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100 Storys - es lebe die 'Un'übersicht

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68. Anders

Wenn ihn etwas nervte, neigte er zu kopflosem Handeln. Wie gerade eben. Das beste Beispiel seit langem. Wütend über sich selbst, starrte er kurz in den Spiegel, während er die Hände zu Fäusten ballte, entschied sich dann jedoch zu duschen. Kalt! Vielleicht half ihm das, den Kopf wieder klar zu bekommen. Doch noch während er sich auszog, vernahm er bereits die Wohnungstür. Janika war verschwunden.
 

Obwohl er es bedauerte, einmal mehr eine Sache angefangen und nicht zu Ende gebracht zu haben, hielt er es im Augenblick für besser, wie die Sache eben ausgegangen war. Auch wenn es ihm leid tat um dieses Mädchen. Wenn sie sie nun aber zu fassen bekamen? Aber immerhin würde nicht sein Kopf auch noch rollen. Ihr nachrennen und sie abhalten? Wenn sie ihn jetzt aber scheute und gar nicht mehr um sich haben wollte? Er seufzte tief und trat in die Kabine. Wie konnte er mittlerweile nur so gleichgültig sein? Aber in den letzten Jahren war eben nichts so gelaufen, wie er es gerne gehabt hätte und diese Tatsache hatte ihn wohl ausgezehrt.
 

Wie viel Zeit er unter dem kalten Wasser verbrachte, konnte er nicht sagen, doch als er das Badezimmer verließ, traf ihn fast der Schlag.

„Ich hätte schwören können, dass du gegangen bist...“

Mitten im Raum blieb er stehen und sah sie überrascht an. Lediglich mit einem Badetuch um den Hüften. Er hatte einfach nicht mit ihrer Anwesenheit gerechnet.

Er hatte die Tür zwei Mal gehört, aber diese war wohl beim zweiten Mal wieder von innen geschlossen worden.

Janika saß hier im Wohnzimmer und sie hatte auch nur die kleine Lampe auf dem Beistelltisch brennen. Dunkel genug, dass Marik sie sehen konnte.

„Das wollte ich auch, aber...“ Liebevoll kraulte sie Xerxes dabei am Ohr. Er hatte es sich neben ihr auf der Couch bequem gemacht und den Kopf auf Janikas Knie gelegt. So ließ es sich aushalten.

Mit einem Seufzen schaute diese schließlich auf und ihr Blick blieb zunächst an Mariks leichter Brustbehaarung hängen.

„Darf ich ihn mal sehen?“

Ein Zucken durchfuhr ihn. Vor allem war es aber seine Schwanzspitze. Diese zuckte immer, wenn er nervös wurde und dazu hatte er im Augenblick allen Grund. Sie wollte ihn sehen? War das wirklich ihr Ernst? Aber richtig betrachtet, war er es doch gewesen, der damit angefangen hatte. Krampfhaft versuchte er ihn dennoch hinter dem Bein vor ihren Blicken zu verbergen.

„Bist du sicher?“ Viel lieber würde er wieder rückwärts im Badezimmer verschwinden. Ihr Nicken, welches er lediglich als Antwort bekam, machte ihm nicht viel mehr Mut, dem nachzukommen, ihr erwartungsvoller Blick daraufhin jedoch schon.
 

Mit einer Bewegung, die ihn an eine Schlange erinnern ließ, zog er einige Wellen hinter sich und brachte Janika dazu, die Luft anzuhalten. Nur ganz langsam lief er dabei auf sie zu. Wenn sie es jetzt lieber vorzog, doch zu gehen, würde er sie nicht aufhalten, doch dazu war sie gar nicht in der Lage. Wie erstarrt hockte sie auf der Couch. Sah auf das, was sie hier gerade gezeigt bekam und traute ihren Augen dennoch nicht. Ihr Herz raste und das Kraulen hatte sie längst eingestellt. Ihre Starre löste sich erst, als sich Marik neben ihr nieder ließ. Unruhig begann er die junge Frau neben sich zu beobachten. Er fühlte sich gar nicht gut.
 

„Vielleicht ist es nur eine Missbildung?“ Ihr fragender Blick hing sofort an seinem Gesicht. „Ich meine, so etwas gibt es. Manchen Menschen fehlt von Geburt an ein Bein oder ein Arm. Warum also sollte es nicht möglich sein, dass...“ Unschlüssig brach sie ihren Satz ab. „Im Fernsehen habe ich da schon alles Mögliche gesehen...“ Sie war ratlos und das mehr als offensichtlich.

„Meinst du, dann könnte ich ihn so bewegen?“

Mit einer geschmeidigen Bewegung, wie man sie vielleicht bei einer Katze vermuten würde, strich er ihr mit der vermeintlichen Fehlbildung über den Schenkel. Ganz langsam und Janikas starrer, verbissener Blick folgte jeder Bewegung.

„Aber wenn du damit besser klar kommen würdest...“

Marik lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. Dabei wand er auch den Blick ab und genau das war es, was Janika nutzte, um ihn an jener Stelle zu packen. Wie von der Tarantel gestochen, sprang er auf, kaum dass sie ihn dort berührt hatte und auch sein Hund war sofort auf den Beinen und von der Couch gesprungen.

„Du meine Güte.“ Janika erhob sich und blickte ihn irritiert an. „Was war denn? War ich zu grob?“

Sofort schüttelte er den Kopf und musste sein Badetuch festhalten, dass es ihm nicht abhandenkam, als es zu rutschen begann.

„Nein ich... ich war nur nicht darauf vorbereitet.“ Dann grinste er gequält.

„Kitzelig?“, mutmaßte Janika sofort.

„So ungefähr...“ Aber das war genaugenommen gelogen. Wie lange hatte ihn da keine Frau mehr angefasst. Er wollte gar nicht darüber nachdenken. Aber auch nach all der Zeit war ihm das keineswegs unangenehm. Hastig wand er sich ab. Schnellstens musste er wieder ins Bad. Nur weg. Fort von ihrem Blick. Wie nervös sein Schwanz jetzt zuckte bekam sie beim kehrtmachen allerdings ganz klar mit.
 

Im Bad angekommen raufte er sich erst einmal die Haare und musste den Kopf über sich selbst schütteln. Er führte sich auf, wie ein unreifer Teenager, denn richtig betrachtet war er an diesem Alter längst vorbei. War es so lange her?
 

Janika hatte keine Ahnung, was sie bei ihm auslöste und dass sie jetzt nicht schreiend davon gelaufen war, machte die Sache nicht besser. Oder doch? Was es nicht genau das, was er seit Jahren suchte, ohne jedoch direkt danach gesucht zu haben? Eine Frau, die damit klar kam? Oder doch nicht?

Hatte er es vielleicht doch bereits aufgegeben und war deshalb so geschockt darüber? Reichliche zwanzig Jahre war nun seine Scheidung von Gail her. In dieser Zeit hatte er lediglich eine kleine Liaison mit Clarice, einer der Pflegerinnen aus dem Wohnheim, gehabt, aber sonst?

In der Zeit, in der er wieder bei seinem Vater eingezogen war, war nicht viel passiert und nach dessen Tod, hatte er sein Haus verkauft und war mit seinem Wagen zu dieser Reise aufgebrochen.
 

Ein Klopfen an der Badezimmertür ließ in zusammenzucken.

„Ist alles in Ordnung?“

„Ich...“ Er wand den Kopf ruckartig zur Tür. „Ich denke schon.“

„Hättest du vielleicht Lust auf ein Glas Rotwein?“

„Sicher. Ich ziehe mir nur eben wieder etwas an.“

„Okay.“

Als sich ihre Schritte entfernten, hängte er seinen Blick wieder an den Spiegel, vor sich und ein Lächeln, der Erleichterung machte sich in seinem Gesicht breit. Würde es dieses Mal vielleicht anders laufen?



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