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Jason Scraps "Intelligenz"

Jason Scrap war wieder einmal mit einer völlig sinnlosen Aufgabe betreut worden. Genervt hockte er in einem Gebüsch am Straßenrand und musste die Käfer erdulden, die seine mechanischen Beine hinauf krabbelten.

»Beschatte die Frau eines alten Mannes und sieh nach, ob sie ihm fremdgeht!«, murmelte der Roboter und verschränkte die Arme vor der Brust. »So ein Blödsinn!«

Er fühlte sich mehr als nur unterfordert. Schließlich war er der intelligenteste und mit Sicherheit auch der beste Privatdetektiv, den es auf der gesamten Welt gab. Und da musste er im Gebüsch hocken und durch die Fenster eines großen Hauses starren, bis mal irgendwann etwas passierte, wenn überhaupt etwas passierte. So sicher war er sich da nicht.

Wie erniedrigend es doch für Scrap war, solch einen geradezu lächerlichen Auftrag erfüllen zu müssen. Mit dem unendlichen Wissen, das in den tiefen seiner Technik ruhte, hätte er jeden noch so komplizierten Fall lösen können, doch das sahen diese Kreaturen von Menschen nicht ein. Wäre dies wenigstens der einzige Auftrag gewesen, der absolut unter seinem Niveau war, hätte er es verkraften können. Allerdings bekam er schon seit Monaten Aufträge dieser Art.

»Mr. Scrap«, äffte er seine Kunden nach, »Können Sie mein Kaninchen finden? Es ist mir gestern weggelaufen. Oh, Mr. Scrap, mein Nachbar hat mir meinen Toaster gestohlen, können Sie mir helfen? Guten Tag Mr. Scrap. Sie wissen doch sicherlich, wie man einen verlorenen Ehering wiederfindet, nicht wahr?«

Er seufzte hörbar und senkte den Kopf. Seine langen, blauen Kabelhaare hingen ihm vor den Augen. Wie satt er dieses Leben doch hatte! Jetzt verbrachte er schon geschlagene vier Stunden in diesem Busch und zu allem Überfluss begann es auch noch zu regnen. Wütend drückte er auf einen Knopf an seiner Schläfe und ein Regenschirm erhob sich aus seinem Kopf und spannte sich schützend auf. Wenn er jetzt noch mit Rost an seinen Gliedmaßen zu kämpfen gehabt hätte, dann wäre er vollends ausgerastet. Die momentanen Umstände reichten ihm vollkommen. »Könnt ihr nicht wo anders rumkrabbeln?«, blaffte er die Käfer auf seinen Beinen an und stieß sie von sich.

Plötzlich bemerkte er eine männliche Gestalt, die sich dem beschatteten Haus näherte. Schnell duckte er sich und versteckte seinen mechanischen Körper im dichten Gesträuch. Der Mann schlenderte die Einfahrt entlang und steuerte direkt auf Scraps Versteck zu, bis er schließlich genau vor ihm stehen blieb. Zu seinem Entsetzen stellte Scrap fest, dass der Fremde seinen Hosenstall öffnete. Der hat doch nicht ernsthaft vor hier hin zu pinkeln, dachte er geschockt. Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gedacht, spürte er auch schon die warme Flüssigkeit, die auf seine Beine traf. Den Mund sperrangelweit offen musste der hochintelligente Jason Scrap zusehen, wie er –im wahrsten Sinne des Wortes- angepisst wurde.

Das reichte aus, um das Fass zum überlaufen zu bringen. Wutschaubend verließ er das Gebüsch, um dem Mann eins über die Rübe zu ziehen. Dieser hatte nicht damit gerechnet, dass plötzlich ein 190cm großer Roboter aus dem Pinkelbusch gesprungen kam, der mit Schimpfwörtern und Flüchen nur so um sich warf. Folgedessen schrak er zurück, nahm seine Beine in die Hand und rannte verängstigt davon, ohne einzupacken, was er ausgepackt hatte, um Scrap voll zu urinieren. Als der Roboter bemerkte, dass der Mann flüchtete, sprintete er diesem hinterher. Währenddessen ließ er seine laute Blechstimme und seinen überaus ausgeprägten Wortschatz walten und beschimpfte den Flüchtigen aufs übelste.

Die Verfolgungsjagt führte ihn quer durch die ganze Stadt. Noch nie hatte Scrap jemanden in so einem rasenden Tempo laufen gesehen und ihm wurde allmählich klar, dass er kaum eine Chance hatte, ihn einzuholen. Der Mann war wahnsinnig schnell. Vielleicht wurde er von der Angst, Scrap würde ihn zu Brei verarbeiten, wenn er ihn zu fassen bekäme –was dieser auch vorhatte- angetrieben.

Sie bogen in eine enge Straße ein, die von etlichen weiteren gekreuzt wurde. Mit einem Mal entdeckte der Privatdetektiv einen älteren Herrn, der gerade die Straße überquerte.

»Aus dem Weg!«, schrie der Roboter verzweifelt, weil er genau wusste, dass sein Körper etwas Zeit brauchte, um anzuhalten. Rannte er erst einmal, dann war es schwer ihn wieder zu stoppen. Der Herr jedoch nahm die Warnung zu spät wahr und so krachten Mensch und Maschine unvermeidlich zusammen. Scrap legte einen Überschlag vom feinsten hin, landete auf dem Bauch und rutschte noch einige Meter über den Asphalt. Der ältere Herr, der zu seinem Glück sehr korpulent gebaut war, landete auf seinem weichgepolsterten Gesäß. Der Roboter rappelte sich hoch und stellte ärgerlich fest, dass er in einer riesigen Pfütze gelegen hatte, welche –oh Wunder!- die einzige ringsum war. Der Mann, den er verfolgt hatte, hatte die Gunst der Sekunde genutzt und war nun über alle Berge. Da er jetzt ohnehin nichts mehr zu tun hatte, entschloss er sich dazu, dem korpulenten Herrn auf die Beine zu helfen.

»Sie!«, fauchte der Alte, der sich bereits von selbst aufgerappelt hatte und deutete Grundlos auf den Metallmann. »Was machen Sie denn hier, Sie unfähiger Idiot? Sollten Sie nicht meine elende Frau beobachten und darauf achten, ob sie mir fremd geht, Mr. Scrap?«

Die Verkettung unglücklicher Zufälle hörte einfach nicht auf. Scrap schlug sich die Hand vor die Stirn, als er seinen Kunden erkannte. »Ich hasse mein Leben!«, grummelte er in sich hinein und trat langsam auf den Alten zu. Dummerweise hatte sein Kunde ihn dabei ertappt, wie Scrap seinen Arbeitsplatz –wenn man ein mit Käfern überfüllten Busch so nennen konnte- verlassen hatte. Somit versuchte er es mit einer Entschuldigung, die jedoch nicht die gewünschte Wirkung erzielte.

»Glauben Sie bloß nicht, dass Sie damit durchkommen! Das hat ein Nachspiel Mr. Dämlich Scrap!« Das dämlich vor seinem Namen hätte er sich sparen können. Der Roboter fand dieses Wort ziemlich erniedrigend, vor allem, weil er selbst nicht im Geringsten dieser Auffassung war. Dämlich… Er war das intelligenteste Wesen und wurde als dämlich bezeichnet? Er konnte sogar die Zahl π komplett aufsagen!

»Ihre Dummheit, Mr. Scrap, Ihre Dummheit wird Ihnen zum Verhängnis!«

Dummheit? Der Maschinenmann konnte es nicht fassen! Wenn ihm etwas zum Verhängnis wurde, dann waren es seine menschliche, gottverdammte Seele und die Tatsache, dass er zu rosten beginnen würde, wenn er mit Wasser in Berührung kam, so wie an diesem Tag. Aber dumm?

»Ich werde Ihnen das Leben zur Hölle machen!«, rief sein Kunde noch und zog ab. Scrap ballte die Hand zur Faust. Seine unterdrückte Wut ließ ihn zittern. »Vergessen Sie es!«, schrie er dem Herrn hinterher, »Mein Leben ist schon die Hölle! Ich hasse es! Tun Sie mir einen Gefallen und bringen Sie mich lieber gleich um!« Doch der Herr reagierte nicht mehr darauf.

»Lecken Sie mich!«

Mit diesen Worten marschierte auch der depressive und höchst aggressive Roboter davon. Er trug das Wissen in sich, das Ganze, das gesamte Wissen der Welt und des unendlichen Universums.

Doch was hat man davon, alles zu wissen, wenn es niemanden interessiert?



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2012-02-28T17:23:33+00:00 28.02.2012 18:23
P.S. Entschuldige bitte, ich wollte doch was zum Titel gesagt haben: Ich bin mir nicht sicher, ob "Intelligenz", da es so markiert ist, getrennt zu sehen ist, oder der Titel schlicht sagen soll, dass Jason Sraps Intelligenz angesprochen werden wird.
Wenn ich mich soweit verständlich ausgedrückt habe. ;)
Von: abgemeldet
2012-02-28T17:21:36+00:00 28.02.2012 18:21
Tag auch.
Wenn man sich nicht entscheiden kann, sucht man nach einem auf die ein oder andere Weise interessanten Titel. Auch wenn ich mir hier nicht so ganz sicher bin. Vielleicht komme ich darauf noch einmal zurück.

Wieso benutzt du hier » für die wörtliche Rede? Nicht dass das falsch ist, ich bin wirklich nut neugierig.
Du hast aber am Ende der wörtlichen Rede meistens ein Leerzeichen über. ^^

Und dann: Yeah, ein völlig von sich überzeugter Roboter. Die Dinger mag ich. Jedenfalls muss ich gerade an ein Buch denken, dass ich lesen wollte.... wie hieß es nochmal? "Der automatische Detektiv". Kennst du es? Hat vielleicht nichts mit deinem zu tun, aber... mir kam es gerade in den Sinn. Was liest du eigentlich im Allgemeinen so?

Wäre dies wenigstens der einzige Auftrag gewesen, der absolut unter seinem Niveau war, hätte er es verkraften können. Allerdings bekam er schon seit Monaten Aufträge dieser Art.
Eine unschöne Wortwiederholung von "Auftrag".

Deine Rechtschreibung ist übrigens toll hier, hatte ich das schon erwähnt?

Seine langen, blauen Kabelhaare hingen ihm vor den Augen.
Klar, es macht die Sache einfacher, aber müssen es wirklich Haare sein? Könnte man sie nicht einfach als Kabel bezeichnen? Oder sich ein neues Wort dafür ausdenken, wie Habel oder Kaare. Nein, macht manchmal auch keinen Sinn. Wie dem auch sei.

und ein Regenschirm erhob sich aus seinem Kopf
"Erhob sich aus" klingt hier irgendwie merkwürdig. Vielleicht schob er sich heraus, oder etwas dergleichen?

und versteckte seinen mechanischen Körper im dichten Gesträuch.
"Gesträuch" habe ich noch nie gehört. Das ist ziemlich toll. Jetzt weiß ich wieder, warum ich das Kommentieren so mag - mal abgesehen von den tollen Geschichten, die man zu lesen bekommt -, man erweitert seinen Wortschatz. Dieser Ausdruck ist hier nicht geläufig, daran wird es wohl liegen. So wie ich auch Schulhaus nicht kenne, oder auch nicht sage: "erzählten zusammen" statt "miteinander reden". Ich schweife ab.

um das Fass zum überlaufen zu bringen.
"Überlaufen" wird hier groß geschrieben.

Wutschaubend verließ er das Gebüsch,
"Wutschnaubend"

Folgedessen schrak er zurück
"Infolgedessen"

Die Verfolgungsjagt führte ihn quer durch die ganze Stadt.
"Verfolgungsjagd"?

wenn er ihn zu fassen bekäme –was dieser auch vorhatte- angetrieben.
Es war zuvor auch schon, aber hier ist es recht deutlich: in diesem Fall sind die Beistriche keine Bindestriche, deswegen gehören sie mit einem Leerzeichen von den Wörtern getrennt.

und deutete Grundlos auf den Metallmann.
Wirklich? Also ich meine, ist es wirklich grundlos, wenn jemand einen umrennt - ob Mensch oder Maschine - auf ihn zu deuten?

E Somit versuchte er es mit einer Entschuldigung,
Was macht denn das E da am Anfang?

dass er zu rosten beginnen würde, wenn er mit Wasser in Berührung kam, so wie an diesem Tag
"dass er zu rosten beginnt, wenn er mit Wasser in Berührung kommt"? Ich bin mir hier über deine gewählte Zeitform sehr unschlüssig.

Uh, ein ziemlich schlecht gelaunter Roboter und dabei eher agressiv und nicht depressiv. Interessant.
Dieser One-Shot hat mir ganz gut gefallen. Ein kleiner Einblich in das Leben des intelligenstesten Wesens, das es gibt. Nicht schlecht.

~present for you~
Turnaris
Von:  w-shine
2011-08-15T16:19:32+00:00 15.08.2011 18:19
Das Leben von Jason Schrott… äh… Scrap ist ja höchst erfreulich.
Oder so.
Er erinnert mich irgendwie an Marvin aus „Per Anhalter durch die Galaxis“. Der hatte ja ein ähnliches Schicksal: Wusste alles und keiner hat ihn gewürdigt – und deshalb war er depressiv. Da ähneln sich die beiden Roboter schon sehr.
Die Geschichte ist mit ziemlich viel Witz erzählt, was mir gut gefällt. Der Einstieg, wie er im Gebüsch sitzt und dann die Käfer über ihn drüber krabbeln und dann noch der Mann kommt, der ihn anpinkelt – wirklich zum lachen (oder zum weinen, je nachdem).
Die Reaktion seines Kunden finde ich aber ein bisschen übertrieben. Wenn der immer so jähzornig ist, dann wundert es mich nicht, wenn seine Frau ihm fremd geht… Auch der gute Roboter regt sich für meinen Geschmack etwas zu sehr auf.
Das Fazit der Geschichte finde ich sehr treffend und passend. Jason wäre wahrlich woanders gut aufgehoben.
Insgesamt eine gute Geschichte und über deinen Schreibstil habe ich sowieso nichts zu meckern.

Liebe Grüße,
Shine

Von: abgemeldet
2011-04-27T20:02:25+00:00 27.04.2011 22:02
Oh weh, der arme, ist wohl wirklich nicht sein Tag, oder?

Vielleicht ist er auch so unglücklich, weil er sich weit unter seinem wert verkauft?
Wenn er so intelligent und volgestopft mit wissen ist... Wieso verdient er sich sein Geld als drittklassiger Privatdetektiv?
In der Forschung oder so, würde sein Wissen gepaart mit der Intelligenz, sicherlich mehr geschätzt.

Etwas was mir bei künstlichen Intelligenzen immer wieder einfällt.
Wenn man ein Wesen erschafft, das sich seiner selbst bewusst ist, muss einfach auch wie ein intelligentes Wesen behandelt werden. Sonst wird sich die menschliche Arroganz irgendwann ganz übel rächen.


Von:  SamAzo
2011-02-24T22:52:49+00:00 24.02.2011 23:52
Das gute als Roboter war ja stundenlanges Rumsitzen ohne aufs Klo zu müssen. Ist bestimmt hilfreich.
Natürlich blöd, das nicht alle so 'belastbar' sind.
Die Verfolgungsjagt stell ich mir wirklich ... lautstark vor. xD

Eine Sache noch: Nevau = Niveau
^^


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