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Russian Roulette

von

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Sasuke

Russian Roulette
 

Grob schob man mich in einen stark heruntergekommenen Flur.

Unter meinen Füßen knirschte zerbrochenes Glas, und das Schloss schrie unter all dem Rost als die Tür direkt hinter mir wieder zugeschmissen wurde.

Das spärliche Licht, das mir der Türspalt gewährt hatte erlosch.

Beißende Stille legte sich um mich, drückte mir nach und nach die Luft aus den Lungen

Mit rasselndem Atmen ging ich den ersten Schritt. Entlang an kahlen Wänden mit fleckiger, alter Tapete.

Auf Augen höhe hing sie in fetzten herab. Als hätte jemand im Wahn versucht sich durch die Wand zu kratzen. Ich schluckte hart und wand den Blick wieder ab. Die morschen Türen links und rechts von mir waren zertreten oder hingen schief in den Angeln.

Die alte Farbe platze ab, gab den Blick auf nacktes verdorrtes Holz frei.

Alle waren sie fahrlässig beschädigt, außer der, auf die ich geradewegs zulief.

Ich hätte wissen müssen, dass man mir irgendwann auf die Schliche kommen würde. Illegale Geschäfte blieben untereinander nie lange verdeckt. Dennoch hatte ich die makabere Hoffnung gehabt, dass wenn mich jemand fand, es sich wenigstens um die Polizei handeln würde.
 

Doch all mein Hoffen war vergebens.

Ohne an Gott zu glauben sendete ich bis gestern jeden Abend Stoßgebete, noch einen weiteren Tag unentdeckt bleiben zu können.

Einen weiteren Tag mein verlogenes Leben, leben zu können. Ich hab es jeden verdammten Tag getan!

Jeden, außer gestern. Das war der erste Tag seid Monaten an dem ich sofort, noch am Küchentisch sitzend, eingeschlafen war.

Ich biss mir auf die Zunge und versuchte den Kloß im Hals zu bändigen.

Ich war kein Schisser, aber jetzt, hier in diesem Gebäude von dem jeder in der Szene sprach, kroch mir die pure Angst in die Glieder.

Wie Wachs floss sie mir heiß über die Haut, machte meine sonst so weichen Bewegungen zu groben, abgehackten Schritten, machte mich langsam bewegungsunfähig.

Ich hätte wissen müssen wann Schluss war. Wann ich zu weit gegangen war, zu hoch gepokert hatte.

Oft genug hatte man mir gesagt wie schnell alles vorbei sein konnte. Doch ich hatte es nie auf mein Leben bezogen. Niemals.

Ich dachte an das plötzlich endende Geld, den Aufhörenden Einfluss. Ich habe nie gewagt über den Tatsächlichen Abgrund meines Lebens zu schauen.

Dabei war es genau der, auf den ich jetzt zulief.

Kalter Wind heulte durch die verrammelten Fenster und aus den staubigen Räumen.

Fetzten uralter Zeitungen wehten mir um die Beine, und gaben meiner Situation einen zynischen Beigeschmack.

Als beliebter Journalist fing ich meine Karriere an.

Als verratener Spion, enttarnter Maulwurf, oder wie man auch immer diesen schmierigen, dunklen Berufszweig nennen mag, lief ich allein zum Schafott.

Das war es nicht wert.

Ich hatte mein Leben den Intrigen anderer Leute gewidmet, Freunde belogen und Vertrauen missbraucht.

Das bittere Drücken der Verzweiflung trat mit in die Brust, drückte gegen meine Rippen, umklammerte mein wild schlagendes Herz.

Ich kam mir gefangen vor. Schon längst verurteilt. Die Situation war aussichtslos.

Verloren.

Wieder kehrte der Kloß in meinen Hals zurück- schwerer und größer als das letzte Mal.

Ein simples, aber fatales Zeichen dafür, dass ich meine sonst so sichere Selbstbeherrschung verlor.
 

Mein Atem war brüchig, kaum noch vorhanden, als ich die polierte Tür erreichte.

Sie schwang geräuschlos auf und offenbarte einen verwinkelten, weißen Raum. Ein Tisch, Zwei Stühle und eine Box in der Mitte des schlichten Tisches.

„Komm rein.“ Wies mich eine ruhige, blutjunge Stimme an und ich gehorchte.

Die Tür schloss sich erneut hinter mir, dieses Mal von alleine, und aus Intuition setzte ich mich sofort an den Tisch.

Beherrscht, und unmenschlich geängstigt sah ich mich um. Der gesamte Raum war weiß. Steril.

Den Geruch der in der Luft lag konnte ich nicht beschreiben.

Er legte sich schleichend, wie ein Tuch auf die Schleimhäute, nistete sich ein und wurde nie wieder vergessen.

Er versetzte meinem Herz einen schmerhaften Stich. Denn ich glaubte etwas sehr Ähnliches bereits gerochen zu haben.

Der Boden war nicht gefliest. Auch Teppich lag hier kein Zentimeter herum. Es war alles überzogen mit ...Plastik. Unscheinbar, glänzend und hell.

Ein kleiner Abfluss war direkt neben dem Tischbein eingelassen.

Im Bruchteil einer Sekunde drehte sich mein Magen schmerzhaft um.

Übelkeit fraß sich meine Kehle hoch, unterband meinen Schluckreflex. Und plötzlich war mir auch klar, wonach es hier roch.
 

Nach altem Blut und Putzmittel.

Ich knetete meine Hände. Sie zitterten so wahnsinnig, dass ich mich an meinen eigenen Fingernägeln schnitt.

Doch so etwas Banales bekam hier keine Bedeutung mehr. Hier hatte nichts mehr irgendeine Bedeutung!

Außer wahrscheinlich diese Box vor meinen Augen! Und ich konnte verdammt nochmal schon ahnen, was sich drin befand.
 

„Beruhige dich.“ Riet mir die Stimme von eben, und ein dunkler Schatten löste sich aus einer Zimmerecke. Ein Junge- maximal mein Alter- setzte sich mir gegenüber an den Tisch. Den Körper entspannt, nur der Blick den er mir zuwarf verriet sein Mitleid.

‚Hilf mir! ‘ schrien ihn meine Augen an, doch er regte sich nicht. Starr sah er mich mit seinen blauen, dumpfen Augen an, wollte nichts weiter als das ich mich beruhigte.
 

Mit brennenden Augen atmete ich tief ein und aus. Mein Atmen war so laut, dass er im Zimmer wiederhallte.

Schmerzhaft zog sich mein Herz zusammen. Dennoch wurde ich etwas ruhiger. Wenn ach nur minimal.

Die Anwesenheit einer anderen Person lenkte ich ab. Er hob die Hände unter dem Tisch hervor, und schob den Deckel von der Box.

Ein Revolver kam zum Vorschein.

Diese Tatsache überraschte mich nicht, sie schockte mich.

Das Entsetzen bescherte mir einen gewaltigen Schweißausbruch und eine staubtrockene Kehle.

Plötzlich ergab alles einen Sinn. Der Tisch, zwei Stühle, der sterile Raum, der Abfluss.
 

„Nein...“ hauchte ich unter mentalen Schmerzen und sah meinem gegenüber panisch in die Augen.
 

„Wenn du in dieser Szene spielst... dann mit allem.“
 

Ich biss die Zähne zusammen und hielt mir die Hände vor die Lippen. Sie bebte unkontrollierbar.

„Nimm die Pistole. Sie ist geladen.“
 

Ich konnte nicht. Ich wollte und konnte mich nicht bewegen. Mein Herzschlag raste, während meine Atemzüge immer langsamer wurden.

Ich war kurz davor in Tränen auszubrechen.

Doch schließlich schaffte ich es, meine rechte Hand von meinem Mund zu lösen, und sie zitternd nach der Pistole auszustrecken.

Langsam senkte sich meine Hand in die Box.

Meine Finger zuckten kurz zurück als das kalte Metall meine Fingerspitzen berührte, aber schon im nächsten Moment schlangen sie sich um den Griff und zogen die Waffe hoch.

Sie war kalt und schwer... und sie wurde sicher schon etliche Male benutzt.
 

„Zähl bis drei... dann dreh, und halte sie auf mich.“

Mit tauben Fingern drehte ich das Magazin des Revolvers durch und zählte genau eine Patrone. Dann klappte ich ihn vorsichtig zu, und drehte erneut.
 

„Und jetzt, ... beweg dich langsam.“

Aber ich wollte nicht weiter. Ich wollte weder ihm diese Kugel in den Körper jagen, noch von ihm niedergestreckt werden.

Ich sah ihm ins Gesicht und wusste augenblicklich, dass es nichts bringen würde noch mit ihm zu reden.

Er war hochkonzentriert und sah auf die Waffe in meiner Hand.

Ob ich nicht einfach auf ein anderes Körperteil zielen konnte? Ich bemerkte, wie er unmerklich mit dem Kopf schüttelte.

Aber ich wollte nicht töten! Nicht ihn! Nicht jetzt.. ich wollte nie überhaupt irgendetwas in der Richtung tun!

Schluchzend wischte ich mir über die inzwischen nassen Augen.
 

Mir war, als ob er meinen Herz schlagen hören konnte. So laut hatte es in meinem ganzen Leben noch nie in meiner Brust geschlagen.

Noch protestierte es, obwohl mein Kopf mir schon lange sagte, dass mein Spiel gespielt war.

Die Würfel waren gefallen, ich hatte den schwarzen Peter.

Vielleicht konnte er es sogar durch den verschwitzen Stoff meines Hemdes sehen.
 

Ich biss mir auf die Zunge bis sie blutete- dann drückte ich ab.
 

. . .

Schnell realisierte ich, das nichts passiert war.

Zum Teil zutiefst erleichtert- zum anderen noch verzweifelter als vorher starrte ich mein gegenüber an.

Er hatte die erste Runde überlebt.

Ein kleines Rinnsal lief mir vor dem Ohr das Gesicht hinab, bis in den Kragen.

Ich hielt den Arm weiterhin ausgestreckt, darauf wartend, dass er mir die Last abnahm.
 

Er ließ nicht allzu lange auf sich warten.

Unsere Finger berührten sich als er mir die Waffe aus der Hand nahm.

Wäre ich noch Fähig andere Emotionen als Angst und Verzweiflung zu empfinden wäre ich wohl über die kühle seiner Finger verwundert gewesen.

Meine waren heiß und feucht gewesen, als ich abgedrückt hatte.

Er ließ das Magazin rasselnd drehen, dann lud er durch.

Ich wollte ihn um eine Minute Vorbereitung bitten, doch mein Mund bewegte sich nicht. Ich saß einfach da, auf meinem Stuhl, sah ihm nur dabei zu wie er auf mich zielte.
 

„Schließ die Augen, das hilft manchmal.“ Riet er mir mit merkwürdig sanfter Stimme.
 

Ich schloss zitternd meine Augen. Sandte ein letztes Stoßgebet, dass ich wenigstens diese Runde noch überleben würde.

Im nächsten Moment dachte ich an so viele Dinge, an alles Gleichzeitig. Dies war wohl mein vorbeirauschender Lebensstrom.

Es waren so viele Bilder und Eindrucke aus der Vergangenheit, dass ich für einen Moment die Luft anhielt und sie sogar genoss.

Für den einen minimalen Augenblick nur dachte ich an meinen großen Bruder, meinen Aniki. Das gab mir für ein par Sekunden Halt.
 

Doch plötzlich kroch ein grausamer Gedanke in meinen Kopf.

Dass er hier saß, mir Ratschläge gab und mit all dem Grauen umzugehen wusste konnte nur eines heißen.
 

Er hatte noch nie verloren!
 

Wie viele hatte er wohl schon ...wie mich jetzt, beseitigt?
 

Wurden sie, wie ich, aus ihren Wohnungen gezerrt, ohne die Möglichkeit sich zu verabschieden?
 

Flach und flackernd holte ich Luft.

Auch wenn ich ihn nicht mehr sah, hatte ich erneut das Gefühl als könnte er mein Herz noch ein klein wenig pulsieren spüren. Als könnte er sehen, dass es mit seinem jungen Leben abgeschlossen hatte, dass es sich kampflos seinem Schicksal ergab.

Ich hoffte sie würden meinem Bruder nie von der Sache erzählen, als eine Träne auf mein Hemd tropfte. Es war meine eigene, die erste nur für ihn.

Ich atmete flach aus, schluckte alle Gedanken hinab.
 

Noch einmal Luftholen blieb mir verwehrt.
 

Denn ich hörte den Schuss.



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