicht sonderlich lange böse sein konnte. Was wohl auch besser so war, immerhin konnte ich nicht von ihm weg, wenn ich da ewig sauer auf ihn sein würde hätten wir sicherlich bald beide ein Problem gehabt. Aber so seufzte ich nur schließlich leise und schüttelte den Kopf. „Nicht mehr... Zufrieden?“ Das ganze klang zwar weit weniger bissig als ich es gehofft hatte aber gut, man konnte eben nicht alles haben. Ethan lächelte aber trotzdem und wuschelte mir durchs Haar, während er irgendwas vor sich hin murmelte, was verdächtig nach ‚Du bist mir einer...‘ klang... pfft. Ich streckte ihm dafür die Zunge heraus. Gut, es war ziemlich kindisch aber hey, kindisch sein war oftmals viel spaßiger als ständig ernst und erwachsen zu sein.

Aber egal. Wann wohl Pause sein würde?

Was mich einmal mehr daran erinnerte, wie wenig ich eigentlich von diesem Umfeld hier wusste. Dank meines Zaubers von vorher kannte mich zwar jeder als Austauschschüler, aber genau das war das Problem. Wenn man jemanden kannte stellte man sich diesem doch nicht noch einmal vor. Ich musste Ethan dringend mal etwas über sein Umfeld ausfragen... und dann durften wir diesen Jungen nicht vergessen, wegen dem wir ja eigentlich unter anderem hier waren.

Da konnte die Mathestunde ruhig etwas schneller vorüber gehen, oder...?
 

Ethan
 

Ein Glück, dass die restliche Mathematikstunde nur halb so schlimm verlief, wie sie hatte laufen können, denn Ven blieb es erspart, noch vom Lehrer aufgerufen zu werden oder dergleichen.

Dafür bekam er jedoch jede Menge Fragen gegen Ende der Stunde gestellt, von wegen, ob er sich denn gut eingelebt hätte, mit der Familie klar käme, wie das in seinem Heimatland denn mit dem Stoff in Mathematik aussah...und was dem Neugierigen noch so schönes einfiel.

Wenigstens schien Ven mit diesen Fragen klar zu kommen, wenn er auch so seine Probleme zu haben schien, weil alle ihn kannten, aber er niemanden kannte.

Das war wohl einer der Nachteile, wenn man Erinnerungen manipulierte, aber da musste er wohl oder übel durch.

Die Stunde ging zu Ende und ich stand auf, verließ mit Ven den Raum und winkte in Richtung von Yannik und Alan, die statt Biologie Chemie gewählt hatten und somit nicht mit uns in der nächsten Kursstunde zusammen sein sollten.

Dafür aber jemand anderes, der uns brennend interessieren sollte.

„So...jetzt gehts auf in den Biologieunterricht, okay? Der Junge, von dem ich dir erzählt habe, Daniel, ist in meinem Biokurs von daher sollten wir ihn dort antreffen, gemeinsam mit seinen Klassenkameraden aus dem Kunstkurs.“, erklärte ich.

Ven nickte mir zu und einige Meter gingen wir schweigend nebeneinander her, bis er sich zu Wort meldete.

„Ähm Ethan? Könntest du mir vielleicht sagen wer die Typen von vorhin waren und wie deine Schwester heißt...?“, murmelte er, fast schon ein wenig verlegen, wenn ich mich nicht täuschte.

Einen Moment lang starrte ich ihn überrascht an, bis mir wieder einfiel, dass ich Ven weder gesagt hatte, wie meine Schwester hieß, noch wer die beiden Jungen waren!

Woher sollte er das wissen?

Die Überraschung wich einem leichten, warmen Lächeln.

„Meine Schwester heißt Ashley...und das vorhin waren Yannik und Alan, meine besten Freunde. Es wäre vielleicht nicht schlecht, wenn ich dir ein wenig mehr über sie erzählen würde, aber dafür ist im Moment denke ich nicht der rechte Zeitpunkt, oder? Wir haben etwas Anderes zu erledigen.“, antwortete ich.

Ven nickte mir zu.

„Stimmt, das haben wir wohl. Ich hoffe nur wir sind auf der richtigen Spur.“, gab er zurück.

„Das hoffe ich auch, glaube mir.“, erwiderte ich seufzend, betrat mit ihm den Kursraum für Biologie und staunte nicht schlecht, als Daniel nicht auf seinem Platz saß.

„Oh?“, murmelte ich vor mich hin.

„Was ist?“, wollte Ven sofort wissen, der meinem Blick folgte, ohne zu begreifen, was ich für ein Problem mit dem leeren Platz haben könnte.

„Daniel ist nicht da, wie es scheint.“, erklärte ich.

„Und was machen wir jetzt?“, wollte der Dschinn wissen.

„Der kommt sicher gleich! Ich meine...vielleicht ist er noch auf der Toilette oder so? Er taucht schon noch auf.“, versuchte ich ihm Mut zu machen, nahm mit Ven dort Platz, wo ich sonst immer saß.

Anscheinend war auch in diesem Kurs Vens Platz neben mir, denn keinen schien es zu stören, wie wir hier saßen.

Immer wieder wanderten unsere Blicke aufmerksam zur Tür, wenn jemand herein kam, aber auch als es zur Stunde läutete und der Lehrer den Raum betrat, tauchte Daniel nicht auf.

„Er scheint nicht zu kommen, oder? Wie gehen wir jetzt vor?“, flüsterte der Dschinn mir seine Frage zu, ohne zu mir zu schauen, damit es dem Lehrer nicht so auffiel, vermutete ich.

„Keine Ahnung. Wir könnten Angela nach der Stunde fragen, ob sie etwas weiß. Die Beiden sind im selben Lateinkurs und soweit ich weiß, war der heute morgen.“, erwiderte ich.

„Gut, dann passen wir sie nach der Stunde ab und hoffen, dass wir etwas herausbekommen.“, stimmte Ven zu.

„Sicher, wahrscheinlich ist er einfach nur krank für heute oder so.“, murmelte ich.

Das war die einzige, logische Erklärung, die mir dafür einfiel.

Biologie schien Ven schon viel besser zu liegen, als die Mathematik. Warum auch immer das so war – ich beschloss ihm nach dem Unterricht genauer danach zu fragen – er blamierte sich nicht, als er an die Reihe genommen wurde und der Lehrer ihn zu einigen Themen befragte, die letzte Stunde behandelt worden waren.

So ging diese Stunde eigentlich recht gemütlich zu Ende, fast schneller, als mir selbst lieb war und kaum, dass die Schulglocke den Unterricht beendete und eine größere Pause, dank einer Freistunde, die wir jeden Montag in der dritten hatten, einläutete, lief ich – dicht gefolgt von Ven – zu Angela herüber.

„Angela! Warte mal kurz!“, rief ich ihr zu.

Ein wenig überrascht drehte das brünette, junge Mädchen sich um, sah uns aus grünen Augen an.

„Was ist denn, Ethan?“, fragte sie nach, blinzelte mit ihren langen Wimpern überrascht.

Aus irgendeinem unerfindlichen Grund verglich ich ihr Äußeres in dieser Sekunde mit Ven und stellte fest, dass ich den Dschinn hübscher fand als sie, obwohl ich zwei Jahre zuvor noch mit ihr zusammen gewesen war – eines der offenen Geheimnisse in meinem Umfeld, es hatte nicht lange gehalten.

Einen Augenblick irritierten meine eigenen Gedanken mich und ich vergaß ganz zu fragen, was ich hatte fragen wollen.

„Ethan? Alles in Ordnung? Bringe ich dich so aus dem Konzept?“, fragte Angela mit einem glockenhellen Lachen.

„Oh, ähm, nein, tut mir leid!“, erwiderte ich, ignorierte es, dass mir das Blut in die Wangen schoss.

„Ich wollte dich fragen ob du weißt was mit Daniel ist. Er ist heute nicht im Unterricht gewesen.“, erklärte ich.

„Daniel? Ich weiß zwar nicht, warum dich das so interessiert, aber er ist krank soweit ich weiß. Jedenfalls war er heute morgen auch nicht im Lateinkurs anwesend von daher ist das die einzige Erklärung, die mir einfällt. Er ist sowieso in letzter Zeit so seltsam...vielleicht hat er sich mit dem vielen Lernen übernommen? Ich meine bei den Noten, muss er ja die Nächte durch gepaukt haben, wir reden von Daniel, nicht wahr?“, überlegte sie, setzte zu einem weiteren Gedankengang an, doch ich unterbrach sie, ehe sie weiter reden konnte.

Mir war gerade wieder eingefallen, warum es nicht mit ihr funktioniert hatte: Angela redete in Gesprächen früher oder später so viel, dass man(n) nicht mehr zu Wort kam. Eine Eigenschaft, die dazu geführt hatte, dass ich in dieser Beziehung etwas zu sehr untergegangen war.

Nicht, dass ich mich nicht durchsetzen könnte, es war viel mehr so, dass jeder Satz von mir einen weiteren Wortschwall bei ihr auslöste und sie mitten in einem Satz zu unterbrechen endete in einer Lektion über das Thema 'Man sollte Andere ausreden lassen!', was mir irgendwann auch zu dumm gewesen war.

Schönes Aussehen und nette Art hin oder her, Angela war nichts für mich.

„Danke, das ist schon alles was ich wissen wollte, wünsche dir einen schönen Tag! Ven und ich müssen jetzt aber auch schon weiter, sonst sind die guten Plätze im Aufenthaltsraum weg, du weißt schon.“, erklärte ich, schenkte ihr das beste Lächeln, dass ich gerade zusammen bekam.

„Oh okay...viel Erfolg bei der Platzsuche und pass gut auf unseren Austauschschüler auf! Ach ja, ihr solltet in der Kantine besser keinen Salat essen, letzte Wochen haben eine Menge Mädchen Käfer darin gefunden! Ich auch, ich sage euch, das war einfach nur grauenvoll, ich...“

„Ja! Ist gut, wir haben verstanden, danke für deine Warnung aber ich bin ohnehin nicht so der Salatfan und Ven auch nicht, bis bald.“, unterbrach ich sie, handelte mir einen beleidigten Blick ein und verschwand mit Ven um die Ecke.

„Das war knapp...einige Sekunden länger und die Wortwelle hätte uns ertränkt.“, murmelte ich kopfschüttelnd vor mich hin.

„Redet sie immer so viel?“, wollte Ven mit einem leicht zweifelnden Blick wissen.

„Ähm...ja. Ich war zwei Wochen lang mit ihr zusammen und glaube mir, das hier war noch gar nichts.“, gab ich zurück, schenkte Ven ein aufmunterndes Lächeln, als wollte ich ihn damit darüber hinweg trösten, dass das nicht so gelaufen war wie geplant, nur um beunruhigender Weise festzustellen, dass ich Ven lieber mochte wenn er gut drauf war.

Aber das war doch nichts weiter schlimmes oder?

„Tja, aber was soll's, wir haben erfahren was wir wissen wollten: Daniel ist krank. Damit bleibt uns nichts weiter als abzuwarten bis er wieder gesund ist, damit wir ihn ausquetschen können. Ich meine, wir könnten ihm auch einen Krankenbesuch abstatten oder anrufen, aber ich habe weder seine Adresse noch seine Nummer und keine Zeit das großartig zu organisieren...ich weiß nicht einmal seinen Nachnamen!“, setzte ich an, seufzte leicht.

„Außerdem hätten wir keine ordentliche Ausrede warum wir ihn besuchen wollen würden, so dicke Kumpel sind wir nicht gerade...“, fügte ich murmelnd hinzu.

Das Problem mit dem Wohnsitz könnte Ven sicherlich ebenso lösen wie das Telefonproblem, aber einen Besuch konnten wir im Zweifelsfall nicht ordentlich erklären und über das Telefon zu fragen, ob er einen Dschinn hätte, wäre wohl mehr als dämlich.

Uns blieb also nichts anderes übrig als abzuwarten was die Zukunft zeigen würde.
 

Ven
 

Ethans Ex-Freundin war sehr merkwürdig. Sie war nicht hässlich oder gemein oder so, aber ich fragte mich trotzdem was zum Henker er da in ihr gesehen hatte. Da gab es doch wirklich weit bessere Partien... wobei ich mich wohl eher fragen sollte weshalb mich das so störte, es war doch seine Sache mit wem er ausging. Außerdem hatte es ja auch nicht lange gehalten.

Viel wichtiger war wohl, dass dieser Daniel scheinbar krank war. Was für mich hieß, dass ich noch länger als ohnehin schon auf diese Schule gehen musste. Verdammt, noch mehr Mathe? Wobei Biologie immerhin nicht schlecht gewesen war, das musste ich zugegeben.

Aber nun waren Ethan und ich wohl erst einmal auf den Weg zum.. Aufenthaltsraum? Woraus ich folgerte, dass die nächste Stunde wohl eine Freistunde war. Umso besser, nicht wahr? Auch wenn es wohl oder übel dafür sorgen würde, dass ich mir mehr Gedanken über diese Situation machen würde, in der ich momentan gefangen war. Solange wir diesen Daniel nicht auftreiben konnten fehlten uns jegliche anderen Anhaltspunkte, was wohl geschehen war... und auch, wenn ich Ethans Gesellschaft gar nicht so schlecht fand wollte ich eigentlich nicht wirklich den Rest meines doch ziemlich langen Lebens, oder zumindest den Rest Ethans Lebens, bei ihm verbringen ohne mich von ihm entfernen zu können wenn ich musste. Natürlich reichten einhundert Meter für etwas Privatsphäre, aber er würde beispielsweise niemals alleine - oder gegebenenfalls mit einem Date - ausgehen können ohne das ich zwangsläufig folgen musste.

So dachte ich über einige solcher Dinge nach, nachdem wir im Aufenthaltsraum angelangt waren und uns noch freie Plätze an einem der Fenster des doch recht großen Raumes hatten sichern können und ich aus einem dieser Fenster sah. Schon verrückt eigentlich, wie man kaum, dass man das erste ‚Gefängnis‘ verlassen hatte in das nächste hineinstolperte, hm?

Mein so gedankenverlorener und vermutlich nicht unbedingt fröhlich aussehender Blick schien Ethan jedoch ebenfalls aufgefallen zu sein, da er mich kurz darauf mit einem „Alles in Ordnung?“ aus den Gedanken riss. Schnell lächelte ich ihn an und nickte. Auch wenn selbst ich das nicht sonderlich überzeugend fand und er vermutlich erst recht nicht. Aber ich wurde vor weiteren Fragen gerettet, als Alan und Yannik plötzlich neben uns auftauchten und Ethan, vermutlich unbewusst, davon abhielten weiter nachzufragen, indem sie ihn ihrerseits etwas fragten. Da hatte ich noch einmal Glück gehabt. Immerhin musste ich ihn nicht auch noch mit meinen Problemen belasten, wir hatten so schon genug.

Egal, wie hieß es, man sollte positiv denken, das würde schon irgendwie werden...! Hoffte ich jedenfalls.

Also lächelte ich stattdessen und versuchte mich etwas in das Gespräch der drei Jungs mit einzubringen. Was auch zugegeben nicht sonderlich schwer war, denn während Alan und Yannik von irgendwelchen Mädchen schwärmten, sei es, wie toll diese gewesen waren oder wie sie sie herum bekommen hatten... oder auch nicht. Ethan und ich mussten nur nicken und gelegentlich kurze Kommentare abgeben. Wobei ich mich mit steigender Anzahl der Mädchen zugegeben etwas wundern musste. Die zwei schienen wirklich ziemliche Weiberhelden zu sein. Verrückte Freunde, die sich Ethan da ausgesucht hatte, aber gut, andererseits waren es keine kompletten Arschlöcher oder so, im Gegenteil, sie schienen eigentlich ziemlich nett zu sein.

Und so verging die Freistunde inklusive der folgenden Mittagspause recht schnell. Wir hielten uns auch an Angelas Rat und rührten den Salat nicht an. Wobei ich zugeben musste, englische Küche war nicht wirklich mein Fall. Und Schulessen... naja, Käfer im Salat sprachen wohl für sich.

Aber ich überlebte es und so verging auch der Rest des Tages doch eher flott, denn der Unterricht war gar nicht so kompliziert wie ich es angesichts der ersten Stunde vermutet hatte. Glanzleistung zeigte ich wohl vor allem in Deutsch, der einzigen Fremdsprache die Ethan belegte. Aber das lag wohl daran, dass ich es mehr als nur gut beherrschte. Ich konnte es nur immer wieder betonen, aber es hatte seine Vorteile Dschinn zu sein, dazu gehörte eben auch das Beherrschen sämtlicher Sprachen der Welt. Oh ja, zumindest dieser Unterricht würde auch weiterhin beinahe Spaß machen.

Und so näherte sich der Schultag rasch dem Ende und es dauerte nicht allzu lange, bis Ethan und ich schließlich wieder vor dem Gebäude standen. Glücklicherweise hatte Ashley scheinbar nicht mit uns zusammen Schluss und so brauchten wir uns keine Sorgen zu machen, dass sie sich wundern könnte was wir denn schon wieder in diesem Antiquitätenladen wollten. Aber so konnten wir problemlos Jason und Jana besuchen. Wobei die beiden sicherlich ebenso wenig erfreut sein würden wie wir, wenn sie hörten, dass Daniel höchstwahrscheinlich krank war. Aber wir konnten es ja nicht ändern und hatten uns ja für heute verabredet.
 

Ethan
 

Ein Glück, dass der restliche Schultag möglichst schnell vorbei gegangen war, wer wusste, was uns sonst noch alles passiert wäre, in der kurzen Zeit? Am Ende wären wir Angela noch einmal über den Weg gelaufen oder hätten meine Schwester getroffen und ihr erklären müssen, warum wir einmal mehr an einen Ort gingen, an dem wir eigentlich nichts mehr zu suchen haben sollten, doch so war alles wunderbar gelaufen.

Wunderbar, wenn man einmal davon absah, dass wir Daniel, den wir eigentlich hatten sprechen wollen, nicht getroffen hatten und diese Nachricht Jana und Jason genauso wenig freuen würde wie uns.

Ein leichtes Seufzen kam über meine Lippen, während der Antiquitätenladen sich langsam näherte.

Vielleicht hatten die Beiden in der Zwischenzeit ja etwas herausfinden können, dass sich als nützlich erwies?

Gemeinsam mit Ven öffnete ich die Türe, betrat den Laden und blieb wie erstarrt stehen, als ich Jana und Jason erblickte, die sich gerade leidenschaftlich hinter dem Tresen küssten.

Das nannte ich einmal eine Überraschung! Anscheinend hatten sie etwas anderes herausgefunden, mit dem wir nicht gerechnet hatten?

Es war mir ein Rätsel, wieso mir in diesem Augenblick ein Bild von Ven durch den Kopf schoss – in erster Linie von seinem hübschen Gesicht wohl bemerkt – doch ich ignorierte meine seltsamen Gedankengänge einmal mehr, räusperte mich lautstark, um die Aufmerksamkeit von Jason und Jana zu bekommen, denen erst nun auffiel, dass sie nicht mehr alleine im Laden waren.

„Oh...“, murmelte Jana, hielt sich ein wenig peinlich berührt kurz die Hand vor den Mund, lächelte verlegen in unsere Richtung.

Eine leichte Röte zierte ihre Wangen.

„Ähm hallo! Ihr seid früher, als wir euch erwartet haben.“, übernahm Jason das reden für sie, aber auch er wirkte etwas verlegen, in einer solchen Situation erwischt worden zu sein.

Auch Ven wirkte im ersten Augenblick etwas verlegen, grinste jedoch kurz daraufhin schon in Janas und Jasons Richtung.

„Ja, wir hatten keine Gelegenheit Daniel abzupassen um mit ihm zu reden, wisst ihr.“, setzte ich an.

Mein Blick begegnete Janas fragender Miene.

„Wieso denn das?“, wollte sie wissen.

„Er ist krank, deswegen konnten wir ihn heute nicht sprechen.“, mischte Ven sich in das Gespräch ein.

„Na wunderbar. Das heißt wohl oder übel, dass wir warten müssen bis wir mehr darüber erfahren können. Habt ihr eine Ahnung wie lange er krank sein wird?“, hakte Jason nach.

Ich schüttelte den Kopf.

„Nicht wirklich, er ist nur in einem Kurs, den ich ebenfalls belegt habe und ohne eine Mitschülerin hätten wir gar nicht erst erfahren, dass er krank ist.“, erklärte ich mit einem leichten Seufzen.

„Ihr habt nicht zufällig etwas Neues herausgefunden? Wie jemand anderen, der auffällig nach Vasen gefragt hat oder dergleichen?“, fügte ich hinzu.

„Nein, tut mir leid, so auffällig wie du hat keiner nach den Vasen gefragt!“, gab Jana zurück, lächelte leicht in unsere Richtung.

Sollte ich diesen Satz nun als Kompliment oder Beleidigung auffassen?

Nun ja, letzten Endes war es ja auch egal.

Ven konnte sich ein Grinsen in meine Richtung über diesen Satz natürlich nicht verkneifen und ich warf ihm einen bösen Blick zu.

Ich hatte zwar das Gefühl, dass ich diesem Dschinn nicht lange böse sein konnte, aber das änderte nichts daran, dass ich es derzeit war.

„Wäre ja auch zu schön gewesen um wahr zu sein.“, erwiderte ich auf Janas Worte, bemüht darum, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich ein wenig gekränkt war.

So auffällig hatte ich nun auch wieder nicht nach einer Vase gefragt, oder?!

„Wie auch immer, wir sollten schauen wie wir weiter vorgehen. Hängt ihr euch weiter an die Fersen dieses Schülers?“, meldete sich Jason wieder zur Wort.

„Sicher, vorerst können wir ohnehin nichts anderes tun, befürchte ich.“, murmelte ich, zuckte leicht mit den Schultern.

„Abgesehen davon, die Augen offen zu halten? Was macht ihr in der Zwischenzeit?“, fragte ich, musste mir ein 'außer herumknutschen' wirklich verkneifen.

„Wir werden aufpassen wenn jemand auffällig im Laden nachfragt, die Zeitung täglich überprüfen und ich höre mich in meinem Freundeskreis um.“, überlegte Jana.

„Da fällt mir ein...könnte ich eure Nummer haben? Es wäre nicht schlecht, wenn wir uns gegenseitig erreichen könnten.“, schlug sie vor.

Ich wechselte einen kurzen Blick mit Ven, der das für eine gute Idee zu halten schien und nickte Jana zu.

„Gib mir einen Stift und ein Blatt Papier, dann tauschen wir die Nummern aus.“, erklärte ich.

Wenige Augenblicke später, steckte jeder von uns einen Zettel mit der Nummer des Anderen ein.

„Nun denn, wir müssen zurück an die Arbeit, wer weiß wann die nächste Kundschaft kommt. Ich wünsche euch noch viel Glück, hoffen wir, dass dieser Schüler bald auftaucht und die Warterei nicht umsonst war!“, verabschiedete Jana uns.

Ob sie wirklich so viel zu tun hatte oder nur mit Jason alleine sein wollte, blieb einmal dahingestellt, aber das war nicht unsere Sorge.

„Soso, an die Arbeit? Na dann viel Spaß!“, erwiderte Ven mit einem Grinsen in Janas Richtung und sobald auch ich und Jason einige Abschiedsworte hinzugefügt hatten, verließen Ven und ich den Laden.

„Und was machen wir jetzt?“, kam auch prompt die Frage des Dschinns, die früher oder später hatte kommen müssen.

Ja, was sollten wir nun unternehmen? Allzu viele Dinge konnten wir nicht mehr tun, der Zoo und der Zirkus waren bereits besucht wurden, die Disco auch und noch ein Kinobesuch so kurz auf den Anderen war auch nicht das wahre. Abgesehen davon, dass ohnehin kein guter Film mehr lief – oder eher kein guter Film, den Ven sich angesehen hätte, so begeistert wie er von unserem letzten Thriller war und so fröhlich, wie er von Horrorfilmen geschwärmt hatte.

„Was hältst du von einem Schwimmbad-Besuch? Wir hätten ein Hallenbad, zu dem wir wunderbar mit dem Bus fahren könnten, wenn du möchtest.“, schlug ich einfach das erstbeste vor, was mir in den Sinn kam.

Schwimmen war sicherlich nicht das schlechteste, was wir tun konnten, außerdem hatte Ven in dieser Vase bestimmt keine Gelegenheit gehabt, großartig zu schwimmen, da würde ihm so ein Besuch wohl mehr zusagen, als ein weiterer Ausflug in die Disco oder das Kino.

Vor allem seine Erinnerungen an ersteres mussten nicht auf gleiche Art und Weise aufgefrischt werden.

Einen Moment lang schien Ven zu überlegen, bevor er mir fröhlich zunickte und seine Antwort gut gelaunt verkündete.

„Schwimmbad klingt toll, ich war schon ewig nicht mehr schwimmen...!“

Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen, vertrieb den vorher noch leicht missmutigen Gesichtsausdruck aus meinen Gesicht.

Abgesehen von Ashley kannte ich keine Person, die sich mehr für etwas begeistern konnte, als Ven.

Es war irgendwie süß wie er sich über diese Kleinigkeiten freute.

Das konnte ich ihm natürlich nicht ins Gesicht sagen, aus mehrerlei Gründen, aber immerhin durfte ich mir meinen Teil dazu denken.

„Sehr schön, dann lass uns schnell nach hause, die Schultaschen in die Ecke pfeffern und gegen einen Rucksack mit Schwimmsachen eintauschen! Wenn wir uns beeilen, ist Ashley auch noch nicht von ihrem Volleyball-Training zurück und wir müssen uns keine Sorgen machen, dass sie sich an unsere Fersen heftet!“, stellte ich fest, steuerte gut gelaunt mein Zuhause an.

Ich überlegte was ich einpacken sollte, als mit einem Mal etwas direkt hinter Ven und mir zerschellte.

Überrascht wirbelte ich herum, sah auf die Scherben, die auf dem Boden lagen.

„Ein Blumentopf...?“, wunderte ich mich, sah nach oben, aber ich konnte niemanden erkennen.

Ven neben mir sah mehr als geschockt aus. Vermutlich weil wir Beide – oder zumindest ich, wer wusste, wie viel Dschinn überstehen konnten – beinahe von einer Pflanze erschlagen wurden wären.

„Das ist ja lebensgefährlich hier!“, schimpfte ich, schüttelte leicht den Kopf über die Unachtsamkeit mancher Leute und setzte meinen Weg mit Ven fort.

Am besten wir zerbrachen uns nicht weiter den Kopf über das, was passiert war, immerhin war uns im Endeffekt nichts geschehen, oder?

„Dann wollen wir einmal.“, murmelte ich vor mich hin, sperrte kurze Zeit später die Haustür auf und ging zielstrebig in mein Zimmer, suchte Handtücher und dergleichen zusammen.

Für Ven nahmen wir ebenfalls einen Rucksack an uns, denn auch, wenn der gute Dschinn sich seine Sachen herbeizaubern konnte käme es wohl komisch, wenn er ohne Sachen das Haus verlassen und im Schwimmbad auftauchen würde.

„So haben wir alles?“, fragte ich Ven.

„Ich denke schon?“, kam die Antwort des Dschinns, während ich noch einmal sicher stellte, dass wir nichts vergessen hatten.

Auch wenn Ven im Notfall dafür sorgen könnte, dass ich an nicht vorhandene Dinge gelangen konnte, man musste seine Kräfte ja nicht für solcherlei in Anspruch nehmen wenn es sich vermeiden ließ, oder?

„Gut, dann können wir los.“, erklärte ich, lächelte den Dschinn gut gelaunt an und legte meinen Eltern einen Zettel auf den Küchentisch.

Noch waren die Beiden beschäftigt mit ihrem wiedererlangten Vermögen und daher unterwegs, aber wer wusste, ob sie nicht vor uns wieder zu Hause waren!

Außerdem wüsste Ashley im Zweifelsfalle so auch wo wir hin waren und würde uns – so hoffte ich doch – weder suchen noch folgen!

Bei meiner Schwester wusste man nie...und wenn es um eine Gelegenheit ging sich Ven im Bikini zu präsentieren sollte man doppelt und dreifach vorsichtig sein!

Noch einmal überlegte ich, ob wir auch wirklich nichts vergessen hatten, was wichtig sein konnte – lieber überlegte ich zwei Mal mehr als nötig anstatt Ven nachher mit jeder Kleinigkeit betrauen zu müssen – bevor ich mit dem Dschinn das Haus verließ und wir uns auf dem Weg zum Schwimmbad machten.

Probleme sind und bleiben Rudeltiere

Ven
 

Der Weg zum Schwimmbad war glücklicherweise nicht allzu lang, weshalb wir recht bald am Eingang von eben diesem standen und uns Eintrittskarten besorgen konnten. Es schien auch nicht sonderlich viel los zu sein, denn wir mussten nicht einmal anstehen. Aber gut, es war ja auch ein Montagnachmittag, die meisten Menschen hier schienen wohl noch zu Arbeiten oder hatten einfach keine Lust am Anfang der Woche ins Schwimmbad zu gehen.

So hatten wir die Umkleidekabinen fast für uns alleine und ich machte mir sogar seit langem mal wieder die Mühe, mich ‚normal‘ umzuziehen statt einfach nur meine Kleidung zu verändern. Dann musste ich nicht so lange auf Ethan warten, der sich immerhin selbst wohl kaum schneller umziehen konnte als jeder andere normale Mensch.

Als wir dann schließlich beide umgezogen waren trafen wir uns vor den Schließfächern um unsere Rucksäcke und die restlichen Sachen dort zu lassen und ich musste durchaus zugeben, dass Ethan oben ohne verdammt gut aussah... auch wenn ich ihm das nun nicht unbedingt auf die Nase binden musste, denn ich war mir nicht so sicher wie er das auffassen würde. Immerhin hatte ich keine Ahnung, was für eine Sexualität er hatte. Nicht, dass ich hätte nachfragen wollen - oder können, ohne sehr merkwürdig zu erscheinen - und ich hatte auch mit keiner ein Problem, aber dennoch... ich schwieg dazu besser.

So packten wir das Zeug nun also in eines der Schließfächer und nahmen den Schlüssel mit, bevor wir uns auf den Weg zu den Duschen machten um schließlich bereits komplett nass die eigentliche Schwimmhalle zu betreten.

Und ich staunte nicht schlecht, es war nicht gerade klein hier. Es gab die verschiedensten Pools, angefangen bei den ‚normalen‘ Becken, also dem Babybecken, dem Nichtschwimmerbecken und dem Schwimmerbecken, bis hin zu einem kleineren Becken in dem eine große Rutsche endete oder diversen Spielereien mit Wasserfällen, Strudeln oder Wellen. Es sah wirklich überraschend gut aus dafür, dass es nur eine Schwimmhalle in einer Kleinstadt war. Während der Wochenenden oder Ferien war hier auch bestimmt gerade im Hochsommer sehr viel los.

Lächelnd sah ich zu Ethan. „Wenn ich gewusst hätte, dass euer Schwimmbad so groß ist hätte ich dich schon am Wochenende hierher gezogen... es sieht toll aus...! Wohin wollen wir zuerst?“, fragte ich dann auch sogleich enthusiastisch, auch wenn diese Größe natürlich auch einen Nachteil hatte. Denn bei kleineren Gebäuden konnten wir uns immerhin frei bewegen, so mussten wir zumindest in naheliegenden Becken bleiben, um mir keine unschöne Überraschung zu bereiten... aber gut, wir hatten ja Zeit, das würde sich schon machen lassen.

Allerdings schien Ethan leicht abwesend zu sein, da er sich auf irgendeinen Punkt in meinem Gesicht konzentrierte - wie seltsam, hatte ich da irgendetwas? - und ich fragte mich gerade, ob er meine Frage überhaupt gehört hatte, als er schließlich lächelte und doch noch antwortete.

„Wie du möchtest, such dir etwas aus. Ich war hier immerhin schon oft genug und kenne alles.“

„Okay! Dann lass uns zuerst... hm...“ Ich überlegte und sah mich kurz um bevor mein Blick auf die Rutsche fiel und ich grinsen musste. „da hin gehen!“ Ich zeigte auf die Rutsche und ging auch sogleich über die nassen Fliesen in deren Richtung. Tja, ich war dahingehend eben immer noch ein Kind, das war ja auch nicht verboten.

Und so rutschten wir ein paar Mal- diese Rutsche war wirklich toll, mit den vielen Kurven und teilweise kam Wasser von oben durch das man hindurch fuhr... es war wirklich spaßig! - bevor ich schließlich beschloss, das wir uns auch noch andere Dinge ansehen sollten, weshalb wir schließlich noch das Wellenbecken erkundeten und nur eine kurze Pause bei den Whirlpools einlegten, bevor wir eine Runde bei den Strömungen herumspielten - okay, zumindest ich spielte herum, Ethan schwamm recht normal gegen den Strom, so, wie es eigentlich gedacht war... glaubte ich zumindest - und schließlich eine Art Pause im Schwimmerbecken einlegten. Dort ging es sehr viel ruhiger zu als bei der Rutsche und im Wellenbecken, da die meisten der ohnehin nicht vielen Besucher sich wohl lieber vergnügten als einfach nur zu schwimmen. Verständlicherweise. So konnten wir hier in Ruhe unsere Runden schwimmen, auch wenn das Wasser im Vergleich zu den Nichtschwimmerbecken so kalt war...! Warum auch immer.

Aber gut, da es hier nun fast komplett leer war - soweit ich das beurteilen konnte waren außer uns nur noch zwei andere Schwimmer hier - nahmen wir uns beide je eine Bahn und schwammen diese auf und ab, jeder in seinem eigenen Tempo. Was auch auf eine ganz eigene Art und Weise Spaß machte. Zumindest anfangs.

Denn plötzlich spürte ich eine Hand an meinem Fußgelenk, welche es ganz plötzlich umschloss und mich in die Tiefe zog. Was zum...?

Ethan konnte es nicht sein, ich hatte ihn gerade noch ein paar Meter weiter schwimmen sehen. Nur gut, dass meine Sicht Unterwasser noch etwas taugte, denn so erkannte ich einen schwarzhaarigen Mann, welcher mein Fußgelenk fest hielt um mich Unterwasser zu halten. Leicht panisch, wie man so war wenn man plötzlich keine Luft mehr bekam und nicht an die Oberfläche kam, trat ich nach ihm, was aber nur dazu führte, dass er auch meinen anderen Fuß festhielt. Verdammt...!

Sein Griff war eisern, ich kam nicht weg, aber das allein war weit weniger schlimm als die Tatsache, dass ich, während ich mich vergeblich zu befreien versuchte, sah, wie es Ethan ein paar Meter weiter nicht anders erging als er mit dem anderen Schwimmer rang, den ich vorher gesehen hatte. Wer zum Henker wollte uns denn bitte auf die unfaire Art und Weise... umbringen?

Jedenfalls würde ich diesem jemand dazu keine Gelegenheit geben...! Meine Luft wurde langsam knapp, was hieß, dass auch Ethan nicht mehr viel Zeit haben würde, aber ich sorgte erst einmal mit meinen Kräften dafür, dass mir an der Seite Kiemen wuchsen. Das Gefühl war wirklich grauenhaft, da man an das Atmen mit Lungen gewohnt war und diese Umwandlung nicht unbedingt komplett schmerzfrei verlief, aber das war gerade die einzige Möglichkeit die ich hatte, um nicht bald ohnmächtig zu werden. Und weil ich diesen Kerl unter mir dringend loswerden musste - wobei mir erst später auffiel, dass dieser scheinbar viel mehr Luft haben musste als ich, da er keine Probleme damit zu haben schien mich ewig Unterwasser fest zu halten - griff ich eben auf Magie zurück: Ich sorgte dafür, dass die Arme des Kerls einfroren. Das reichte, um dem überraschten Kerl meine Füße zu entziehen und ich trat noch einmal nach seinem Gesicht, was zwar nicht unbedingt die feine englische Art war, aber ich hatte gerade anderes zu tun. Beispielsweise Ethan vor dem anderen Typen retten, da der arme Kerl so langsam keine Luft mehr übrig haben dürfte, selbst, wenn er lange die Luft anhalten konnte. Was gerade mehr als nur kontraproduktiv war...!

Allerdings hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie zum Teufel ich den Kerl von Ethan wegbekommen sollte! Was ich schließlich damit löste, den Typen ebenfalls einzufrieren, da Waffen hier wohl kaum eine Wirkung entfalten könnten, wenn man einmal davon absah, dass ich gerade mal ein Schwert benutzen konnte, und das auch nur minimal. Und ein anderes Element war mir auf die Schnelle nicht eingefallen.

Aber egal, ich sollte mir stattdessen lieber Sorgen um Ethan machen, welcher inzwischen das Bewusstsein verloren zu haben schien. Schnell griff ich mir seinen Arm und zog ihn wieder Überwasser, wo ich erst einmal die Kiemen wieder verschwinden ließ während ich versuchte, den Anderen mit mir an Land zu hieven. Was gar nicht so einfach war, da er zwar im Wasser nicht allzu schwer gewesen war, aber doch auch nicht gerade ein Fliegengewicht wenn man ihn an Land ziehen wollte.

Schließlich hatte ich es zwar geschafft, aber er war immer noch bewusstlos und ich wurde erneut panisch. Bis mir plötzlich die Erste Hilfe Lektionen einfallen, die ich irgendwann einmal bekommen hatte... nur gut, dass das Gedächtnis von Dschinn nicht gerade schlecht war, andernfalls hätte ich mir das vermutlich nie so lange merken können.

Was mich nun dazu brachte, das einzige zu tun was Ethan auf die Schnelle helfen konnte. Ich küsste ihn.

Natürlich nicht einfach so zum Spaß - SO dreist war ich nun auch nicht, schon gar nicht wenn mein Gegenüber bewusstlos war! - sondern um Mund-zu-Mund-Beatmung durchzuführen.

Was am Ende glücklicherweise auch Erfolg zu haben schien, da Ethan schlussendlich Wasser spuckte und wie ein Irrer zu Husten begann bevor er die Augen aufschlug. Er wirkte irgendwie desorientiert, aber das konnte man ihm wohl kaum verübeln, immerhin war er eben noch im Wasser gewesen und sicherlich ziemlich froh, doch nicht gestorben zu sein. Nachdem er so noch eine Weile weiter gehustet hatte, sah er schließlich dann zu mir und ich konnte quasi sehen, wie er schlussfolgerte was passiert war, bevor er ein „Danke...“ keuchte und erneut hustete, bevor er weitersprach. „Was war das...?“

Allerdings konnte ich auf seine Frage nur mit den Schultern zucken. „Ich habe nicht die geringste Ahnung. Das heißt, ich kann dir sagen, dass es zwei Kerle waren die uns aus einem mir unverständlichen Grund Unterwasser gezogen haben, aber weshalb sie das getan haben weiß ich leider nicht. Vorerst dürften sie jedoch halb eingefroren irgendwo am Grund des Beckens liegen. Was mich dazu bringt, dass wir vielleicht verschwinden sollten. Wenn die zwei wieder hochkommen haben wir jedenfalls ein Problem.“

Und nachdem ich nun alles erzählt hatte was ich wusste schien Ethan auch aufgehört haben zu husten. Weshalb wir uns recht schnell auf den Weg aus der Schwimmhalle machen konnten und uns beeilten, zurück zu ihm nach Hause zu gelangen. Wobei ich mir nicht helfen konnte, irgendwie schwirrte mir nun ständig erneut diese Situation im Kopf herum, während ich Ethan beatmete... es war richtig gruselig und auch irgendwo peinlich, allerdings schien Ethan das Ganze nicht so wirklich mitbekommen zu haben, oder zumindest schwieg er darüber, was mir nur recht war. Wir sollten uns lieber auf den Rückweg konzentrieren...
 

Ethan
 

Ich konnte noch immer nicht fassen, was gerade geschehen war. Von einem Moment auf den Anderen, hatte sich ein spaßiger Nachmittag in einem Schwimmbad in den reinsten Alptraum verwandelt.

Nie und nimmer hätte ich damit gerechnet, dass uns jemand an einem öffentlichen Ort angreifen würde. Warum denn auch? Wir hatten nichts getan, um dergleichen zu verdienen oder überhaupt irgendwie Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen!

Was ging hier vor sich?

Ich hatte wirklich gedacht, ich würde sterben, als dieser Kerl mich unter Wasser zog. Noch niemals zuvor in meinem Leben, hatte ich eine solche Panik verspürt.

Mein Herz hatte so heftig gegen meinen Brustkorb gehämmert, dass man meinen konnte, es wolle sich selbst befreien und seinen Besitzer sterbend und schutzlos zurücklassen, meine Lungen hatte nach Sauerstoff geschrien und letzten Endes, hatte die Schwärze mich gefangen.

In diesem Moment hatte ich nicht geglaubt, jemals wieder die Augen zu öffnen...doch das hatte ich.

Dass ich noch lebte, hatte ich einzig und alleine Ven zu verdanken.

Kaum, dass ich wieder zu mir gekommen war, hätte ich ihm um den Hals fallen können, aber dafür hatten wir keine Gelegenheit.

Was auch immer mit diesen Typen los war, wir mussten so schnell wie möglich von dort verschwinden, also packten wir im Schwimmbad zusammen was wir hatten, so schnell das irgendwie möglich war und verschwanden so unauffällig, wie das nach einem solchen Erlebnis nun einmal ging.

Mein ganzer Körper war angespannt, ich hatte das Gefühl, als würden alle Leute auf den Straßen uns seltsam anstarren.

„Alles in Ordnung?“, fragte Ven mit einem Mal.

Ich wandte mich um, zischte ein „Natürlich, alles in bester Ordnung, man hat ja nur versucht, uns umzubringen!“, entgegen und bereute es sofort, als ich seinen besorgten Gesichtsausdruck sah.

Er konnte nichts für das, was passiert war, außerdem hatte er mich gerettet, also wie zur Hölle kam ich bitte schön dazu, ausgerechnet ihn anzubrüllen?!

„Tut mir leid...meine Nerven sind gerade etwas blank liegend, wie du dir denken kannst.“, murmelte ich vor mich hin.

„Was sollte das nur? Ich meine wir kennen die Kerle gar nicht und wir haben auch nichts gemacht um so etwas zu verdienen...oder? Ich meine du kennst sie auch nicht, nicht? Oder verschweigst du mir etwas?“, hakte ich nach.

Ven starrte mich fassungslos an, warf mir einen empörten Blick zu.

„Ethan, du glaubst doch nicht ernsthaft, ich würde dir etwas verschweigen, wenn wir Beide angegriffen wurden, oder?“, gab er zurück.

Nein...das würde er wohl nicht.

Ich kannte den Dschinn zwar noch nicht besonders lange, aber wie jemand, der solcherlei Dinge vor mir verheimlichen würde, wirkte er eigentlich nicht.

"Schon gut, du hast ja recht. Viele, aber nicht du...", gestand ich schließlich.

Wie kam ich überhaupt dazu, nun wilde Unterstellungen zu machen?

Das war doch nicht mehr normal!

Gut, das war eine Ausnahmesituation und ganz sicher für niemanden von uns einfach gewesen, aber ich musste es nicht an demjenigen auslassen, der mir das Leben gerettet hatte!

Was war ich bitte schön? Das allerletzte Arschloch? Nein!

So in Gedanken versunken, bemerkte ich gar nicht, wie hinter uns ein Wagen ungewöhnlich zu beschleunigen begann und so scharf in die Kurve fuhr, kurz bevor wir die Straße überqueren wollten, dass er uns ganz sicher überfahren hätte, wenn Ven und ich nicht geistesgegenwärtig zurückgesprungen wären.

Mein Herzschlag raste und das Blut rauschte in meinen Ohren. Hatte dieser Kerl etwa auch...

„Das gibts doch nicht! Hat die ganze Welt sich jetzt gegen uns verschworen und will uns töten oder was zur Hölle geht hier vor? Ven bitte...du musst doch irgendeine Ahnung haben, was hier vorgehen könnte, also irgendetwas bemerkt haben? Oder einen Zaubertrick beherrschen, der uns weiter hilft? Ich meine...wenn du so darüber nachdenkst, was wenn der Blumentopf auch kein Zufall war...und das nicht der letzte Versuch bleiben wird und und und...oh Gott!“, ich unterbrach mich selbst, raufte mir die Haare und musste erst einige Male tief durchatmen, mir selbst einreden, ruhig zu bleiben.

Wenn ich jetzt der Panik verfiel, war alles aus und diese Kerle, die anscheinend hinter uns her waren – das konnte doch nicht mehr Zufall sein oder?! – hätten leichteres Spiel.

Ven sah sich leicht misstrauisch um, als rechne er von allen Seiten mit einem weiteren Angriff – nach so einigen Attacken wusste man ja nie – doch er schien nichts auffälliges zu finden und wandte sich mir wieder zu.

„Ich hab keine Ahnung... Aber irgendetwas ist hier definitiv faul. Das Einzige, was ich mit Sicherheit sagen kann ist, dass die Leute im Schwimmbad keine Ahnung davon hatten, was ich bin. Und wir dürfen nicht in Panik verfallen, denn das macht unvorsichtig. Trotzdem befürchte ich, dass das tatsächlich keine Zufälle sind...“, murmelte er überraschend ruhig vor sich hin.

Wirklich, wie konnte er so ruhig bleiben in dieser Situation?! Wir waren beinahe umgebracht worden!

Das ging nicht in meinen Kopf hinein und gerade war ich auch nicht in der Lage, großartig besonnen nach dem Grund für diese Ruhe zu suchen.

„Ich glaube, wir sollten uns beeilen nach Hause zu kommen, das ist vermutlich sicherer als noch ewig hier draußen herum zu stehen oder zu wandern.“, fügte Ven schließlich noch hinzu.

„Glaube mir...DAS musst du mir nun wirklich nicht zwei Mal sagen, lass uns machen, dass wir hier weg kommen!“, stimmte ich sofort zu, wenn auch mit einem leicht gereizten Unterton.

So sehr ich mich auch bemühte, ruhig zu bleiben, wenn ich an all diese Angriffe dachte...ich konnte mich einfach nicht völlig zusammenreißen, es ging nicht!

Schneller als jemals zuvor in meinem Leben schaffte ich mich vom Schwimmbad mit Ven nach Hause zurück, trat in die Wohnung und schloss fast schon hastig die Türe hinter mir, um anschließend durch alle Räume zu wandern und sicher zu stellen, dass alle Türen und Fenster so verschlossen waren, dass niemand in das Haus hineingelangen konnte.

Okay, das war nun vielleicht etwas übertrieben, aber konnte man mir das nach einer solchen Aktion ehrlich verübeln?

Ashley kam ins Wohnzimmer herein, beobachtete meine halben Verriegelungsversuche an der Fensterfront des Raumes.

„Ethan was zur Hölle machst du denn da? Ich habe die Fenster gerade zum Lüften geöffnet!“, schimpfte sie, schüttelte den Kopf und sah zu Ven herüber, der bisher nichts weiter dazu gesagt hatte, aus welchen Gründen auch immer.

„Was soll der Blödsinn?!“, verlangte sie zu wissen.

„Ashley, das passt schon, vertrau mir einfach und lass mich machen okay? Lass die Fenster einfach zu...einfach zu, ja?“, antwortete ich ihr, langsam wirklich fertig mit den Nerven.

Meine Beine wollten unter diesem ganzen Druck nur all zu gerne nachgeben.

„Ethi?!“, stieß sie hervor, zwang mich förmlich, mich aufs Sofa zu setzen.

„Ich habe keinen blassen Dunst, was für einen Mist du dir da zusammenreimst, aber meinetwegen, dann bleiben die Fenster zu...du brauchst jetzt erst einmal was zu trinken! Du siehst vollkommen fertig aus...“, murmelte sie, verschwand in die Küche, um einige Augenblicke später mit einem prall gefüllten Wasserglas zurückzukommen.

„Was ist hier los, hm? Was wird hier bitte schön gespielt, ihr Zwei?“, wollte sie einmal mehr wissen.

Was sollte ich ihr denn sagen? Die Wahrheit? Oder irgendeine Ausrede, die halbwegs glaubhaft erschien?

Selbst wenn ich gewollt hätte, auf das zweite konnte ich mich gerade ohnehin nicht konzentrieren, also spülte ich das Wasser erst einmal meine Kehle herunter – auffällig langsam, damit ich nicht antworten musste – und hoffte Ven würde irgendetwas tun oder sagen, um diese Situation zu lösen...ganz egal was es auch immer war.

Der Dschinn ließ erst einmal ein nicht zu überhörendes Seufzen im Raum ertönen, ehe er zu einer Antwort für Ashley ansetzte.

„Hör mal, was genau los ist wissen wir auch nicht, aber es scheint, als hätte es jemand möglicherweise auf uns, oder vielleicht auch nur einen von uns, abgesehen. Dafür gibt es ein paar mögliche Gründe, die ich dir zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht nennen kann. Außerdem hab ich nicht die geringste Ahnung, ob auch nur einer von ihnen zutrifft. Sollten wir irgendwann genaueres wissen, was die Situation auch für dich und andere gefährlich macht erfährst du was wir wissen, ja?“, erklärte er in einem beruhigenden Tonfall, der seine Wirkung nicht zu verfehlen schien, obwohl er von möglichen Gefahren sprach.

Ashley sah ihn einen Moment lang überrascht an, dann fiel sie ihm einfach um den Hals.

„Ach Ven...Ethi! Wo seid ihr denn hier herein geraten?! Wenn ihr von so etwas redet...das kann doch nichts Gutes sein! Wenn es irgendetwas gibt, was ich für euch tun kann, dann...lasst es mich wissen, okay? Irgendwie kann man euch sicher helfen...was auch immer es ist!“, bot sie bereitwillig ihre Hilfe an.

Ich kam mir vor, wie in einem falschen Film...wie einer dieser Hauptcharaktere, der seiner heimlichen Flamme dabei zusah, wie sie oder er Trost bei jemand anderem suchte und das schlimme an der Tatsache war, dass ich dabei nicht einmal sagen konnte, was mich an dieser Situation mehr frustrierte: Das Ashley lieber Ven umarmte in diesem Moment, als mich oder das Ven derjenige war, der vor meinen Augen von Ashley umarmt wurde.

Egal was es war: Es fühlte sich einfach nur grauenvoll an! Gerade jetzt, wo meine Nerven ohnehin angerissen waren.

Jetzt drohten die schmalen Fäden endgültig zu reißen.

Ven wirkte gerade etwas unbeholfen, so als wusste er nicht recht, wie er reagieren sollte. Vielleicht lag es an diesem Gesichtsausdruck des Dschinns, das ich letzten Endes doch nicht explodierte, vielleicht lag es aber auch an seinen Worten, die er kurz darauf an Ashley richtete. Ich wusste es nicht und in diesem Moment hatte ich keinen Kopf darüber nachzudenken.

„Danke für das Angebot, wir kommen darauf zurück, ja?“, bedankte er sich freundlich lächelnd für ihre Erklärung, löste dann so unauffällig wie möglich die Umarmung.

„Gut!“, stimmte Ashley ihm zu, gab ihn – wenn auch sichtlich widerwillig – frei.

Irgendwie schafften wir es anschließend sie vorerst los zu werden, was vermutlich in erster Linie daran lag, dass eine ihrer Freundinnen anrief und sie am Telefon beschäftigte.

Ven und ich zogen uns lieber auf mein Zimmer zurück, versuchten uns gemeinsam zu beruhigen und etwas zusammen zu raufen.

So viel wir auch nachdachten, wir kamen mit Grübeln und Denken nicht weiter, es gab keine Antworten, die wir mal so eben hätten finden können und erst spät abends – als meine Mutter uns fragte, ob wir nichts mehr essen wollten – fiel mir auf, wie die Zeit tatsächlich dabei vergangen war.

Und meine Hausaufgaben hatten sich nicht von selbst gemacht.

Es war irgendwie peinlich, dass ich Ven darum bitten musste, einmal mehr die Stifte von selbst Aufgaben für uns Beide lösen zu lassen, aber nach diesem Tag und um diese Uhrzeit, hatte ich nun keinen Kopf mehr für die Mathematik oder überhaupt Schule übrig gehabt.

Ein Glück, dass Ven das verstand...wenn er auch nicht annähernd so beunruhigt war, wie ich selbst.

Nachdem wir etwas gegessen hatten, hatten wir es uns schließlich mehr oder minder auf Bett und Sofa bequem gemacht und versuchten zu schlafen.

Doch so sehr ich auch versuchte, nach diesem Tag Ruhe zu finden, es brauchte eine halbe Ewigkeit, bis ich tatsächlich hatte einschlafen können und ehrlich gesagt, wollte ich gar nicht mehr aufstehen, wenn ich daran dachte, was wir an diesem Tag alles hinter uns hatten!
 

Ven
 

So vergingen mehrere Tage und sie alle waren mehr oder minder damit gefüllt, dass Ethan und ich uns Sorgen darüber machten, wer es auf uns abgesehen haben könnte. Allerdings passierten solche seltsame ‚Zufälle‘ nicht noch einmal, was uns durchaus verwirrte. Trotzdem traute ich mich nicht zu glauben, dass es möglicherweise ein Versehen oder so gewesen sein sollte, immerhin klang es doch nach einer guten Taktik nach so etwas Offensichtlichem eine Weile zu warten, bis sich die ‚Opfer‘ wieder sicher fühlten um dann erneut zuzuschlagen, oder?

Aber zumindest schien sich Ethan insofern genug beruhigt zu haben, als dass er keine ganz so extreme Paranoia mehr hatte wie an dem Abend, als wir vom Schwimmbad gekommen waren. Vermutlich fragte er sich auch, weshalb es mir nicht genauso ging, aber da er nichts davon ansprach schwieg auch ich dazu. Ich musste ihm ja nicht unbedingt auf die Nase binden, dass Dschinn über weit bessere regenerative Fähigkeiten verfügten als Menschen, weshalb es schwer war uns wirklich tödlich zu verletzen.

Naja, es sei denn, man wusste über Dschinn Bescheid, dann war es gar nicht so schwer... was einer der Gründe war, warum ich Ethan nichts davon erzählen wollte. Nicht, dass ich ihm nicht genug vertraute oder so, im Gegenteil, und wenn er danach gefragt hätte, hätte ich ihm wohl auch geantwortet, aber so... vielleicht war es zumindest vorerst besser, er würde nichts davon erfahren.

Aber eine Sache gab es außerdem noch, die mir zusehends Sorgen bereitete. Daniel, der Junge, der möglicherweise der ‚Besitzer‘ eines anderen Dschinn war, kam die ganze Woche über nicht zur Schule. Er schien etwas wirklich ernstes zu haben, aber auch die Lehrer wussten wohl nicht so recht, was mit ihm los war, da sie wiederholt die Schüler der Klasse fragten, ob einer von uns wisse, was mit ihm sei. Aber keiner wusste irgendwas, alle vermuteten sie nur, dass er irgendeine ernste Krankheit zu haben schien. Was nicht sonderlich ermutigend klang.

Das darauffolgende Wochenende war dann auch weit weniger spektakulär als das davor, da wir nicht großartig etwas unternahmen. Alan und Yannik hatten zwar versucht, uns dazu zu bringen mit ihnen ‚eine Runde um die Häuser zu ziehen‘, aber uns war beiden die Sicherheit von Ethans Haus im Moment noch lieber, weshalb wir höflich abgelehnt hatten. Nur gut, dass einem, wenn man einen Dschinn zu Gast hatte, auch zu Hause nicht unbedingt langweilig wurde.

Und so kam schließlich der nächste Montag und wir gingen, wie es inzwischen für mich fast schon zur Routine geworden war, mit Ashley zur Schule, bevor wir uns schließlich von ihr trennten und zum Matheunterricht gingen. Welcher auch nicht besser wurde, egal wie oft man ihn besuchte...

Aber dank meiner Kräfte war auch das eigentlich kein Problem und wir warteten beinahe gespannt darauf, dass der Unterricht endlich vorbei war, denn erst danach würden wir feststellen können, ob Daniel inzwischen wieder aufgetaucht war.

Allerdings schienen wir kein Glück zu haben, denn er saß wieder nicht auf seinem Platz und als wir nach der Biostunde Angela abpassten schüttelte sie auch nur den Kopf. Naja, eigentlich schüttelte sie während einem Redeschwall den Kopf, wie wir sie eben kannten, aber mehr wissenswertes, als dass Daniel wieder nicht in Latein gewesen war kam dabei auch nicht heraus.

So machten wir uns nun also wieder auf den Weg in den Aufenthaltsraum um dort unsere Freistunde verbringen zu können, allerdings wurden wir noch bevor wir ihn auch nur erreichen konnten auf einem Gang von ein paar Mädchen angesprochen. Naja, ich wurde angesprochen.

„Ven, warte doch mal kurz!“

Wie aus Reflex blieb ich stehen und drehte mich verwirrt um, um zu sehen wer mich gerade gerufen hatte.

Und erst einmal sah ich eine Gruppe Mädchen, welche sich auf uns zubewegte. Na super. Ich meine, ich hatte nichts gegen Mädchen - oder sollte ich Frauen sagen? Ich bin mir nicht sicher ab welchem Alter man da unterscheiden sollte - aber in der Gruppe waren sie meist furchtbar. Laut, viel selbstbewusster und gerne auch einfach ein großer, kichernder Haufen, zu dem man einfach nicht gehörte. Oder gehören wollte. Auch wenn das mit Jungs vermutlich ähnlich war aus der Sicht eines Mädchens.

Aber egal, jedenfalls war diese Gruppe von Mädchen, wovon mir gerade mal ein oder zwei Gesichter bekannt vorkamen - sie mussten teilweise die gleichen Klassen wie Ethan besuchen - nun bei uns angelangt und lächelten mich an.

Leider hatte ich bereits ein dumpfes Gefühl, worauf die Mädchen hinaus wollten. Denn das Lächeln was sie aufgesetzt hatten sah keineswegs nach dem typischen ‚Gute Laune-Lächeln‘ aus... mehr nach einer Art ‚Schau wie gut ich aussehe-Lächeln‘... wenn das irgendeinen Sinn machte.

So ungefähr äußerten sich die Mädchen dann auch.

„Hey Ven, weißt du, ich hab in letzter Zeit so oft an dich denken müssen... sag mal, was hältst du davon, wenn wir uns nach dem Unterricht mal hinter der Schule treffen, hm...? Nur wir zwei?“, murmelte eines der Mädchen mit blonden, gelockten Haaren in einem vermutlich verführerisch gemeinten Tonfall. Es war das gleiche, was mich vorher bereits gerufen hatte und sie schien für mich wie die Anführerin dieser Clique. Dennoch, ich hatte als Dschinn bereits so meine Erfahrungen mit solchen Annäherungsversuchen, anders vermutlich, als ein durchschnittlicher siebzehnjähriger Junge, wobei es bestimmt auch dort Ausnahmen gab.

Zumindest hatte ich genug Erfahrung um zu ahnen, worauf sie hinaus wollte. Und selbst, wenn ich es nicht gehabt hätte, ich konnte mich nun einmal außer mit Ethan wohl nie mit irgendjemandem zu zweit treffen im Moment, dank dieser tollen Barriere...

So lächelte ich also nur entschuldigend, immerhin wollte ich das Mädchen dennoch nicht verletzen - es war nie gut, das bei einem Mädchen zu tun, seine Rache konnte furchtbar sein! - bevor ich antwortete. „Tut mir sehr leid, aber ich kann nicht.“

Sofort verzog sich das Gesicht des Mädchens zu einem riesigen Schmollmund. „Wirklich nicht?“, murmelte sie, bevor sie plötzlich ihre Arme um meinen Hals schlang. Der Ausdruck von vorher war zurück. „Vielleicht ein Andermal? Ich will dich unbedingt näher kennen lernen...“

Ich bemühte mich, nicht so auszusehen, als wenn ich gerade so ziemlich alles lieber tun wollte als sie ‚näher kennen zu lernen‘ und wollte sie gerade höflich auf genau das hinweisen, wenn auch sicherlich mit anderen Worten, als sie plötzlich der Meinung war, unbedingt unterstreichen zu müssen, wie genau sie mich denn näher kennen lernen wollte. Also küsste sie mich. Auf den Mund. Vor einem Haufen anderer Schüler. Und insbesondere vor Ethan. Keine Ahnung, warum ich gerade ausgerechnet an ihn gesondert dachte, aber ich hatte gerade ganz andere Probleme. Denn ich hatte sicherlich keine Lust überhaupt irgendetwas mit diesem 0815-Menschenmädchen zu unternehmen, schon gar nicht das, worauf sie hinaus zu wollen schien.

So schob ich sie also von mir weg, was nicht allzu schwer war, da sie nicht sonderlich stark war, auch wenn ich dennoch vorsichtig war. Man konnte bei Frauen im Allgemeinen ja nie vorsichtig genug sein, nicht wahr?

„Hör mal, das geht nicht. Ich... ich bin schon vergeben!“, entgegnete ich ihr daher das erstbeste was mir einfiel. Auch, wenn es eine komplette Lüge war, aber es war einfach. Auch, wenn sich jetzt wohl einige Fragen mochten, weshalb ich nicht komplett ausgetickt war oder so, oder schlimmer noch, trotzdem mitgemacht hatte, aber das hatte einen simplen Grund: Ich wusste, dass es verdammt hart sein konnte zurückgewiesen zu werden, gerade wenn man es ernst meinte. Und wenn nicht war es sogar noch schlimmer, wenn man den Gegenüber anpflaumte, denn diese Leute konnten einem das Leben danach oft genug zur puren Hölle machen.

Und ich befürchtete, dass die Blonde - deren Namen ich nicht einmal kannte wie mir nebenbei auffiel - zur zweiten Kategorie gehörte. Denn ihre Antwort bestand aus einer stirnrunzelnd gestellten Frage. „Wo ist das Problem?“

Ich schüttelte nur den Kopf und sie verengte kurz die Augen, bevor sie wieder lächelte. „Macht ja nichts... ich werde dir einfach beweisen, dass ich besser bin, als alle Freundinnen die du bisher hattest. Inklusive deiner jetzigen. Wir sehen uns!“, flötete sie und bedeutete ihren Freundinnen ihr zu folgen, weshalb Ethan und ich schließlich allein in diesem Gang herum standen, wobei ich um uns herum doch einige leise tuschelnde Schüler entdecken konnte. Dieser Tratsch unter Teenagern, furchtbar.

Nicht viel besser war dann allerdings der Blick, den mir Ethan zuwarf. Er sah ziemlich sauer aus, auch wenn ich nicht die geringste Ahnung hatte weshalb. Ich konnte nur hoffen, dass dieses Mädchen nicht seine heimliche Flamme oder so gewesen war.

Aber noch bevor ich nachfragen konnte, was genau er denn hatte setzte er sich in Bewegung und ich war gezwungen, ihm zu folgen um nicht das nächste Gerücht in die Welt zu setzen sollte mich irgendjemand dabei beobachten wie ich gegen eine unsichtbare Barriere lief.

Allerdings ging Ethan nicht, wie ich vermutete hatte, weiter zum Aufenthaltsraum sondern steuerte stattdessen einen leeren Klassenraum an. Keine Ahnung warum ausgerechnet solch ein Ort, aber als er zu sprechen begann wusste ich zumindest, weshalb er sich wohl extra einen leeren Raum ausgesucht hatte.

„Soso, du bist also vergeben? An wen denn wenn man fragen darf?“, begann er und verschränkte die Arme. Verwirrt sah ich ihn an. Was war plötzlich sein Problem?

„An niemanden, ich hab das nur als Ausrede benutzt... ich konnte ihr doch nicht ins Gesicht sagen, dass ich Leute mit ihrer Art unausstehlich finde...!“

„Ach, findest du? Wieso hast du dich denn dann bitteschön von ihr küssen lassen?“

„Hab ich doch gar nicht! Das kam nur überraschend, woher sollte ich denn wissen, dass sie mir ihre Zunge in den Hals schieben wollte...?“

So langsam begann es mich nun doch aufzuregen, weshalb veranstaltete Ethan hier so ein Theater? Mir fiel auf die Schnelle nur eine halbwegs plausible Erklärung dafür ein. „Stehst du etwa auf sie?“

„Wa- Nein!“

„Was regst du dich dann so auf? Wolltest du etwa, dass was mit so einer anfange?“

„Nein, aber-“

„Nichts aber. Wenn du nichts von ihr willst und ich nichts mit ihr anfangen soll, was ich ja auch gar nicht will, dann brauchst du dich doch auch nicht so aufzuregen...!“

„Ach sei doch still!“

Mein letzter Satz war wohl nicht so sonderlich gut angekommen - auch wenn er der Wahrheit entsprach! - da Ethan ziemlich unwirsch reagiert hatte.

Aber er schien bereits in irgendeiner Art Rage zu sein, da er ein sehr eigene Auffassung davon zu haben schien, was mich zum Schweigen brachte. Wie beispielsweise seine Lippen auf den meinen.

Was allerdings zugegeben verdammt gut funktionierte, da ich im ersten Moment viel zu geschockt war, um überhaupt reagieren zu können. Ich meine hey, ich wurde gerade innerhalb von nicht einmal zehn Minuten zweimal gegen meinen Willen geküsst. Hallo?

Wobei ich Ethan eine Sache lassen musste: Er war auf jeden Fall ein besserer Küsser als das Mädchen von vorher. Naja, vielleicht kam es mir auch nur so vor.

Und falls sich jemand wundern sollte, weshalb ich gerade nicht komplett ausflippte, dass Ethan ein Kerl war: Ich war relativ offen was meine Sexualität betraf, sicher, ich hatte bisher nur Frauen gehabt, aber ich konnte nicht abstreiten, dass es durchaus attraktive Männer gab und hey, Zeit genug hatte ich.

Wobei es vermutlich nicht unbedingt die beste Wahl war an Dinge wie meine Sexualität zu denken, wenn ich vielleicht erst einmal dafür sorgen sollte, mich von Ethan zu lösen, trotz des gewissen Schockzustandes in dem ich mich im Moment mehr oder weniger befand.

Aber im Endeffekt schien Ethan selbst festgestellt zu haben, was genau er da tat, denn im nächsten Moment hatte er den Kuss bereits wieder gelöst. Und die darauf folgende Stille gehörte wohl zu einer der schlimmsten, die ich bislang erlebt hatte. Denn wir beide wussten, dass wir das sofort zu klären hatten, da wir uns einfach nicht aus dem Weg gehen KONNTEN, ob wir wollten oder nicht.

Nur... was sollte man denn in so einer Situation bitte sagen...?
 

Ethan
 

Ich wusste nicht, was in mich gefahren war. Mit einem Mal hatte mein Körper, mein Geist eine Art Eigenleben entwickelt, das ich nicht mehr so beeinflussen konnte, wie ich das gewollt hätte. Nicht, dass ich direkt etwas dagegen gehabt hätte, Vens Lippen mit den meinen zu kosten – wie ich zu meiner eigenen Verwunderung feststellen musste – aber nie und nimmer wäre ich einfach so darauf gekommen, ihn zu küssen!

Diese Rage jedoch, diese Wut und Frustration, die in mir hoch keimte, diese Flut an Gefühlen, die sich ihren Weg nach außen gebahnt und jede Hemmschwelle ertränkt hatte, ließ mich Dinge tun, die ich ansonsten wohl niemals zu denken gewagt hätte.

War es Eifersucht? Ich kannte dieses Gefühl, ich wusste, dass es sich so anfühlte und dennoch weigerte sich mein Verstand zu akzeptieren, dass ein Junge es war, der ein solches Gefühl in mir ausgelöst haben mochte.

So sehr mein Herz auch versuchte, mir etwas mitzuteilen, mein Kopf schaltete auf Durchzug, in dem Moment, in dem unsere Lippen sich berührten.

Stattdessen hielt er es nun für unglaublich notwendig, mir immer wieder vor Augen zu führen, wen ich da gerade küsste und nach einer Weile war es einfach nicht mehr möglich, diese mahnende Stimme, die immer lauter und penetranter wurde, zu ignorieren.

Das war der Augenblick, in dem ich zurückwich, mich von Ven löste.

Eine ganze Weile sah ich ihn einfach nur an, hoffte, dass er irgendetwas sagen, mich anbrüllen, ausschimpfen, ja meinetwegen auch schlagen würde – auch wenn ich bezweifelte, dass das sein Stil war – aber nichts dergleichen geschah.

Einzig und allein diese unerträgliche Stille, die von allen Seiten auf uns eindrückte und wirkte, wie der Lärm eines Jets in meinen eigenen Ohren, war zu vernehmen.

Warum sagte er nichts? Warum konnte er seinen Mund nicht öffnen und irgendeine Reaktion auf das zeigen, was gerade passiert war?

Das hier war keine Situation, vor der wir weglaufen konnten, nichts, dass wir mal so eben verdrängen und abhaken konnten.

Keiner dieser Fehler im Leben, nach denen man einfach seiner Wege ging und einander nie mehr wieder sah, es gab keinen Fluchtweg aus dieser Situation heraus.

Wir mussten uns ihr stellen. Beide wussten wir es, doch niemand von uns schien in der Lage zu sein, der ersten Schritt zu tun, wirklich zu begreifen, was gerade geschehen war.

Meine Gedanken rasten schneller, als jede Achterbahn, die ich in meinem Leben gesehen hatte und wirrer, als jeder Looping einen fühlen lassen konnte.

Ein Teil von mir schimpfte mich aus, weil ich tatsächlich einen Jungen geküsst hatte. Einen Jungen, den meine Schwester zur Zeit mehr wollte, als jeden anderen, einen Jungen, dem ich weniger aus dem Weg gehen konnte, als irgendjemanden sonst.

Eine Person, an die ich auf unbestimmte Zeit gebunden war, der ich nicht entfliehen konnte.

Wie hatte ich das nur tun können?

Dennoch, da war dieser andere Teil, der mir etwas sagen, der mir etwas zeigen wollte, aber aus irgendeinem Grund hatte ich Angst vor der Botschaft, die er mir mitteilen wollte.

Es war, als stünde ich vor einer großen Tür.

Ich weiß, alle Antworten, die ich suche, liegen hinter diesem Holz und dennoch zittert meine Hand, wenn ich sie nachdem Griff ausstrecke, um sie zu öffnen, um zu sehen, was sich dahinter verbirgt.

Eine seltsame Angst, vor etwas, dass man nicht definieren kann, die Angst davor zu erfahren, was es wirklich bedeutet, Dinge zu begreifen, die besser unausgesprochen, ungedacht blieben.

Es war jene kalte Umklammerung, die meine Gefühle zu jenem Zeitpunkt umarmte, die es mir unmöglich machte, in Ruhe darüber nachzudenken, was dahinter steckte.

So sehr sich ein weiterer Teil von mir vor jenem Wissen fürchtete, so heftig er dagegen rebellierte und die Antwort zurückhalten wollte, ein Teil von jener Wahrheit, der ich zur Zeit nicht ins Gesicht schauen wollte, drang dennoch bis zu meinen Gedanken durch und ließ meine Stimme für viele Minuten versagen.

Es hatte mir gefallen.

Der Kuss, diese Berührung, die Nähe...Vens Geschmack, der süßliche Atmen, der sich mit meinem vermischt hatte, sein Geruch, der mir nie zuvor stärker aufgefallen war.

Die blauen Augen, vor Überraschung aufgerissen und auf mich allein gerichtet, als gäbe es nichts, was sie jemals zuvor intensiver gesehen hätten, als wäre da niemand, der mich vorher stärker angesehen hatte...ich konnte mir nicht erklären warum oder besser gesagt, ich wollte es nicht, aber ich wusste, dass es mir gefallen hatte.

Es war ein Teil der Wahrheit, die ich leugnen wollte und nicht konnte.

Der Teil, vor dem ich gerade nicht weglaufen konnte...und dennoch so gerne davon gelaufen wäre.

Was sollte ich tun? Wie sollte ich reagieren? War es angebracht mich zu entschuldigen?

Sollte ich Ven in das einweihen, was ich festgestellt hatte, hatte er ein Recht zu erfahren, was dabei in mir vorgegangen war?

So viele Fragen, die in meinem Geiste schrien und nach Antworten verlangten, die ich nicht liefern konnte.

Es machte mich wahnsinnig...diese lauten Gedanken, die Stille, die um mich herum schrie...die Zeit, jene grässliche Stille zu brechen, war endlich gekommen.

„Ven, ich...“, setzte ich an, brach jedoch gleich wieder ab.

Was sollte ich sagen? Die Wahrheit? Was war die Wahrheit überhaupt?

Eine Lüge? Was sollte ich ihm erzählen?

Es umgehen? Das war nicht etwas, das man in eine Schublade sperren konnte, um es als erledigt anzusehen, es würde uns nicht loslassen, bis wir es nicht geklärt hatten und wie sollten wir das, wenn ich mit mir selbst nicht einmal im Reinen war?

Was sollte ich wenn sagen, wenn ich selbst nicht wusste, wie die Antworten aussahen, wenn ich nicht bereit war, in mich zu gehen, um diese Antworten zu erfahren?

„Es tut mir leid, ich hätte dich nicht überfallen dürfen...das war unfair. Erst recht, nachdem du gerade vorhin ebenso überfallen worden bist...ich weiß auch nicht, was das sollte.“, fügte ich hinzu, raufte mir leicht die Haare.

Ein Seufzen verließ meine Lippen.

Wie sollte ich damit nur umgehen?

Wie sollten wir damit umgehen?

Einen Moment lang sah Ven mich nachdenklich an, ehe er mir so trocken eine gewisse Frage stellte, dass ich im ersten Moment das Gefühl hatte, aus allen Wolken zu fallen.

„Bist du schwul?“, verließ seine Lippen.

Im ersten Augenblick konnte ich ihn nur anstarren, bevor ich etwas zu laut „Nein!“, rief.

„Das heißt...nicht das ich wüsste, ach ich weiß doch auch nicht, was mit mir los ist zur Zeit, alles geht drunter und drüber...“, murmelte ich, fuhr mir mit der Hand über die Stirn, als wollte ich mir damit ein Schimpfwort vom Gesicht wischen.

Ven sah nicht wirklich überzeugt von meiner Antwort aus, aber immerhin hatte er das nötige Taktgefühl, um zur Zeit nicht weiter nach zu bohren, was vielleicht auch daran lag, dass die Schulglocke unser Gespräch störte.

Wir hatten doch tatsächlich geschafft, eine Freistunde zu vergeuden...nun ja, vergeuden war es vielleicht nicht ganz gewesen, aber dennoch war die Zeit einmal mehr schneller verstrichen, als einem lieb war.

So blieb uns nun nichts anderes übrig, als die letzten Schulstunden mehr oder minder schweigend über uns ergehen zu lassen.

Keinem von uns war so richtig nach reden zu mute, nachdem was geschehen war und so wirklich geklärt hatten wir letzten Endes auch nichts.

Das war in erster Linie wohl meine Schuld, weil ich nicht klar sagen konnte – oder sagen wollte – was mit mir los war, immerhin hatte ich bisher nicht einmal versucht, mir selbst darüber klar zu werden.

Nicht so sehr zumindest, dass ich eine eindeutige Antwort hätte finden können und ich wurde das Gefühl nicht los, dass die Gelegenheit, diese Erkenntnis zu erlangen, ein anderes Mal kommen würde.

Es war, als wollte die Lösung einem zurufen, man dürfe sie nicht zu früh erfahren, wie ein Weihnachtsgeschenk, dass per Post früher ankommt, als es soll.

Die ganze Zeit bis zum eigentlichem Datum liegt es einem direkt vor der Nase und dennoch darf man es nicht öffnen, bevor jener Tag gekommen ist.

So greifbar nah und doch so fern...wenn es etwas gab, mit dem sich meine Gefühlssituation in jenen Stunden am Besten beschreiben ließ, so waren es diese Worte.

Irgendwann würde ich die Antwort schon finden...irgendwann würde ich Ven sagen können, was das zu bedeuten hatte, doch nicht an diesem Tag.

Der Unterricht ging zu Ende und noch immer wechselten wir kein Wort mehr, als unbedingt nötig war.

„Was hältst du davon, wenn wir Angela noch einmal aufsuchen und uns Daniels Adresse geben lassen? Ich meine er hat schon solange gefehlt, da kann es uns egal sein, ob es komisch kommt oder nicht, nach einer solchen Zeit könnten wir auch einfach nur etwas besorgte Mitschüler sein und wenn wir wissen wollen, was wirklich los ist, müssen wir einfach selbst nach ihm sehen!“, schlug ich mit einem Mal vor, während wir die Schulgänge in Richtung Ausgang durchstreiften.

„Das wäre keine schlechte Idee...jeder Tag, den wir noch länger warten, ist irgendwo verlorene Zeit.“, erwiderte Ven.

Ich war mir sicher, dass er das nicht so gemeint hatte, wie es mich in diesem Moment erwischte, aber für einen kurzen Augenblick hatte es sich so angehört, als wollte er mir zwischen den Zeilen sagen, dass er so wenig Zeit wie möglich damit vergeuden wollte, länger bei mir zu bleiben.

Wieso ich mir einmal mehr um solche Dinge Gedanken machte, blieb mir ein Rätsel, das ich jetzt nicht lösen konnte und wollte...weil eine gewisse Blondine, die einen bestimmten Dschinn in dieser Freistunde geküsst hatte, mit einem Mal an uns vorbeilief.

Beinahe schon hasserfüllt starrte ich ihr hinterher.

Sie schien noch nicht einmal bemerkt zu haben, dass Ven und ich gerade hier entlang gingen, so beschäftigt war sie damit, mit ihren Freundinnen über unmögliche Kleidungsstile anderer Leute zu lästern.

Diese verdammte Göre, die Ven einfach geküsst hatte...dabei meinte sie es doch nicht einmal ernst und würde nur mit seinen Gefühlen spielen, wenn sie ihn abbekäme!

Damit sie sich nachher mit den Federn schmücken konnte, den hübschen Austauschschüler bekommen zu haben!

Ich war mir nie so sicher über die Absichten einer Person gewesen und gerade deshalb wollte ich mich selbst darin bestätigen. Ich erinnerte mich an die Fähigkeit, die ich mir von Ven gewünscht hatte und wenn nicht jetzt der perfekte Zeitpunkt gekommen war um sie zu testen wusste ich nicht, wann er sonst kommen sollte!

Mir fiel nur leider auf, dass ich nicht im Geringsten eine Ahnung hatte, wie ich das alles eigentlich machen sollte – vielleicht wäre es klüger gewesen, Ven um eine Bedienungsanleitung zu bitten, die wenigsten das Theoretische erklärte? - aber ich wusste, was ich wollte und ich war mir sicher, dass es mir irgendwie gelingen würde.

Wo auch immer diese Gewissheit kam, war mir ein Rätsel...es war einfach dieses seltsame Gefühl in meinem Inneren, das ich mit einem Mal greifen, richtig erfühlen konnte.

Das Gefühl, das ich wenige Sekunden später auf die Blondine zu lenken versuchte.

Anfangs war es viel schwerer, als ich gedacht hatte, immerhin war es ein Gefühl in meinem Inneren, das ich versuchte aus mir heraus zu pressen, als wollte ich damit auf andere Personen schießen, doch irgendwie gelang es mir zumindest für einen kurzen Augenblick es nach außen zu zwängen und sie mit diesem Gefühl zu ertasten.

Ein leichtes Prickeln fuhr durch meinen Körper, als hätte man mir einen elektrischen Schlag verpasst, der mich zurückschrecken ließ.

Es war eine Warnung. Eine, die ich zu deuten wusste: Dieses Mädchen meinte es nicht ernst, selbst wenn ich ihre genauen Absichten nicht erkennen konnte, so viel hatte ich begreifen können.

"Wieso stehst du hier rum wie angewurzelt und starrst Löcher in die Luft?", holte mich Vens Frage wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

Ich wandte mich ihm zu, lächelte ein entschuldigendes Lächeln.

„Es tut mir leid, entschuldige! Ich habe nur gerade etwas ausprobieren müssen, ich erzähle es dir später, okay?“, flüsterte ich etwas leiser.

„Jetzt müssen wir uns erst einmal eine gewisse Adresse besorgen!“, fügte ich ein wenig lauter hinzu, ehe ich mit Ven einen Schritt zulegte, um sicher zu sein, Angela noch zu erwischen, bevor sie sich auf den Weg nach Hause machte!
 

Ven
 

Irgendwie benahm Ethan sich eigenartig als wir uns auf den Weg zu Angela machten, aber... gut, was sollte man anderes erwarten, nach dieser bestimmten Situation konnte er sich wohl kaum so benehmen wie immer. Auch wenn ich ihm seine Antwort, er wäre nicht schwul, irgendwie nicht mehr abkaufen konnte.

Egal, das war etwas, womit wir uns lieber später beschäftigen sollten, erst einmal sollten wir dafür sorgen, dass wir endlich diese Adresse in die Finger bekamen.

Glücklicherweise war Angela auch noch nicht weit gekommen, bevor Ethan sie aufhalten konnte. „Hey, Angela, warte mal kurz!“

Überrascht drehte sich die Angesprochene zu uns um und blieb stehen. „Oh, Ethan. Was gibt es denn?“

„Sag mal, kennst du zufällig Daniels Adresse?“

Sie sah uns auf die Frage hin erst etwas überrascht an, bevor sie lächelte. „Sicher. Und lass mich raten, ihr wollt sie jetzt von mir haben? Darf ich fragen wofür ihr sie braucht? Wollt ihr einen Krankenbesuch machen? Dabei kennt ihr ihn doch kaum, oder sehe ich das falsch? Oder habt ihr etwas anderes vor?“

Ethan seufzte entnervt und ich konnte glatt verstehen weshalb. So nett Angela auch war, wenn sie immer so viel redete... naja, kein Wunder das ihre Beziehung nicht gehalten hatte.

„Wir machen uns wirklich nur Sorgen um ihn, weil er schon so lange fehlt, weißt du? Vielleicht können wir ja erfahren, was er hat?“, meinte ich daher freundlich und sie schien zumindest darüber nachzudenken.

„Na meinetwegen. Vielleicht findet ihr ja wirklich heraus was er hat. Aber dann bin ich die erste die es erfährt, ja? Und seid vorsichtig, ich hab gehört, seine Eltern sollen sehr streng sein. Letzten Monat beispielsweise -“ „Schon gut, wir passen auf. Kannst du uns nur bitte die Adresse geben?“

Das war wieder Ethan gewesen. Natürlich, ich hätte sie ja aussprechen lassen, aber wer weiß, wie lange wir dann wohl noch hier herum gestanden hätten.

„Schon gut, schon gut...“, murmelte sie daher schließlich etwas beleidigt, gab uns aber dennoch die Adresse und mit einem letzten Dank und einem kurzen Abschiedsgruß waren wir dann auch schon verschwunden, nicht, dass sie noch einmal anfing loszureden.

Es dauerte auch nicht lange, dann waren wir in der Straße angekommen, in der Daniel laut Angela lebte. Die Adresse war ebenso schnell gefunden und ich ließ Ethan gerne den Vortritt beim Klingeln und dem anschließenden Reden. Ich kannte diesen Daniel immerhin überhaupt nicht, er hingegen hatte zumindest mit ihm zusammen Biologie.

Schließlich öffnete uns auch ein recht streng aussehender Herr die Tür. „Ja bitte?“

„Entschuldigen Sie, aber sind Sie Mr. Smith?“

„Der bin ich. Und was wollt ihr?“

„Oh, ähm... wir wollten uns erkundigen, wie es ihrem Sohn geht... ist er sehr krank?“

Das klang jetzt äußert mitfühlend, Ethan... Und ja, das war Ironie.

Aber wenn ich dachte, dass das dem Mann aufgefallen war lag ich falsch, denn der schien ein ganz anderes Problem mit uns zu haben.

„Wovon redest du, Junge? Daniel ist doch bereits seit Monaten in den USA! Und bei seinem letzten Anruf fühlte er sich noch pudelwohl, also bitte. Wer seid ihr überhaupt?“

„Wir sind Klassenkameraden von ihm und-“

„Ach, dann seid ihr Amerikaner? Guter Witz.“

„Nein, wir-“

„Schon gut, mir ist eh egal wer ihr seid, Daniel ist jedenfalls ganz sicher nicht hier sondern in New York. Und da ihr das nicht mitbekommen zu haben scheint, könnt ihr auch wohl kaum sonderlich gute Freunde von ihm sein, also macht, dass ihr verschwindet!“

Damit schlug er uns die Tür vor der Nase zu.

Na schönen Dank auch, was für ein sympathischer Kerl das doch war...

„Und nun...?“, fragte ich Ethan daher verwirrt. „Bist du dir sicher, dass das der richtige Mann war?“ Immerhin dachten Eltern von Kindern, die eine Woche lang krank waren für gewöhnlich nicht, dass diese im Ausland waren. Und Angela hatte auch nichts von Amerika erzählt, also schien es nicht an Ethans Erinnerungsvermögen zu liegen. Andererseits war es auch nicht allzu wahrscheinlich, dass wir uns im Haus geirrt hatten, da es zwar viele Leute namens Smith gab, aber wohl kaum viele Daniels die dann auch noch mit Nachnamen Smith hießen und hier in der Gegend wohnten...

„Das letzte Mal, als ich es versucht hatte, konnte ich Straßennamen noch lesen, also denke ich, wir haben den richtigen Mann erwischt...“, kam schließlich Ethans genervte Antwort.

„Schon gut, ich hab ja nur gefragt...“ Was er gleich so hart reagieren musste... andererseits, es war bestimmt nervenaufreibend den ganzen Tag über einen Dschinn an der Backe kleben zu haben und dann auch noch die einzige Spur, die in Richtung Freiheit führte gleich wieder zu verlieren...

Ich unterdrückte ein Seufzen und dachte stattdessen etwas über die Situation nach. Irgendwas konnte nicht stimmen, aber was nur...?

Ethan schien ebenfalls nachgedacht zu haben, denn kurz darauf kam dann ein etwas konstruktiverer Vorschlag von ihm als die genervte Antwort von vorher. „Sag mal, glaubst du er könnte sich von einem Dschinn ein Auslandstudium gewünscht haben oder so etwas in der Art?“

Ich dachte darüber nach. So schlecht klang die Idee gar nicht, aber... „Ich glaub nicht. Das würde zwar erklären weshalb seine Eltern glauben, er sei in Amerika, aber dann würdest du und alle deine Klassenkameraden das gleiche denken. Glaub mir, wenn ein Dschinn seinen Job macht, dann richtig.“

Aber die Idee mit den falschen Erinnerungen war gar nicht so schlecht... entweder waren die Erinnerungen der Schüler oder die der Eltern gefälscht worden. Nur war nun die große Preisfrage, welche und weshalb. Und außerdem wäre es wohl gut zu wissen, wo Daniel denn war, wenn nicht zu Hause und nicht in der Schule... ob er tatsächlich in Amerika steckte? Denn wenn ja, hatten wir ein Problem. Also, noch ein weiteres, was wir zu der immer länger werdenden Liste unserer Probleme hinzufügen konnten.

„Was hältst du davon, wenn wir noch mal bei Jana und Jason vorbei schauen? Vielleicht haben die ja noch eine Idee was mit Daniel passiert sein könnte.“, schlug ich schließlich vor, als mir keine bessere Idee mehr kam. Und da Ethan mir zustimmte schien auch ihm kein grandioser Einfall gekommen zu sein. Schade eigentlich, aber gut, die Situation war für ihn ja vermutlich sogar noch ungewöhnlicher als für mich. Außerdem schien er immer noch nicht unbedingt gut gelaunt zu sein.

„Ach ja, schick den Beiden doch eine SMS das wir kommen, nicht, dass wir sie wieder versehentlich bei irgendetwas stören, ja?“, fügte ich schließlich noch halb belustigt, halb vorsichtig hinzu und nur wenig später war die Nachricht versendet und wir machten uns auf den Weg. Da Daniels Haus von der Schule aus gesehen genau in der entgegengesetzten Richtung vom Antiquitätenladen lag, brauchten wir zwar eine Weile, aber schließlich waren wir in der Straße angekommen, in der der Laden stand.

Doch noch bevor wir den Laden betreten konnten hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuging. Es war, als würde sich eine Art sechster Sinn zu Wort melden. Und das nicht unbedingt im Positiven.

„Alles in Ordnung?“, fragte mich Ethan plötzlich irritiert und ich realisierte, dass ich stehen geblieben war. Stirnrunzelnd sah ich zum Laden. „Ich bin mir nicht sicher. Irgendwas ist hier faul, aber ich kann dir nicht sagen, was.“ „Sicher, dass du dir das nicht nur einbildest? Was soll schon groß passiert sein, Jason ist doch auch ein Dschinn.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß, aber trotzdem...“

Meine Zweifel schienen ihm allerdings nicht genug zu sein - ob das wohl noch daran lag, dass er im Allgemeinen nach den letzten Ereignissen zur Zeit eher genervt war? - und so ging er schließlich trotzdem weiter. Ich zog die Stirn erneut in Falten, folgte ihm aber dennoch. Vielleicht bildete ich mir ja tatsächlich etwas ein, immerhin mochte man es mir zwar nicht anmerken, aber auch mich schafften die Ereignisse irgendwo. Vielleicht spielte mir mein sechster Sinn ja einfach einen Streich?

Doch ich sollte schnell eines Besseren belehrt werden.

Bereits als Ethan und ich den Laden betraten schien etwas grundlegend nicht in Ordnung zu sein. Erstens war er leer, keine Spur von Jana oder Jason. Und zweitens sah es nicht so aus, als wäre heute überhaupt schon einmal jemand dort gewesen, die Vorhänge vor den Fenstern waren zugezogen und über einigen der Antiquitäten lagen Abdeckungen.

Und noch während Ethan und ich verwirrt in der Tür standen - wieso war der Laden denn geöffnet wenn niemand hier zu sein schien? - hörte ich plötzlich hinter uns seltsame Geräusche, aber bevor ich mich umdrehen konnte um nachzusehen spürte ich einen heftigen Schlag an meinem Hinterkopf, woraufhin mir der Erdboden entgegenkam und ich das Bewusstsein verlor...

Gefangen

Ethan
 

Mein Schädel dröhnte wie niemals zuvor, als ich langsam zurück in die Wirklichkeit dämmerte. Hatte ich zu viel getrunken? Vielleicht war ich ja mit Ven feiern gewesen und wir hatten uns Beide die Kante gegeben?

Ich wusste es nicht, so sehr ich mich auch bemühte zu verstehen, woher die Kopfschmerzen kamen, es funktionierte nicht.

Nur langsam sickerte in meinen vom Schmerz leicht benebelten Verstand, dass es hier zu hart war, als das man es hätte als irgendein Bett bezeichnen können und zu kalt, um irgendwo in einer Wohnung zu sein.

Langsam öffnete ich meine Augen, blinzelte in den ersten Augenblicken. Es war dunkel – verdammt dunkel!

Ein wenig konnte ich erkennen, als meine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatte, aber viel war es bei weitem nicht.

Es war ein seltsamer Augenblick, als würde mit einem Mal ein Bild scharf werden, das die ganze Zeit verschwommen war und die Erkenntnis darüber, das meine Schmerzen nichts mit Feiern zu tun hatte, rauschte mit den Erlebnissen von gestern auf mich ein.

Wir waren gefangen wurden, jemand hatte uns in Jason und Janas Laden überrascht und mit einem heftigen Schlag auf den Hinterkopf ausgeschaltet!

Wo zur Hölle war Ven? Wo waren wir hier gelandet? Wer hatte uns das angetan? Was sollte das alles?!

Hatte es etwas mit den Männern zu tun, die uns auch im Schwimmbad angegriffen hatten? Hing die Sache womöglich mit unserem Besuch bei Daniel zusammen?!

Was verdammt noch einmal ging hier eigentlich vor sich?

Warum musste ich in diesen Mist geraten? Ich hatte doch niemals irgendetwas getan, was das alles rechtfertigen würde!

Sicher ich war nicht die Unschuld in Person, aber wer war das schon?

Ruhig, ich musste mich beruhigen...nur war das leider so viel einfacher gesagt als getan, wenn man an einem unbekannten Ort festsaß von Typen entführt, die man nicht kannte und von denen man nicht wusste, was sie vorhatten und was mit uns geschehen würde.

Nicht zu vergessen, die rasenden Gedanken, die sich in meinem Kopf gerade fröhlich austobten.

Es war ein furchtbares Gefühl...diese Panik, die in mir aufstieg und die ich nur mühsam unterdrücken konnte.

Ich entdeckte Ven schließlich bewusstlos am Boden, nicht weit weg von mir, rutschte zu ihm herüber und bemerkte dabei, das ein Gewicht an meinen Hand- und Fußgelenken zog.

Dieses Rasseln...! Verdammt man hatte uns angekettet!

„Na wunderbar...“, grummelte ich vor mich hin.

Das trug doch gleich dazu bei, das es einem viel besser ging! Seine eigene Zelle – oder was es auch immer war – mit Ketten an Händen und Füßen, was wollte man mehr?

„Ven!“, murmelte ich, rüttelte ihn leicht an der Schulter.

„Ven komm zu dir!“

Seine Augenlider zuckten und langsam aber stetig kehrte er aus der Bewusstlosigkeit in die Wirklichkeit zurück.

Er setzte sich auf, sah sich ein wenig desorientiert um.

Es schien ihm nicht viel besser als mir zu gehen, aber was erwarteten wir Beide auch? Ich gab es ungern zu, aber das hier...war zum Teil meine Schuld. Ich hätte besser auf sein Gefühl vertrauen sollen, denn wenn ich das getan hätte, dann säßen wir nun nicht hier.

„Alles in Ordnung mit dir?“, fragte ich ihn besorgt.

„Geht so, ein wenig Kopfschmerzen...wo sind wir hier?“, erwiderte er, sah sich in unserer neuen 'Behausung' um.

Ich selbst hatte mir das alles bisher nicht zu genau angesehen...einerseits, weil in diesem schwachen Licht ohnehin kaum mehr zu erkennen war, als die Personen neben mir, andererseits, weil ich andere Sorgen gehabt hatte...da kümmerte mich die Einrichtung dieses Ortes relativ wenig.

Auch wenn ich zugeben musste, dass diese Gitterstäbe, der steinerne Boden unter uns, die Wände um uns, etwas sehr beunruhigendes an sich hatte.

Wir waren gefangen...wir wussten nicht von wem und warum, etwas, das mir ganz und gar nicht passte.

„Ich weiß nicht...ich bin hier aufgewacht, neben dir.“, setzte ich mit einem Seufzen an.

„Könntest du dich vielleicht um diese lästigen Handschellen kümmern? Dann sehen wir weiter...“, bat ich, streckte ihm die eigenen Hände entgegen.

Ven ließ ein Seufzen von sich hören – vermutlich passte ihm der Gedanke, hier eingesperrt zu sein, nachdem er Ewigkeiten in einer Vase gesteckt hatte, gar nicht – versuchte jedoch die Handschellen zu öffnen.

Nur irgendetwas...funktionierte nicht.

Ich sah ihm an, wartete darauf, dass etwas passierte und bemerkte wie er seine Stirn misstrauisch runzelte. Trotzdem öffnete die Handschellen sich nicht.

Gerade als ich zu einer Frage ansetzte, rissen seine Augen leicht auf. Wie von einem Blitz getroffen, schien sich eine Erkenntnis in seine Gedanken gebrannt zu haben.

„Onyx...die Handschellen sind aus Onyx.“, erklärte er murmelnd.

„Onyx? Was ist damit?“, wollte ich verwirrt wissen. Was spielte es denn bitte schön für eine Rolle, aus welchem Material seine Handschellen waren? Das war doch nur ein Stein!

„Dieser...Stein, also Onyx wirkt gegen Dschinnkräfte, Ethan. Ich kann nicht...mit diesen Handschellen kann ich nicht zaubern!“, beantwortete er meine Frage, sichtlich frustriert und...vielleicht sogar ein wenig verwirrt?

Nun war ich es, der die Augen aufriss.

Ven konnte nicht zaubern...konnte uns weder von den Handschellen befreien, noch mit Magie hier herausholen.

Nicht nur, das wir anscheinend in einer verdammt miesen Lage festsaßen, nein, wir konnten auch nicht heraus und dieser Jemand – wer auch immer es war und was seine Ziele sein mochten – wusste eindeutig, wie man mit Dschinn umzugehen hatte.

Warum hatte ich das Gefühl, dass sämtliche unserer Gewinnchancen gerade in heißer Luft verpufften?

Mit einem Seufzen lehnte ich mich gegen die Wände, bemühte mich darum, nicht all zu gereizt zu werden.

Es würde nichts bringen, wenn ich meine schlechte Laune an Ven ausließ, aber es war in dieser Situation einfach nur furchtbar schwierig, sich irgendwie zusammenzureißen.

Ich weiß nicht einmal genau, warum ich so gereizt werden wollte...gut, einerseits waren wir hier eingesperrt, aber...das störte mich wohl weniger als die Tatsache, dass ich nicht wusste warum, das ich keine Ahnung hatte, was hier passieren würde.

Vermutlich war es genau das, diese elende Unwissenheit, diese scheinbar endlose Warterei, die mich innerlich zum kochen brachte. Vielleicht mischte auch irgendwo ein wenig Angst mit hinein, aber zumindest töten würden sie uns wohl nicht – sonst hätten sie längst die Gelegenheit dazu gehabt.

Sie mussten irgendetwas anderes planen, die größte aller Fragen war nur: Was zur Hölle war das?!
 

Ven
 

Verdammt nochmal, was wurde hier eigentlich gespielt?!

Frustriert seufzend tat ich es Ethan gleich und lehnte mich an eine der kühlen Zellenwände. Es war furchtbar ärgerlich, wie viel wer-auch-immer - also der, der Schuld an diesem ganzen Desaster hier war - von uns zu wissen schien, während wir nicht einmal wussten, ob es sich überhaupt um einen Kerl handelte!

Und nun hatte ich nicht einmal meine Kräfte um uns hier rauszuholen. Denn die Handschellen waren aus Onyx. Na schönen Dank auch. Gleichzeitig aber gab mir diese Tatsache ein Rätsel auf. Denn eigentlich konnte ein 0815-Mensch gar nicht wissen, dass Onyx uns unserer Kräfte beraubte, solange es unsere Haut direkt berührte. Aber allein der Gedanke, dass es ein anderer Dschinn sein konnte, der uns hier hatte einsperren lassen jagte mir einen Schauer über den Rücken. Besser nicht darüber nachdenken, denn dann würden wir keine Chance haben, hier noch einmal heraus zu kommen...

Doch bevor ich noch weiter darüber nachgrübeln konnte, was denn nun los war öffnete sich plötzlich in der Dunkelheit ein kleiner Spalt, gerade groß genug um den Kopf eines Mannes zu sehen. Das musste die Tür sein, in der Dunkelheit waren mir die meisten Details entgangen und wirklich viel Licht spendete der Spalt nun auch nicht. Ich hätte es vorgezogen, im Dunklen zu bleiben, denn das, was der Kerl sagte, war nicht gerade aufbauend.

„Soso, die zwei Gefangenen sind aufgewacht...! Genießt ihr eure letzten Stunden?“, fragte er breit grinsend, woraufhin ich meine Augen verengte.

„Wovon reden Sie? Und wer sind Sie überhaupt?!“

„Wer ich bin geht weder dich noch deinen Freund da vorne etwas an. Und wovon ich rede habe ich doch eben gesagt. Aber macht euch keine Gedanken darüber, bald ist ohnehin alles vorbei.“

„Was zum Teufel wollen Sie von uns?!“ Dieser letzte Ausruf kam wütend von Ethan, welcher ebenfalls ziemlich frustriert aussah. Der Mann drehte seinen Kopf zu ihm und grinste nur noch breiter.

„Lass das mal unsere Sorge sein. Aber ich muss dir danken, wenn du die Warnungen deines Dschinn nicht so großzügig ignoriert hättest hätten wir euch womöglich nicht erwischt. Gut gemacht!“ Als er dann sah, wie Ethan sich verspannte - vermutlich war diesem das selbst bereits klar gewesen, auch wenn ich ihm nicht die Schuld dafür gab, immerhin war er sicher irgendwo auch fertig gewesen nach den ganzen Ereignissen - lachte er auch noch, bevor er weitersprach.

„Wie auch immer, ich hole euch etwas zu essen um euch den Aufenthalt auch so angenehm wie möglich zu gestalten, ja? Ich will schließlich nicht, dass sich unsere ‚Gäste‘ nachher noch unwohl fühlen.“

Damit schlug er das Fenster wieder zu und Dunkelheit kehrte in die Zelle zurück. Unsicher sah ich zu Ethan um herauszufinden, ob ihn der Kommentar von vorher noch belastete, aber durch das Licht hatten sich meine Augen noch nicht wieder an die Dunkelheit gewöhnt und ich sah nur Schwärze.

Vorerst würden wir also wohl tatenlos warten müssen, bis dieser Kerl mit dem Essen wiederkam, welches dann hoffentlich wenigstens einigermaßen in Ordnung war... es musste ja nicht viel sein, aber so langsam bekam ich doch Hunger, immerhin hatte ich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Vorausgesetzt, es war überhaupt noch der gleiche Tag, hier in der Dunkelheit ließ sich nicht abschätzen, ob es Tag oder Nacht war...

Aber ich wusste eins: Sobald wir hier wieder heraus kamen - und wir würden hier wieder heraus kommen, zumindest versuchte ich so optimistisch zu sein- würde ich diesem Typ ordentlich in den Hintern treten...!

„Ich hoffe der Kerl erstickt an seinem Lachen!“, grummelte Ethan schließlich missgelaunt und ich nickte - auch wenn er das vermutlich nicht sehen konnte.

So saßen wir danach schweigend herum, bis wenig später die Tür erneut aufging, dieses Mal ganz, und uns der Kerl von eben das Essen brachte. „Guten Appetit die Herrschaften...!“, meinte er grinsend als er das Zeug vor uns abstellte. Wenn ich es so ansah, immerhin besser als trockenes Brot. Es schien Kartoffelbrei zu sein und hey, es gab sogar Fleisch. Eine ziemlich kleine Scheibe zwar, aber immerhin schienen diese verrückten Entführer uns nicht verhungern lassen zu wollen. Aufbauend...

Der Kerl stellte noch einen Wasserkrug dazu, bevor er wieder verschwand. Allerdings nicht, ohne beim herausgehen noch einmal zu lachen, ohne zu ersticken, leider, und die Tür - natürlich - wieder komplett zu schließen. In der Dunkelheit sah ich auf die Stelle hinunter, wo das Essen stand.

„Was meinst du, wie wahrscheinlich ist es, dass da irgendetwas drin ist, was nicht da rein gehört...?“, fragte ich vorsichtig, während sich meine Augen langsam wieder an die Dunkelheit gewöhnten.

„Keine Ahnung, aber wenn sie uns hätten umbringen wollen dann säßen wir jetzt nicht mehr hier, oder?“, kam die Antwort von Ethan, immer noch ziemlich verstimmt - verständlicherweise.

„Das stimmt wohl...“ Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass wir wem-auch-immer einen Gefallen täten, wenn wir das Zeug essen würden. Andererseits war ich durchaus hungrig und Ethan hatte Recht, hätten sie uns töten wollen hätten sie das bereits getan. Also nahm ich vorsichtig etwas von dem Kartoffelbrei auf die Gabel, die der Kerl uns dazu gegeben hatte. Es roch wie normaler Kartoffelbrei und als ich schließlich davon kostete, schmeckte es auch nicht anders. Im Gegenteil, es schmeckte sogar ziemlich gut.

Das Fleisch testete ich ebenfalls, aber es schien ebenfalls alles in Ordnung zu sein, zumindest konnte ich nichts Verdächtiges feststellen und tot umgefallen war ich auch noch nicht. Daher aß ich das Essen schließlich in der Hoffnung, mich nicht geirrt zu haben. Und für ein Essen, was man Gefangenen servierte war es wirklich gut. Auch wenn mich das nicht weniger misstrauisch machte was denn nun los war, eher im Gegenteil.

Als ich schließlich aufgegessen hatte, immer noch ohne etwas verdächtiges zu bemerken griff ich zum Wasserkrug. Doch auch hier fiel mir partout nichts auf, was auf etwas schließen ließ, dass dort nicht hin gehörte... also gab ich die Suche schließlich auf und trank meinen Teil, bevor ich Ethan den Rest des Wassers überließ.

Nachdem er nun auch fertig war, saßen wir einmal mehr schweigend herum, auf irgendetwas wartend, was möglicherweise passieren konnte. Was hätten wir auch groß sagen sollen? Wir waren beide recht frustriert, dass wir nicht wussten was vor sich ging und so herrschten wir uns zumindest nicht gegenseitig an.

Allerdings bemerkte ich nach einer Weile, wie mir die Lider immer schwerer wurden. Waren wir wirklich schon so lange hier unten wach gewesen? Allerdings hatte ich eine andere Befürchtung, als ich Ethan neben mir gähnen hörte. Irgendwas schien doch im Essen gewesen zu sein...! Aber ich verstand beim besten Willen nicht, warum zum Henker wir schlafen sollten, hier unten bekamen wir doch ohnehin nichts mit.

Leider hatte ich nicht mehr wirklich viel Zeit, denn während ich versuchte, gegen die Müdigkeit anzukämpfen - Ethan war neben mir bereits kurz danach eingeschlafen, scheinbar wirkte das Schlafmittel bei Menschen schneller - sah ich nur noch, wie sich erneut die Tür öffnete und jemand den Raum betrat um mit einem Blick auf mich irgendwas in Richtung ‚Du brauchst dich nicht dagegen zu wehren, es ist ohnehin zwecklos.‘ zu äußern - in einer Stimme, die mir vage bekannt vorkam - bevor er in meine Richtung ging und ich schließlich die Augen nicht mehr offen halten konnte und noch bevor die Person mich erreichen konnte eingeschlafen war.
 

Ethan
 

Ein seltsames Rascheln um mich herum, war das erste, was ich hörte, als ich zum zweiten mal in dieser Zelle meine Augen aufschlug.

Wie hatte ich nur so dumm sein können und einfach angenommen, das Zeug könnte ungefährlich sein?

Anscheinend war es nur ein Schlafmittel gewesen und kein tödliches Gift, aber dennoch...ich hätte es nicht essen sollen!

Lautlos seufzte ich, versuchte meine Augen wieder an das Dunkel zu gewöhnen, doch viel mehr erkennen, konnte ich noch nicht.

Nur eine Feststellung durchfuhr mich wie ein Blitz.

Ven war weg.

Erschrocken setzte ich mich auf, rief seinen Namen in die Dunkelheit hinein, in der Hoffnung, er säße nur zu weit entfernt, um ihn zu erkennen, doch...ich erhielt keine Antwort.

Kein Atmen war zu hören, kein Lebenszeichen um mich herum und das Rascheln zuvor, musste meine eigene Kleidung gewesen sein, als ich mich im Schlaf bewegt hatte.

Verdammt! Wo war Ven hin verschwunden, was hatten sie mit ihm gemacht?! Lebte er überhaupt noch? Hatten sie ihn verletzt? Was wollten diese verdammten Mistkerle eigentlich von uns?!

Solange Ven bei mir gewesen war, hatte ich zumindest gewusst, dass wir Beide lebten und unversehrt waren, doch jetzt, da sie uns von einander getrennt hatte, nagte die Unwissenheit an mir und meinem ohnehin viel zu dünnen Nervenkostüm.

Zu weit weg konnte er eigentlich nicht sein, immerhin kam er nicht hundert Meter von mir weg...sofern er denn noch lebte.

Ich schimpfte mich selbst für den letzten Gedankengang aus, konnte jedoch nicht verhindern, dass ich mir auf die Lippe biss.

Sie hatten gesagt, bald wäre alles vorbei...was war, wenn sie den Tod des Dschinns damit gemeint hatten? Wenn sie ihn für etwas gefangen und gebraucht hatte und mich dabei wohl oder übel hatten mitschleppen müssen?

Würden sie mich hier in der Dunkelheit verrotten lassen?!

Nein...ich musste ruhig bleiben, durfte die Angst und die Panik nicht über meinen Verstand triumphieren lassen, das würde mich kein Stück weiterbringen und in dieser Warterei nur vollkommen wahnsinnig machen.

Ich zog die Knie an den Körper heran, bettete meinen Kopf darauf und versuchte, mich selbst zu beruhigen, mir einzureden, das alles gut werden würde, aber...wie?

Wer sollte uns hier schon helfen? Keiner wusste Bescheid, was geschehen war und Himmel...was wohl mit Jason und Jana geschehen war?! Wenn sie uns in ihrem Laden hatten abfangen können, saßen die Beiden womöglich auch in einer Zelle hier fest!

Dann wären selbst die letzten Personen, die uns hätten helfen können, aus dem Weg geschafft.

Ansonsten wusste niemand, was Ven war...

Ich schüttelte den Kopf, um die trüben Gedanken zu vertreiben, aber es wollte mir nicht so recht gelingen.

Wie denn auch, wenn ich keine Fakten hatten, die mich irgendwie beruhigen konnten? Wenn alles, was mir irgendwie in den Sinn kam, nur noch mehr zu meiner Beunruhigung beitrug?

So sehr ich mich bemühte, eine innere Ruhe zu finden, es war zwecklos und es wurde nicht besser durch die Tatsache, dass mit einem Mal Schritte zu hören waren.

Sie wurden lauter...kam jemand auf mich zu? Zu dieser Zelle hier?

Hatten sie irgendetwas vor?

Ein Teil von mir spannte sich innerlich ängstlich an, aber zumindest nach außen hin schaffte ich es, vollkommen ruhig zu wirken, verbarg die Angst, die mich nicht loslassen wollte, hinter einer Maske aus Wut, die noch immer in mir brodelte.

Ja, ich sollte diese Wut heraus lassen, die Gereiztheit zulassen, dann konnte ich mich nicht zu sehr damit beschäftigen, ängstlich zu sein, hatte keine Gelegenheit mehr, diese Panik zu spüren.

Die Tür öffnete sich und der Kerl von vorher trat ein.

„Na? Vermisst du deinen kleinen Dschinnfreund schon?“, spottete er.

Was sollte das? Was zur Hölle bezweckte er mit dieser Aktion?!

Ich fixierte ihn mit einem wütenden Blick, starrte ihn eine ganze Weile lang schweigend an.

Meine Lippen bebten vor Zorn, es war schwierig, ihm keine Beleidigung an den Kopf zu werfen, die ihn zu sonst was hätte provozieren können.

„Was habt ihr mit ihm gemacht?!“, zischte ich den Kerl vor mir an.

Es amüsierte ihn mehr, als es ihn erzürnte...einerseits wohl gut für mich, andererseits etwas, was mir ungeheuer auf die Nerven ging.

„Och, wir dachten, ihr wollt ein wenig Ruhe vor einander haben, die ganze Zeit so eng zusammen zu sein, muss euch doch auf die Nerven gegangen sein?“, scherzte der Kerl mit einem fiesen Grinsen.

Okay...so bekam ich keinen Ton aus ihm heraus, es amüsierte ihn zu sehr, dass ich mich ärgerte.

Wie es Ven wohl ging? Ob sie planten, uns gegen einander auszuspielen oder dergleichen?

Es machte mich wahnsinnig, nicht zu wissen, was diese Kerle vorhatten!

So konnte ich mir keine Taktik dagegen überlegen, nur wild herum spekulieren.

Vielleicht sollte ich es auf ein kleines Spielchen ankommen lassen? Hier hatte ich nicht viel zu verlieren...

„Zu gütig von euch...ah diese Ruhe...“, erwiderte ich, lehnte mich genussvoll seufzend zurück.

Die Wut musste versteckt bleiben, zumindest einen Moment lang.

Mein Plan schien aufzugehen, der Kerl ging auf die Provokation ein.

„Dann macht es dir also nichts aus, dass dein Dschinnfreund Probleme hat?“, fragte er mit einem fiesen Grinsen nach.

Es war mir klar, dass er versuchte, mich aus der Reserve zu locken, nur schien er dabei zu übersehen, was er mir an Informationen zukommen ließ.

Ven hatte also Probleme? Nun gut, dass hieß zumindest, er lebte noch...auch wenn ich nicht wusste, was genau mit ihm passierte – oder viel mehr passiert war.

„Nein, nicht wirklich, ich meine mir geht’s gut, warum sollte ich mich um diesen Dschinn sorgen? Ich wollte immerhin nichts mit ihm zu tun haben, es ist einfach so passiert, er ist förmlich in mein Leben gedonnert – und war einfach nicht mehr herauszubekommen!“, erwiderte ich, bemühte mich darum, möglichst gleichgültig mit den Schultern zu zucken.

Was war dieses fieses Grinsen auf dem Gesicht dieses Kerles?!

„Ach? Dann war der Kuss in eurer Schule also eine Übung für eine Schauspielgruppe oder wie? Uns machst du nichts vor!“, lachte er.

Verdammt...er hatte mich erwischt! Ich konnte nicht anders, als ihn vollkommen geschockt anzustarren, denn damit hatte ich beim besten Willen nicht gerechnet.

„Mal schauen, ob wir ihn nicht zu Kooperation bekommen, so nahe, wie ihr euch eindeutig zu stehen scheint...“, säuselte der Kerl in einem Tonfall, der mir überhaupt nicht zusagte.

Oh nein! Was hatten sie mit Ven nur vor?

Ich musste etwas tun, aber...was zur Hölle?! Was könnte ich schon ausrichten? Ich war ein Mensch, ankettet an eine Wand in einer finsteren Zelle.

Selbst wenn ich es noch so sehr wollte, ich kam nicht hier heraus, konnte nichts tun, um ihm zu helfen.

Erst als ein Rinnsal Blut mir das Kinn herunter rann, wurde mir klar, dass ich mir die Lippe aufgebissen hatte, bei diesem Gedanken.

Nichts...egal was ich wollte, ich konnte ihm nicht helfen, konnte ihn nicht beschützen, nur hier sitzen, nichts tun und warten.

Ein Anblick, den der Kerl vor mir sichtlich zu genießen schien.

„Ach so gerne ich dir noch ein Weilchen hier zuschauen würde, ich muss leider wieder von dannen ziehen...wünsche noch einen angenehmen Aufenthalt!“, lachte er, schlug die Tür hinter sich zu und ließ mich in der Dunkelheit zurück.

Einzig und alleine sein Lachen, das in meinen Ohren widerhallte, durchbrach die quälende Stille noch für eine Weile.
 

Ven
 

Das erste was ich spürte, als ich wieder aufwachte und mich langsam aufsetzte war der Schmerz in meiner Magengegend. Und ich fürchte ich wusste auch, vorher er kam. Irgendwie hatten die Kerle es geschafft, nicht nur Schlafmittel unter das Essen zu mischen sondern mir zusätzlich Onyxpulver unterzujubeln. Naja, Ethan hatte es möglicherweise auch gegessen aber ihm machte es vermutlich nichts aus, so als Mensch. Verdammt, ich hätte das Zeug nicht anfassen sollen...

Als ich schließlich auch die Augen öffnete fiel mir noch etwas auf. Ich war während ich geschlafen hatte von der Zelle in einen anderen Raum gebracht worden. Dieses Zimmer hier war komplett weiß, Möbel- und Fensterlos und mit einer grell leuchtenden Lampe an der Decke. Aber davon abgesehen fiel mir eine viel wichtigere Sache auf.

Ich war allein.

Wo zum Henker war Ethan? Ich konnte nur hoffen, dass er okay, und ich demnach keine einhundert Meter von ihm entfernt war.

Während ich noch versuchte mich zu beruhigen und die Schmerzen zu verdrängen - vergessen konnte ich sie nicht, das hatte ich bereits versucht als ich als kleines Kind einmal versehentlich etwas Onyx verschluckt hatte - öffnete sich eine Tür, die so weiß war, dass ich sie im ersten Moment gar nicht erkannt hatte. Und herein trat der bereits wohlbekannte Kerl, der uns auch das Essen gebracht hatte, gefolgt von einem weiteren, etwas kleineren Mann, den ich ebenfalls nach kurzer Überlegung wiedererkannte. Es war einer der Typen aus dem Schwimmbad. Also hatten die Ereignisse doch miteinander zu tun gehabt...!

Ich war den Beiden trotz der Schmerzen einen hasserfüllten Blick zu und sie lachten.

„Was denn, hat dir das Essen nicht geschmeckt? Hast du etwa Bauchschmerzen?“, fragte der Größere gespielt mitleidig, was so gar nicht zu seinem hämischen Grinsen passte. Ich schwieg.

„Aber mal zu was ganz anderem.“, fuhr er ungerührt fort nachdem er scheinbar keine Lust mehr hatte auf eine Antwort zu warten. „Ich glaube, dass dein sogenannter ‚Freund‘ ganz froh ist, dich los zu sein.“ Noch bevor ich viel mehr tun konnte als verwirrt zu schauen zog er ein Diktiergerät aus der Tasche.

„Hör mal:“

Er schaltete es an.

„Och, wir dachten, ihr wollt ein wenig Ruhe vor einander haben, die ganze Zeit so eng zusammen zu sein, muss euch doch auf die Nerven gegangen sein?“ , schallte es augenblicklich daraus hervor, eindeutig die Stimme des Kerls. Was mich viel mehr überraschte war die Antwort.

„Zu gütig von euch...ah diese Ruhe...“ Ethan?!

„Dann macht es dir also nichts aus, dass dein Dschinnfreund Probleme hat?“

„Nein, nicht wirklich, ich meine mir geht’s gut, warum sollte ich mich um diesen Dschinn sorgen? Ich wollte immerhin nichts mit ihm zu tun haben, es ist einfach so passiert, er ist förmlich in mein Leben gedonnert – und war einfach nicht mehr herauszubekommen!“

Ich biss die Zähne zusammen während der Kerl das Gerät stoppte. Das sollte Ethan gesagt haben? Es klang schon nach ihm, aber...

„Das ist eine Lüge.“, knurrte ich und ging wieder dazu über, die Männer böse anzustarren. Doch nun kam der Bulligere der Beiden - der, der uns vorher bereits verspottet und gerade das Diktiergerät weg gesteckt hatte - auf mich zu und ergriff lächelnd mein Kinn, zwang mich, ihn anzusehen.

„Glaub mir Junge, das ist die Wahrheit. Dein ach-so-toller Freund ist froh, dich endlich los zu sein. Aber keine Sorge, wir achten darauf, dass es auch so bleibt. Du willst ihn doch schließlich nicht nerven, oder? Das einzige, was du dafür tun musst ist brav zu sein.“

Ich hob meine immer noch mit Handschellen aneinander geketteten Arme und schlug seine Hand weg. „Vergiss es!“

Allerdings schien das wohl keine gute Idee gewesen zu sein, denn sein Gesicht verfinsterte sich, bevor er böse lächelte.

„Gut, wie du meinst. Rob, die Spritze!“

Nun trat auch der andere Kerl vor und erst jetzt sah ich das spitze Ding in seiner Hand. Und ich war mir ziemlich sicher, dass ich nicht wissen wollte was da drin war...

Dummerweise sah es so aus, als würde ich es gleich erfahren, als der stämmigere Kerl begann, mich festzuhalten. Ich versuchte mich zwar, gegen ihn zu wehren, aber ohne meine Kräfte war ich einfach kein Gegner für ihn. Dafür schien es dem Kerl regelrecht Spaß zu machen, zuzusehen wie ich versuchte, mich zu befreien, bevor er wieder zum Sprechen ansetzte.

„Weißt du was da drin ist, kleiner Dschinn?“

Ich schüttelte langsam den Kopf.

„Onyxlösung.“

Meine Augen weiteten sich. Damit hatte selbst ich nicht gerechnet. Verdammt!

Es war schlimm, Onyx zu essen, aber es direkt ins Blut gespritzt zu bekommen... es würde nicht tödlich sein, aber gerade das machte es so furchtbar.

Ich verdoppelte meine Bemühungen irgendwie von dem Typen los zu kommen und wurde immer panischer, je näher ‚Rob‘ kam. Aber ich konnte nichts tun außer hilflos zuzusehen, wie der eine Kerl meinen Arm ausstreckte und ruhig hielt, während der Andere schließlich zustach und den gesamten Inhalt in mein Blut gab.

Augenblicklich durchfuhr mich ein Schmerz, der fast sofort meinen gesamten Körper durchzog und sich anfühlte, als bestünde mein Blut aus flüssigem Feuer. Ich schrie und einer der beiden Kerle - ich war von den Schmerzen zu benebelt um zu erkennen welcher - lachte auf.

Die Spritze wurde aus meinem Arm gezogen und beide Männer traten ein paar Schritte zurück, um zu beobachten, wie ich mich auf dem Boden krümmte.

Keine Ahnung wie lange sie da standen und sich an meinem Anblick weideten, mein Gehirn war zu sehr mit dem Onyx im Blut beschäftigt, ich wusste nur, dass sie irgendwann verschwunden waren.

Was blieb war der Schmerz und anders als wenn man Onyx aß hatte ich nicht die leiseste Ahnung, wie lange es dauern würde bis die Lösung aus dem Körper verschwunden war.

So lag ich, halb verrückt vor Schmerzen, auf dem Boden und wartete. Wartete, dass irgendetwas passieren würde - vorzugsweise etwas, wodurch es mir besser gehen würde - aber in so einem Raum, wo das Licht immer konstant blieb war es unmöglich, abzuschätzen wie viel Zeit hier verging.

Irgendwann - Minuten, Stunden, es fühlte sich an wie eine halbe Ewigkeit - begann der Schmerz dann langsam schwächer zu werden. Sicher, er war längst nicht verschwunden, aber das Feuer in meinen Adern begann sich zu legen, wurde zu einem Brennen...

Und dann flog die Tür auf. Ich öffnete die Augen - welche ich irgendwann geschlossen hatte um das Weiß nicht mehr sehen zu müssen - und versuchte zu erkennen, wer da eingetreten war.

Es war keiner der beiden Männer von vorher und erst verwirrte mich diese Tatsache, bis mich die Erkenntnis wie ein Blitz durchfuhr.

Es war mein Vater.

Ich wollte aufstehen, ihn fragen wie er mich gefunden hatte, irgendwas, aber mein Körper gehorchte mir nicht, weshalb ich nur zusehen konnte wie er den Raum durchquerte und mich hoch hob.

„Keine Sorge Ven, alles wird gut. Ich hol dich hier raus und wir verschwinden, ja?“, redete er mir sanft zu, bevor er die Handschellen zerstörte - er berührte den Stein immerhin nicht - und diesen verdammten Raum mit mir verließ. Aber ich wusste, dass wir jetzt nicht einfach so gehen konnten.

„Ethan...“, murmelte ich schwach und war schon froh, dass ich das Wort überhaupt herausbringen konnte.

„Wie bitte?“

„Müssen... ihm helfen...“

Er sah mich kurz stirnrunzelnd an, bevor er nickte.

„Meinetwegen. Wo ist er?“

Ich schüttelte leicht den Kopf. Ich wusste nicht einmal wo ich war, geschweige denn wie wir hier her gekommen waren.

„In Ordnung, ruh dich aus, ich suche ihn.“

Was darauf folgte war eine mir endlos vorkommende Zeit, in der mein Vater durch die verschiedensten Gänge und Türen lief. Ich hätte dort wohl selbst bei vollem Bewusstsein die Orientierung verloren, aber irgendwann öffnete begann er Türen zu öffnen, hinter denen es komplett dunkel war und Lichtkugeln zu beschwören, um besser sehen zu können. Soweit ich das beurteilen konnte waren sie alle leer, bis...

„Ven?!“

Ich sah in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war.

„Ethan...“

Mir war, als würde einiges an Anspannung von mir abfallen als ich ihn in der Zelle - denn das mussten die dunklen Räume gewesen sein - sitzen sah. Soweit ich das beurteilen konnte schien es ihm gut zu gehen und das reichte mir, um die verbleibenden Schmerzen nun auch noch ertragen zu können.

Wir waren gerettet.



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