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war in my head

it's a sinners innocence
von

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Gewitterfront

Farin kommt es vor als wäre überhaupt nichts passiert zwischen dem jetzt und dem Moment als er am Flussufer der Spree stand. Doch das stimmt nicht, seine Erinnerungen sagen ihm das Gegenteil und sie sind laute Biester. Er ist ruhig. Zu ruhig für seinen Geschmack. Das was ihm bevorsteht kann schließlich nichts gutes sein. Doch er fühlt sich nicht unwohl, er fühlt gar nichts gegenüber dem was auf ihn zukommt. Die Zeit vergeht. Der Bus hält und mit einem Mal hat er das Gefühl eine Gewitterfront würde aufziehen. Nein, das stimmt so nicht ganz. Sie ist schon aufgezogen. Vor langer Zeit. Vor etwas mehr als drei Jahren und sie steht noch immer.
 

Es ist das erste Mal seit damals das sie sich sehen. Farins Magen ist flau, weil es alte Erinnerungen aufruft. Leider sind es keine schönen. Sie sind nicht einvernehmlich auseinander gegangen. Der letzte Streit, er war ein unausweichlicher Sturm. Ein Sturm der nicht nur psychische Wunden hinterlassen hat und so plötzlich vorbei war das er einem seelischen und körperlichen Schleudertrauma glich. Was genau damals passiert war... Darüber ist er sich nicht sicher. Nicht mehr zumindest. Einmal hat er es gewusst, doch jetzt ist es nur noch eine verschwommene kaum greifbare Erinnerung.
 

Ihn zu sehen, das bedeutet für ihn sich damit auseinander setzen zu müssen. Etwas was Farin eigentlich nicht will. Er will all diese Wunden nicht noch einmal aufreißen. Viel zu froh ist er das sie verheilt sind. Mehr oder weniger zumindest. Denn seit geraumer Zeit kommt es ihm vor als würde er durch Nebel gehen. Nur auf der Bühne kann er dieses Gefühl für zwei, drei Stunden abschütteln. Dann kann er wieder klar denken, klar sehen und klar verstehen. Danach kommt ihm alles wieder ganz weit weg vor. Für einen Moment schließt er die Augen, atmet tief durch und entspannt sich. Bela stupst ihn freundschaftlich an. Aus dem Augenwinkel schaut Farin ihn an, grinst ebenso wie der Schwarzhaarige, doch es wirkt aufgesetzt. Gekünstelt. Manchmal kommt es ihm vor als hätte er es verlernt.
 

„Hör auf so dumm zu grinsen!“, hört er eine Stimme die gar nicht anwesend sein kann, sich genervt empören. „Das ist nicht – du gottverdammter Idiot!“ Farin lächelt abwesend und spürt einen Stich im Herzen. Schließlich weiß er ganz genau das es der Brünette nie so gemeint hat.
 

Es kommt ihm vor als ob er es verlernt hat.
 

Sie steigen aus und plaudern auf dem Weg zum Backstagebereich, sie können die Masse schon jetzt hören und freuen sich auf den Auftritt. Nervös zupft Farin dann und wann seine Ärmel zurecht, damit niemand den Verband sieht. Bela hat ihm den angeordert. Damit es wenigstens nicht noch schlimmer wird, wenn er sich selbst schon zum Kauknochen umfunktionieren muss. Dabei muss er sich eigentlich keine Sorgen machen, denn Ärmel seines Hemdes sind mehr als lang genug um alles zu verbergen. Es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme. Doch niemandem fällt etwas auf.
 

Dann das zusammentreffen, es fällt kurz aus. Doch für Farins Geschmack ist auch das viel zu lang. Er möchte einfach nur noch weg von hier. Es läuft gut. Selbst bei ihnen beiden. Eine freundliche knappe Begrüßung, ein Grinsen – Schauspiel oder ist es ehrlich? Er kann es nicht sagen. Campino kann es zwar besser als er, aber Farin hat es trotzdem immer geschafft seine Fassaden zu durchschauen. Nicht heute. Heute ist sein Blick unfixiert und unklar, seinen Augen fehlt der Glanz.
 

Da bemerkt er etwas in Campinos Blick. Etwas vertrautes, das ein ehrliches Lächeln auf seine Lippen zaubert. Seine Augen huschen hin und her, er wirkt ein wenig abwesend und dennoch aufgewühlt. Als würde ihn etwas beschäftigen das nicht im hier und jetzt stattfindet. Er hat gelesen. Farin weiß es, er kennt den Blick. So hat er ihn immer angeblickt, damals, wenn er sich von dem Buch in seinen Händen abgewandt hatte. Als müsste er erst wieder in diese Welt zurückfinden. Genauso schaut er auch jetzt aus, als wäre er noch nicht ganz hier. „Ist es gut?“
 

„Was?“, verwirrt blickt ihn der Brünette an und Farin hat für einen Moment wieder das Gefühl klar zu sein.
 

„Das Buch“, erklärte er sich mit einem schmalen grinsen und beobachtet wie sich Campino im gegenüber lachend zurücklehnt. Als wäre nichts passiert! Wo ist die Gewitterfront? Wollte er nicht eigentlich... Wollte er nicht sauer sein? Sollte er es nicht nach allem was passiert war? Irgendwie kann er es nicht. Sein Kopf ist wie leer gefegt und sein Mund sagt Dinge die ihm komplett verkehrt erscheinen für ihre Situation. Ob es ihm wohl auch so geht, fragt sich Farin, während er beobachtet wie Campino nickt, redet von dem Buch was er gerade liest. Der Blonde nickt ab und zu, er lächelt vor allem. Es ist eine schöne Erinnerung an damals, doch auch eine die er ebenso verdrängt hat wie alles andere.
 

Letztlich ist es wieder vorbei, sie verteilen sich. Jeder geht sein eigenes Süppchen kochen und Farin ist froh das er den Raum leer auffindet nachdem er eine Weile gegangen ist. Jetzt kann er wenigstens seine Gedanken ordnen, während der Nebel der ihn einhüllt wieder einsetzt. Es kommt ihm vor als würde er nicht klar sehen können. Mit einem dumpfen Geräusch lässt er sich auf die Couch fallen und schließt die Augen. Er hat ein wenig Kopfschmerzen. Vielleicht sollte er schlafen, überlegt er. Eines seiner Beine hängt von der Couch auf der er liegt, sein Gesicht hat er hinter seinen verschränkten Armen verborgen. Schritte nähern sich. Er sollte sich zumindest schlafen stellen, damit ihn niemand stört überlegt er. Hoffentlich sind es keine Reporter oder so. Die sollen ihn bloß nicht so sehen. Farin räkelt sich ein wenig und streckt dabei seine Arme, die er daraufhin hinter seinem Kopf verschränkt.
 

Die Schritte sind fast da. Als sich die Tür öffnet liegt er ganz ruhig da. Schließlich spielen sie erst in mehreren Stunden. Nur sein sich heben und senkender Brustkorb verrät dabei, das sich niemand sorgen machen muss. Die Schritte nähern sich und verstummen. Warmer Atem und ein bekannter Geruch schlagen ihm entgegen, lassen ihn die Augen einen Spalt öffnen. Als er Campino erkennt öffnet er sie ganz. Der Brünette grinst schwach. Auf die Lehne des Sofas gestützt hat er sich über ihn gelehnt. „Wusst ich doch das ich dir hier finde Dornröschen.“
 

Farin ist nach lachen zumute. Es ist so absurd. „Was für einen Dreck tun wir hier eigentlich?“, fragt er kaum geistig anwesend. „Sollten wir uns nicht die Köpfe einschlagen nach dem was passiert ist...?“
 

„Ich kann dir doch nicht dein hübsches Gesicht einschlagen...“, murmelt Campino amüsiert und streicht mit dem Daumen über eine Narbe die von Farins Stirn abgeht. Sie ist knapp zwei Zentimeter lang und beginn direkt am Haaransatz etwas abseits seiner linken Schläfe und dann direkt seinen Schädel hinauf. Dort wachsen keine Haare mehr, stattdessen erhebt sich die Narbe bleich von seiner Haut. Farins Augen weiten sich geschockt. Wie ein Blitz durchfahren ihn Bilder und die Erinnerungen an einen stechenden Schmerz. Die Narbe pocht sanft und heiß unter Campinos Daumen. Es kommt ihm vor als würde sein Blut glühen.
 

Irgendetwas hat ihn am Kopf getroffen, aber ob Geschirr oder ein Buch oder sonst irgendetwas kann er nicht sagen. Es ist einfach irgendetwas das damals zur Hand war. Er hatte sich geduckt und dennoch war er getroffen worden – eher gestreift. Wut und Schock durchfahren ihn, während er abwesend ins Leere starrt. Gerade von ihm will er dort eigentlich nicht berührt werden, doch er schafft es nicht sich zu rühren.
 

Die Bilder in seinem Kopf sind verzerrt wie die eine verwackelten alten Filmes. Warum hatten sie sich nochmal gestritten? Es war ihm so trivial erschienen im Nachhinein. Geradezu dumm. „Hör auf...“, bringt er heiser zu Stande. Vage erinnert er sich. Das Blut, die Küche, die Wohnung. Ein vertrauter Geruch scheint plötzlich in der Luft. Er schließt die Augen, versucht sich zu entspannen doch es misslingt ihm. Campinos Hand streicht über sein Gesicht und bleibt an seiner Wange liegen. Er spürt seinen warmen Daumen seine Wange streicheln.
 

„Es tut mir leid, das weißt du doch...“
 

„Ich weiß...“, Farin atmet tief durch. Er will die Augen öffnen, doch er unterdrückt den Impuls. Ihm fällt ein das es ein Teller war, den Campino nach ihm geworfen hatte. Farin atmet erneut tief durch und verbannt die Bilder aus seinem Kopf. Als er die Augen öffnet legt er Zeitgleich zwei Finger auf die Lippen des Brünetten.
 

Er kann ihm ansehen das es noch nicht vorbei ist. Seufzend richtet er sich wieder auf und reibt sich den Nacken. Er will etwas sagen, doch bringt nichts zustande, denn ihm fällt einfach nichts ein. Irgendwie weiß er sich grad nicht zu helfen. Er hat den Blonden schon in einigen komischen Stimmungen erlebt. Diese ist neu. Oder eher, es ist neu das er daran beteiligt ist. Das war schon mal anders. Die Sache ist kompliziert. Ziemlich sogar. Deswegen hofft Campino einfach das Farin diesen Kampf in seinem Kopf gewinnt. Er versteht ihn nämlich leider nicht. Nicht mehr zumindest. Er hat es mal verstanden, aber das ist lange her.
 

Farin liegt nur da und starrt an die Decke. Er tippt sich mit den Fingern die eben noch an den Lippen des Anderen lagen, gegen die eigene. Campino hat den Raum verlassen und er genießt die Stille. Leider herrscht diese nur um ihn herum und nicht in seinem inneren.



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