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Glue The Heart

von

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Ians Zimmer

Nach diesem Vorfall sprachen wir kaum noch miteinander und irgendwie wurde ich dadurch immer unruhiger. Mittlerweile hatte ich mich wieder aufgesetzt und lasse meinen Blick durch Ians Zimmer wandern. Ich entdecke dabei einen Computer in der Ecke, gleich daneben einen Wandschrank, auf der Wand gegenüber ein Linkin Park Poster, und auf dem Fensterbrett etwas weiter links eine ziemlich vertrocknete fleischfressende Pflanze. Bei deren Anblick muss ich schief grinsen. Das passt irgendwie zu ihm, finde ich, obwohl ich ihn noch gar nicht richtig kenne.
 

Ian muss den Blick wohl bemerkt haben, denn er ging seufzend auf die tote Pflanze zu.

»Ich weiß, ich sollte mir einen Kaktus zulegen, der hätte mehr Überlebenschancen.«

Dann dreht er sich zu mir um.

»Wieso grinst du so? Das ist eine ernste Angelegenheit.«

War es nicht, das konnte ich an seinem Tonfall hören.

«Weiß nicht, vielleicht weil du in der Hinsicht ein hoffnungsloser Fall bist.»

Ich grinse immer noch. Irgendwie seltsam, jetzt wo es erst mal da war, ließ es sich nur schwer wieder abstellen, oder wie in meinem Fall überhaupt nicht.
 

»Und das kommt ausgerechnet von dir?«

Ich kann spüren, wie er mich amüsiert mustert.

Wären diese Worte von jemand anderem gekommen, wäre mein Ex – seltsam ihn so zu nennen – vermutlich nicht der Einzige gewesen, der ein blaues Auge kassiert hätte. Bei Ian ist das aber etwas anderes, seine ganze Art, die Tonlage seiner Stimme lassen mich entspannen.

«Na klar» entgegne ich also nur.

«Wenn sich jemand mit hoffnungslosen Fällen auskennt, dann wohl ich.»
 

Ich kann das Staunen in Ians Gesicht sehen. Er schien wohl selbst bereits darauf eingestellt gewesen zu sein, vor mir in Deckung zu gehen. Dann schmunzelt er aber und schließlich kommt ihm ein merkwürdiges Glucksen über die Lippen. Er wirkt selbst darüber überrascht, denn er hält sich promt eine Hand vor den Mund und wendet sich ein wenig von mir ab.

Ohne nachzudenken stehe ich auf und gehe auf ihn zu. Ich versuche dabei möglichst kein Geräusch zu machen, schließlich will ich meine Position nicht verraten. Vorsichtig schleiche ich näher und immer näher an ihn heran, bis ich direkt hinter ihm stehe. Dabei beobachte ich belustigt, wie Ians gesamter Körper unter seinem unterdrückten Lachen zu beben scheint. Ist es wirklich so lustig gewesen, was ich gesagt habe? Na ja, vermutlich schon, wenn man an meine rot geschwollenen Augen denkt und das seltsame Dauergrinsen in meinem Gesicht, hatte ich wohl zusätzlich noch Ähnlichkeiten zu einem Clown.
 

Aber daran denke ich jetzt nicht, meine volle Konzentration gilt Ian und der wirklich unglaublich schwierigen Kontrolle meines Herzschlages. Mit angehaltenem Atem beuge ich mich langsam zum Ohr des anderen.

«Dein Lachen ist wirklich niedlich.» hauche ich gekonnt, ehe Ian schreckhaft von mir weg zuckt und ich dabei herzhaft auflache.

Man tut das gut!

»M..m. mach das nie wieder!!« stammelt Ian, anscheinend kurz vor einem Herzinfarkt.
 

Ich brauche einen Moment, um mein Lachen abebben zu lassen, dann nicke ich.

«Versprochen.»

Ein kritischer Blick gleitet über jede meiner Gesichtsregungen, vermutlich hat sich mein Versprechen nicht sehr aufrichtig angehört. Ich kann beobachten wie Ian seine Hände vor der Brust verschränkt und seine Miene noch ernster wird, als sie ohnehin schon ist.

Langsam beunruhigt mich das und ich beginne nervös an meinem Shirt zu zupfen.

«Ähm... » mache ich, in der Hoffnung, dass mir bald ein Ablenkungsmanöver einfallen wird.

«Du hast nicht zufällig noch eine Zahnbürste für mich?»

Etwas Besseres ist mir im Augenblick wirklich nicht eingefallen, ich hoffe trotzdem, dass es funktioniert.

»Klar.« antwortet er mit einem misstrauischen Unterton.

«Ähm... okay, dann geh ich mir mal...»

Weiter komme ich nicht. Ian ist so abrupt auf mich zugegangen, dass es mir die Sprache verschlagen hat. Ich schlucke schwer und sammle schließlich das bisschen Mut, das mir noch geblieben ist.

«W.was ist denn? Hab ich was im Gesicht?»

»Hmmm...«

...

«Hmmm..?» wiederhole ich nervös, als er nichts weiter sagt.

»Nein, ich zeig dir wo die Zahnbürste ist.«

Hä? Was war das denn? Er ist doch darauf eingegangen? Einfach so? Das Mysterium Ian wächst immer mehr. Aber ich will mein Glück nicht weiter herausfordern, also nicke ich nur und folge ihm ins Bad.
 

Dort angekommen, wird mir erklärt welche Handtücher ich benutzen darf, falls ich duschen will, dann bekomme ich eine Zahnbürste überreicht.

«Danke.» murmle ich, ehe ich einem völlig Fremden ins Gesicht starre. Ich zucke erschrocken zusammen, ehe ich bemerke, dass es mein eigenes Spiegelbild ist, vor dem ich Angst hatte. Gott wie erbärmlich, wer außer mir erschrickt vor sich selbst? Allerdings muss ich zugeben, dass ich wirklich schrecklich aussehe. Wäre ich Ian gewesen, hätte ich mich niemals mit zu mir genommen.

»Finn, alles okay?«

«Hä? Was?»

»Ich dachte, du wolltest dir die Zähne putzen, stattdessen starrst du dich nur verträumt im Spiegel an.«

Verträumt? Ich?

Ich antworte nichts darauf, mir fällt nämlich gerade nichts Passendes ein, das überzeugend genug und nicht so erbärmlich geklungen hätte, wie die Wirklichkeit. Also putzen wir uns synchron die Zähne.

Ob es sich so anfühlt, wenn man Geschwister hat? Ich stelle es mir zumindest so vor. Ich bekomme einen Pyjama und dann gehen wir schlafen, als ob es schon immer so gewesen wäre.
 

Ich schließe die Augen auf meiner Matratze und gehe den Tag gedanklich nochmal durch. Vor einigen Stunden noch war ich der unglücklichste Mensch der Welt und jetzt scheint das alles schon weit in der Vergangenheit zu liegen.

Er will mich nicht mehr und ich sehe keinen Weg mehr zu ihm zurückzukehren. Irgendwie macht mich das traurig. Wieso müssen manche Dinge so endlich sein? Auch wenn ich wusste, dass es nie lange dauern würde, schon wegen seiner Familie. Hatte ich dennoch gehofft, er würde sich für mich entscheiden? Was für ein dummer Gedanke.

Und jetzt kommen mir zu allem Überfluss die Tränen schon wieder hoch.

«Scheiße...» murmle ich verzagt vor mich hin, als ich mir mit dem Handrücken über die Augen wische und mich auf die Seite drehe.

»Finn?«

Ich zucke zusammen. Für einen Moment hatte ich vergessen, dass ich nicht alleine bin. Meine Arme legen sich fest ums Kissen und ich ziehe es näher an mich heran. Dabei überlege ich krampfhaft, was ich Ian antworten könnte. Ich will nicht, dass er merkt, dass ich heule. Diese Erniedrigung einmal am Tag zu ertragen ist schon schwer genug, zweimal muss jetzt wirklich nicht sein.

«H..hab mir nur das Knie angeschlagen.» nuschle ich.

»Das Knie? Woran denn?«

Mist, er ist gut.

«An der Matratze?»

»Ja, klar, wo sonst?«

Ich kann hören, dass er dabei grinst. Dann raschelt sein Bettzeug, vermutlich weil er sich auf die andere Seite dreht. Ein Glück, er fragt nicht weiter nach und ich kann erleichtert aufatmen. Als Antwort auf meine Gedanken bemerke ich jedoch entsetzt, dass Ian sich nicht im Bett gerollt hat, stattdessen ist er zu mir rüber gegangen und jetzt liegt er neben mir.
 

Meine Gedanken beginnen zu kreisen. Was soll ich jetzt machen? Wieso ist er plötzlich so nah?

Daraufhin spüre ich jedoch etwas hartes in meinem Rücken.

Was macht er denn jetzt?

»Rutsch ein Stück, ich hab fast keinen Platz.«

«Du hast ein ganzes Bett für dich.» kontere ich, von wegen keinen Platz. Ich rutsche trotzdem, als die Hand immer unnachgiebiger drückt.

«Zufrieden?»

Ein Arm legt sich um meinen Oberkörper, ich kann spüren wie sich Ian an mich schmiegt und mein Herzschlag dabei aussetzt.

«Nur weil ich schwul bin, heißt das.. heißt das noch lange nicht, d.dass du dich einfach so an mir vergreifen kannst.» protestiere ich mit einer ungewohnt piepsigen Stimme.

Woraufhin Ian leise zu lachen beginnt und sein Atem kitzelnd meinem Nacken streift.

»Keine Sorge, niemand wird hier über dich herfallen.«
 

Niemand? Dann, wollte er mich trösten?

Ich seufze leise und aus irgendeinem Grund gefällt mir nicht, was er gesagt hat. Niemand wird über mich herfallen? Dabei hätte er nicht so zu lachen brauchen, ich weiß genau, dass ich momentan keinen Schönheitswettbewerb gewinnen würde, aber an ganz gewöhnlichen Tagen, wenn ich keine verheulten Augen habe, sehe ich durchaus ansprechend aus! So wie er es gesagt hat, wäre das so gewesen, als wäre die Vorstellung, jemand könnte etwas mit mir anfangen, etwas Groteskes und absolut Undenkbares.

Was ist das in mir? Wut?

Ich bin wütend auf Ian.

Meine Hände sind krampfhaft geballt. Ich drehe mich langsam aber bestimmt zu ihm um. Einen kurzen Augenblick lang starre ich ihn nur an. Dann presse ich gewaltvoll meine Lippen auf die seinen. Ich kann spüren, wie er überrascht zusammenzuckt und seinen Kopf wegziehen will. Ich bin aber schneller, meine Hand hat ihren Platz auf Ians Hinterkopf gefunden und schneidet ihm den Fluchtweg ab.

Mit fordernden Bewegungen zwinge ich ihn, den Mund zu öffnen und lasse meine Zunge ruckartig vorgleiten. Ein Keuchen, zwei Hände die hart gegen meine Brust drücken, dann hat er sich befreit.
 

»Was soll das?!«

«Das passiert eben, wenn du dich neben mich legst.» antworte ich stur.

«Schwule Kerle fallen eben über andere Kerle her.»

Stille.

Gleich wird er sich zurückziehen und mich wieder allein lassen. Jetzt bereue ich, was ich getan habe. Er hat es nur gut gemeint, das weiß ich, aber für mich macht es das nur noch schwerer.

»Es ist das... was ich gesagt habe?«

Ians Stimme kam zögerlich und sie war nur ein Flüstern. Ich höre trotzdem gebannt zu, schaffte es jedoch nicht einmal zu nicken.

»Man, du bist wirklich ein Idiot!«

Ich ächze auf, Ian hat mir einen Schlag in die Rippen verpasst. Allerdings beschwere ich mich nicht, denn vermutlich hatte ich das verdient.

»Wenn ich Mist erzähle, musst du was sagen! Woher soll ich das sonst wissen?!« schimpft er weiter, aber ich war erleichtert. Er geht nicht, er verurteilt mich nicht, stattdessen nimmt er es einfach hin, mich und mein seltsames Verhalten.

«Tut mir leid.» bringe ich reumütig hervor, als ich meine armen lädierten Rippen streichle.

Ich höre ein tiefes Seufzen.

»Na gut, ich verzeihe dir, aber mach das nie wieder.«

Der ernste Ton lässt mich aufhorchen und mich ganz bestimmt nicht wieder daran denken, es zu wiederholen. Immerhin will ich nicht den einzigen Freund verlieren, den ich seit dem Kindergarten hatte.

«Nie wieder.» flüstere ich bestätigend.

Dann nähert er sich mir wieder und ich entspanne mich in Ians Armen.
 

Meine Augen fallen kurz darauf zu. Die Gedanken an meinen Ex sind, dank Ian, dabei völlig verschwunden und ich kann mich endlich ausruhen und den ganzen Tag einfach vergessen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  _Haru_
2011-06-20T11:07:41+00:00 20.06.2011 13:07
aww seinen einzigen Freund aus dem Kindergarten? Dann haben sie sich also einfach ein bisschen aus den Augen verloren?
Ist ja süß~
Wahrscheinlich wäre ich an Ians Stelle auch voll geschockt gewesen wegen dem Kuss xD Aber Finn kann ja echt stur sein und hartnäckig o_o


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