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I will bite you like a brother

Warum gerade du?
von

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Zwischen Frühstück und nackten Tatsachen

Der nächste Morgen erwartete mich mit noch mehr Bitterkeit und dem Gefühl von völliger Unzufriedenheit. Ich schlug die Augen auf und blinzelte zischend in helles Tageslicht. Ich hatte wohl gestern Abend vergessen, die Rollläden zu schließen.

Prima, der Tag konnte ja nur noch besser werden.

Ich zog die Decke mürrisch bis zur Nase, entschied mich dann aber, sie lieber bis ganz über den Kopf zu ziehen. Der Morgen rückte ziemlich beschissen an.

Ich fühlte mich elend, woran dieser dämliche Traum in der Nacht wohl die meiste Schuld trug. Hätte ich nicht von Killerschweinen träumen können?

Von mir aus sogar von einer versauten Klausur?!

Aber nein, ich musste meine Nacht mit feuchten Träumen von meinem Bruder verbringen. Mit Träumen von dem einzigen Menschen, der für mich so unerreichbar war wie ein fremder Planet.

Ich seufzte schwer in die Falten meiner Decke, unter der es langsam aber sicher recht warm und stickig wurde.

Nun gut, den ganzen Tag im Bett verkriechen würde ich somit wohl streichen können.

Super… was war ich doch für ein Glückspilz.

Ich schlug die Decke wieder zurück und spürte erneut das leicht brennende Gefühl auf der Haut, dass sich rasch in ein sehr unangenehmes Ziehen verändern würde, wenn ich nicht bald die Fenster verdunkelte.

Unwirsch schwang ich die Beine aus dem Bett und tapste noch recht schlaftrunken zum Fenster hinüber, um die Sonne auszuschließen, die hier drinnen überhaupt nichts verloren hatte. Ab und an genoss ich das Gefühl der warmen Strahlen auf der Haut, wenn es auch nur für kurz war, doch heute war mir nicht nach Helligkeit und Wärme.

Nein, heute hätte ich mich am liebsten in eine dunkle, kalte Höhle verkrochen, um somit das Leben um mich, vor allem aber diese eindringlichen Traumbilder zu verdrängen.

Die krochen nämlich schon wieder aus irgendeiner unscheinbaren Ecke meines Verstandes und begannen mir die ganze Szenerie noch einmal fast greifbar deutlich vor Augen zu führen.

Ich biss die Zähne fest zusammen und spürte die Spitze eines Eckzahnes angenehm bohrend in meiner Unterlippe. Dieser plötzliche Schmerz kam mir gelegen, lenkte er mich doch von meinen immer weiter kreisenden Gedanken ab, die eh zu keinem Ziel kommen würden.

Dass sich meine Fangzähne nur verlängert hatten, weil ich innerlich schon wieder aufgewühlt und erregt war, schob ich einfach mal beiseite.

Ich riss mürrisch an dem dünnen Strick und ließ die Rollläden klappernd herunterfallen; das Geräusch tönte unangenehm laut durch die Stille. Gleichzeitig war es aber auch wie ein Startschuss und Zeichen für mich, wieder zum normalen Tagesgeschäft überzugehen.

Keine muskulösen, nackten Vampire mehr. Vor allem nicht dieser eine ganz Bestimmte.

Ich sollte mich wohl mehr mit der nächsten Teilprüfung meines Studiums beschäftigen. Naja, eigentlich machte ich die letzten Wochen nichts anderes, als mich damit zu beschäftigen, um mich abzulenken.

Recht verschlafen wand ich mich um, fuhr mir kurz durch die Haare, die eh immer ihr Eigenleben entwickelten und schlurfte durch das nun dämmrige Zimmer Richtung Tür, wobei ich es mit taumelnder Anmut schaffte, den ganzen Lehrbüchern auf dem Boden auszuweichen, ohne mit wenig Eleganz darüber zu stolpern.

Gähnend zog ich die Tür auf und erstarrte in genau dieser Haltung, als mir das Schicksal das Objekt meiner Begierde und meiner gar nicht jugendfreien Träume direkt vor die Nase setzte.

Dante stand in der kleinen Küchenzelle, die fließend ins Wohnzimmer überging, lehnte gelassen am Kühlschrank, den Kopf in den Nacken gelehnt und eine Wasserflasche an den Lippen, die er in hastigen Zügen mit gluckernden Geräuschen leerte.

DAS war eigentlich gar nicht so schlimm. Damit hätte ich leben können…

Womit mein Hirn und mein Körper, der sich natürlich schlagartig erhitzte, allerdings Probleme hatten, war die Tatsache, dass mein Bruder mit freiem Oberkörper da stand, eine verflucht tief sitzende Jeans auf den schmalen Hüften, die eigentlich mehr enthüllte, als sie verbarg.

Meine Augen weiteten sich unwillkürlich, ich war unfähig zu sprechen, musste dieses Bild einfach genießen und in mich saugen wie ein Schwamm das Wasser.

Dantes Augen waren geschlossen, sein Kehlkopf hüpfte bei seinen gierigen Zügen hastig auf und ab. Sein dunkles Haar wirkte wild, doch sah das an ihm verteufelt gut aus. Ein flüchtiger Hauch Drei-Tage-Bart zog sich über seine kantigen Kiefer, rahmte diese sinnlichen Lippen ein, die um die Öffnung der Flasche gepresst waren.

Sein Oberkörper hob und senkte sich rhythmisch und gemächlich; ein leichter Schweißfilm überzog die bronzefarbene Haut, unter der jeder Muskel so perfekt modelliert erschien, als wäre Dante eben einem Hochglanzmagazin für Mode entstiegen.

Oh ja, er hätte ein fantastisches Jeans-Model abgegeben…

Ich schluckte und schluckte, versuchte irgendwie Speichel zu produzieren, da meine Zunge unangenehm an meinem ausgetrockneten Gaumen klebte, während mein Blick wie festgenagelt an dem verschnörkelten Tattoo haften blieb, das sich über Dantes Bauch zu seiner Hüfte und noch wesentlich tiefer zog.

Okay, ruhig atmen…ruhig.

Ich kniff die Augen zu und hoffte wohl in meinem verschlafenen Zustand, dass mein Bruder zu einem weiteren, durchaus anregenden, allerdings sehr unproduktiven Traum gehörte.

Die fehlende Sehkraft verursachte jedoch nur, dass meine restlichen Sinne auf Hochtouren liefen und mir sofort Dantes dunkler Duft in die Nase stieg, der in meinem Hirn einschlug wie ein Hammer.

Fast hastig riss ich die Augen doch wieder auf und sah direkt in das mir zugewandte Gesicht meines Bruders, der mich interessiert und recht amüsiert musterte.

Oh scheiße….

Wie lang hatte ich hier so gestanden? Hatte er mitbekommen, dass ich ihn fast sabbernd angestarrt hatte?

Himmel, ging es eigentlich noch peinlicher?

Die Antwort war Ja. Das ging durchaus.

Denn Dantes Blick glitt nun an mir herab, während sich seine Mundwinkel zuckend in die Höhe hoben und ein fast neugieriger Ausdruck über sein Gesicht huschte, gepaart mit der hämischen Schadenfreude eines älteren Bruders. »Dir war wohl recht warm in der Nacht, dass du deine Hose verloren hast?«

Einen Moment blinzelte ich verständnislos wie der letzte Idiot, bevor mir die Blickrichtung meines Gegenübers bewusst wurde.

Oh. Verdammte. Scheiße…

Ich löste mich aus meiner Erstarrung, mein Blick ruckte ebenso nach unten und siedend heiß wurde mir bewusst, dass ich ja völlig nackt war, da ich meine Schlafanzughose für andere Dinge missbraucht hatte.

Mein Herzschlag drohte für einen Moment auszusetzen, als ich noch weiter forschend nachsah, ob ein ganz bestimmter Teil meines Körpers nun auch noch meine morgendliche Schmachtattacke kund tun würde.

Ich wusste nicht, welchem Zufall ich es zu verdanken hatte, dass ich nicht mit einem Mordsständer hier stand, doch da unten war alles normal.

Naja, vielleicht war ja auch nur durch den plötzlichen Schock alles in sich zusammengefallen…

Himmel, daran wollte ich nicht mal denken.

Die Röte schoss mir rasend schnell ins Gesicht; normalerweise schämte ich mich nicht meiner Nacktheit, schon gar nicht vor Familienangehörigen, doch Dante war eben… naja, er war eben Dante. Ein spezieller Fall von unüberwindbarer Problematik in meinem Leben.

So gelassen wie nur irgendwie möglich grinste ich süffisant zurück, verbannte die Hitze in meinen Wangen zurück zu ihren Wurzeln und zuckte knapp die Schultern. »Hatte eben heiße Träume. Neidisch?«

Genau. Gegenangriff starten. Bloß nicht weich werden.

Dante lachte rau, blickte auf die halb geleerte Wasserflasche in seiner Hand und schien mit den Gedanken gerade aus der Wohnung zu fliegen, mit Sicherheit zwischen die Beine irgendeiner „Zufallsbekanntschaft“. »Nicht im geringsten, Brüderchen.«

Der selbstzufriedene, sinnliche Tonfall, mit der er diese Worte sprach, ließ mich wieder erschaudern und ungewollt an diesen blöden Traum zurückdenken. Nun rührte sich aber doch etwas in meiner Mitte.

Verdammter Dante. Ich hasste ihn. Dafür, dass ich ihn nicht wirklich hassen konnte.

Bevor es wirklich noch peinlich wurde, schoss ich an ihm vorbei ins Badezimmer und schloss die Tür hinter mir mit rasendem Herzen ab.

Wer hatte mir eigentlich eingeredet, dass es eine gute Idee wäre, mit meinem Bruder eine Wohnung zu teilen?!

Anna. Dafür könnte ich sie jetzt noch umbringen.

Ein wenig entspannter trottete ich zur Dusche und unterzog mich dem wohltuendem Schock eines eiskalten Wasserstrahls, der meine Gedanken abkühlte und gleichzeitig mein Hirn von unnötigen Sachen freiräumte.

Nun fiel es mir ein wenig leichter, über meinen Traum nachzudenken.

Wenn ich so zurückdachte, war das nicht der erste Traum in diese Richtung. Schon mehrere Male hatte mich Dante in meinen Träumen besucht und versteckte Leidenschaften in mir entfesselt, die ich eigentlich lieber in einem kühlen Grab verschlossen hielt.

Wann hatte das eigentlich angefangen, dass ich meinen Bruder so sah?

Ich lehnte die Stirn gegen die kühlen Kacheln der Duschkabine und genoss das prickelnde Gefühl der Kälte, was über meine Stirn in jedes Nervenende zu gleiten schien und angenehme Taubheit hinterließ.

Wann hatte ich mich in meinen Bruder verliebt?

Nun, eigentlich Halbbruder, wenn man es genau nahm.

Unser Vater Maxlien hatte sich auf eine Affäre mit meiner Mutter eingelassen, wohl war es mehr Lust als wahre Liebe gewesen, was die beiden in dieser einen, einmaligen Nacht verbunden hatte. Doch Nanami wurde schwanger, was so eigentlich nicht geplant gewesen war. Da meine Mutter meine Geburt leider nicht überlebte, nahm mich mein Vater in seiner Familie auf.

In der Welt des Blutvolkes war jeder Nachkomme wichtig und wertvoll, da Geburten zumeist risikoreich, eine Schwangerschaft an sich schon selten war.

Meine Stiefmutter Talena war stets wie eine leibliche Mutter und behandelte mich nicht anders als ihre beiden eigenen Kinder, obwohl ihr mein Anblick bestimmt nicht immer angenehm war.

Denn im Gegensatz zu Dante und Anna, die das europäische Äußere ihres Vaters geerbt hatten, war ich völlig nach meiner verstorbenen, asiatischen Mutter geschlagen. Die japanischen Züge dominierten bei mir eindeutig.

Obgleich ich meine leibliche Mutter manchmal vermisste, auch wenn ich sie nie kennen gelernt hatte, und mich oft fragte, wie sie wohl gewesen war, hatte ich eigentlich keinen Grund zur Trauer oder Unzufriedenheit.

Ein seltsam, klapperndes Geräusch riss mich aus meinen Gedanken; erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich schon ein ganze Weile unter dem eiskalten Wasserstrahl stand und mein Körper langsam anfing zu frieren. Meine aufeinander schlagenden Zähne waren Beweis genug, dass ich vor Kälte bibberte.

Ich stakste frierend aus der Dusche und beeilte mich, ein Handtuch zu schnappen und mich trocken zu reiben.

Aus dem Spiegel sah mir ein ziemlich mitgenommener Reita entgegen, der mich unangenehm wieder an meinen Traum erinnerte. Meine Haare standen wirr ab, meine Wangen waren von dem stechend kalten Wasser leicht gerötet, während mir ein erschöpfter Ausdruck im Gesicht haftete.

Ich sah wirklich aus, als hätte ich eine anstrengende Nacht hinter mir. Nur leider war es keine, die im angenehmen Sinne ermüdend gewesen wäre…

Ich seufzte, bevor ich meinem Spiegelbild grimmig die Zunge herausstreckte.

Es wurde Zeit, diesen Traum zu schnappen, ihn sorgfältig zu falten, um ihn dann in meinem geistigen Papierkorb zu versenken, gleich neben den anderen geheimen Dokumenten meiner verworrenen Gedankenwelt.

Da lagen sicher noch einige Träume von Dante, gleich neben anderen Akten mit der Aufschrift „Ich sehne mich nach meinem Bruder“ und einem ganz verheerendem Ordner „Ich habe meinen Bruder nackt gesehen – was nun?!“, dem ich gleich noch das peinliche Erlebnis von vorhin zufügen konnte.

Also, ab mit den Sehnsüchten in die Versenkung. Da waren sie wohl besser aufgehoben.

Ich schlang mir das Handtuch um die Hüfte und wagte mich wieder aus dem Bad, gestärkt und wacher als vorhin.

Der Geruch von frischem Kaffee schlug mir entgegen, ebenso der wirklich verlockende Duft von Brötchen und gebratenem Speck. Das Klappern von Besteck aus Richtung Küche ließ mich verblüfft eine Braue heben.

Entweder hatten wir Besuch von Dieben, die spontan entschlossen hatten, uns Frühstück zu machen oder Dante hatte sich wirklich dazu herabgelassen, die Küche zu einem anderen Zweck als der Suche nach Tiefkühlpizza zu betreten.

Da mir letztere Idee wahrscheinlicher erschien, obwohl die kochenden Einbrecher echt zu meinen Favoriten gehörten, lugte ich um die Ecke des Wohnzimmers, um einen Blick zur Küchenzelle werfen zu können.

Tatsächlich. Mein Bruder stand dort und machte Frühstück. Und schaffte es selbst bei einer solch banalen Tätigkeit noch gut auszusehen.

Eine Zigarette hing ihm halb im Mundwinkel, während er gerade den Tisch deckte. Zu meinem Glück hatte er sich jetzt zumindest ein Hemd übergeworfen und dieses sogar züchtig geschlossen.

Ich eierte auf meinen immer noch kalten Füßen zu ihm hinüber und starrte mit einer Mischung aus Überraschung und Ungläubigkeit auf dieses Schauspiel.

Dante bemerkte mich sofort und grinste zu mir herüber, während er mir die Pfanne mit echt lecker duftenden Spiegeleiern unter die Nase hielt. »Noch nie jemanden Frühstück machen gesehen?« witzelte er locker und wieder einmal wurde mir das kleine Grübchen in seiner linken Wange bewusst, was sich nur zeigte, wenn er ehrlich erheitert war.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und schnaubte. »Schon. Nur dich noch nie. Dieses einmalige Erlebnis konnte ich mir doch nicht entgehen lassen.«

Mein Bruder grinste noch breiter, sodass für einen kurzen Moment die Spitze eines sinnlichen Eckzahnes hervorblitzte, an der mein Blick natürlich sofort haften blieb.

Ach man… weitere Gedanken für den geistigen Mülleimer.

»Ich dachte, ich mach uns mal Frühstück. Du siehst so fertig aus, als hättest du eine harte Nacht hinter dir.« Dante sah mich fast tadelnd an und klopfte mir mit dem Kochlöffel leicht auf den nackten Bauch. Seine nächsten Worte waren ernster und durchaus mit so etwas wie Sorge behaftet. »Schau dich mal an. Du isst zu wenig und lernst zu viel.«

Während mein Bruder sich daran machte, die Eier aus der Pfanne zu schieben, sah ich flüchtig an mir herab. Ich war noch nie besonders kräftig gewesen, aber auch nie dürr. Nun allerdings wirkte mein Bauch tatsächlich ein wenig eingefallen und mit dem Anflug von Schrecken musste ich feststellen, dass sich meine Rippen begannen unter meiner hellen Haut abzuzeichnen.

Obwohl wir zum Vampirvolk gehörten, war feste Nahrung unabdingbar. Genauso wie die regelmäßige Aufnahme von Blut.

Na schön, vielleicht waren Energiedrinks und Kaffee doch keine so ausgewogene Ernährung wie ich vielleicht gedacht hatte.

Doch noch ein anderer Gedanke begann an mir zu zupfen und um Aufmerksamkeit zu betteln.

Dante machte sich Sorgen um mich und kochte deshalb.

Moment. Dante…machte sich Sorgen um mich?!

Einen Moment hielt ich diesen Gedanken fest, unschlüssig, ob ich ihn verfolgen oder doch gleich wieder in den bekannten Mülleimer…

»Außerdem wollte Anna heute vorbeikommen, falls du das nicht schon vergessen hast, Reita. Wir können unser Schwesterchen ja nicht verhungern lassen.«

Gut. Eindeutig Papierkorb. Dorthin segelte dieser weitere, hoffnungslose Lichtblick.

Dante machte sich die ganze Mühe wohl eher für Anna als für mich. Er war eben ein Mann der Frauen.

Die Erwähnung unserer Schwester ließ mich doch kurz beschämt zusammenzucken. Ich hatte tatsächlich nicht mehr daran gedacht, dass sie ja an diesem Wochenende vorbeikommen wollte.

Mein Blick huschte zur Küchenuhr, es war kurz vor 10. Eigentlich schon fast zu spät für Frühstück. Ich sah wieder zu Dante, der gerade die Kaffeekanne zum Tisch balancierte. Kleine Rauchwolken stiegen aus seinem halb geöffnetem Mund.

Ich rümpfte die Nase, trat zu ihm und zog die Zigarette aus seinem Mundwinkel, was Dante ein raues Knurren entlockte. Doch mit der vollen Kaffeekanne in der Hand konnte er sich nicht wirklich wehren.

»Kannst du das nicht wenigstens in der Wohnung lassen?« maulte ich angesäuert und drückte den Glimmstängel in dem Aschenbecher aus, der eigentlich nur zur Deko dienen sollte.

»Man, Reita, manchmal bist du echt schlimmer als unsere Mutter.«

Wieder flog mein Blick zur Uhr und ich drückte die längst erloschene Zigarette unnötigerweise weiter fest in den Aschenbecher. »Bist du eigentlich vorhin erst gekommen? Ich hab dich in der Nacht nicht gehört…« brachte ich zögerlich hervor, wobei ich genau wusste, dass dieses Thema bestimmt wieder viel Futter für meinen gedanklichen Müllplatz liefern würde.

Dante schritt an mir vorbei, sein herber Duft umwehte mich kurz, bevor er sich daran machte, die Brötchen aus dem Ofen zu retten. »Du hättest mitkommen sollen. David hat dich vermisst. Wir haben uns zum Schluss noch in einem Pub mit einer weiteren Truppe Studenten festgequatscht, sodass wir gar nicht gemerkt haben, wie spät oder besser früh es schon war.« Mein Bruder kicherte kurz, tauchte aus der Versenkung wieder auf mit dem Korb frischer Brötchen in der Hand, während er meinen Blick suchte. »Es war echt witzig. Es waren auch einige echt süße Mädchen dabei. Die hätten dir mit Sicherheit gefallen.«

Ganz bestimmt nicht…

»Wenn du meinst…« erwiderte ich unnötigerweise patzig. Dieses Thema war so heikel, wie einen Benzinkanister über eine Feuersbrunst zu balancieren.

Eigentlich hätte ich mich selbst ohrfeigen können, dass ich es angeschnitten hatte.

Ich verspürte wenig Lust, mir Dante in einer Horde schmachtender Frauen vorstellen zu müssen, was auch wohl der Hauptgrund war, dass ich mich in letzter Zeit bei solchen Treffen mit unseren Freunden meist zurückhielt und zuhause blieb.

Außerdem nervte mich die Tatsache, dass einige Mädchen tatsächlich auch an mir Interesse zeigten. Ich hasste es, sie abweisen zu müssen.

Es war nicht so, dass ich mich als schwul sah. Und nach außen war ich das auch nicht. Außer mir wusste keiner von meinen nächtlichen Sehnsüchten, die sich eh meist auf meinen Bruder bezogen.

Ich hatte bereits eine Beziehung mit einem Mädchen hinter mir und ich konnte nicht sagen, dass es schlecht gewesen wäre. Aber… gut war es eben auch nicht gewesen. Ich hatte mich nicht wirklich wohl gefühlt.

Dass ich ab und an auf der Straße verstohlen Männern hinterher sah, bevorzugt natürlich jenen, die meinem Bruder ähnlich sahen, ließ mich ernsthaft glauben, dass ich anders gepolt war.

Doch ich würde diese Karten nicht auf den Tisch legen, bevor ich mir da nicht hundert prozentig sicher war.

Ich war so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht gemerkt hatte, wie Dante vor mich getreten war und recht grimmig auf mich herabsah.

Warum, zur Hölle, musste er mich so überragen? Und warum musste mir das auch noch gefallen, dass ich zu ihm aufsehen konnte?

»Was ist eigentlich los mit dir, Reita? Du bist in letzter Zeit echt komisch. Verkriechst dich nur in deinem Zimmer und lernst.« Er legte eine Hand auf meine nackte Schulter; sofort prickelte die Stelle, als hätte ich mich verbrannt. Dante deutete auf das von Vorhängen fast verhüllte Fenster. »Das Leben ist dort draußen, Bruder.«

»Was du nicht sagst.« stieß ich bissig hervor, entwand mich aus seinem Griff und hasste mich im nächsten Moment selbst für meine überzogene Reaktion.

Man, konnte ich in seiner Nähe nicht einfach ganz normal sein?

Aber seine ungewohnte Sorge verunsicherte mich einfach zu sehr.

Dante verzog das Gesicht fast gekränkt, ließ die Hand sinken, um beide kurz darauf in den Taschen seiner Jeans zu vergraben. »Ich will dich nicht bevormunden. Du bist ja eigentlich auch alt genug, um zu wissen, was gut für dich ist. Aber Tatsache ist, dass du mal wieder Blut brauchst. Du hast schon ewig nicht mehr getrunken.«

Ich zog die Stirn in tiefe Falten und sah mürrisch zu meinem Bruder auf; warum auch immer, doch seine Fürsorge machte mich rasend. »Führst du Strichliste über mein Leben?«

Dante zog eine Braue in die Höhe, dann schüttelte er den Kopf, bevor er die Hände aus seinen Taschen zog und diese abwehrend hob. »Schon gut. Vielleicht solltest du erst einmal was essen. Du bist ja völlig unausstehlich.« Er drehte sich um und machte sich wieder daran, den Tisch weiter zu decken. »Ich mach mir nur Sorgen, Reita. Ich dachte eigentlich, das wäre normal unter Freunden.«

Freunde…

Eigentlich hätte ich darüber glücklich sein müssen, doch dieses Wort fraß sich wie Säure in meine Eingeweide. Es war fast so, als würde man mir eine leckere Frucht direkt vor die Nase halten, ohne dass ich von ihr abbeißen durfte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dayce
2011-02-09T17:36:39+00:00 09.02.2011 18:36
Oh ja wie peinlich. Obwohl ich hätte wahrscheinlich auch meinen Blick nicht von Dante abwenden können. Er ist mir aber jetzt schon äußerst sympatisch, ich habe ihn echt gern. Ach warum muß man den als Vampier lernen? Ich würde da andere Dinge tun und ganz viel Spaß haben.
Aber mir gefällt deine Geschichte schon mal sehr gut, nur ist meine Zeit recht knapp gleich am Erscheinnugstag zu Lesen, aber ich werde mich bessen. Nun bin ich gespannt was noch so pasiert und freu mich schon drauf. Wie schon gesagt, du hast ne tolle Art zu schreiben!
Tschaui Dayce


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