Zum Inhalt der Seite

Fortum

Das dunkle Herz und das Licht
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Alpträume

Lumen erwachte und fühlte sich seltsamerweise so, als habe sie drei Tage lang geschlafen. Sie fühlte sich gut. Ganz anders als gestern. Sie fragte sich, wie das sein konnte. Doch lange darüber nachdenken konnte sie nicht. Comitas brachte ihr das Frühstück, so wie immer. „Guten Morgen, Comitas. Geht es dir gut?“, fragte sie ihn höflich. Comitas nickte nur. Schaute sie nur flüchtig an. „Ja, danke. Es Euch auch gut gehen?“

Er versuchte feundlich und höflich zusein. Doch konnte Lumen sehen, dass er nervös war. Vermutlich wegen gestern, als sie ihn bat, ihr eine Kerze zu geben. Was für schreckliche Ängste musste er ausgestanden, während sie mit seinen Herrn speiste. „Geht es dir wirklich gut?“, fragte sie und Comitas schaute zur Tür. Als fürchtete er, dass sein Herr im selben Moment hereinstürmt, um ihn zu bestrafen.

Um ihn etwas zu beruhigen, bat sie ihn, mit ihr zu speisen und während sie das Frühstück genoss, beobachtete sie ihn. Wie er an seinem Brot knabberte und ihr hinundwieder scheue und besorgte Blicke zuwarf, ließ keinen Zweifel zu. Er machte sich Sorgen und fürchtete, dass er doch noch bestraft werden würde. Lumen lächelte und legte ihre Hand auf die seine. „Kein Angst. Ich habe ihm kein Wort gesagt, dass du das warst, der mir die Kerze gegeben hat. Er wird sicher nicht dahinter kommen!“, sagte sie ihm und lächelte ihn an. Comitas aber konnte sich dabei nicht so recht beruhigen, wie sie es hoffte. Die Angst saß wohl dafür vielzutief.

„Ich hoffe, Ihr Recht haben!“, murmelte er. Lumen hatte Mitleid mit ihm. Er diente seinem Herrn sicherlich treu und mit bestem Gewissen und dennoch schien er es ihm nicht recht machen zu können. Sie brauchte ihn sich nur anzusehen. Die Lumpen, die er trug und die Nervösität, wenn er seinem Herrn schlechte Nachricht brachte. Lumen konnte sich gut vorstellen, wie er sich vor dem Zorn des Magiers fürchtete, obwohl er so ein gutes Herz hatte und fröhlich war. Im Schloss ihres Vaters würde er vielleicht ein viel besseres Leben haben. „Warum bleibst du denn bei ihm, wenn du solche Angst vor ihm hast?“, fragte sie und Comitas sagte erstmal nichts. Legte das Brot, an welchem er geknabbert hatte beseite und fummelte an seiner erbärmlichen Kleidung. „Ich nicht wissenn, wohin ich gehen soll!“, erklärte er dann und seine Stimme klang brüchig, wie Glas. „Bei meinem Vater würde es dir gut gehen. Er ist ein guter und gerechter König. Er würde dich sicher besser behandeln, als er!“

Kaum hatte sie das gesagt, war Comitas schon von Stuhl aufgesprungen und sah sie entsetzt an. „Nein, ich das niemals tun könnte. Ich dem Herrn treu und ergeben bin. Er immer gut zu mir war!“, erklärte er und Lumen verstand nicht. Er sollte gut zu diesem kleinen netten Kerlchen sein. Das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. „Wie kann er nett zu dir sein? Sieh doch, was du da trägst. Nicht mal ein Hund verdient es, solche Lumpen zutragen!“, sagte sie und deutete dabei auf seine Kleider. Comitas krallte seine Hände in diese und schaute zu Boden. „Das diese Kleider ich tragen muss, nicht schlimm. Er sich gut für mich und meine Brüder kümmert. Gibt uns essen und trinken!“, verteidigte er den Magier, als ging es dabei darum, ihn um jeden Preis zu schützen. „Aber…!“, wollte sie sagen, schloss aber den Mund, weil ihr nichts einfiel, was sie sagen konnte. „Nein, er ein guter Mensch ist!“, sagte er und wich ihrem Blick aus. Lumen wusste nicht, ob sie seine Worte als Unsinn oder als vergebliche Versuche, ihre Meinung ihm gegenüber zuändern, abtun sollte. Seine Worte waren so ehrlich gemeint, dass sie nicht daran dachte, sie als Lüge zu entlarven und auch so bittend, als würde er sie anflehen, anders von dem Magier zu denken. „Comitas!“, sagte sie und kniete sich dann vor ihm hin. Wenn er so überzeugt von seinem Herrn war, dann wollte sie diesem nicht wiedersprechen. „Tut mir leid. Wenn du so denkst, dann will ich nicht dagegen sein. Ich finde nur, er…er könnte etwas…!“, sagte Lumen, doch sie konnte ihren Satz nich zuende sprechen, da Comitas ihre Hand ergriff und sie drückte. Nun hatte er wieder ein weiches, sanftes Lächeln auf den Lippen. „Ihr ihm nur eine Chance geben müsst und Ihr dann sehen, dass er ein gutes Herz hat!“, versprach er ihr. Lumen wollte darauf etwas erwiedern. Das sie gar nicht daran dachte. Aber Comitas kam ihr zuvor und zog an ihrer Hand. „Kommt, Ich Euch was Leckeres kochen werde. Ihr sicher Hunger habt!“, sagte er. „Aber ich habe doch gefrühstückt!“

„Dann ich Euch das Mittagessen mache!“

Noch bevor Lumen wiedersprechen konnte, hatte er sie schon zur Küche gebracht und sie gebeten platz zunehmen. Schweigend beobachtete sie, wie er und einige andere, seine Brüder, umhersprangen und das Essen vorbereiteten. Dabei dachte sie daran, was er gesagt hatte.

„Er sich gut um mich und meine Brüder kümmert. Gibt uns essen und trinken!“

Aber dennoch war sie der Meinung, dass er ihnen nicht solche Lumpen zum tragen geben sollte. Aber was mischte sie sich eigentlich da ein. Es ging sie nichts an, wie er seine Diener hielt. Eigentlich. Wenn da nicht ihre Freundschaft zu Comitas wäre. Es ließ sie nicht los und vielleicht konnte sie den Magier bitten, ihnen bessere Kleider zugeben.

„So, hier. Ich Euch guten Appetitt wünsche!“, sagte er und stellte ihr einen Teller, mit weichgekochten Kartoffel, zartem Fleisch, dunkler Bratensoße und einen Becher Wein hin. Der köstliche und würzige Duft stieg ihr in die Nase und regte ihren Hunger an.

Als Lumen fertig gespeist hatte und Comitas sich an den Abwasch machen wollte, bat sie ihn darum, ihm zu helfen. Es war besser als dazusitzen und zu zusehen. Besser als nachzudenken. Über den Magier und seine Art zuherrschen.

Comitas wechselte kurz einen Blick mit seinen Brüdern, denen es wohl gleichgültig war und sich wieder an die Arbeit machten. „Wenn Euch es keine Umstände machen?“, fragte er dann und Lumen schüttelte den Kopf. Im Gegenteil. Sie war dankbar dafür, dass sie sich beschäftigen konnte. Comitas reichte ihr eine Schürze, damit sie sich ihr Kleid nicht schmutzig machte, zeigte ihr dann, was sie machen konnte und wie.

Lumen freute sich. Ihr Vater hätte das sicher nicht erlaubt und sie, wenn es sein musste, sogar mit Gewalt aus der Küche gezerrt. Aber ihr Vater war nicht hier und so konnte sie das tun, was sie schon immer tun wollte. Ein normales Leben führen.

So schnitt sie Gemüse. Musste dabei Acht geben, damit sie sich nicht schnitt. Probierte eine Suppe, schlug vor, was man daran verbessern konnte. Knetete den Teig für das Brot. Dabei musste Comitas kichern, als sich etwas Mehl auf ihrer Nase verirrte. Auch Lumen kicherte. Es war befreiend, nach solange Zeit wieder zu lachen. Es ließ sie alles vergessen, was sie vorher noch bekümmerte. Und so vergass sie auch für eine Weile, den Magier. So arbeitete sie in der Küche weiter. Summte fröhlich vor sich hin. Die Zeit verging dadurch schnell, bis der Tag vorbei war. Und sie sich wieder in ihrem Zimmer fand. Erschöpft von der Arbeit in der Küche, aber glücklich, zog sie das Kleid aus und bereitete sich selber ihr Bad zu. Comitas hatte noch etwas in der Küche zutun, aber noch Zeit gehabt hatte, sie auf ihr Zimmer zu begleiten.

Müde und mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen, ließ sie sich in das warme Wasser sinken und schloss die Augen. Entspannte sich.

Sie musste dabei eingeschlafen sein, da sie hochschreckte, als es an der Tür klopfte. „J-ja, bitte!“, rief sie und musste sich erstmal von dem Schrecken erholen. „Verzeihung, ich Euch nicht stören wollte. Aber ich Euch bitten soll, sich anzuziehen, für das Abenddinner!“, hörte sie Comitas sagen und Lumen seufzte schwer. Das hatte sie natürlich auch vergessen. Sie musste mit dem Magier speisen. „Ja, danke. Ich komme gleich!“, rief sie zurück, wobei sofort ihre Worte bereute. Wieder mit ihm speisen, in der Dunkelheit. Lumen schüttelte sich. Musste sich aber daran erinnern, dass sie die Kerze anzünden durfte. Eine schwache Hoffnung stieg in ihr hoch. Vielleicht würde der Magier wieder so gnädig sein und ihr erlauben, die Kerze anzuzünden. Lumen betete dafür.

Aber irgendwie fürchtete sie sich auch. Der Anblick, den er ihr bot, als er in den Schein der Kerze geschaut hatte, hatte sie verunsichert und verwirrt. Hatte ihr selber Angst gemacht, obowhl sie nicht wusste wieso.

War ihm das Licht so wider, dass es ihn fast beinahe Schmerzen zufügte?

Unsinn, wie sollte sowas möglich sein, dachte sie und schüttelte entschieden den Kopf, um diese absurden Gedanken loszuwerden.
 

Fallacia beobachtete wie diese hässlichen Zwerge durch die Küche eilten und die letzten Vorbereitungen fürs Essen trafen. Sie gönnten ihr keinen Blick. Versuchten sie nicht zubeachten.

Sie rümpfte angewidert die Nase. Was dachte sich ihr Herr nur dabei, diese Missgeburten bei sich im Schloss zuhalten und ihnen noch Essen und trinken zugeben. Wenn es nach ihr ging, würde sie sie in ein finsteres Loch stecken und sie nur rauslassen, wenn sie es wünschte. Manchmal wurde sie einfach nicht klug aus ihm. Genauso wie jetzt, als er die Prinzessin, die nicht hierhergehörte, in sein Schloss holte und sie behandelte, wie ein Gast und nicht wie eine Gefangene, die sie war. Gab ihr edle Kleider und gutes Essen. Fallacia spürte, wie der alte Zorn wieder in ihr hochkam. Nicht auf ihren Herrn, sondern auf SIE.

Was fand er nur an ihr, dass er sie so verwöhnte?

Sie verstand es einfach nicht. Es erschien ihr absurd und wie ein schlechter Scherz. Was dachte er sich nur dabei, fragte sie sich wieder. Sie verstand es einfach nicht. Aber sie hatte auch keine Lust weiterhin über die Eigensinnigekeit und Launen ihres Herrn nachzudenken. Sie hatte was vor.

Mit einem verstollenen Blick ging sie zu dem Tisch mit den beiden Weinkelchen und holte ein kleines Fläschen hervor, dass sie, sich wachsam umschauend, öffnete und ließ einige Tropfen in den Weinkelch, der für die Prinzessin vorgesehen war, hineintröpfeln.

Eins, zwei, drei Tropfen davon ließ sie hinein und verschloss das Fläschen wieder. Schob es in ihre Kleidung. Gerade rechtzeitig weil schon einer der Zwerge kam und das Taplett mit den Kelchen nahm. Als dieser die Küche verließ, lächelte Fallacia kalt. Sie freute sich schon darauf zusehen, wie die Prinzessin leiden wird.
 

Lumen saß dem Magier gegenüber und schaute mit einem sehnsüchtigen Blick zu der Kerze. Sie hatte nicht gewagt, ihn darum zu bitten, sie wieder anzu zünden. Aus Angst dass er sie diesesmal verneinen würde. Und wieder diesen gequälten Blick sehen würde, den der Magier schon am Vortag hatte. Dass das verrückt war, wusste sie selber. Eigentlich sollte es ihr egal sein. Aber aus irgendeinem Grund war es das nicht. Er tat ihr leid. Warum auch immer. Tenebrae brach Brot auseinander und aß davon. Lumen rührte in ihrer Suppe herum. Schaute dabei immer wieder zu der Kerze und der Wunsch sie anzu zünden, wurde immer größer.

Das Mitleid für ihn wurde dabei immer weiter nachhinten gedrängt. Der Magier bemerkte dies und holte tief Luft. Gerne hätte er diese Blicke, die die Prinzessin mit denen sie die Kerze ansah, ignoriert. Aber es ließ ihn nicht los.

Genauso als sie den toten Garten gesehen hatte. Es hatte ihn ebenso getroffen, wie jetzt. Was war nur los mit ihm. Es hatte ihn bisher kalt gelassen. Warum berührte es ihn jetzt.

Tenebrae konnte sich darauf keine Antwort geben und auch nicht weiter dagegen ankämpfen. Mit einem Fingerschnippen entzündete er die Kerze. Er würde diesesmal auch wieder die Helligkeit, die die Kerze spendete, aushalten. In Lumens Augen lag Erstaunen über seine Tat. Sie wollte fragen warum. Aber sie freute sich auch. Anscheinend hatte er ihre stumme Bitte gehört und ihr diese gewährt. Erleichtert und auch verwirrt, nickte sie ihm dankend zu. Tenebrae erwiederte diese Geste und nahm seinen Kelch, um daraus zutrinken. Dabei schaute er über den Rand zu ihr. Ihre Erleichterung und Dankbarkeit über diese kleine Geste war deutlich zusehen und es erstaunte ihn.

Konnte er ihr wirklich mit diesen kleinen unbedeutenden Gesten eine Freude machen?

Tenebrae hielt das für unwahrscheinlich. Wollte nicht so recht daran glauben. Aber als er sie ansah, sah wie wohl sie sich im Licht fühlte, wurden seine Zweifel zerstreut. Sie ist irgendwie anders, als er gedacht hatte.

Eine seltsame Idee kam ihm. Kurz wollte er ihn festhalten. Doch dann wurde er sich bewusst, wie albern das war und verdrängte diese.
 

Fallacia hielt gespannt die Luft an. Sah zu, wie ihr Herr und die Prinzessin speisten. Bisher hatte sie den Wein noch nicht angerührt und Fallacia fürchtete schon, dass ihre Mühe umsonst war. Aber als die Prinzessin doch nach dem Kelch griff, jubelte sie innerlich. Und noch mehr als sie daraus trank.
 

Nachdem sie zuende gespeist hatten und Comitas sie auf ihr Zimmer gebracht hatte, hatte sie sich für den Schlaf umgezogen und war ins Bett geklettert.

Noch lange blieb sie wach. Dachte nach. Diesesmal hatte er ohne ein Wort von ihr, die Kerze angezündet. War das ein Zeichen, dass sie sich in ihn getäuscht hatte und er doch nicht so böse war, wie sie immer glaubte?

Lumen hätte zugerne daran geglaubt. Er war bisher immer gut zu ihr gewesen. Hatte ihr schöne Kleider gegeben und gutes Essen. Er hätte sie ja auch ins Verließ sperren können. Hat er aber nicht und das allein sollte eigentlich ausreichen, ihn in einem anderen Licht zusehen. Aber etwas in ihr weigerte sich, daran zuglauben.

Was wenn das nur ein Trick war. Ein Trick um sie in Sicherheit zu wiegen und sie dann…

Lumen wagte es nicht, weiter darüber nachzudenken. Sie fürchtete sich davor. Und wollte sich auch nicht länger damit beschäftigen. Sondern einfach nur schlafen. Nach wenigen Minuten war sie dann eingeschlafen.

Sie stand in einem blühenden Garten. Doch es war nicht der, der im Schloss ihre Vaters war. Sondern der des Magiers. Lumen erkannte ihn. Aber anders als dieser trostlose Ort, den sie kannte, war er voller Farben, Licht und vorallem Leben. Sie hörte Vögel sinken und den Wind durch die Bäume, die sich begierig der Sonne entgegen streckten, rascheln. Die Sonne schickte ihre warmen Strahlen auf sie nieder und wärmte sie. Lumen zuerst erstaunt, aber dann froh, die Sonne wieder zusehen, schloss sie die Augen und lächelte glücklich. Glücklich darüber dass es hier doch Wärme gab, die die Kälte verscheuchte und Licht, dass die Finsterniss vertrieb. Mit einem wohligen Seufzer ließ sie sich ins weiche Gras nieder. Legte sich darauf und fuhr mit den Händen immer wieder darüber. Spürte wie es ihre Handflächen kitzelte und ihr Herz schien vor Freude Purzelbäume zuschlagen. Für einen kurzen Moment schien es ihr, wieder daheim zusein. Dort, wo es Leben gab und die Luft erfüllt war von den Gesängen der Vögel. Wo es keine bösen Schatten gab, die ihr nach dem Leben trachteten und keine Magier, die ihr Angst machten. Lange hätte sie sich dieser Illusion hingeben. Dann aber fegte ein kalter Wind über sie hinweg und sie konnte spüren, wie die Wärme beissender Kälte wich. Als sie die Augen öffnete, sah sie voller Entsetzen, wie der ebenoch strahlendblaue Himmel sich verdüstert hatte und bedrohliche Wolken sich über sie auftürmten. Grässliche Grimassen schienen darin umherzujagen und Lumen sprang auf. Wollte davon rennen. Ins sichere Innere.

Doch kaum, dass sie sich aufgerichtet hatte, wickelte sich etwas schmerzhaft um ihre Handgelenke. Scharfer Schmerz durchzuckte ihre Arme und als sie an sich hinunter schaute, gefror ihr das Blut in den Adern. Dornenranken!

Sie hatten sich um sie gewickelt, wie tödliche Schlangen und zogen und zerrten an ihr. Versuchten sie zu Boden zu ringen. Doch Lumen wehrte sich gegen diese und schaffte es sogar, dass einige rissen. Doch für die, die zerrissen, kamen neue und umschlagen nun ihren ganzen Arm. Zerrten immer brutaler an ihr, bis sie sich nicht mehr gegen sie wehren konnte und hart zu Boden ging. Ihr Kopf schlug auf und kurz sah sie Sterne vor ihren Augen tanzen. Als sie diese wegblinzelte und einigermassen wieder klar im Kopf war, versuchte sie sich zu befreien. Doch die Ranken schnürten sich, mit jedem Ruck, den sie machte, um sie zu zerreissen, immer tiefer in ihr Fleisch, bis sie aus den Wunden, die sie ihr zufügten blutete. Lumen glaubte, das Bewusstsein zu verlieren. Kämpfte mit allen Kräften, die ihr möglich waren, dagegen an. Wenn sie jetzt ohnmächtig wurde, wäre sie verloren. Der Schwindel jedoch in ihrem Kopf war stärker, als sie. Machte sie schwach und außer Stande sich zu befreien. Sie spürte förmlich, wie ihre Kraft mit jedem Blutstropfen, der ihr aus den Adern gepresst wurde, wich.

Alles drehte sich um sie. Der Himmel, der Garten. Alles. In der Luft lag der süßliche Geruch ihres Blutes. Gequält schluchzte sie aus, unternahm einen letzten Versuch. Ehe sie kraftlos und fast schon ohne Bewusstsein, sich von den Dornenfesseln weiter auf den Boden pressen ließ, bis sie das Gefühl hatte, sie wollen sie zerquetschen.

Das Blut in ihren Ohren rauschte. Solaut, das sie fürchtete, taub zuwerden. Und ihr Herz raste so schnellm, als würde es zerplatzen. Da drang ein anderes Geräusch an ihr Ohr. Es klang wie Erde, die auseinander brach und als sie einen schwachen Blick auf sich richtete, drang ein erstickter entsetzter Laut aus ihrer Kehle. Der Boden gab unter ihr nach. Öffnete sich regelrecht und kroch ihr dann über die Arme und Beine. Wie tausend kleine Käfer. Legten sich dann über sie und wurden dann wieder zu einer festen Masse. Durch Lumen ging ein Schauer.

Die Erde war kalt und lag schwer auf ihr. So wie der Tod. So musste es sich anfühlen zusterben, durchfuhr es sie und über ihre Wangen rannen Tränen. Trotz dass sie fast schon bewusstlos war und an nichts mehr denken konnte, kam ihr ein Gedanke. Und er ließ ihr Herz stillstehen, nur um es dann doppelt so schnell schlagen zulassen. Sie würde lebendig von der Erde verschluckt werden. Und niemand würde ihr helfen. Langsam kroch die Erde immer weiter über ihren Leib, bis sie Hüfte, Bauch und Brust bedeckt hatte. Ihre Schultern und ihr Kopf blieben bisher von der wandernden Masse verschont. So als wollte die Erde ihr noch einen letzten Blick in den Himmel gönnen.

Lumen wünschte sich, im Augenblick ihres nahenden Todes noch einmal die Sonne zusehen und ihre Wärme zuspüren. Glaubte, bevor sie ihren letzten Atemzug zu tun, ein aufblitzen zusehen. Und sich einzubilden, eine warme Sommerbrise auf ihrem Gesicht zuspüren. Mehr brauchte es nicht. Lumen lächelte, als die Erde sie vollends verschlang.
 

Mit einem Schrei erwachte sie. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie brauchte einige Minuten, ehe sie sich beruhigen konnte. Ein Traum. Es war nur ein Traum, hallte es wie ein unendliches Echo durch ihren Kopf. Sie konnte nicht sagen, ob sie darüber erleichtert sein soll oder nicht. Der Traum ging ihr durch Mark und Bein und ließ sie nicht los. Das Zittern hielt noch lange an. Als Comitas eintrat und sie immer noch zitterte, eilte er auf sie hinüber und schaute sie voller Sorge an. „Prinzessin, was Ihr haben?“, fragte er bestürzt. „Ihr ja zittern!“

„Es…es ist gut. Ich habe schlecht geschlafen!“, sagte sie. Versuchte sich zu beruhigen. Doch der Schrecken ließ sie nicht los. Hielt sie festgepackt, wie eine Klaue aus Eisern und drückte zu, bis sie glaubte, keine Luft zu bekommen.

„Prinzessin…!“, sagte er nochmal. Lumen aber winkte ab und rang sich ein Lächeln ab. „Es geht wirklich wieder. Ehrlich!“, beschwichtigte sie ihn und stand auf.

Das Frühstück sah wie immer köstlich aus und Lumen hatte auch Hunger. Aber es schmeckte ihr nicht so recht. Nicht so, wie es igentlich sollte. Das Brot und das Spiegelei hatten keinen Geschmack. Der Tee schmeckte nach Nichts, als sei er aus Luft. Lumen stellte die Tasse weg, kaum dass sie nur einen Schluck mehr genommen hatte. Ließ das Essen stehen und sorgte damit bei Comitas für mehr Sorge. Mit ebensolcher Miene räumte er das Essen ab. „Es Euch nicht geschmeckt hat?“, fragte er niedergeschlagen. Lumen versuchte aufmunternt dreinzublicken. „Doch. Aber ich habe keinen so großen Appetitt!“, sagte sie. „Mach dir darum keine Gedanken. Es war lecker!“

Lumen vermochte es sich selber nicht zu erklären, warum sie keinen Hunger hatte. Lag es vielleicht an dem Traum, dass sie keinen Bissen hinunter bringen konnte?

Aber so schrecklich er auch war, konnte er ihr doch unmöglich das Essen mürbe machen.

Oder doch?

Lumen dachte noch lange darüber nach. Auch während sie mit Comitas in die Küche ging, um dort wieder helfen. Denn das war das Beste, was sie tun konnte. Sich ablenken und versuchen nicht weiter darüber nachzudenken.

Doch der Traum ließ sie nicht los. Hinundwieder blickte sie aus dem Fenster. Sah aus diesem den Garten und schauderte. Obwohl es nur ein Traum war, war er so real und schrecklich, dass sie nicht so recht glauben wollte, dass es einer war. Noch immer spürte sie, wie sich die Dornen der Schlingen, die sich um ihren Leib schlangen, in ihre Haut stachen und sie zugleich zerquetschten. Lumen versuchte, die Erinnerung nicht mehr zuzulassen. Doch sie kamen immer wieder. „Aua!“, wimmerte sie, als sie sich mit dem Messer in den Finger schnitt und das Blut aus der kleinen Wunde hervorquoll. Comitas war sofort da und fragte sogleich, was passiert sei. „Ich habe mich geschnitten!“, sagte sie und Comitas zögerte nicht, um ihr ein Stofftüchlein um den Schnitt zulegen. „Ihr besser aufpassen müsst!“, tadelte er sie. Lumen nickte nur. Sah zu, wie er einen Knoten in das Tuch machte. „Vielleicht es nicht gut seien, wenn Ihr uns helft!“, meinte er dann. „Bitte, Comi. Das…das war nur ein Missgeschick. Ich war mit meinen Gedanken woanders!“, erklärte sie. „Wo denn, dass Ihr Euch schneiden?“

„Ich…ich hatte einen schrecklichen Alptraum!“, sagte sie und selbst das kostete sie Mühe, es auszusprechen. „Einen Alptraum?“, fragte er nach und nahm dann sogleich ihre Hände. Hielt sie so, wie es ihr Vater immer getan hatte, wenn sie damals als kleinen Mädchen einen bösen Traum hatte und sah sie voller Mitgefühl an. „Ärmste Ihr. Ihr mir davon erzählen wollen?“

Lumen nickte. In der Hoffnung, dass die Erinnerung darin verblasste und so erzählte sie ihm ihren Alptraum.

Der Tag ging schnell vorbei und so fand sie sich wieder beim Abendessen mit dem Magier. Ohne dass sie etwas sagte, hatte er die Kerze wieder angezündet. Doch so sehr Lumen das auch freute, sie fühlte sich nicht wohl. Zwar hatte sie Comitas erzählt, was sie in der letzten Nacht plagte, aber so richtig davon befreit war sie nicht. Noch immer hatte sie diese schrecklichen Bilder vor sich. Und so war es nur vorhersehbar, dass sie auch bemi Abendessen keinen Bissen zusich nahm. Nur das, was sie gerade noch hinunterbekommen konnte. Dem Magier entging dies nicht. Auch nicht ihr verbundener Finger. „Was ist mit Eurem Finger geschehen, Prinzessin?“, fragte er und sie hielt erschrocken inne, wie ein Reh, dass Gefahr witterte. Flüchtig blickte sie zu ihrem verbundenen Finger und fragte sich kurz, was sie sagen sollte. Ob sie ihn anlügen sollte?

Nein, er würde sicherlich dies durchschauen. Sie war sowieso eine schlechte Lügnerin und ihn anzulügen, erschien ihr keine gute Idee. So blieb ihr nichts anderes übrig, als die Wahrheit zusagen. „Ich…ich habe mich geschnitten, als ich in der Küche war. Ich war mit meinen Gedanken woanders, sodass ich nicht aufpasste und mir in den Finger schnitt!“, erklärte sie, wagte es dabei nicht, ihm ins Gesicht zusehen und schaute auf ihre Hände. „Ihr wart in der Küche. Was wolltet Ihr da?“, fragte er und seine Stimme war ein dunkles Flüstern. Er hatte wohl überhört, dass sie nicht ganz bei sich war. Hatte nicht gehört, was sie so beschäftigt hatte, dass sie sich verletzte. „Ich…ich wollte Comitas und seinen Brüdern etwas helfen. Beim kochen und beim backen!“, erklärte sie und wagte es nun doch zum Magier zusehen. Etwas Undeutbares lag in seinen eisblauen Augen und der harte Zug um seinen Mund, ließen sie vor Furcht beben. Er legte den Kopf schief, wie ein lauernedes Tier, das den richtigen Moment zum Angriff abschätzte.

„Eine Prinzessin sollte nicht in der Küche arbeiten. Das wisst Ihr doch!“, waren dann seine Worte, die hart wie Granit waren und scheident, wie ein Schwert. Lumen biss sich auf die Unterlippe. Ja, das wusste sie. Aber was sollte sie anderes machen um sich abzulenken und nicht mehr daran zudenken, was ihr Angst machte?

„Ja, aber ich…!“, brachte sie hervor und merkte, wie ihre Angst vor ihm wieder hochkam. Ihre Zunge lähmte. Dennoch versuchte sie sich zu wehren. „Bitte, erlaubt mir, weiterhin in der Küche zuhelfen. Es…es hilft mir!“

„Es hilft Euch. Wobei denn?“

„Zu vergessen!“

„Zu veressen. Und was. Dass Ihr eine Prinzessin seid und eigentlich nicht dorthin gehört, wo Ihr gerne wärt. Ein ziemlich dummer Versuch!“

„Es hilft mir zuvergessen, dass ich hier bin. Als eine Gefangene!“, platzte es aus ihr heraus und bevor sie begriff, was sie gesagt hatte, wurde der Blick des Magiers bohrend. „Eine Gefangene? Ich sagte Euch doch, dass Ihr mein Gast seid!“, knurrte er und drehte den Kelch in seiner Hand.

Lumen schluckte. Ja, das hatte er. Mehr als einmal und hatte sie auch so behandelt. Warum also sprach sie so. Vielleicht weil er ihr Angst machte und weil seine Aroganz sie wütend machte?

Das musste es sein. Und auch wenn alles in ihr dagegen schrie, weiter zusprechen, tat sie es dennoch. Denn sonst würde er weitermachen und sie mehr und mehr in diesem goldenen Käfig gefangen halten, bis sie nicht mehr wusste, wie es ist, selber zu etnscheiden. „Und warum gestattet Ihr mir nicht, in der Küche zu helfen!“, sagte sie. Das Gesicht des Magiers verfinsterte sich. Mit jedem Wort, das sie sprach und Lumen verließ doch der Mut. Aber nun hatte sie ausgsprochen, was sie dachte und wollte es nicht zurücknehmen. Kleinleaut setzte sie hinzu, auch wenn sie wusste, dass sie es immer mehr schlimmer machte: „Wenn ich wirklich Euer Gast bin, dann gewährt mir diese Bitte!“

Tenebrae holt tief Luft, als sie dies sagte und wollte aufbrausen.

Was erlaubte sie sich?

Gab er nicht schon genug?

Reichte das nicht?

Seine Hoffnung, dass sie anders sei, als ihr Vater schrumpfte immer mehr.

„Ich gewähre Euch schon dieses abscheuliche Licht. Treibt es nicht zuweit. Oder ich nehme Euch alle Freiheiten!“, drohte er. Hob dabei nicht die Stimme, sondern sprach ruhig und in normalen Ton. Es würde nichts bringen, laut zuwerden. Und das schon allein ließ ihre Angst noch höher treiben. Lumen senkte den Kopf und kämpfte dagegen an, in Tränen auszubrechen. Zum einen hatte er sie zu sich geholt, weil er sah wie unglücklich sie im Schloss ihres Vaters war. Aber nun wollte er nicht, dass sie so lebte, wie sie es sich gewünscht hatte. Sie begriff einfach nicht, was in ihm vorging. Konnte man das überhaupt. Manchmal war er so undurchschaubar, dass sie glaubte, er sei kein Mensch. Dabei schauderte sie. Vermutlich war er das auch nicht. Kein Mensch konnte so böse sein und solche Kreaturen um sich haben, wie er. Obwohl. Böse war er auch nicht. Es war einfach zum verrückt werden. Egal wieoft sie es drehte und wendete: Tenebrae schien sich zwischen Gut und Böse zu befinden. Aber das was er nun gesagt hatte. Dass er ihr drohte, brachte sie in dieser Überlegung zum wanken. „Freiheiten? Was für Freiheiten. Tagtäglich bin ich hier und ertrage stumm diese Trostlosigkeit. Comitas und ihm in der Küche zuhelfen, ist das einzige, was mich davon ablenken. Denn sonst werde ich wahnsinnig!“, brach es aus ihr heraus und ihre Stimme zitterte. Sei still, zischte eine Stimme in ihrem Kopf. Doch es war zuspät. Sie hatte es laut ausgesprochen.

Tenebrae zuckte kurz zusammen und wo vorher schon sein Blick finster war, war er nun tödlich.

Als sie die letzten Worte aussprach, verspürte er einen Stich in seinem Herzen. Es war als hätte man ihm einen Dolch in die Brust gebohrt. Es war nicht das erste Mal, dass er so etwas aus dem Mund eines anderen vernahm und es riss alte Wunden in ihm auf.

„Wahnsinnig?!“, wiederholte er und seine Hände umklammerten die Lehnen seines Stuhls. Krampften sich darum, bis sie zitterten und die Knöchel weiss hervorstachen. „Was wisst Ihr schon, wie es ist wahnsinnig zuwerden?“

Seine Stimme war nicht mehr als ein Krächzen und Lumen drückte sich in den weichen Stoff. Wie als würde sie das vor dem Blick des Magiers schützen. Nun war er wieder die Dunkelheit, vor der sie sich fürchtete und als er sich erhob und auf sie zukam, sah sie in ihm wieder das Tier. Lauernd und gefährlich. Bereit im nächsten Moment zuzuschlagen.

Lumens Herz schlug soschnell, dass sie fürchtete, es würde ihr aus der Brust springen und Angst schnürte ihr die Kehle zu. Mit wachsamen, ängstlichen Augen schaute sie zu ihm. Als er dann vor ihr stehen blieb und auf sie hinabschaute, rückte sie zurück. Aus einer naiven Hoffnung heraus, dachte sie, so seinem Blich und ihm zu entkommen. Der Magier aber, ließ sich davon nicht beirren. Sie hatte seinen Zorn entfacht und nun sollte sie dafür zahlen.

Langsam beugte er sich über sie. Stützte sich mit den Händen auf den Lehnen ihres Stuhls und schaute sie mit durchdringenden Augen an. Seine Gesichtsmusekln waren angespannt. Nur der linke Mundwinkel zuckte etwas.

„Was wisst Ihr schon davon. Was wisst Ihr schon, wie es ist dem Wahnsinn ins Gesicht zusehen!“, knurrte er und beugte sich soweit zu ihr, dass nur wenige Milimeter zwischen ihnen lag.

Am liebsten wäre Lumen jetzt ganz woanders, wo er ihr nun so nahe war. Zu nahe, wie sie fand. Und sie hätte gerne weggeschaut. Wäre diesem bohrenden Blick entkommen. Doch er hielt sie gefangen. Zwang sie dazu, ihn anzusehen. Hielt sie praktisch in seinem Bann.

Lange sahen sie sich so an und die Angst in ihr nahm immer mehr zu. Schlug immer höher, wie die Wellen des Meeres, die gegen die Klippen branden. Sie zitterte am ganzen Leib. Wenn er sie doch nicht länger so ansehen würde. Dann könnte sie aufstehen und wegrennen. Wie als habe er dies in ihren Augen gelesen, ging er einige Schritte zurück. Ruhig, als habe er alle Zeit der Welt und dass er nicht wütend war. Aber Lumen brauchte nur in seine Augen zusehen, um zuwissen, dass sie soeben eine großen Fehler gemacht hatte. Sie schaute ihn noch einmal an, ehe er ruckartig den Kopf abwandte, als könne er es nicht ertragen, sie anzusehen.

„Comitas!“, schrie er dann und in seiner Stimme war mehr Wut zuhören, als man je wirklich gesehen oder gehört hatte. Nach wenigen Minuten stand der Diener in der Tiür. Sichtlich nervös. „Ja, Herr?“

„Bring die Prinzessin auf ihr Zimmer!“, wies er ihn an und verließ ohne ein weiteres Wort den Speissesaal.

Comitas und Lumen sahen ihm nach. Beide wussten nicht, was sie sagen sollten. Jeder dachte etwas anderes. Lumen war immernoch gelähmt vor Angst. So hatte sie ihn seitlangem nicht mehr erlebt. Sie hatte gedacht, dass er nun seine dunkle Seite etwas ablegen würde und ihr keine Angst mehr machen würde. Aber da hatte sie sich wohl gettäuscht.

Comitas wirkte mehr als nur bekümmert. Als er die Stimme seines Herren hörte und auch hörte, wie Zorn darin schwang, war er sofort herbeigeeilt und als er sah, wie wütend er war, befürchtete er das schlimmste. „Nicht doch!“, waren seine einzigen Gedanken. Und auch während er sie zurück auf ihr Gemach begleitete. Er hatte solch große Hoffnungen gesetzt, dass sie es war, die sein Herz, welches voller Dunkelheit, Verbitterung und auch Schmerz war, etwas zuerhellen. Doch wie es den Anschein hatte, hatte er sich zufrüh gefreut. Lumen betrat wortlos ihr Gemach. Noch immer hielt sie die Furcht gepackt und sie wagte es nicht, etwas zusagen. Aus Furcht etwas Falsches käme über ihre Lippen. Aber was hatte sie falsch gemacht. Sie hatte ihm nur gesagt, was sie bekümmerte und was ihr ehrlich erschien. Sie hatte ihn nicht beleidigt, oder war ihm undankbar erschienen.

Also warum war er nur so wütend?
 

Immer noch kochend vor Wut, stiess der Magier die Tür zu seinen Räumen auf und stapfte zu seinem Sessel. Mit einem entrüsteten Schnauben über die Undankbarkeit der Prinzessin ließ er sich in diesen sinken und ärgerte sich, selbst als viel Zeit vergangen war.

Was glaubte dieses Ding nur, wer sie war, ihm solche Frechheiten zuunterstellen.

Hatte er sie nicht beschützt, ihr edle Kleider gegeben und ihr erlaubt, mit ihm zu speisen?

Was musste er noch tun, damit sie ihm den nötigen Respekt zollte?

Sie war genauso wie ihr Vater. Verbohrt und intolerant. Es hätte ihn eigentlich nicht wundern sollen.

Aber was kümmerte ihn das eigentlich. Wieso ärgete es ihn und versetzte ihm gleichzeitig einen Stich, als er so darüber nachdachte?

Sollte er es nicht gewohnt sein, dass man ihm mit Misstrauen und Verachtung begegnete?

Sein ganzes Leben lang hatte man ihn gemieden.

Nein, nicht sein ganzes Leben. Es gab eine Zeit, in der er unter die Menschen gehen konnte, ohne dass sie ihn und er sie schief ansah. Doch diese Zeit lag solange schon zurück, dass er sich an diese kaum erinnern konnte.

Seine Wut verschwand. Langsam, aber sie schwand und ließ ihn erschöpft zurück. Müde und mit hängenden Schultern sank er tiefer in den Sessel und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Mit dem eröschen seiner Wut, war nun ein anderes Gefühl aufgestiegen. Schmerzlich und verzerrend. So wie als würde etwas in ihm zerbrechen. Kann es sein, dass er sich doch in sie getäuscht hatte. Dass seine Hoffnungen, dass sie anders sei, doch nur Illusion war. Tenebrae hätte gerne über diese Entäuschung gelacht. Doch er konnte es nicht. Es schmerzte zusehr.

„Nun seht Ihr, was Eure Großzügigkeit gebracht hat!“, sagte eine Stimme und er öffnete die Augen. Eine leise Stimme knurrte, als er diese Worte hörte und zur Decke schaute. Seine Wut, die ihn vorhin losgelassen hatte, kehrte zurück. Er schaute hinauf zu der Decke und kämpfte um seine Beherrschung.

Wie er sich gedacht hatte, war Fallacia in seinen Gemächern aufgetaucht und blickte mitleidig auf ihn hinunter. Er wollte ihr Mitleid aber nicht. Er wollte sie nicht. Nur seine Ruhe.

„Spar dir deinen Tadel, Fallacia und lass mich in Frieden!“, knurrte er. Und zu seiner eigenen Überraschung tat sie, was er sagte. Doch ihm war es recht. Solange er sie nicht sehen musste.
 

Lumen rannte. Rannte soschnell sie konnte. Die Türen, die einst verschlossen waren und sie einsperrten, sprangen auf. Gaben ihr den Weg frei. Den Weg in die Freiheit und Lumen zögerte keinen Moment. Mit jedem Schritt, den sie machte, kam sie dieser näher. Sie konnte sie schon fast riechen. Nur noch ein paar Schritte, dann würde sie aus diesem Schloss endlich entkommen sein. „Lumen!“, schrie plötzlich eine Stimme und sie blieb stehen. „Lumen, komm zurück!“

Lumen blickte hinter sich. Versuchte in der Dunkelheit etwas zusehen. Doch ihre Augen vermochten es nicht, in dieser etwas zuerkennen. Und doch..

Meinte sie die Gegenwart einens Menschen zu spüren. Sie war fast greifbar, als müsste sie nur die Hand ausstrecken, um sie zufühlen. „Lumen!“, wieder diese Stimme. Diesesmal drängender, als wollte sie daran hindern weiter zugehen. „Lumen!“

Die Stimme griff nach ihr, wollte sie festhalten. Sie dazubringen, zurück zugehen. Doch Lumen riss sich von ihren unsichtbaren Fängen los und rannte weiter. Keine Minute länger wollte sie hierbleiben. Schon sah sie vorne die Pforte, die weitoffenstand und der Himmel, der ihr die Freiheit versprach, nach der sie sich so sehnte. Die Stimme, die ihren Namen rief, klang dabei immer ferne, wie ein verstummendes Echo und verstummte ganz, als sie hinaus trat. Doch anders als sie erwartet hatte, war der Himmel dunkel und drohend. Nicht strahlendblau und nicht das, was sie sich erhofft hatte.

Wie als wäre sie aus einem Traum erwacht, blieb sie stehen und starrte zu den Wolken, die sich auftürmten und sich zuetwas formten, was ihren Herzschlag beschleunigte. Sie glaubte in ihnen die Gestalten von wilden Tieren zusehen, die sie mit hungrigen Augen anssahen. Tiefes Grollen war zu hören. Lumen drehte sich um. Vergessen war der Drang nach Freiheit. Das Einzige, an das sie nur noch denken konnte, war wieder hinein zugehen und sich in Sicherheitzu bringen.

Doch als sie sich umdrehte, war da nichts. Kein Schloss, in das sie Schutz suchen konnte. Nur ein Abgrund, der sich vor ihr auftat. Sich wie eine Narbe durch den Boden zog und dessen Schlund immer tiefer und schwärzer wurde und weit aufklaffte. Wie ein Maul, das sie zuverschlingen versuchte. Lumen schrie entsetzt auf. Wich zurück. Weit genug, sodass sie nicht in diesen zustürzen drohte. Was ging hier nur vor sich?

Panisch blickte sie sich um. Versuchte etwas zufinden, wohin sie fliehen konnte. Doch vor ihr lag eine trostlose Landschaft, in der es nichts gab, was ihr Schutz geben konnte.

Lumen wollte schonum Hilfe rufen, als sie dann hinter sich lautes Gebrüll hörte. Eisige Schauer rannen ihr über den Rücken und sie erstarrte. Schnell wirbelte sie herum und sah mit schreckgeweiteten Augen, wie die Wolken sich weiter zu etwas formten. Zuerst nicht deutlich, als dass man etwas erkennen konnte. Aber dann sie es. Oder besser gesagt: Sie.

Bestien!

Die Wolken waren zu wilden Bestien geworden, die an Wölfe, Bären und Raubkatzen erinnerten. Sie hatte es sich nicht eingebildet. Ihre Zähne waren doppelt so groß, wie Lumen es selber war und ihre Augen glühten nun in einem tiefen rot. Das Glühen wurde stärker, als sie die Prinzessin sahen und Hunger machte sich in ihnen sichtbar. Lumen schrie nochmals auf. Wollte am liebsten wegrennen. Der Abgrund versperrte ihr aber den Weg. Er schien nun noch größer geworden zusein und Lumen brauchte nur einen Schritt nachvorne zumachen, um in diesen zustürzen. Sie war in der Falle. Hinter ihr die Bestien, die immer näher kamen und vor ihr der Abgrund, der unendlich tief war.

Verzweifelt und voller Angst rief sie erneut um Hilfe. Doch keiner kam um sie zuretten. Trotzdem rief sie weiter. „Hilfe. So helft mir doch jemand!“

Die Bestien brüllten auf, als würden sie ihre Rufe verhöhnen. Lumen glaubte sogar tiefe Stimmen aus ihren Mäulern zu hören. „Dir wird niemand helfen. Du gehörst uns!“, riefen sie donnernd und ließen die Erde unter ihren Füssen erzittern.

Lumen konnte sich vor lauter Angst nicht rühren. Es war als würde eine eisige Kralle sie im Genick gepackt halten und dafür sorgen, dass sie an nichts denken oder tun konnte. Nur zuschauen. Sehen wie sie vom Himmel hinabstiegen und auf sie zuliefen. Erst langsam, lauernd. Als fürchtete sie, sie konnte ihnen doch noch entwichen. Dann aber immer schneller. Wie eine gewaltige Welle. Und dann…

Rissen sie gleichzeitig ihre Mäuler auf, um sie zuverschlingen. Lumen sah in die absolute Finsterniss, die in ihren Schlunden war und nach ihr zugreifen schien. Sie machte einen Schritt zurück. In der stillen Hoffnung, doch noch fliehen zu können.

Aber da gab der Boden ein kleines Stück unter ihr nach. Lumen keuchte auf. Sie hatte den Abgrund in ihrer Angst beinahe vergessen und die Angst und die Hilflosigkeit schlugen in ihr immer höher. Machten ihren Körper schwer wie Blei, sodass sie sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und in die Knie sank und mit Tränen über ihren nahenden Tod, in den Augen, nur nachvorne blicken konnte. Zu den Ungeheuern.

Mit lautem Gebrüll, in dem Freude über das frische Fleisch lag, stürzten sie sich auf sie und Lumen schrie ein letztes Mal auf, ehe die Monster sie verschlangen und sie in eine tiefe, kalte Finsterniss stürzte ,aus der es kein Entkommen gab.
 

Mit einem Schrei erwachte sie und hörte Comitas verzweifelte Rufe. „Euch beruhigen. Ihr nur geträumt!“, rief er und hielt ihre Hände festumschlossen, damit sie sich nicht verletzte. Oder ihn. Es dauerte lange, ehe sie sich beruhigen konnte und richtig begriff, dass das nur ein Traum war. Schon wieder.

Zitternt fasste sie sich an die Stirn und war den Tränen nahe. Was war nur mit ihr, dass sie solche schrecklichen Träume hatte. Wäre das am Anfang, als sie hierher gekommen war, passiert, hätte es sie nicht gewundert. Zu sehr hatte sie sich gefürchtet. Aber jetzt wo sie solange schon hier war, war das doch nicht möglich. Es war beinahe so, als habe man einen Fluch über sie gelegt. Doch darüber wollte sie nicht länger nachdenken. Es war ein Traum, mehr nicht, versuchte sie sich einzureden. Immer wieder. Auch als Comitas ihr das Frühstück brachte und sie eigentlich Hunger haben sollte, aber keinen hatte. So wie beim letzten Mal. Sie brauchte nur die Augen zuschließen, um wieder die hungrigen Mäuler der Bestien und das Verlangen nach ihrem Fleisch in ihren Augen zusehen, um sich zu sehr zufürchten, sodass sie keinen Bissen hinunter bringen konnte.

„Tut mir leid, Comitas. Aber im Moment habe ich keinen Hunger!“, klagte sie. Comitas wirkte sichtlich betrübt, dass sie nichts von dem Frühstück haben wollte. Aber dann nickte er. „Nagut. Ich es Euch hierlassen. Aber mir versprechen, dass Ihr etwas esst, ja?“, sagte er und Lumen nickte. Musste über seine Besorgniss und auch Hartnäckigkeit fast lächeln. Er war in diesem Moment wie ihr Vater. „Ja, das werde ich. Versprochen!“, sagte sie. Mit einem zufriedenen Lächeln, verließ dann Comitas das Zimmer der Prinzessin.

Doch soleicht war es nicht, etwas zu essen. Kaum dass sie aufgestanden und zum Tisch gegangen war, um etwas Brot zu nehmen, überfiel sie ein Schwindel, der sie fast taumeln ließ. Schwankend ging sie aber dennoch zum Tisch und griff nach dem Brot. Bestrich es mit Butter und biss hinein. Ihr Magen freute sich über den Happen und schlang nun das Brot gierig hinunter. Der Hunger war offenbar größer, als ihre Furcht, die sie immernoch festhielt und im Traum verspürt hatte. Kein Wunder. Sie hatte gestern ja kaum was gegessen. Da war es nur verständlich, dass ihr Magen nun stärker war.

Und diesesmal schien es ihr auch zuschmecken.

Nach einigen Stunden kam Comitas wieder, um zu sehen, ob sie auch was gegessen hatte und als er sah, dass der Teller bis auf ein paar Krümmel leer war, lächelte er erleichtert. „Es Euch wohl geschmeckt hat?“, fragte er überflüssigerweise. „Ja!“, sagte sie. „Dann Euch umziehen?“

„Warum?“

„Na, Ihr etwa den ganzen Tag hierbleiben wollen?“, fragte nun wieder Comitas und stemmte beide Hände in die Hüften. Lumen musste dabei lächeln. Nein, dass hatte sie beim besten Willen nicht vor. So zog sie sich schnell ihr Kleid an. Comitas fragte sie, was sie machen wollte. In den Garten gehen, kam für sie nicht in Frage. Dabei musste sie nur an ihren ersten Alptraum denken. Und in die Küche? Lumen hätte gerne ihrem Freund geholfen. Sie brauchte Ablenkung. Aber sie hatte Angst, dass der Magier es bemerken würde. Sicherlich wäre er darüber noch wütender, als er es gestern schon war. Beim Anblick seiner Augen, die so voller Groll auf sie hinabsahen, wurde ihr unwohl zumute. „Was Ihr machen wollen, Prinzessin?“, fragte er wieder, als sie nicht sofort antwortete. „Ich…ähm…!“, sagte sie unschlüssig, was sie sagen oder tun sollte. Sie schwankte. Einerseits wollte sie in ihrem Zimmer bleiben. Aber andereseits wollte sie sich die Zeit vertreiben und dafür kam ihr kein anderer Ort in Frage, als die Küche. „Ach, was solls. Ich möchte in die Küche!“

Comitas strahlte über das ganze Gesicht. Freute sich wohl, dass sie sich entschlossen hatte, etwas zu machen. „Gut!“, sagte er und schaute sie nocheinmal von oben bis unten an. Er zog etwas die Nase kraus.

„Ihr Euch aber dann anders anziehen müsst. Das Kleid beim letzten Mal ziemlich ruiniert war!“, sagte er. Lumen nickte. Das stimmte. Das Kleid welches sie gestern getragen hatte, war durch die Arbeit in der Küche beschmutzt mit Mehl, Teig und Soße. Es war eigentlich ein Jammer. Solch ein schönes Kleid. Aber was solls. Wenn es ihr half, sich abzulenken.

Also zog sie statt einem edlen Kleid, Bluse und einen einfachen Rock an und band sich ihr Haar zusammen. Dann noch eine Schürze, die sie sich um die Hüfte band und ein Tuch für ihre Haare, damit diese nicht ins Essen fielen. Als sie sich im Spiegel ansah, sah sie nun hgar nicht mehr wie eine Prinzessin aus. Sondern wie ein einfaches Küchenmädchen. Es war verrückt und irgendwie unpassend, aber sie musste bei ihrem Anblick leise lachen. Wenn ihr Vater so sehen würde. Was würde er sagen. Wäre er fassungslos oder außer sich vor Entrüstung. Vermutlich würde er ihr vefehlen, dass auszuziehen und sich ihrem Stand gemäß ankleiden. Aber ihr Vater war nicht hier. Sie war nicht in seinem Schloß. Sondern in dem des Magiers.

Lumen überkam ein merkwürdiges Gefühl. Sobald sie an Tenebrae dachte, sah sie zwei Gesichter. Das eine seltsam ruhig und es gehörte einem Mann, der nichts tun wollte. Das andere wiederum war voller Grausamkeit und gehörte jemanden, der ihr drohte. Ihr vermutlich sogar etwas antun würde. Und in dieses Gesicht hatte sie letzte Nacht geblickt. Lumen drängte schnell diese grausige Erinnerung aus ihrem Kopf. Comitas trat neben sie und nahm sie bei der Hand. „Nun kommen, Prinzessin!“, drängte er sie und zog sie mit sich.
 

Unten in der Küche herrschte wiedermal heftiges Treiben und auch wenn einige von Comitas Brüdern es sich kaum ansehen ließen, waren sie erleichtert, dass die Prinzessin kam, um ihnen zu helfen. Sie spülte mit ihnen ab, schnitt Gemüse zurecht und knetete Teig. Zuerst war Lumen sich nicht so sicher, ob es nicht doch eine schlechte Idee war und schaute immer wieder zur Tür, aus Angst der Magier würde in dieser stehen und sie zurechtweisen. Ja, vermutlich aus der Küche zerren und sie in ihr Gemach einsperren. Doch warum sollte er das tun, fragte sie sich aus einem unerfindlichem Grund. Sie tat doch nichts Verbotenes. Sondern beschäftigte sich nur. Und was war schon dabei?

Das sagte sie sich immer wieder, während sie den Teig durchknetete und ihn dann zu einem Laib Brot formte. „Ihr das schon sehr gut machen, Prinzessin!“, sagte Comitas. Lumen lächelte stolz. „Gar nicht schlecht, für den zweiten Tag und vorallem für eine Prinzessin, oder!“, sagte sie und trug den rohen Teig zu Ofen. Comitas kicherte. Folgte ihr und half ihr dann den Ofen zuöffnen und zuschließen. Lumen wischte sich ihre Hände an der Schürze ab und ging zurück zu dem Tisch, wo schon der nächste Teig auf sie wartete. Geschäftig knetete sie ihn durch. Träute etwas Mehl darüber, damit er nicht an ihren Fingern klebte und knetete weiter. Comitas schaute ihr zu. In seinem Gesicht war staunen zusehen.

„Wenn Ihr so weitermachen, dann Ihr eine Küchenprinzessin werdet!“, bemerkte er, wobei Lumen grinsen musste. Küchenprinzessin, ein komischer Titel. Aber irgendwie gefiel er ihr.

Mit einem vornehmen Lächeln, nahm sie die Enden ihres Rockes und machte einen Knicks. „Gestatten, Prinzessin Lumen. Prinzessin der Küche!“

Comitas musste dabei nur mehr kichern. Machte dann eine vornehme Verbeugung. „Und ich Comitas, Fürst des Backofens!“

Das war so komisch, dass beide lachen mussten.

Die anderen warfen sich nur verwirrte Blicke zu. Wussten nicht, was sie von dem Benehmen ihres Bruders und dem der Prinzessin halten sollten. Dachten sich auch nichts dabei und machten sich weiterhin an die Arbeit. Lumen und Comitas lachten und alberten noch eine Weile herum. Lumen fühlte sich dabei wie ein kleines Mädchen und es wat ihr egal, wie albern sie auf die anderen wirkte. Sie war glücklich und das würde ihr niemand nehmen. Doch dann verstummte Comitas Lachen und sein Gesicht war voller Angst. Lumen hörte auch auf zulachen. Aber nicht weil sie sich fürchtete, sondern weil sie nicht verstand, was ihm so einen großen Schrecken eingejagt hatte. Bis sie zu der Tür blickte, in der eine Frau stand. Schwarzharrig und mit fernöstlichen Gesichtszügen. Ihre Haut war bleich, fast schon alabastafarben und ihre Augen dunkel. Schwarze Zeichnungen, die Lumen fremd waren, zierten ihre Stirn, teilweise das Gesicht und den Hals. Sie trug ein schwarzes Gewand, was mehr enthüllte, als es eigentlich verbergen sollte. Mit einem kühlen Blick schaute sie in die Küche. Sah die Zwerge herablassend an. Diese senkten den Kopf. Machten sich daran zu arbeiten. Lumen ahnte, dass diese Frau nicht einfach nur hier lebte. Anscheinend hattes ie hier genauso viel zu sagen, wie der Magier. Sie brauchte sich die kleinen Kerle einfach nur anzusehen, um zuwissen, dass sie sich vor ihr fürchteten. Lumen wandte den Blick ab. Schon allein der Blick, der in den schwarzen Augen der Frau lag, sorgte in ihrem Bauch für ein laues Gefühl. Ließ sie schaudern. Sie kannte dieses Gefühl nur zugut. Sie machte ihr genauso viel Angst wie der Magier. Vielleicht auch mehr. Dabei hatte sie sie nur angesehen. Eilig machte sie sich daran weiterzuarbeiten, um sie nicht anzusehen. Doch auch wenn sie ihr den Rücken zuwandte, spürte sie deutlich die Blicke der Frau. Fallacia lächelte, als sie sah, dass ihr Anblick bei den Zwergen die gewohnte Reaktion auslöste. Sie genoss es förmlich. Dann blieb ihr Blick bei Lumen und Comitas haften. Ein verächtliches Lächeln umspielte kurz ihre Lippen. „Sieh an, ich wusste nicht, dass wir ein neues Küchenmädchen haben!“, bemerkte sie hochmütig und kam auf die beidne zu. Comitas drehte sich zu ihr herum. „Sie kein Küchenmäden ist. Sie die Prinzessin und der Gast des Herren ist!“, erwiederte mit kühlen Ton. Fallacia wusste natürlich, wer dieses Mächen war. Es war überflüssig, dass dieser Gnom es ihr sagte. „Und warum arbeitet die Prinzessin dann hier. Anstatt in ihrem Gemach zusein. Du weißt doch, dass unser Herr es nicht gerne sieht, wenn man sich seinen Befehlen wiedersetzt!“, erwiederte sie und schaute nur flüchtig Lumen an, doch das reichte aus, um ihr das Gefühl zugeben, nicht erwünscht zusein. Lumen holte tief Luft und versuchte ihrem Blick standzuhalten. „Er ihr nichts befohlen hat. Sie kommen und gehen, wohin sie will!“, war Comitas Antwort und war um einiges schärfer, als die vorherige.

„Du nimmst dir zuviel raus, Comitas. Du vergisst wohl wo dein Platz ist!“, knurrte sie mit einem boshaften Grinsen und versetzte Comitas einen Stoss, der ihn zu Boden warf. „So ist es besser. Da gehörst du auch hin. Ganz weit unten!“

„Lassen Sie ihn gefälligst in Ruhe!“, mischte sich Lumen nun ein, weil sie es nicht ertragen konnte, dass man ihren Freund so behandelte. Fallacia hob die Brauen und sah die Prinzessin herausfordernt an. Kam auf sie zu. „Verzeiht Prinzessin. Ich wusste nicht, dass dieser da Euer persönlicher Diener ist!“, gurrte sie und rang sich ein freundliches Lächeln ab, wobei sie diesem Gör alles andere als freundlich vorkommen wollte. „Er ist nicht mein Diener. Sondern ein Freund!“, entgegnete sie und reckte das Kinn vor. Fallacia prustete fast los, als sie dies hörte. Sie sah in diesem hässlichen Zwerg einen Freund?

Lächerlich. Sie war noch viel närrischer, als Fallacia gedacht hatte.

„Oh, ist das so?“, fragte sie und schaute zu Comitas, der sich wieder aufgerappelt hatte. „Ein Zwerg und eine Prinzessin. Befreundet. Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr so schnell Euren Stand vergesst!“, sagte sie. Lumen spürte, wie die Worte dieser Frau sie trafen und versuchte es zu überspielen, indem sie sie genauso Kühl ansah, wie Fallacia es tat. „Ich habe meinen Stand nicht vergessen. Ich helfe nur meinen Freunden. Und versuche dabei zu vergessen, dass ich hier gefangen bin!“

Kaum waren die Worte aus ihrem Munde, schon veränderte sich das Gesicht der Frau. Es wandelte sich in das einer wütenden Furie und Lumen fragte sich, ob sie mehr mit dem Magier gemein hatte, als sie sich vorstellen konnte.

Fallacia musse den Drang unterdrücken, sie zu schlagen. Sie nahm sich wirklich zuviel raus. Da wurde sie schon verwöhnt, was ihr überhaupt nicht zustand und sie wagte es noch, so über ihn zureden. Gefährlich nahe kam sie ihr und beugte sich zu ihr. „Gefangen? Wenn das für Euch bedeutet gefangen zu sein, dann ist der Herr viel zugut zu Euch. Wenn es nach mir ginge, würde ich Euch gerne in den Kerker werfen und Euch nur Wasser und Brot geben, statt Wein!“

„Es aber nicht nach dir geht, Fallacia!“, sagte nun Comitas, der sich schützend vor Lumen stellte und Fallacia warnend anschaute. „Der Herr hier herrscht und du nichts zusagen hast!“

Das werden wir ja sehen, dachte Fallacia, sah nocheinmal die Prinzessin an und wandte sich dann ab. Bevor sie aber die Küche verließ, drehte sie sich noch einmal um und warf einen abgrunftief bösen Blick der Prinzessin zu. „Wenn ich Euch einen guten Rat geben darf, Prinzessin: Strapaziert seine Großzügigkeit nicht zusehr und seid dankbar für das, was er Euch gibt!“

Dann war sie verschwunden.

„Ihr Euch vor ihr hüten müsst. Sie gefährlich ist. Und nicht auf das hören, was sie sagt. Der Herr nicht so ist, wie sie behauptet!“, sagte Comitas. Tätschelte der Prinzessin die Hand. Aber seine Worte vermochten es nicht, ihre Angst zuvertreiben. Fallacias Worte hallten noch kange in ihren Ohren und etwas an ihnen war auch wahr. Sie hatte ja gestern selber gesehen, wie wütend der Magier werden konnte und dass nicht viel dazu fehlte. Nur mit wenigen Worten hatte sie dafür gesorgt, dass Magier wieder der war, vor dem sie sich fürchtete. „Und was wenn nicht. Was wenn er wirklich so ist, wie sie sagt!“, flüsterte sie und bemerkte, wie ihre Stimme nur ein Flüstern war. „Nein, er nicht so ist. Ihr mir vertrauen könnt. Und ihm auch!“

Kann ich das, fragte sie sich und schaute hinaus. Die Nacht brach herein. War wirklich schon soviel Zeit vergangen, dass es wieder soweit war. Dass sie wieder mit ihm speisen musste. Gerne wäre sie hiergeblieben. Doch wenn sie nicht ging und sich für das Essen mit ihm fertig machte, würde er vermutlich noch wütender werden und das wollte Lumen nicht.

Also ging sie mit Comitas auf ihr Gemach, nahm ein Bad und zog das Kleid an, welches Comitas ihr gab, an. Es war ein dunkelblaues Kleid, mit gerafftem Rock und kurzen Ärmel, die knapp über ihrem Ellenbogen endeten und feine Spitze aus diesem hinabfloss. Spitze war auch an ihrem Ausschnitt und verdeckte dezent den Ansatz ihrer Brust. Zuletzt bürstete sie sich ihr Haar und schaute dabei in Spiegel. Betrachtete sich im Spiegel. Nun war sie wieder eine Prinzessin und kein, wie Fallacia es ausdrückte, Küchenmädchen. Aber wenn sie bedachte, was sie nun erwartete, wäre sie lieber ein Mädchen, das in der Küche arbeitete. Würde viel lieber stundenlang am Herd stehen, Gemüse zurechtschneiden und die Töpfe und Teller abwaschen.

„Ihr soweit seien?“, fragte Comitas nach einer Weile und Lumen nickte. „Ja, bin ich!“
 

Lumen saß dem Magier gegenüber, vermied es dabei ihn anzusehen. Sie fürchtete sich zusehr, wieder in seine kalten Augen zusehen. Ein kurzes Aufflackern ließ sie aber hochschauen und sah, dass die Kerze brannte. Sie war schon fast abgebrannt. Und dennoch brannte sie. Sie sah zum Magier, der regungslos dasaß und ins Leere schaute. Warum tat er das?

War er nicht böse?

Sie hatte ihn doch gekränkt. Ach was. Sie sollte sich dabrüber keine Gedanken machen, sondern froh sein, dass er ihr immerhin die Kerze entzündet hatte. Dennoch beschäftigte sie diese Frage und hielt es nicht mehr länger aus, da er schwieg und das Schweigen war noch schlimmer, als seine Wut. „Warum…tut Ihr das?“, fragte sie und da sah er sie richtig an. „Was meint Ihr?“, kam es von ihm, als er den Kelch nahm und daraus einen Schluck Wein nahm. „Dass Ihr die Kerze anzündet? Ich dachte, Ihr seid immernoch wütend!“, flüsterte sie und senkte nun wieder den Blick. Lange sagte Tenebrae nichts. Sah sie nur an. Er war wütend aber nur ein wenig. Seit gestern Nacht hatte er kein Auge zugetan. Hatte nicht mal annähernd Ruhe gehabt. Sondern musste immer wieder an das denken, was sie ihm vorgeworfen hatte. Stimmte das etwa wirklich?

Hielt er sie gefangen und die Freiheiten, die er ihr gewärhte, waren nur Beweise seiner Grältaten. Tenebrae wollte es nicht wahrhaben. Zumindest nicht, dass er in irgendeiner rt grausam zu ihr war. Und dennoch…

Hatte er nicht selber gesagt, dass sie in seiner Nähe sein musste, wenn die Schatten ihr nicht tun sollen?

War das nicht auch Zeichen dafür, dass er sie gefangenhielt und sie an sich fesselte.

Es kam ihm völlig absurd vor. Er sollte sich eigentlich keine Gedanken darüber machen. Aber als die Prinzessin ihn fragte, durchfuhr es ihn schmerzlich. Er leckte sich über die Lippen, versuchte ruhig zubleiben, wobei in seinem Inneren ein Chaos an Gefühlen tobte. So unterschiedlich und wiedersprechend, dass er sich fragte, ob er den Verstand verlor. Vergass, wer er war.

„Nein, ich bin nicht wütend!“, sagte er und hörte in seinem Kopf eine Stimme fauchen:„ Lügener!“, aber er ignorierte dies. Sondern sprach weiter. „Aber ich frage mich, warum Ihr so schlecht von mir denkt?“, fragte er in einem ruhigen Ton und Lumen biss sich auf die Unterlippe. Sie wusste sich darauf keine Antwort. Selbst wenn sie es gewusst hätte, hätte sie es nicht sagen können. Aus Angst, ihn wieder zuverstimmen.

„Ich…ich weiss, auch nicht. Es ist die Art, wie Ihr vor mir tretet und Euch verhaltet. Ich weiss, einfach nicht, was in Euch vorgeht!“, kam es ihr dann über die Lippen und fühlte sich seltsamerweise dadurch leichter. Als würden die Worte ihre Furcht nach und nach nehmen. „Einerseits wolltet Ihr mich aus dem Schloss meines Vaters holen, weil Ihr gesehen habt, dass ich unglücklich war. Anderseits aber habt Ihr was dagegen mich in der Küche nützlich zumachen!“

Tenebrae lauschte ihren Worten und musste fast lächeln. Irgendwie amüsierte es ihn, was sie da sagte. Es klang fast so, als würde sein Benehmen sie mehr wundern als ängstigen. Er würde darüber lachen, wenn es nicht so vewirrend wäre und seinen Magen umdrehte. „Bin ich so undurchschaubar?“, fragte er. Diese Frage wunderte sie etwas. Seine Stimem war weder kalt noch herblassend. Sondern eher so, als habe sie ihm etwas erzählt, was er noch nie gehört hatte. Und das war es auch. Noch nie hatte jemand soetwas zu ihm gesagt. „Nunja…mal seid Ihr böse und macht mir Angst, aber dann seid Ihr so gönnerhaft. Wie das mit der Kerze. Dabei habe ich doch deutlich gesehen, dass Euch das Licht nicht behagt!“, sagte sie und spielte mit ihrer Servierte. Tenebrae seufzte innerlich auf, als er ahnte, auf welches Thema sie hinauswollte und rollte die Augen. „Ich sagte es Euch doch schon zum zigtenmal. Ihr seid mein Gast!“

„Ja, das sagtet Ihr und ich bin auch…dankbar. Aber ich werde mich wohl einfach nicht daran gewöhnen können!“, flüsterte sie nun, weil sie wusste, dass ihre Worte ihm vermutlich nicht gefallen würden. „Dabei seid Ihr schon gut ein halbes Jahr schon hier!“, bemerkte er und bemühte sich, seine Stimme wie gewöhnt klingen zulassen. Gelassen und so, als würde über belangloses reden. Was ihm sehr gut gelang. Lumen sprang vom Stuhl auf. Ihr Mund stand weit auf, vor Unglauben. Ein halbes Jahr erst?

Solange schon. Was war mit ihrem Vater und mit ihren Schwestern. Dachten sie noch an sie, oder hatten sie sie schon längst vergessen?

Nein, das ganz sicher nicht. Sie würden sie nie vergessen. Lumen verdrängte diesen Gedanken, konzentierte sich auf was anderes, was auch nicht ganz unwichtig ist. „Was sagtet Ihr da? Ein halbes Jahr?“, keuchte sie. Tenebrae hob eine Braue und sah sie erstaunt an. „Ja, wusstet Ihr das nicht. Habt Ihr soschnell die Zeit vergessen?“, fragte er und Lumen schluckte. Ja, das hatte sie. Zu anfang wusste sie noch, wie lange sie hier war, in dem sie die Abstände zwischen hell und dunkel zählte. Hatte es aber aufgegeben, da es ihr sinnlos erschien. Dass sie aber erst ein halbes Jahr hier war, war erschreckend. Sie dachte, sie wäre schon zwei Jahre hier. Es kam ihr zumindest so lange vor. So als habe man ihr alle Kraft genommen, sackte sie zurück in den Stuhl und schaute auf ihre Hände. Ein halbes Jahr, ging es ihr immer wieder durch den Kopf. Erst ein halbes Jahr war vergangen. Aber warum erschreckte es sie. Sie würde sowieso hierbleiben, bis sie alt und grau sein und dann sterben würde.

Ihre Augen brannten, als sie sich dies sagte und grub das Gesicht in beide Hände. Weinte obwohl sie nicht wusste, warum. „Was habt Ihr Prinzessin. Warum weint Ihr?“, fragte der Magier und kam auf sie zu. Lumen schüttelte den Kopf. Es war nicht wichtig, warum sie weinte. Und sinnlos. Es würde sowieso nichts bringen. „Es…es ist nichts. Ich bin nur überrascht, dass ich solange schon hier bin. Es kommt mir wie…ach…nicht weiter wichtig!“, erklärte sie und wischte sich ihre Tränen weg. Der Magier aber ließ sich soleicht nicht von ihren Worten beirren. Irgendwie konnte er ihr nicht glauben. Mochten es ihr Tränen sein und das Zittern in ihrer Stimme. Er konnte nicht sagen, was es war. Aber er spürte wieder diesen Stich in seinem Herzen, der ihn penigte und ihm kurz die Luft abschnürte. Tief atmete er ein und bekämpfte den Stich. Bis er nur noch ein dumpfes Pochen war. „Wenn es nicht wichtig ist, dann hört auf zu weinen!“

„Aber das tu ich doch!“

„Nein, ich sehe, dass in Euren Augen immernoch Tränen sind. Bringt diese zum versiegen!“

„Wie könnte ich das. Ich bin nicht so wie Ihr. Habt Ihr denn niemals eine Träne vergossen?“, brachte sie dann außer sich hervor und erhob sich so heftig vom Stuhl, dass dieser lautaufschlagend nachhinten fiel. Wütend und fassunglos blickte sie ihn an. Doch statt zu antworten, wandte sich der Magier ab und ging zum Kamin. Sah ins Feuer, als würde sie nicht hier im Raum stehen. Als sei sie Luft. Lange sagte er nichts und Lumen glaubte beinahe, dass er sie vergessen hatte. Aber dann drehte er sich wieder zu ihr herum und sein Blick hatte einen seltsamen Aussdruck. „Meine Tränen habe ich schon vor langer Zeit zum versiegen gebracht. Ich kann nicht weinen. Sowie auch irgendwas empfinden!“, erklärte er. „Ich habe das alles schon vor sehr langer Zeit abgelegt!“

Lumen wollte nicht glauben, was er da von sich gab. Wie konnte ein Mensch das alles, was ihn ausmachte, ihn zum einen lebendenWesen machte, einfach so ablegen. Wäre dann nichts weiter als eine leere Hülle. In seinem Fall wäre er das. Eine Hülle, aber nicht leer. Sondern erfüllt von Dunkelheit. Sie öffnete den Mund um etwas zusagen. Dass es nicht richtig war. Doch der Magier kam ihr zuvor. „Und ich bedaure es keinen einizigen Moment!“

Nun war wieder Kälte in seiner Stimme zu hören und Lumen wich vor ihm zurück. Ein Mensch, der es nicht bereute, seine Gefühle verloren zu haben, dachte sie. Ist nichts weiter als ein Dämon. Tenebrae sah deutlich in ihren Augen, was sie dachte. Und seufzte innerlich. Warum hatte er das nur gesagt?

Er sollte wissen, dass sie das nur noch mehr erschrecken und sie nun noch mehr Angst vor ihm haben würde. Genauso fragte er sich, warum er sich jetzt wünschte, diese Worte nicht ausgesprochen zuhaben. Sollte es ihm eigentlich nicht egal sein?

Warum beschäftigte es ihn. So langsam hatte er die Ahnung, dass diese Prinzessin all jene Empfindungen in ihm weckte, die er für verloren glaubte. Und davor fürchtete er sich.

Lumen senkte den Blick und wünschte sich, nicht in seiner Nähe zusein. Wenn er schon so etwas sagte, zuwas wäre er dann in der Lage. Wieder sah sie in ihm das Tier, welches ihr Angst machte.

„Vor mir braucht Ihr Euch nicht zu fürchten!“, sagte er und kam auf sie zu. Lumen wich zurück. Er konnte ihr Versprechungen geben soviel er wollte. Er würde nie die Angst vor ihm von ihr nehmen können. Dies war auch in ihrem Gesicht zusehen. Tenebrae sah ein, dass es keinen Sinn hatte, sie davon zu überzeugen, dass er ihr nichts tun würde. Mit steifen Bewegungen drehte er sich um, ging zur Tür. Bervor er diese öffnete, um den Raum zuverlassen, sah er über die Schulter zu ihr. „Meinetwegen könnt Ihr weiterhin in der Küche helfen. Wenn es Euch Freude bereitet, soll es mein Schaden nicht sein!“, waren seine letzten Worte und rief dann nach Comitas.

Diese Worte verwirrten sie nun. Warum hatte er aufeinmal erlaubt, dass sie in der Küche aushalf. War er nicht dagegen gewesen. Lumen wusste einfach nicht, was sie davon halten soll. Von ihm halten soll.
 

Fallacia schäumte vor Wut. Sie hatte gesehen, wie der Magier und die Prinzessin sich wieder angenähert hatten, und wie ihr nicht mehr grollte. Dabei sah es so vielverspechend aus. Aber nun war ihre Hoffnung zunischte gemacht. Verdammt. Und sie konnte auch nicht das Gift in ihren Wein tröffeln. Das bedeutete, dass sie ihrem Ziel wieder weit entfernt war. Wieder fluchte Fallacia und schwor sich, dass ihr nicht noch mal so ein Fehler unterlaufen wird.

„In der nächsten Nacht wird sie dem Tode geweiht sein!“
 

Ausnahmsweise war Lumens Schlaf ohne irgendwelche Alpträume und war auch das Aufwachen viel ruhiger und frischer, als die letzte Nacht. Als Comitas hineinkam, sah er zufrieden aus und lächelte. „Wie ich sehen, es Euch besser geht!“, sagte er und schob den kleinen Wagen mit dem Frühstück hinein. „Ja, das tut es. Kein Alptraum heute Nacht!“, verkündete sie erleichtert, dass sie eine ruhige Nacht hatte und schlüpfte in ihren Morgenmantel. Ging zu dem kleinen Tisch und wollte gerade frühstpücken, als sie innehielt und mit großen Augen auf die Rose blickte, die auf einem Teller lag. Sie war blau. Verwundert und auch mit einem freudigen Laut nahm sie die Rose und drehte sie. Fühlte sie. Roch an ihr, um sich sicher zusein, dass sie keine Täuschung war. Ihr Herz machte einen Hüpfer. Sie roch zwar, aber nicht so wie es eine Rose tun sollte. Sie hatte den salzigen frischen Geruch des Meeres und des Windes.

Lumen konnte es nicht glauben. Trotzallem was sie gerade dachte, dass sie nicht fassen konnte, wurde sie sich eins bewusst: Sie war echt!

Lumen schaute zu Comitas, der sich ein Grinsen verkneifen musste und hatte so das Gefühl, dass er etwas mit dieser kleinen Überraschung zutun hatte. „Comitas, weißt du, woher…?“, wollte sie fragen, doch da kicherte Comitas. „Neinnein, ich nichts sagen!“, waren seine Worte und schon er auch draußen.

Lumen fragte sich, was das zubedeuten hatte. So hatte sie ihren kleinen Freund nie erlebt. Es wirkte fast schon, als käme diese Rose wirklich von ihm. Konnte es sein, dass sich der kleine Zwerg in sie verliebt hatte?

Lumen musste über diesen Gedanken fast schon lachen. „Nein sicher nicht. Er wollte mir bestimmt nur eine Freude bereiten!“, dachte sie sich und aber auch diese kleine Geste ließ ihr Herz vor Freude weiterhin schneller schlagen, als es gut war. Der gute Comitas, dachte sie bei sich. Er war wirklich ein guter Freund. Wenn er das nächste Mal zu ihr kam, würde sie sich bedanken. Jetzt war sie zu überwältigt, um ihm sofort zu danken.
 

Mit froher Laune kam Comitas ins Gemach seines Herren, der schon ungeduldig auf ihn wartete. „Und, hat sie sich über die Rose gefreut?“, fragte er und versuchte die Aufregung in seiner Stimme zu unterdrücken. Seit gestern Nacht, als er gesehen hatte, dass seine Worte über seine Gefühle, sie erschreckt hatten und nicht mal sein Versprechen, dass er ihr nicht tun würde, diese Angst linderte, konnte er an nichts anderes denken. Wieder bereute er seine Worte. Und wusste nicht, was er tun konnte, um sich ein reines Gewissen zumachen und ihr sein Versprechen zuverdeutlichen. Es war das erste Mal, dass er sich in so einer Situation fand und es behagte ihn nicht. Es ließ sein Herz verkrampfen und raubte ihm die Luft. Vorallem die Gewissheit, dass es ihn selber schwer traf, dass sie ihm nicht vertraute.

Da erinnerte er sich an die Rosen im Garten, die ihr Mitleid weckten und mit Hilfe seiner Kräfte ließ er eine von ihnen zum neuen Leben erwachen. Doch anders als jede normale Rose, war diese meeresblau und hatte den ebenso gleichen Duft. Sofort hatte er diese Comitas gereicht und ihm befohlen, sie der Prinzessin zu überbringen. Hatte gewartet, bis sein treuer Diener zurückkehrte. Eine nie gekannte Unruhe nahm von ihm Besitz. Ließ ihn kaum denken. Immer wieder kreisten seine Gedanken um sie. Um die Prinzessin und wie sie dabei reagieren würde. Nun stand Comitas neben ihm und strahlte über das ganze Gesicht. „Ja, sie es erst gar nicht glauben konnte. Als aber sie an der Rose roch, da ihr Gesicht hättet Ihr sehen sollen!“, verkündete er und Tenebrae schöpfte Hoffnung. Doch diese schwand dann wieder kaum dass sie richtig in ihm aufgeblümt war. „Weiss sie, dass die Rose von mir ist?“, fragte er. Und Comitas freudige Miene erblasste. „Nein, ich denken, dass Sie glauben, sie von mir seien!“, erklärte er und Tenebrae seufzte schwer. Natürlich. Comitas war ihr einziger Freund hier und dass sie dachte, er hätte ihr diese Rose geschenkt war nur gut nachvollziehbar. Sie würde niemals darauf kommen, dass er es war, der die verwelkte Rose zum neuen Leben brachte. Dafür fürchtete sie sich zu sehr. Er hatte selber dafür selber gesorgt.

Comitas sah, dass seinem Herr diese Nachricht schmerzlich traf und kam etwas näher. Stellte sich neben ihn und schaute ihn mit niedergeschlagenen Augen zu ihm hinauf. „Herr, wenn Ihr erlaubt…!“, sagte er und Tenebrae sah zu ihm hinunter. Gab ihm mit einemWink zuverstehen weiterzusprechen. „Vielleicht ihr Vertrauen gewinnen, wenn Ihr offen zeigt, was Ihr empfindet!“

Da hob der Magier die Brauen. Ihr zeigen, was er empfindet?

Wie sollte er das und wie kam sein Diener darauf, dass er etwas fühlte. War es ihm so deutlich anzusehen. War er so durchschaubar?

Nein. Das konnte nur ein Irrtum sein. Ein absurder Irtum. „Ich glaube kaum, dass das etwas ändern würde. Du hast sie selber gesehen, wie sie mich angeblickt hat!“, sagte er trocken. Comitas erwiederte darauf nichts. Ja, das hatte er. Aber nur weil sein Herr sagte, dass er seine Gefühle vorlanger Zeit aus seinem Herzen verbannt hatte und es nicht bereute. Das hatte sie zutiefst erschüttert. „Ihr ja auch das falsche gesagt habt!“, murmelte er und da sah sein Herr ihn an. Entrüstet und auch etwas erbost, dass sein getreuer Diener sich anschickte, sowas zuerwähnen. „Wie sollte ich, wenn es stimmt!“, fuhr er ihn an und stand auf. Der Sessel in dem er noch saß rutschte etwas nachinten und schabte über den Teppisch. Ging zum Feuer hin und schaute mit grimmiger Miene heinein. In ihm tobten Gefühle, die er kannte und auch wieder nicht. Wut, Zorn. Verwirrung, Schmerz. Sie rangen miteinander und ließen sein Herz fast zerspringen. Er schloss die Augen, biss sich auf die Unterlippe und wusste nicht, welchem Gefühl er nachgeben sollte. Es war verrückt, so etwas noch in sich zuspüren. Er hatte immer gedacht, dass er nicht mehr im Stande sei etwas zu fühlen. Aber wie es aussah, war immer noch etwas in ihm. Ewas aus seinem alten Leben. Tenebrae schauderte und versuchte nicht mehr daran zudenken. Er wollte nicht wahrhaben, dass sein Diener die Wahrheit gesprochen hatte. Comitas stand da und sah zu seinem Herren. Sah welchen Kampf er innerlich ausfocht. Und trotz dass es besser gewesen wäre zu schweigen, musste Comitas sprechen. „Herr, bitte bedenkt Ihr doch…!“, versuchte er es. Doch drehte sich sein Herr herum und sah ihn aus vor wütend funkelnden Augen an. „Genug davon. Ich will nichts mehr hören. Geh jetzt. Ich will allein sein!“, befahl er ihm und Comitas folgte dem Wunsch des Magiers und verließ sein Gemach. Ließ ihn allein, mit dem Kampf, der immernoch in ihm tobte und ihn aufwühlte, wie der Wind das ruhige Meer.
 

Lumen wollte nicht in die Küche, sehr zum Erstaunen Comitas, sondern in die Bibliothek. Wollte schon, als er ihr das Schloss zeigte, sich auf die bequemen Möbeln niederlassen und somit die Zeit verstreichen lassen und es sich in den alten Sessel gemütlich machen. Doch bisher hatte sie keinen Grund dafür gehabt. Natürlich hätte sie sagen können, dass sie lesen wollte. Aber das hätte nur zum Teil gestimmt. Das unfreiwillige Treffen mit Fallacia und ihre zuletzt unheilvollen Worte hatten sie etwas erschreckt und auch die des Magiers. Besonders die des Magiers. Sie wollte immernoch nicht wahrhaben, dass es einen Menschen gab, der sich von seinen Gefühlen losgesagt hatte. Aber vermutlich war sie zu naiv, um das zu begreifen.

Comitas hatten ihren Wunsch natürlich erfüllt. Er wunderte sich zwar immernoch, aber er sagte nichts. Etwas anderes, nicht minder niedergeschlagenes beschäftigte ihn und Lumen sah ihrem kleinen Freund an, dass ihn irgendwas bekümmerte. Als sie ihn jedoch danach fragte, winkte er nur ab und sagte, dass es nichts Schlimmes sei. Lumen aber konnte es ihm nicht so recht glauben. Jedoch drängte sie ihn nicht weiter. Sie hatte ja selber ihre Probleme.

„Ich Euch einige Kerzen anzünden werden. Dann Ihr was sehen können und es nicht ganz so dunkel sein wird!“, erklärte er, als sie die Bibliothek betraten und er schon zu den Kerzenständern ging, um sie anzuzünden. „Danke dir!“, sagte sie. Als der Raum nun einigermassen heller war, ging Lumen zu den Bücherschränken. Ließ den Finger suchend über die Bücherrücken wandern. Sie waren nicht beschriftet, sodass Lumen hinundwieder ein Buch nach dem anderen hervor ziehen und hineinschauen musste, um zusehen, was sie da in der Hand hatte. Zu Anfang dachte sie, hatte sie gehofft, dass sie Bücher über alte Legenden und Mythen finden würde. Legenden von magischen Wesen, die Gutes taten und Böses besiegten. Und über edle Herren und mutige Helden, die ihren Mut in großen Schlachten bewiesen und die Herzen junger Prinzessin eroberten. Mit ihnen glücklich werden. So wie Cor und der Hauptmann Fidus. Lumens Herz og sich bei der Erinnerungen an ihrer Schwester zusammen. Ob sie den Hauptmann geheiratet hatte?

Und Kinder mit ihm bekommen hatte?

Der Schmerz war kaum zuertragen und Lumen versuchte sich auf die Bücher vor ihr zu konzentieren.

Doch alle Bücher, die sie sich ansah, waren Bücher über alte Magie und Zaubereien. Vermutlich waren das alle, dachte sie.

Als so sie Buchreiche von Buchreihe entlang schritt und sich jedes Buch anschaute, musste sie feststellen, dass sie hier nichts fand, was sie suchte. Fast schon ein wenig enttäuscht seufzte sie auf und blieb stehen. Sah zu den anderen Buchreihen, die sie noch nicht in Augenschein genommen hatte und zu den obrigen, in der Galerie.

Was wenn es hier überhaupt keine Bücher über alte Legenden gab?

Was wenn Tenebrea sich nichts aus solchen Büchern machte?

Er war ja ein Magier und Magier verbrachten bestimmt nicht ihre Zeit mit den Lesen von Legenden. Nein. Eher mit dem Studium ihres Elements. Ob Gut oder Böse. Das schien keine Rolle zuspielen. Sie kannte es von den Magiern ihres Vaters. Manche von ihnen waren förmlich davon besessen, neue Formeln und Rituale zuerfroschen und auszuprobieren. Selten ließen sie sich mal im Schloss blicken und wenn, dann nur auf Befehl ihres Vaters, wenn er ihre Hilfe brauchte. Ansonsten blieben sie in ihren Behausungen.

Lumen hatte sich als kleines Kind immer vor ihnen gefürchtet, wenn sie vor ihren Vater traten. Ihre ernsten, meistens alten Gesichter, die auf einen fernen Pukt gerichtet waren, verfolgten sie in ihren Träumen und ließen sie mehr als einmal verschreckt aufwachen. „Du brauchst dich vor den Magiern deines Vaters nicht zu fürchten, Lumen!“, hatte ihre Mutter immer gesagt und sie gestreichelt. Ihre liebe Mutter.

Wie sehr sie sie vermisste. Besonders jetzt, wo sie an sie dachte. Lumen war ein kleines Mädchen gewesen, als sie starb. Eine schwere Krankheit hatte sie dahingerafft. Und danach hatte Lumen eine Zeit lang ihr Zimmer nicht verlassen und nur geweint. Auch ihre schwestern weinten, doch sie waren älter und stärker als sie und konnten den Schmerz damit umsoleichter vergessen. Nach einiger Zeit hatte auch sie ihn vergessen. Aber nun kam er wieder und holt4e sie mit solcher Wucht ein, dass sie kurz meinte, in die Knie zugehen. Lumen versuchte den Schmerz zuverdrängen, oder zumindest zulindern, in dem sie sich in Erinnerung rief, dass sie ihr hochundheilig versprochen hatte, sie niemals zu verlassen. Dabei schweifte ihr Blick auf den Ring, den sie am Finger trug. Ein goldener Ring mit einem dunkelgrünen Smaragd eingefasst. Ihre Mutter hatte ihn Lumen an ihrem Sterbebett gegeben und ihr gesagt, dass dieser Ring nur dem gegebern werden sollte, den sie liebte. Doch bisher hatte Lumen noch nie geliebt und so blieb der Ring weiterhin in ihrem Besitz. Außerdem erschien es ihr wie eine Beleidigung ihrer verstorbenen Mutter gegenüber, wenn sie diesen weggab. Niemals würde sie diesen Ring einem anderen geben können. Mochte sie ihn auch sosehr lieben. Mit einem traurigen Lächeln strich sie über den Ring und sagte leise in Gedanken:„ Ach, Mutter. Wenn du jetzt hier wärst. Hier bei mir!“

„Prinzessin Lumen. Ihr Euch nicht wohl fühlen?“, fragte Comitas und holte sie so aus ihren Erinnerungen. Lumen zwang sich, nicht mehr den Ring anzusehen und an das zu denken, warum sie eigentlich hier war. „Ich…ach, es ist nichts. Aber bitte sag mir, Comitas: Gibt es hier auch Bücher mit alten Geschichten und Legenden?“

Comitas Augen wurden vor Erstaunen größer und er schien erstmal selber überlegen zumüssen. Aber dann nickte er. „Ja, die es hier gibt. Sie etwas verstckt sind, weil sie kaum noch gelesen werden. Leider. Es wirklich schöne Geschichten sind!“, erklärte er und führte sie zu einer Ecke des Raumes hin, in der ebenfalls ein Schrank stand, nur war dieser nur mässig mit Büchern gefüllt. Wie die anderen waren auch diese abgenutzt und alt. „Hier, das sie seien!“, erklärte er.

Lumen zog drei von ihnen hervor. Comitas vier und trug sie gemeinsam mit der Prinzessin zudem kleinen Tisch, neben dem Diwan. „Ich Euch noch Tee und Kekse bringen werden!“, sagte er, wofür ihn Lumen sehr dankte. Bücher über Legenden, Tee und Kekse. Fast wie zuhause, dachte sie, als sie sich auf den Diwan setzte und sich das erste Buch nahm. Schon als sie die ersten Sätze gelesen hatte, war sie ganz gefangen und ließ sich immer weiter in die Geschichte hineinziehen. Anders als die Bücher, die sie im Schloss ihres Vaters gelesen hatte, schienen diese ein Eigenleben zu haben. Ihr mit leiser Stimme zu erzählen, was in ihnen geschrieben war. Lumen durchlief es kalt. Aber es war ein angenehmer Schauer. Die Stimmen hatten etwas Ruhiges, Harmonisches und vermochten es ihrer Phantasie Flügel zuverleihen. Malten Landschaften in ihren Geist, die sie noch nie gesehen hatte und nie gedacht hätte, dass es sie geben würde. Sah die Menschen, die darin spielten und beschrieben waren, so deutlich, dass meinte, sie würden vor ihr stehen.

In wenigen Minuten schon hatte sie sich in den Geschichten verloren und sobald sie das erste Buch fertiggelesen hatte, hatte sie sich das nächste genommen und versank erneut in der Welt, die die Bücher ihr offenbarten.

Lumen vergass dabei die Zeit und als Comitas wieder in der Bibliothek trat, um sie zum Abendessen zuholen, war ihr Erstaunen groß. „Ist es schon so spät?“, fragte sie ihn. „Ja, der Herr Euch schon erwarten!“, erklärte er. Lumen zauderte. Reumütig blickte sie zu dem Buch, das sie in der Hand hielt und dann zu denen, die noch ungelesen auf dem Tisch lagen. Wusste nicht sorecht was er machen sollte. Gerne wäre sie noch länger in der Bibliothek gelieben und hätte noch weitergelesen. Diese Bücher gefielen ihr. Sie waren so ganz anders, als die, die sie bisher gelesen hatte. „Ich habe nicht gedacht, dass so spät ist!“, sagte sie und legte das Buch auf den Tisch. Comitas grinste über beide Ohren. „Ich mir das gut vorstellen kann!“, sagte er, wurde dann aber wieder ernst. „Nun aber bitte Euch umziehen. Der Herr schon ungeduldig ist!“

Lumen seufzte, sah noch einmal zu den Büchern, ehe sie sich vom Diwan erhob und die Bibliothek verließ. Sie würde sie morgen weiterlesen.

Das Kleid, welches Comitas ihr gab, war violett und an den Ärmeln enggeschnitten, wobei die Enden etwas breiter wurden und fast ihre Hände bedeckten. Es war schulterfrei und der Rock fiel wie ein Wassefall hinunter.

Lumen strich bewundernt über den Stoff. Wie jedes Kleid, das sie hier getragen hatte, war auch dieses wunderschön anzusehen. Und sie fragte sich, woher ihr treuer Freund nur diese Kleider hatte. „Comitas, woher hast du all diese herrlichen Kleider?“, fragte sie ihn und Comitas hatte ein verschwörerisches Grinsen im Gesicht. „Ach, das sei ein kleines Geheimniss!“, sagte er nur wobei Lumen sich nicht damit zufrieden gab. Sie brannte darauf zu erfahren woher diese Kleidungsstücke kamen. Nach solanger zeit hatte sie ja wohl ein Recht darauf. „Bitte, Comi sag es mir!“, bat sie ihn. Aber Comitas winkte nur ab und sagte, dass sie jetzt gehen sollte, ehe sein Herr noch wirklich ungehalten über ihr zuspätkommen wurde.

Der Magier erwartete sie schon. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf der Lehne seines Stuhls herum und sah dann mit finsterer Miene zur Prinzessin. Schnell machte sie einen Knicks und entschuldigte sich, dass sie ihn hat warten lassen. Eilig ging sie zu ihrem Stuhl. Doch bevor sie sich auch nur setzen konnte, stand er neben ihr und rückte für sie den Stuhl zurecht. Lumens Erstaunen war groß und sah den Magier an, als würde sie ihn nicht wiedererkennen. Er jedoch ließ sich nichts anmerken und setzte sich an seinen. Lumen sah ihn immernoch erstaunt an. Das war neu. Bisher hatte er sich nicht die Mühe gemacht, ihr wie ein Kavalier zu benehmen. Es passte nicht zu ihm. Und doch. Irgendwie freute es sie, dass er nun nicht mehr wütend auf sie zu sein schien. Sogar eine Kerze brannte. Lumen wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Wieder sah sie sich einem ganz anderen Menschen gegenüber. Einem anderen Mann, der ihr keine Angst machte. Sie wollte ihn schon fragen, was der Grund seinem Sinneswechsel war, als ihr der Magier zuvor kam. „Ich hörte, dass Ihr Euch in der Bibliothek die Zeit vertrieben habt und dabei vergessen habt, wie spät es wurde!“, sagte er knapp und in seiner Stimme schwang etwas wie Belustigung mit. Lumen nickte nur. War nicht in der Lage etwas zusagen. „Haben denn die Bücher Euch gefallen?“

„J-ja, sehr sogar!“, kam es schließlich aus ihrem Mund.

„Hm, ich habe lange nicht mehr in diesen Büchern gelesen!“, murmelte der Magier, mehr zu sich selbst. Lumen aber hörte dies. „Warum, diese Bücher, diese Geschichten sind doch so voller…voller Magie. Wieso lest Ihr sie nicht?“

Tenebrae antwortete nicht gleich darauf, sondern schwieg eine Weile und schaute vor sich hin. Er kannte diese Bücher und deren Geschichten. Hatte sie einst selber leidenschaftlich gelesen und sich von ihnen mitreisen lassen. Dies lag aber schon so lange zurück und er hatte sein Interesse an diesen verloren. Für waren sie nichte weiter als dumme Märchen, von Menschen, die es nicht gibt und die es niemals geben wird. Jedoch freute es ihn, dass die Bücher der Prinzessin gefielen. Er lächelte etwas. „Nun, als Kind mögen sie zwar wundervoll sein, aber für einen Magier sind sie bedeutungslos!“

Lumen schnappte nach Luft, als sie das hörte. Für Kinder?!

Soll das heissen, dass sie für ihn ein Kind war?

Lumen wollte darauf etwas erwiedern, aber sie beherrschte sich. Egal was sie auch sagte, es würde den Magier nicht kümmern. „Wenn Ihr so denkt, dann…!“, flüsterte sie und wagte es nicht, den Satz zu beenden. Zumindest nicht laut. „…Dann tut Ihr mir leid!“

Um sich nichts anmerken zulassen, nahm sie den Löffel und schöpfte damit etwas von der Suppe auf. Tenebrae sah sie lange schweigend an und konnte deutlich in ihren Augen sehen, was sie dachte. Mitleid!

Das letzte was er wollte. Er hatte selber dieses Leben gewählt und würde es weiterführen. Mitleid von irgendjemanden gaben ihm das Gefühl, etwas getan zuhaben, was er bereuen würde. Was er bereuen sollte. Ein wirklich störendes Gefühl und er wünschte sich, dass die Prinzessin ihn nicht mehr so ansehen würde. Das war schlimmer, als jedes Licht.

„Wenn Ihr Euch an den Büchern erfreut, soll es nicht schaden!“, sagte er beiläufig. Lumen sagte darauf nichts. Was denn auch. Es würde nichts bringen. So nickte sie nur und aß weiter.
 

Fallacia sah zu, wie die verhasste Prinzessin die Suppe aß und etwas von dem Wein trank.

Nervöse Ungeduld machte sich in ihr breit. Sie knetete die Hände. Aber auch grimmige Zufriedenheit. Diesesmal hatte sie nicht nur den Wein, sondern auch das Essen vergiftet. Zwar würde die Prinzessin nicht mehr langsam dahinsichen, aber das war es ihr auch wert. Sie wollte sichergehen, dass es nun endlich mit ihr aus sein würde. Dass die Prinzessin nicht gerettet werden konnte. Neben der Ungeduld und der Zufriedenheit, stieg auch die alte Eifersucht in ihr hoch. Sie hatte gesehen, dass ihr Herr diese Rose für die Prinzessin erschaffen hatte. Das glich schon an ein Sakrileg.

Was kümmerte es ihn eigentlich, dass sie nicht hier glücklich war. In ihren Augen war sie, egal was ihr Herr sagte, eine Gefangene und hatte eigentlich keine Rechte oder Freiheiten. Zugerne würde sie sie in einer dunklen Kerkerzelle schmachten sehen, bis sie starb.

Warum tat er das überhaupt?

Etwa um ihr eine Freude zumachen?

Pah!

Wie tief war ihr Herr da schon gesunken. Fast schon hätte sie ihn dafür ebenso gehasst. Ihn angeschrien. Aber dann hätte er wiederum sie in die Schranken gewiesen und das wäre sicherlich nicht ohne Schmerzen ausgegangen. So hielt sie sich zurück und beobachtete, wie die Prinzessin das Gift trank. Ein hähmisches Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sich umdrehte und verschwand. „Sterbt wohl, Prinzessin!"
 

Lumen war wieder daheim. Im Schloss ihres Vaters, bei ihren geliebten Schwestern, die sie erst voller Unglauben ansahn, sie dann aber freudestrahlend umarmten. Sie küssten und Gott dankten, dass sie ihre jüngste wieder hatten. Auch ihr Vater war außer sich und schloss sie ebenso in die Arme. Lumen spürte, wie ihr Herz vor Freude hüpfte und alles, was sie bisher im Schloss des Magiers erlebt hatte, geriet sofort in Vergessenheit. Als sie so vor ihnen stand, glaubte sie erst, es sei einfach nur ein schöner Traum, so wie der erste, den sie hatte. Doch dann, als sie spürte, wie sie in den Armen ihrer Schwester und ihres Vaters lag, hatte sie keinen Zweifel daran. Sie war wirklich zurück. Dankbar darüber lehnte sie sich an die warmen Körper und genoss es. Auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie sie hierhergekommen war oder was sie hiehergebracht hatte, war sie dennoch froh. Niemals mehr in dieser finsterten Festung zusein und der Dunkelheit gegenüber stehen zu müssen.

Nun würde sie wieder im Licht sein und es mehr genießen, als zuvor. Da sie nun erlebt hatte, was es hiess, alles, was einem wichtig war zuverlieren.

Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen, setzte sich auf einen Sessel. Ihre Schwestern und ihr Vater setzten sich dazu und ein Diener brachte Tassen und eine Kanne mit duftendem Tee.

Trotz der Freude, dass sie nun wieder zurück war, hatte sie immernoch so ein komisches Gefühl im Bauch und der Tee sollte ihr helfen, dieses auszulöschen. Natürlich wollten ihre Schwestern und der König wissen, wie es ihr ergangen war und Lumen musste sich schon fast überwinden, zu erzählen, was sie erlebt hatte. Mit jeden Wort, dass sie sprach und versuchte den Magier so zu beschreiben, wie er auf sie wirkte. Drohend, böse und nicht zudurchschauen. Aber irgendwie konnte sie es selber nicht so recht glauben. Als würde eine Stimme in ihr dagegenprotstieren. Lumen schenkte ihr keine Beachtung. Oder versuchte es zumindest. Dennoch erzählte sie auch, dass er gut zu ihr war. Dass er mit ihr speiste und sie wirklich behandelte, wie einen Gast.

Ihre Schwestern staunten mit offenen Mündern als Lumen erzählte, wie es ihr im Schloss des dunklen Magiers erging und auch, als sie ihnen erzählte, dass er ihr einige freiheiten gab. „Das ist wirklich erstaunlich!“, kam es von Cor, die als erste ihre Stimme wiedergefunden hatte. „Er hat dir Zimmer gegeben und Kleider hattest du auch. Ich dachte er würde dich in ein kaltes Verließ stecken, bei Wasser und Brot!“, sagte sie und Lumen hob nur die Schultern. „Das dachte ich am Anfang auch. Aber er war wirklich, naja…sagen wir so, sehr freundlich!“, erklärte sie. Auch wenn er mir manchmal Angst machte, dachte sie und nippte an ihrer Tasse. Fortitudo schürzte etwas die Lippen. „Freundlich!“, murmelte sie. „Also auf mich hat er den Eindruck eines wilden Tieres gemacht, dass nach seiner Beute verlangte!“

Lumen schauderte bei diesen Worten ihrer Schwester. So hatte sie ihn auch gesehen. Und hatte sich vor ihm gefürchtet. Doch nun war sie wieder daheim und ihr würde sicher kein Leid geschehen. Glücklich darüber wieder bei ihren Liebsten zu sein. Und doch. Irgendwie bereute sie es, nicht mehr dort zusein, wo sie einst eingesperrt war. Lag es vermutlich daran, dass sie nicht mehr Comitas sehen würde. Er war ihr ein guter Freund in dieser finsteren Festung gewesen und ihn niemals wieder zusehen, versetzte ihr einen Stich. Aber auch den Magier würde sie nicht mehr sehen können. Der Stich wurde noch schlimmer, als sie an ihn denken musste. Aber warum?

Was hatte er, dass sie an ihn denken musste und ihr Herz so schwer wurde. Etwa seine Augen, die leuchteten in der Dunkelheit, wie Sterne und so blau waren wie der Himmel, bei einem sonnigen Tag?

Nein, ganz sicher nicht. Sie versuchte angestrengt nicht mehr an ihn zu denken. Und wenn, dann nur, als er ihr drohend erschien und sie ängstigte. Doch es war vergebens. Etwas in ihr weigerte sich, ihn so zusehen. Als würde ihr Herz es nicht wahrhaben wollen. Ihr Herz?

Lumen wusste nicht, was sie dagegen sagen oder tun konnte. Sie brauchte nur an ihn zu denken, schon schlug es ihr bis zum Hals. Wie um sicher zugehen, dass es auch wirklich ihres war, legte sie die Hand darauf und merkte, wie es schlug. Ba-Bumm. Ba-Bumm. Ba-Bumm.

Ihr Schlagen wurde immer stärker, mit jedem Gedanken, den sie dem Magier schenkte. „Was ist das bloss?“, fragte sie sich und schloss für einen kurzen Augenblick die Augen. Sah ihn dann deutlich vor sich. Das Gesicht, der Mund, die Augen, sie hin ihren Bann zogen. Das dunkle Haar. Er war so wirklich, dass sie glaubte, er würde wirklic vor ihr stehen, sowie es ihre Schwestern und ihr Vater jetzt taten. „Lumen!“, flüsterte er und sie erschauderte. Kein Groll oder Bitterkeit lag in seinem Ausruf, sondern etwas anderes. Etwas Sehnsüchtiges, Verlorenes. So als würde er nach ihr Rufen. Nicht um sie wieder einzusperren, sondern weil er sich nach ihr…verzerrt. Aber warum sollte er das?

Ihm lag doch nichts an ihr!

Oder etwa doch?

Lumen wollte nicht länger darüber nachdenken und öffnete die Augen. Aber auch wenn sie jetzt die Augen geöffnet hatte, sah sie ihn vor sich. Er ließ sie einfach nicht los. Das sahen auch ihre Schwestern und ihr Vater. „Was hast du, Liebes. Freust du dich nicht bei uns zusein?“, fragte ihre älteste Schwester. Lumen schüttelte den Kopf. „Doch, aber ich…ich kann ihn…es einfach nicht vergessen!“, flüsterte sie und blickte in ihre Tasse. Der Tee sah nun etwas dunkler und sie meinte in diesem das Spiegelbild des Magiers zusehen. „Was hat er nur getan, dass du so bedrückt bist?“, fragte Cor und in ihrer Stimme schwang Trauer mit. „Nichts…nichts was schlim…arrghhh!“

Als Lumen aufschaute, durchfuhr es sie eiskalt und sie drückte sich in Panik gegen die Rückenlehne ihres Stuhls. Von einem Moment auf den nächsten hatten sich die Gesichter ihres Vaters und ihrer Schwestern in grässliche, sprechende Todenköpfe verwandelt. Das Fleisch fiel ihnen förmlich von den Knochen und die Augen verschwanden in den schwarzen Höhlen. Nur die Kleider wiesen daraufhin, wer diese Gebeine waren. Lumen sprang auf und wich zurück. Blankes Entsetzen erfasste sie. Was war bloss mit ihnen passiert?

Noch für einen kurzen Moment hatten sie die Gesichter derer, die sie liebte und nun waren sie grässliche Ungeheuer. Als würden sie Lumens Entsetzen nicht sehen, standen die Skellete auf und gingen auf sie zu. „Was hast du, Lumen. Warum bist so voller Angst?“, fragte das Skellet, was einst mal Fortitudo gwesen war und streckte seine Knochenhand aus. Lumen wich noch weiter zurück. Wollte nicht, dass die Totenhand sie berührte. „Wir sind es doch. Erkennst du uns nicht?“, sagte nun das, was Cor war. Aber was war mit ihrer Stimme. Es war nicht mehr die, die ihrer Schwester gehörte. Sondern die eines Dämons. Tief und grollend. „Nein…nein!“, schrie Lumen entsetzt und sah, wie die Ungeheuer weiter auf sie zukamen.

„Aber Lumen. Was ist denn?“, kam es nun vom des Königs, ihres Vaters. Auch seine Stimme hatte sich verändert.

Lumen war nicht in der Lage etwas zusagen. Zu entsetzt war sie über die grausigen Gestalten, die mal ihre Familie gewesen waren. Nun veränderte sich auch der Raum, in dem sie war. Die herrlichen Tapetten blätterten ab, fielen hinunter wie welkes Herbstlaub. Gaben daruner den nackten Stein darunter frei und das Feuer erlosch. Die Möbel, auf denen sie noch gesessen hatten, vermoderten und dicke Spinnen webten ihre Netze darüber. Es ging so schnell, dass Lumen glaubte, die Zeit würde dahinrasen. Fassungslos starrte sie auf den Raum, der nun mehr einer kalten Gruft ähnelte. Nun er nicht mehr gemütlich und es herrschte keine Geborgenheit darin. Sondern das Grauen. Und sie war allein. Allein mit diesen schrecklichen Kreaturen. Sie ging immer weiter zurück, bis sie die Wand in ihrem Rücken spürte, die ihr jeden Fluchtweg versperrte und blickte mit schreckgeweiteten Augen auf die Gerippe, die immer weiter auf sie zugingen. „Liebste Schwester. Blein doch hier. Wir haben dich so vermisst!“, kam es krächzend aus dem Knochenmund von dem Skellet, dass mal ihre älterste Schwester war. „Ja, blieb doch. Wir wollen dich in unsere Arme schließen!“, kam es nun von dem anderen, dass Cor gewesen war. „Lumen, mein geliebtes Kind!“, lallte das Skellet des Königs und streckte seine knochigen Hände nach ihr aus. „Komm an meine Brust!“

„Nein…nein. Bleibt weg!“, wimmerte Lumen und sank hilflos und vor Angst zitternt in die Knie. Mit ängstlichem Herzschlag blickte sie zu den Ungeheuern. Sah, wie sie immer näher kam und ihre Hände sich schon berührte. Eisige Schauer rannen ihr über den Rücken, als der erste Knochenfinger sie an der Wange berührte und darauf andere folgten. Mit einer makaberen-zärtlichen Geste strichen sie ihr über das Gesicht. Immer wieder. Lumen fühlte neben der Angst auch Ekel in sich hochkommen. Beides nahm ihr die Luft zum atmen.Vergebens versuchte sie die kalten Totenhände von sich zuschieben und zu fliehen. Doch die Angst saß zu tief in ihren Knochen, als dass sie auch nur einen Muskel bewegen konnte. So ertrug sie es und weinte. Warum passierte das mit ihr?

Was hatte sie getan, um solches Grauen zu erleben?

„Keine Angst Schwester. Du wirst nicht mehr leiden!“, hörte sie die hallende Totenstimme ihrer zweitältesten Schwester und die eisigen Hände legten sich blitzschnell um ihren Hals. Drückten sogleich zu, noch bevor Lumen reagieren konnte. Lumen schnappte nach Luft, versuchte sich aus dem Griff zu befreien. Aber die Knochenhände ihres einstigen Vaters waren zustark, als dass sie sie aufbiegen konnte. Immer mehr drückten sie zu und pressten ihr alle Luft aus ihr heraus. Lumen würgte, kämpfte gegen die nahende Ohnmacht. Sah dabei in die dunklen Höhlen des Totenschädels. Sie waren so schwarz, dass Lumen glaubte, sich in ihnen zuverlieren. Sie zogen sie förmlich zu sich, ließen sie darin verschwinden.

Lumen fühlte, wie ihr Körper langsam leichter wurde. Wie alles Leben aus ihr wich. Nocheinmal versuchte sie sich loszureissen. Aber ihre Finger waren durch den Mangel an Luft schon zu taub, als dass sie noch etwas bewirkt hätte. So ließ sie sich ganz von der Schwärze, die ihr aus den Augenhöhlen des Totenkopfs entgegenstörmte gefangen nehmen und glitt in einen kalten und gleichgültigen Schlaf, aus dem sie nicht mehr erwachen sollte.
 

Comitas kam wie jeden Morgen immer in ihr Zimmer und brachte ihr das Frühstück. „Guten Morgen, Prinzessin. Ich hoffen, Ihr gut geschlafen habt!“, sagte er fröhlich und stellte das Frühstück auf den Tisch ab. Lumen rührte sich nicht. Blieb reglos im Bett liegen. „Prinzessin? Was mit Euch sein? Ihr Euch nicht gut fühlen? Prinzessin? Warum Ihr nichts sagen?“, fragte er und wurde malzumal nervöser. Langsam ging er auf ihr Bett zu. Lumen hatte die Decke über ihren Kopf gezogen, sodass er ihr nicht gleich ins Gesicht sehen konnte. „Prinzessin!?“, kam es nun besorgt und ängstlich von Comitas und er streckte de Hand nach der Bettdecke aus. Als er einen Zipfel davon zufassen bekam, zog er daran und wich entsetzt zurück. Das Gesicht der Prinzessin war leichenblass. Ihre Lippen hatten einen ungesunden bläulichen Schimmer und auf ihrem Hals waren deutlich Würgemale zusehen. Die Augenlider zitterten unruhig und hinundwieder drang ein klegevolles Wimmer über ihre Lippen. Comitas erholte sich nur sehr langsam von dem schrecklichen Anblick, den die Prinzessin ihm bot. Zu tief traf ihn dieser. Wasr nur mit ihr passiert?

„Prinzessin, was nur mit Euch ist?“, fragte er außer sich und berührte ihre Hand. Sie war eiskalt. Comitas schluckte den dicken Kloß, der sich in seinem Hals bildete, hinunter und kämpfte dagegen an vor Entsetzen zu weinen. „Mein Vater…meine Schwestern…sie…Monster!“, wimmerte sie nur und schluchzte. Grub das Gesicht in ihre Hände. Comitas verstand erst nicht. Aber dann ahnte er, was mit ihr war. Dieser Zustand konnte nicht so einfach aus heiterem Himmel kommen. Etwas böses, Magisches musste dahinter stecken. „Ich den Herren holen werde. Er sich Euch anschaut!“, versprach er ihr und eilte davon.
 

Mit einem Schwung stiess Comiast die Türen zu den Gemächern seines Herrn auf und schrie aufgeregt nach ihm. „Herr. Ihr schnell kommen müsst!“, rief er aufgeregt und völlig außer sich vor Sorge um die Prinzessin. Tenebrae schaute bloss auf, sah seinen Diener mit einem tadelnden Blick an. Gab ihm so zuverstehen, dass das unerwünschte Eintreten und sein Ausbruch nicht sein mussten. „Was gibt es, Comitas. Warum schreist du so rum?“, fragte er gelassen und versuchte die Empörung über den plötzlich Überfall seines Dieners zuunterdrücken. Von all seinen Dienern hätte er es gewiess nicht von Comitas erwartet.

Comitas wurd enun etwas ruhiger, nahm Haltung an. „Herr, etwas nicht stimmen mit der Prinzessin!“, brachte er aufgebracht hervor und rang die Hände. „Was soll schon nicht mit ihr stimmen. Drücke dich klarer aus!“, befahl er ihm in einem barschen Ton. Wenn es etwas gab, was ihn verstimmte, dann wegen Dingen, die belanglos waren, gestört zuwerden. Comitas zog schuldbewusst den Kopf zwischen die Schultern. Er hatte nun begriffen, dass er die Ruhe seines herren leichtfertig zerstört hatte und dass das sicher nicht ohne Folgen bleiben würde. Jedoch…

Die Prinzessin brauchte Hilfe. Jetzt sofort. „Sie so blass ist, dass es aussehen, wie tot sie sein. Sie kaum ansprechbar. Stammeln etwas von ihrer Familie und Monstern!“, erklärte er und zwang sich jedes Wort ruhig hervorzubringen. Weiterhin wie von Sinnen zuplappern würde sicherlich nichts bringen. Nur seinen Herrn noch ungehaltener machen. „Sie hat sicher nur schlimm geträumt. Nichts Ernstes!“, erwiederte Tenebrae unbeeindruckt. „Ich das nicht glauben. Nicht nur schelcht geträumt. Ich denken, dass man sie verflucht hat!“, kam es schüchtern aus ihm heraus und er sah seinen Herrn fielsagend an. Da hob der Magier die Brauen. „Verflucht?“, fragte er. „Wie kommst du darauf?“

„Ich deutlich etwas spüre Böses in ihr. Wie Gift, dass durchfließen sie!“, nun überschlug sich wieder seine Stimme und deutlich zeigte sich, dass er immer mehr Angst um sie hatte. „Bitte. Ihr Euch das ansehen müsst. Ihr sie retten müsst!“, flehte er dann und sah seinen Herrn verzweifelt an. Tenebrae sagte darauf nichts. Sondern sah einfach nur vor sich hin. Rang mit sich. Eigentlich sollte es ihm gleich sein, wie es um die Prinzssin stand. Selbst wenn sie wirklich im Sterben liegen sollte. Aber Comitas flehende Worte bewirkten, dass er nun selber beschloss, nach ihr sehen sollte. Er hatte ihr schließlich versprochen, dass ihr nichts zustoßen würde. Und er stand zu seinem Wort. Mit einem tiefen Seufzer erhob er sich. „Also gut. Ich werde es mir ansehen!“, erklärte er und Comitas dankte ihm mehr als einmal.
 

Comitas hatte nicht gelogen. Er selber spürte schwarze Magie in dem Leib der Prinzessin. Sie kroch durch sie, wie eine Schlange und zerstörte sie Stück für Stück von innen heraus. Lumen wimmerte immer wieder, warf den Kopf unruhig hinundher. Nach langen Betrachen wandte er sich an seinen Diener. Das Gesicht des Magiers eine harte Maske aus unterdrückten Zorn und auch Sorge. „Du hast gut daran getan, mich zu holen, Comitas!“, sagte er. Comitas lächelte schwach, erleichtert, dass sein Herr nicht mehr wütend war. Zumindest nicht mehr auf ihn. „Ihr ihr helfen könnt, Herr?“, fragte er und sah zu der Prinzessin. Tenebrae folgte seinem Blick. Sah die Prinzessin an und meinte wieder diesen Stich in seinem Herzen zu spüren. Noch bevor er wusste, was er eigentlich tat, streckte er die Hand aus und berührte sie an der Stirn. Zuckte dabei etwas zusammen, als er spürte, wie kalt ihre Haut war. Hart biss er sich auf die Unterlippe. „Wer auch immer ihr das angetan hat: Er wird dafür büßen!“, ging es ihm durch den Kopf und sein Gesicht verfinsterte sich. „Ja, das kann ich!“, flüsterte er und sah wieder zu seinem Diener. „Hol mir Silberkraut, reines Wasser und den Fuss einer Krähe!“, wies er ihn an. „Werfe alles in einen Topf, mit heisem Wasser gefüllt und ein Sieb!“

Comitas nickte, rannte dann los, um das zu holen, was sein Herr verlangt hatte.

Als die Zutaten zerkocht und ausgesiebt waren und nur die Brühe übrig blieb, goss der Magier diese in eine Trinkschale und setzte sich an das Bett der Prinzessin. Ein würzigsüßlicher Duft stieg auf dieser hervor und brannte ihn in der Nase. Tenebrae musste ein Würgen unterdrücken. Wäre es ein anderes Gift, so hätte er ein anderes, nicht so widerlich stinkendes Gebräu genommen. Aber nur so ein Mittel konnte gegen das Gift, welches sich im Körper der Prinzessin befand bestehen. Vorsichtig schob er seine Hand in den Nacken der Totgeweihten und hob ihren Kopf hoch. So dass er die Schale mit dem Gegengift problemlos an ihre Lippen legen und es ihr einflössen konnte. Die Prinzessin war schon fast tot. Nur noch ihr langsam werdender Herzschlag und ebenso ihr schwaches Atmen verrieten, dass noch ein kleinwenig Leben in ihr war. Sanft drückte er den Rand der Schale gegen ihre Lippen. Zuerst weigerte sich die Prinzessi, gab einen leisen Protestlaut von sich. Tenebrae blieb unerbittlich. „Trinkt das, Prinzessin!“, forderte er mit sanfter fester Stimme und kippte die Schale einwenig. Zuerst floss die Medizin aus ihren Mundwinkeln, doch dann öffnete sie etwas die Lippen und ließ zu, dass der Magier ihr das Mittel verabreichte. Als der letzte Tropfen ihren Hals hinuntergeflossen war, reichte er die leere Schale seinem Diener. Comitas nahm diese. Gerne hätte er gefragt, ob es reichte und wielange sie warten mussten. Doch er tat es nicht. Zu groß war die Sorge, aber auch die Dankbarkeit seinem Herrn gegenüber. Eine Weile noch hielt der Magier die Prinzessin aufrecht, dann legte er sie behutsam zurück und wandte sich seinem Diener zu. „In einer Stunde, gibst du ihr das Mittel nochmal. Nur die Hälfte. Das müsste reichen. Wenn nicht, sage mir bescheid!“, sagte er und verließ dann das Gemach der Prinzessin. Auch wenn sie nun nicht mehr in Lebensgefahr schwebte und das Gift schon gleich Wirkung zeigte, war er immernoch wütend. Er ahnte bereits, wer ihr das Gift verabreicht hatte. Und er würde ihr eine Falle stellen und ihr zeigen, was hiess, seinen Zorn auf sich gezogen zu haben.
 

Lumens Genesung ging zwar nicht schnell voran, aber dennoch besserte sich ihr Zustand. Ihre Wangen, die vorhin noch blass waren, wurden wieder rosig und ihre Augen waren längst nicht mehr eingefallen. Auch das Schluchzen und das unruhige umherwälzen hatte aufgehört. Dennoch ar sie zu schwach, um das Bett zuverlassen. Das Gegengift hatte neben der Bekämpfung des Giftes auch noch bewirkt, dass sie einen tiefen Schlaf hatte, in dem sie wieder gesund werden konnte.

Als sie endlich erwachte, fühlte sie sich frisch und gesund. Der Alptraum und ihr furchtbarer Zustand schienen weit nachhinten gerückt zu sein. Praktisch schon vergessen.

Comitas war auf höchste erfreut, sie gesund und muntern zusehen. „Oh, Prinzessin. Ich mich so sehr freuen. Ich schon dachte, Ihr womöglich…!“, plapperte er darauf los und Lumen lächelte schwach. „Ja, das dachte ich auch!“, sagte sie matt und sank in die Kissen zurck. Comitas brachte ihr das Frühstück ausnahmsweise ans Bett. Und als sie auf das Tablett auf ihrem Schoss sah, entdeckte sie wieder eine Rose. Nur war diese Türkis. Lumen nahm sie mit zittrigen Händen und roch an ihr. Sie roch nach Alpen und frisch gefallenem Schnee.

Woher hatte Comitas diese Rose?

Fragend blickte sie ihn an. Comitas lächelte. „Nun Ihr was essen müsst, um wieder zu Kräften zu kommen!“, sagte er dann und rückte das Tablett zurecht. Lumen wollte noch etwas sagen, doch da war er schon weg.

Sie wurde einfach nicht schlaut aus dem Verhalten ihres kleinen Freundes. Aber genauso wenig, wie aus dem des Magiers. Als er ihr dieses widerlichschmeckende Zeug gegeben hatte, hatte sie seine Stimme gehört, die sanft auf sie einredete. Fast schon hatte sie den Eindruck, als woller ihr wirklich helfen. Dass sie ihm wichtig war. Aber vermutlich war das auch reiner Unsinn. Lumen wollte es nicht so rechtglauben. Und doch..etwas in ihr sagte ihr, dass er wirklich um sie bemüht war. Nachdenklich drehte sie die Rose in den Fingern. Sie sollte sich bei ihm bedanken. Das war sie ihm schuldig. Nach allem, was er durch sie erleben musste. Dabei musste sie etwas lächeln. So wie sie dachte, hatte es den Anschein, als würde sie sein Leben ganz schon durcheinander bringen. Dann wären wir wohl quitt, dachte sie und roch noch einmal an der Rose, bevor sie aufstand und sich anzog.
 

Als es wieder Zeit für das Abendmahl war, hatte Comitas ihr erneut ein Kleid gegeben. Diesesmal war es tiefschwarz. Hatte kurze Ärmel und einen Rock, der ausunzählen einenzlenen Röcken zu bestehen schien. Es war schwer und Lumen fragte sich, wie sie in diesem Kleid gescheit laufen soll. Sie musste mehrmal den Roch raffen, damit sie auf diesen nicht trat und hinfiel.

Tenebrae erwartete sie bereits und als sie das Speisezimmer betrat, stand er auf und ging zu ihrem Stuhl um diesen zurecht zurücken. So wie beim letzten Mal. Lumen blieb auf der Stelle stehen und schaute ihn mit einem unschlüssigen Blick an. Wo sie vorher noch in Erwägung zog, ihm zu danken, herrschte nun Leere in ihrem Kopf. Er sah sie mit einem seltsamen Blick an. So als würde er sie sich sehr genau ansehen. „Wie ich sehe geht es Euch wieder gut, Prinzessin!“, sagte er. Lumen nickte bloss. Wusste nicht, was sie sagen sollte. Langsam ging sie zu ihm und ließ sich auf den Stuhl nieder. „Ja, dank Euch. Vielen Dank, dass Ihr mir das Leben gerettet habt!“, flüsterte sie dann und vermied es dabei, den Magier anzusehen. Mit einem Mal war sie peinlich berührt und fühlte sich wie ein kleines Kind, dass man bei einem Streich erwischt hatte. Warum brachte er sie nur so durcheinander?

„Das freut mich. Nun speisst, damit Ihr wieder zu Kräften kommt!“, sagte er Magier.
 

Fallacia kochte. Sie hatte sich sosehr darauf gefreut, dass die Prinzessin die letzte Nacht nicht überstehen würde. Hatte sogar selber Hand an sie gelegt, um ihr das letzte bisschen Leben aus ihr rauszupressen und den Rest dann ihrem zuschwachen Körper zu überlassen. Aber nun hatte ihr Herr persönlich dafür gesorgt, dass es ihr wieder besser ging. Das hatte sie natürlich auch diesem Gnom zuverdanken. Verdammter Comitas. Wie sehr sie sich wünschte, ihn töten zu können. Aber erst mal müsste sie sich um die Prinzessin kümmern. Das bedeutete also, dasssie wieder von vorne anfangen musste. Erneut hatte sie zum Gift gegriffen und es in den Weinkelch dieses Görs gegossen. Hoffentlich würde es diesesmal funktionieren.
 

Lumen aß zwar, aber immer wieder zum Magier blickent, der sich nichts anmerken ließ und wohl mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt war. Wie gerne würde sie wissen, was er dachte. Bereute er, dass er sie gerettet hatte?

Nein, ganz bestimmt nicht. Was hätte er denn davon. Er selber hatte darauf bestanden, sie bei sich zuhaben und sie beim Speisen vor sich zu haben. Was also sollte er gegen sie haben?

Doch etwas musste doch der Grund sein, dass er sich so benahm. Wieso sonst sollte er ihren Blicken ausweichen und so tun, als würde er sie nicht richtig wahrnehmen.

Tenebrae schien zwar von außenher in sich gekehrt zu sein. Fast schon unerreichbar. Aber innerlich sah es ganz anders aus. Die dankenden Worte der Prinzessin ließen sein Herz, von dem er glaubte, es sei schon lange nicht mehr das eines lebendes Wesen, schneller schlagen, als gut war.

„Vielen Dank, dass Ihr mir das Leben gerettet habt!“

Diese Worte bohrten sich wie glühende Nadeln in seine Brust, drangen hindurch, bis zu seinem Herzen und ließen es fast verbrennen. Eine Welle von den niegekanntesten, unterschiedlichsten Gefühlen durchströmte ihn. Er fühlte sich leicht und doch so, als würde er gleich im Nichts versinken. Er war veriwrrt, aber auch…glüklich!?

Konnte es wirklich sein, dass er nach solanger Zeit wieder so etwas, wie Glück verspürte?

Es schien verrückt. Beinahe schon undenkbar. Und doch…

Es war wirklich da. Ließ sein Herz höher schlagen und ihn wärmen. Zitternt holte er Luft, Blickte dabei zur Prinzessin, die wohl nichts von dem bemerkte, wofür er wirklich dankbar war und mahnte sich selber, ruhig zubleiben und nicht das aus dem Blick zuverlieren, was er eigentlich vorhatte. Als Prinzessin Lumen gerade nach dem Weinkelch griff um daraus zutrinken, sprang er auf und bevor sie richtig begreifen konnte, was er nun hatte, hatte er ihr schon den Kelch aus der Hand genommen und ihn, wie zu einem Tost hochgehoben. „Stoßen wir an. Auf Eure Gesundheit!“, sagte er laut. Lumen runzelte nur die Stirn.

Was hatte er nun wieder?

„Äh, ja…wenn Ihr mir den Kelch wiedergeben könnt, dann stosse ich gerne mit Euch an!“, sagte sie dann und wollte nach dem Kelch greifen. Doch der Magier schüttelte den Kopf und wandte sich dann zu einer der Zimmerecken, die dunkel dalagen. „Nicht doch. Euch meine ich nicht, Prinzessin. Ich spreche von Fallacia. Komm und stoss mit uns an!“

Durch Fallacia ging ein Ruck, als sie seine Worte hörte und erstarrte. Angst wallte in ihr hoch, als sie den feierlichen Ausdruck indem Gesicht ihres Herrn sah. Sie wusste, dass das natürlich nur gespielt und eine leise Drohung war. Sie wagte sich nicht, sich zu bewegen und starrte mit ängstlichem Blick zu dem Kelch, in der Hand des Magiers. Wenn sie sich nicht rührte, würder sie vielleicht nicht sehen. „Ich sagte, komm!“, knurrte nun der Magier mit feiner Stimme und sie soürte, wie er nur mit seinen Worten an ihr zog. Taumelnd und mit zitternen Knien kam sie aus ihrem Versteck und blickte immernoch zu dem Kelch, der nun ihr gildet.

„Ich…ich danke vielmals, aber ich muss leider…!“, stammelte sie, versuchte sich rauszureden und sich aus dem Griff ihres Herrn zu befreien. „Nichts musst du leider. Trink mit uns. Sei geschmeichelt. Ich und die Prinzessin würden gerne auf dein Wohl anstossen!“, schnurrte er und seine Augen hatten einen mörderischen Glanz. Er wollte sie wirklich mit ihrem eigenen Gift bestrafen. Zwar waren die Folgen bei ihr nicht so schlimm wie bei der Prinzessin, aber das Gift würde Schmerzen der schlimmsten Sorte in ihr heraufbeschwören, sodass sie sich wünschte, zu sterben. Fallacia schluckte, sah zum Kelch. Wenn sie sich weiterhin weigerte ihr Herr merken, dass da Gift drin war und sie strafen. Und wenn nicht, dann würde sie leiden. Mehr als zuvor. Beides schien ihr nicht die beste Lösung zu sein.

Da hörte sie die Stimme de Magiers. Nun kalt und wütend. „Es sei denn, du weißt, dass der Wein vergiftet ist!“, sagte er und sie zuckte zusammen. Auch Lumen schauderte, als sie das hörte. Gift?

Dieser Wein war vergiftet gewesen?

Wie als wenn etwas in ihr Klick gemacht hätte, wusste sie nun woher diese Alpträume kamen. Diese Hexe hat diese schrecklichen Träume mithilfe des Giftes in ihren Kopf gepflanzt, auf das sie Tag für Tag immer schwächer wurde und schließlich starb. Heise, glühende Wut erwachte in ihr zum Leben und sie woltle sich selber auf dieses Scheusal stürzen. Doch sie zwang sich ruhig zu bleiben. Tenebrae würde sie schon für ihr Vergehen bestrafen.

„Ich…ich weiss nicht, was Ihr…!“, wollte Fallacia sich verteidigen, doch da schüttete ihr schon der Magier den Wein ins Gesicht und vorbei war es mit seiner gespielten Freundlichkeit. „Verschon mich mit deinen Lügen, Fallacia. Du hast es gewagt, der Prinzessin zuschaden, wobei sie meinen Schutz geniesst. Du wusstest, was dich erwarten würde und hast es trotzdem getan!“, schrie er und warf den Kelch nach ihr. Fallacia wich aus. Stammelte weiter. „Aber ich…ich konnte doch nicht…!“, wimmerte sie und Tenebrae hatte genug. „Schweig!“, keifte er und machte eine wegwischende Bewegung mit dem Arm. Die Luft vor ihm zog sich zusammen und raste dann, wie eine Peitschte auf die zitterne Dienerin. Hart wurde sie von den Füssen gerissen und gegen die Wand geschleudert. Fallacia jaulte auf, als sie aufschlug und zu Boden ging. Tenebrae wollte sie noch einem gegen die Wand schleudern, doch hielt sich zurück. Sich an ihr die Finger mehr als nur einmal schmutzig zumachen, kam ihm nicht in den Sinn. Mit einer eleganten Umdrehung wandte er sich von der am Bodenliegenden ab und ging zur Prinzessin. Diese blickte zu ihm und sah deutlich, dass er immernoch kochte vor Wut. „Kommt, Prinzessin. Geht mit mir etwas spazieren. Im Garten!“, sagte er knapp und reichte ihr seinen Arm. „Aber ich…!“, kam es sogleich von ihr und biss sich augenblicklich auf die Zunge. Ihm jetzt, in seiner Laune zu wiedersprechen, war nicht gerade gesund. Aber es graute ihr in diesen toten Garten zu gehen. Mit ihm!

„Ich glaube nicht, dass ich…!“

„Ich bitte Euch, Prinzessin. Macht mich bitte nicht noch wütender, als ich es jetzt schon bin!“, sagte er leise und seine Stimme zitterte. Lumen biss sich auf die Unterlippe, sagte aber nichts mehr, sondern nickte und stand auf. Nahm seinen Arm und der Magier führte sie hinaus.

Zurück blieb Fallacia, die wimmernd und mit schmerzenden Knochen am Boden lag und dem Herrn und der Prinzessin nachsah. Unzählige Gefühle tobten in ihr. Schmerz, Trauer. Aber auch Zorn und Eifersucht. Letzteres galt der Prinzessin, die es wagte, sich dem Magier anzunähern und ihm hörig zu sein. Doch sie behielt dies für sich und ehe sie richtig verstand, was sie tat, begann sie zu weinen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Pamuya_
2015-11-08T10:15:27+00:00 08.11.2015 11:15
Tja Fallacia, das hast du verdient! Dein Glück, dass dich der Magier am Leben lie?
Apropros Magier: Was ist denn mit ihm? Der hat ja doch Gefühle und nicht nur das. Er hat Gefühle für Lumen. Ob er es will, oder nicht, aber er hat sich verliebt. Irgendwie ironisch und doch zu erwarten. ^^ Bin gespannt, was dann im Garten passieren wird.
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
08.11.2015 11:20
Genauso bin auch gespannt, wie es mit deiner FF weitergeht
Antwort von:  Pamuya_
08.11.2015 11:21
Habe ja schon das nächste Kapitel hochgestellt. ^^
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
08.11.2015 11:31
Schon gesehen*sich drauf stürz*
Antwort von:  Pamuya_
08.11.2015 11:31
Na viel Spaß ^^
Von:  Hidan_1975
2015-09-15T01:11:07+00:00 15.09.2015 03:11
Lach,du hältst mich bestimmt für verrückt,wenn ich Tenebrae den Magier mal als coole Sau bezeichne.Einfach genial der dunkle Magier und total einer mit/ohne ♥.
Comitas ein Sweet♥ und auch verwegen,hilft wo er kann und Lumen wird ihren Magier/Mann noch finden.
Das mit den anders farbenen Rosen hat mir gefallen.

Weiter so
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
15.09.2015 09:47
Danke schön. Das ist das schöne an fantasygeschichten. Man kann alles einbauen ohne auf Realismus zu achten
Von: Kaori-Kuroi88
2011-09-05T21:07:16+00:00 05.09.2011 23:07
Ja, wie gesagt, die FF gefällt mir zusehns besser...
so langsam kaufe ich auch Tenebraes kälte ab ^^ XD
nein, die FF ist gut...mach weiter so.


Zurück