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Zeitlos -♠-

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Das Dort (Menschlich Mechanisch -2-)

»…W-Wo… bin… ich?«, quälte er die Worte aus seinem Mund, obwohl er nicht glaubte eine Antwort zu bekommen.

Überraschenderweise kam diese doch. Eine tiefdunkle Stimme mit hallendem Echo flüsterte: »Willkommen im Dort.«

»W-Wer…ist da?«, keuchte Sin.

Keine Antwort. Nur Stille, Leere und Schwärze. Es war erdrückend und kalt. In diesem unglaublichen Nichts der Finsternis gab es keinen Laut. Plötzlich erhob sich aus der ewigen Dunkelheit ein Lichtschimmer.

»Hallo?«, versuchte Sin es erneut und spähte zu dem Lichtkegel hinüber, der sich langsam auf ihn zubewegte. Er wirkte etwas bedrohlich. Als er nah genug war erkannte der Cyborg die Umrisse einer Gestalt, die eine alte Petroleumlampe in den Händen hielt. Doch er konnte nichts als die Silhouette des Geschöpfes erkennen. Dann verschwand das Licht so schnell, wie es erschienen war. Verwirrt sah Sin sich um, doch er konnte nichts als Schwärze ausmachen. Unter Höllenqualen gelang es ihm sich aufzurichten, sofern er überhaupt gelegen hatte. Sein Kopf schmerzte unerbittlich und sein Körper schien ihm fremder als je Zuvor. Was ging hier nur vor sich?

»Guten Tag, Sin«, ertönte die tiefdunkle Stimme erneut, doch dieses Mal war sie direkt hinter ihm. Er erschrak und wandte sich blitzschnell um. Vor ihm stand ein großes Wesen, das die Petroleumlampe zwischen seinen grauen, beinah schwarzen Klauen hielt. Das fahle Licht beleuchtete das Wesen nur matt, doch genug, sodass Sin mehr als nur Konturen sehen konnte. Die Haut seines Gegenübers war schwarz-grau und es trug schwarze, zerfetzte Kleidung und lange, weiß-graue Haare. Über sein Gesicht verteilten sich tiefe Narben und dunkle Bänder. In seinem Mund blitzten scharfe Zähne und unter den Haaren lugte ein blutrotes, angsteinflößendes Augenpaar heraus.

»Verzeiht«, begann das Wesen, welches einer Rasse angehören musste, von der Sin nicht einmal im Entferntesten etwas gehört hatte, »Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.« Es lächelte und ließ seine Fangzähne aufblitzen. »Nennt mich Schattengänger.«

Sin verzog das Gesicht und sah den Schattengänger abwertend an. Er erinnerte mehr an den Sensenmann, als an irgendetwas anderes. Dann hob er die Augenbraue und fragte tonlos: »Wo bin ich hier?«

»Im Dort, werter Herr«, kam prompt die Antwort des seltsamen Wesens. Der Cyborg hatte noch nie etwas von einem Dort gehört. Er rümpfte die Nase und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Was soll das sein? Ein solcher Ort ist mir noch nie zu Ohren gekommen.«

Der Schattengänger hatte immer noch dieses grausame Lächeln aufgesetzt und entgegnete: »Das Dort liegt zwischen Hier, Da und Daneben. Ihr nennt es wahrscheinlich anders. Da und Daneben sind dasselbe wie Himmel und Hölle. Und das Hier ist wohlmöglich etwas wie eure Planeten und Welten. Eben das, auf dem Ihr Ungötter lebt.«

Sin sah den Schattengänger verwundert an, auch wenn er so etwas wie Verwunderung nicht zu fühlen in der Lage war. »Ist es hier immer so dunkel?«, fragte er dümmlich und sah sich noch einmal um, doch es blieb immer noch alles in Schwarz.

»Möchtet Ihr etwas mehr Licht, werter Herr Sin?«

Sin bejahte und kaum hatte er dies getan wurde das Dort in Licht getaucht. Sins menschliches Auge verkraftete diesen Umschwung nicht und sah nur noch verschwommen. Doch das mechanische Auge konnte ungehindert sehen. Buntes Gelächter von tausenden Farben zog durch die Umgebung des Dort. Vor Sin ersteckte sich ein Ort, von dem er nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Er fühlte sich wie Alice im Wunderland, nur dass dieses Wunderland noch weitaus mehr zu bieten hatte als das von der kleinen Alice. Bäume mit silbrig glänzenden Baumkronen und Blumen in einer seltsamen Farbe, die Sin noch nie zuvor gesehen hatte, Gräser in einem unermesslichen Farbspektrum. Der Cyborg konnte es kaum glauben.

»Das ist… wunderschön…«, sagte eine vertraute Stimme und Sin sah sich um. Neben ihm stand Scott, der vor Staunen die Augen weit aufgerissen hatte. Die tiefen Ringe wirkten gar nicht mehr so schlimm, wie zuvor, bevor sie…

Bevor sie was?

Sin versuchte sich zu erinnern. Wie war er hier hergekommen? Warum war sein Bruder auch hier und was… Was war mit Calea, Fynn und Ronny geschehen? Er konnte sich nicht erinnern. Der Schattengänger schien Sins Gedanken gelesen zu haben und meinte schließlich: »Es ist ganz normal, dass man vergisst.«

Sin schüttelte den Kopf und versuchte krampfhast sich zu konzentrieren. »Nein, ich vergesse nie! Niemals!«

»Das liegt an dem Dort. Es ist der Ort des Vergessens. Je länger Ihr hier seid, desto mehr werdet Ihr vergessen, werter Herr, bis Ihr Euch eines Tages an nichts mehr erinnern könnt.«

Sin starrte den Schattengänger ungläubig an. Was hatte er da gesagt? Auch Scott sah ihn entgeistert an und schrak schließlich zurück, als er bemerkte, dass da noch jemand außer Sin war.

»Was ist denn das?«, brachte Sins Bruder heraus und riss panisch die Augen weit auf. Nervös zuckten seine Mundwinkel.

»Ich muss doch sehr bitten! Ich bin doch kein Gegenstand! Ich bin der Schattengänger, werter Herr Scott.«

Scotts Mund stand sperrangelweit offen, als er in die blutroten Augen des Schattengängers blickte. Er schien mehr als nur Angst vor diesem seltsamen Wesen zu haben und die Nervosität war ihm ins Gesicht geschrieben. Doch Sin war es schon gewöhnt, seinen Bruder so panisch zu erleben. Eigentlich war das ein Dauerzustand. Und wieder einmal bedauerte der Cyborg, dass sein kleiner Bruder den Liphialen, den Blüten mit der Wirkung von Drogen, verfallen war. War er doch, oder?

Sin schüttelte sich, weil er allmählich das Gefühl bekam nicht mehr klar denken zu können. Alles erschien ihm so falsch und unwirklich. Lag das auch daran, dass er sich im Dort befand?

»Wie dem auch sei«, meinte der Schattengänger und entblößte mit einem Lächeln erneut seine scharfkantigen Zähne. Scott wich leicht und kaum merklich zurück.

»Wie kommen wir hier raus und wo finde ich den Rest meiner Mannschaft?«, fragte Sin beiläufig. Inzwischen ließ ihn die Schönheit und Faszination der Umgebung völlig kalt. Er hatte nicht die Absicht in diesem seltsamen Dort alles zu vergessen, was er je wusste. Ihm war klar, dass er so schnell wie möglich hier weg musste, um bei klarem Verstand zu bleiben, sofern das Stimmte, was das Wesen von sich gab.

Plötzlich brach der Schattengänger in ein schallendes Gelächter aus. Scott zuckte zusammen und Sin blickte verdattert und angewidert zu dem Wesen in schwarz hinüber. Auf die Frage, was denn so ungemein Lustig sei, antwortete der Lachende: »Ihr glaubt Ihr kommt hier raus? Werter Herr, bei allem Respekt, aber das ist absolut unmöglich! Noch niemals ist jemand wieder herausgekommen aus dem Dort! Wisst Ihr das nicht? Ach herrje, Ihr seid ein Witzbold, werter Herr Sin!«

»Was heißt das, wir kommen hier nicht raus?«, wollte Scott wissen. »Wo sind Calea, Fynn und Ronny?«

Der Schattengänger drückte die Flamme der Petroleumlampe mit seinen dunklen, rissigen Fingern aus und sah Sin und Scott bedrohlich an. Für einen kurzen Moment funkelten seine Augen auf und Sin glaube, ein Blutstropfen liefe aus ihnen heraus. Doch das Wesen antwortete nicht auf die Fragen, sondern lächelte nur sein fieses Lächeln. Dieses Geschöpf war Sin nicht geheuer. Es versprühte eine dunkle und furchteinflößende Atmosphäre. Und dieses dauerhafte Lächeln auf seinem Gesicht zeugte von mörderischer Natur. Schließlich stellte es die Lampe beiseite und flüsterte bitter: »Eure Gefährten sind gerade auf dem Weg hierher. Versucht nur zu fliehen, werte Herren, kämpft um euren Verstand, aber denkt daran: Dies ist mein Reich und ich allein habe die Macht darüber!«

Sin verlor die Geduld, packte den Schattengänger an der Kehle. Seine Metallhand musste dem Wesen förmlich die Blutzufuhr abschnüren, so fest drückte er dessen Hals. »Hör endlich auf mit deinem sinnlosen Geschwafel und drück dich ordentlich und verständlich aus! Sag und, wie wir hier rauskommen und ich lasse dich am Leben du niederträchtiger Wurm!«, drohte Sin mit emotionsloser Stimme.

Das Wesen keuchte nicht, schnappte nicht nach Luft und lief auch nicht blau oder grün an, obwohl ihm gerade eine Hand kräftig den Hals zerdrückte. Es machte nicht den Eindruck, als leide es. Stattdessen grinste es breit. Erst jetzt fiel Sin auf, dass der Schattengänger sich allmählich auflöste. Erst verschwanden seine Füße und Finger, dann Arme und Beine, dann der Oberkörper, bis schließlich nur noch das glühende, blutrote Augenpaar zu sehen war. Doch auch dies erlosch nach kurzem und wurde zu Schatten, so wie der Rest des Wesens auch.

»Was zum…?«, fragte Sin irritiert und starrte auf seine leere Hand.

In der Ferne ertönte die tiefdunkle Stimme: »Ihr könnt nichts töten, werter Herr Sin, was nicht lebt!«

Dann war es still.

»Was soll dieser Unfug?«, schrie Sin in die Leere hinein, die sich um ihn ausgebreitet hatte. Doch nach wem oder was rief er schon? Nach einem Wesen, dass so falsch und inexistent war, wie er es sich nicht einmal hätte erträumen können.

Plötzlich bemerkte der Cyborg eine dreiköpfige Gruppe, die sich aus der Schönheit der Umgebung erhoben und schnellen Schrittes auf ihn und Scott zuhielten: Calea, Fynn und Ronny. Scott strahlte vor Freude sie zu sehen und lief ihnen entgegen. Auch Sin machte sich auf den Weg und bewegte sich in ihre Richtung. Als sein Bruder sie fast erreicht hatte rief er ihre Namen und hüpfte aufgeregt wie ein kleines Kind herum. In diesem Moment zückte Fynn seine Laserpistole und richtete sie auf Scotty.

»Wer immer du auch sein magst und woher auch immer du unsere Namen kennst, kleiner Wicht, komm bloß keinen Schritt näher!«, fauchte Ronny und bleckte seine Fangzähne.

Scott zuckte zusammen und erstarrte. »Was soll denn das? Erkennt ihr mich denn nicht?«

Calea warf sich schwungvoll ihre langen, blauen Haare über die Schulter und entgegnete mit ihrer glasklaren Stimme: »Tut mir aufrichtig leid, Kleiner, aber ich habe dich noch nie zuvor gesehen. Und nun erweise einer Nachtelfe die Ehre und lass sie vorbei!«

Jetzt erreichte auch Sin den Ort des Geschehens. Doch im Gegensatz zu seinem kleinen Bruder machte er nicht halt, sondern hielt geradewegs auf sie zu. »Lasst gefälligst diesen Humbug!«, blaffte er und warf ihnen einen warnenden Blick zu.

Kaum hatte er die unsichtbare Grenze überschritten, hielt Calea ihm auch schon ein Schwert an die Kehle. Der glänzende und überaus scharfe Stahl der Elfen, das Meisterwerk unter den Schwertern kam nur knapp einen halben Zentimeter vor Sins Kehlkopf zum stehen.

»Mach keine Mätzchen, Cyborg!«

»Ihr seid doch vollkommen übergeschnappt!«, stellte Sin gelassen fest und stieß in einer schnellen und geübten Bewegung die Klinge in den Boden ohne sich einen Kratzer zuzufügen. Doch schon waren Fynn und Ronny zur Stelle. Der Ziegenmann drückte Sin die Laserpistole an die Stirn und der Wolfsmensch presste ihm einen Dolch an die Halsschlagader. Wieder einmal war der Cyborg überrascht, wie wendig und routiniert die beiden doch zusammenarbeiteten und wie gut sie ihren Feind im Griff hatten.

Kein Wunder, schoss es ihm durch den Kopf, schließlich sind es zwei vollends ausgebildete Kämpfer, die Jahrelang zusammen in die Schlachten zogen und nun unter meinem Befehl stehen. Er verbesserte sich innerlich. Sie standen ja anscheinend nicht mehr unter seinem Befehl. Sie hatten sich gegen ihren Boss gewandt. Sogar die liebevolle Calea hatte nichts mehr für ihn übrig. Es schien, als hätten sie vergessen, wer Scott und er waren.

Plötzlich erinnerte er sich an das, was der Schattengänger gesagt hatte und ihm wurde einiges klarer.

Dies ist der Ort des Vergessens… Je länger Ihr hier seid, desto mehr werdet Ihr vergessen, werter Herr, bis Ihr Euch eines Tages an nichts mehr erinnern könnt.

Doch dass Calea, Fynn und Ronny so schnell vergessen würden, das hätte Sin beim besten Willen nicht gedacht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2012-02-17T18:00:27+00:00 17.02.2012 19:00
Hallo,
da bin ich wieder. Fast hätte ich vergessen, dass es noch einen zweiten Teil Menschlich Mechanisch gibt. Irgendwann wäre es mir sicher aufgefallen.

und sein Körper schien ihm fremder als je Zuvor.
Warum ist "zuvor" groß geschrieben?

»Nennt mich Schattengänger.«
Den hast du übrigens recht gut eingebunden. Er ist interessant und so höflich. ^^

Und das Hier ist wohlmöglich etwas wie eure Planeten und Welten. womöglich?

Buntes Gelächter von tausenden Farben zog durch die Umgebung des Dort.
Das gefällt mir. Du gibst der Umgebung Leben. Grundsätzlich finde ich diese Art der Beschreibung immer faszinierend. Sowas macht einen kreativen Geist aus. ^^

Sin schüttelte den Kopf und versuchte krampfhast krampfhaft

Er hatte nicht die Absicht in diesem seltsamen Dort alles zu vergessen, was er je wusste.
Würde es "je gewusst hatte" heißen müssen?

sofern das Stimmte, stimmte
verdattert und angewidert zu dem Wesen in schwarz hinüber. Schwarz
was denn so ungemein Lustig sei, lustig
Sag und, wie wir hier rauskommen uns
und ich lasse dich am Leben du niederträchtiger Wurm! Komma nach "Leben"
Als sein Bruder sie fast erreicht hatte rief er ihre Namen Komma nach "hatte"
Doch im Gegensatz zu seinem kleinen Bruder machte er nicht halt, Halt (glaube ich jedenfalls)
knapp einen halben Zentimeter vor Sins Kehlkopf zum stehen. Stehen (müsste es sein, aber ich würde "Stillstand" vielleicht vorziehen?)
die Klinge in den Boden ohne sich einen Kratzer zuzufügen. Komma nach "Boden"
die Jahrelang zusammen in die Schlachten zogen jahrelang

Wie, was, schon vorbei? Ich finde die Aufklärung am Schluss ganz gut.
Es ist mir aber viel zu wenig, im Sinne von: davon würde ich mehr lesen.
Ist das das endgültige Ende? Bisher sehe ich nichts mehr davon. Dann lohnt sich also ein Abo, nur um zu sehen, ob du mehr in dieser Art hast.
Das Genre finde ich, liegt dir auch. Zumindest mag ich, was du beschrieben hast.

~present for you~
Turnaris
Von: abgemeldet
2011-06-04T11:08:46+00:00 04.06.2011 13:08
Der schattengänger ist echt gruselig, so wie du ihn beschrieben hast, konnte ich ihn mir so bildlich vorstellen, als würde er direkt vor mir stehen. dem möchte ich nicht leibhaftig gegenüber stehen!
Ich hoffe doch sehr, es geht weiter, so spannend das zweite kapitel aufgehört hat.
Wobei mir nur eines Angst macht - du magst ja keine happy Endings, also sollte ich mich wohl schonmal von dem ein oder Charakter verabschieden, bevor ich sie zu lieb gewinne. ;)




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