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Flammenhaut

von

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Die erste Stunde

„Magie ist es, die unsere Welt zusammenhält. Sie ist immer um uns herum. Sie ist die Luft, die wir atmen, der Boden, auf dem wir stehen. Sie ist Wärme und Kälte, Leben und Tod. Ohne Magie würde unsere Welt einfach auseinanderbrechen, bevor sie aufhört, zu existieren.

Feuer, Wasser, Luft, Erde sowie Ordnung und Chaos sind die fundamentalen Elemente. Übergeordnet steht dem nur die reine, magische Energie, die jede der sechs Elemente beinhaltet. Sie heben sich gegenseitig auf, ohne sich zu vernichten. Was übrig bleibt, ist Magie in ihrer Urform. Unverbraucht, unverdorben und keiner Richtung zugewiesen.“

Sie waren im Keller. Joel hatte nicht vermutet, dass es hier überhaupt einen gab, so nah, wie das Haus an den Klippen gebaut war. Es war feucht und kalt hier unten. Der Geruch von Schimmel und nassem Gestein hing in der Luft. Das Untergeschoss bestand nur aus einem großen Raum mit einer hohen Decke. Eine alte Lampe spendete spärliches Licht, tauchte alles in diffuses Zwielicht, machte die Schatten länger und dunkler. Wie Raubtiere lauerten sie hinter den Schränken, zwischen Büchern und allen möglichen Gerätschaften.

Die ganze Atmosphäre machte Joel mehr als nur nervös. Er hatte das letzte Gespräch immer noch nicht ganz verarbeitet. Wie auch? Knapp zwei Stunden reichten dafür nicht aus. Eine Stimme in seinem Hinterkopf flüsterte ihm immer noch zu, dass das alles nicht Real war, dass er wegen der Belastung durch den Tod seiner Mutter verrückt geworden ist, sich das alles nur zurecht spann. Doch ein stetig wachsender Teil war längst der Meinung, wusste, dass alles hier, so unwirklich es auch schien, real war. Und das machte ihm mehr Angst, als das Verrücktsein.

„Hey. Nicht träumen“, rief Nash, riss Joel somit wieder in die Gegenwart. Der Junge nickte nur schweigend, richtete seinen Blick wieder auf seinen Vater, der mit seiner Erklärung fortfuhr.

„Feuer ist es, was unser Herz schlagen lässt“, sprach Nash, schnippte, erzeugte somit eine kleine Flamme. Er streckte die Hand aus und die Flamme löste sich von seinen Fingerspitzen. Sie wurde erst größer, dann formte sie sich zu einer Kugel. Wie eine kleine Sonne schwebte sie nun in der Luft, während Nash mit seiner Erklärung fortfuhr.

„Wasser ist der Grundbaustein allen Lebens. Unser Körper, unsere ganze Welt besteht zum Großteil aus diesem Element.“ Er machte mit der flachen Hand eine kreisende Bewegung in der Luft. Wasser tropfte von seinen Fingern auf die Handfläche seiner Linken, bildete genauso wie das Feuer eine Kugel. Diesmal drehte er sich um, machte dabei einen Schritt zur Seite, sodass Feuer und Wasser sich in einer Linie gegenüber waren.

„Luft lässt uns atmen, lässt uns Leben.“ Dieses Mal verschränkte er die Hände ineinander, hielt sie sich vor den Mund und blies kurz hinein. Als er sie wieder voneinander löste, entstand ein kleiner Tornado, welcher sein eigenes Ende aufzusaugen schien, somit einen sich stetig bewegenden, grauen Ring bildete. Nash ließ ihn links von sich in der Luft stehen, trat einen Schritt nach rechts, stampfte dabei mit dem Fuß auf. Der Stein unter ihm brach und er hockte sich hin, nahm einige der gesplitterten Teile in die Hand, richtete sich wieder auf.

„Erde gibt uns Nahrung, Sicherheit.“ Er ließ den Staub, die kleinen Steinbrocken in der Luft tanzen, richtete sie gegenüber von dem Tornadoring aus.

„Ordnung und Chaos sind so etwas wie Zeit und Raum, Licht und Dunkelheit. Ohne das eine existiert das andere nicht.“ Nun streckte er beide Hände zur Seite aus. Auf seiner rechten sammelten sich dunkle Schatten und auf seiner Linken ein helles Licht, beides geformt zu einer Kugel.

Nash stand nun in der Mitte eines Kreuzes, abgesteckt durch die Elementkugeln, in den Händen das Chaos und die Ordnung.

„Hast du es bis hierher verstanden?“, fragte er nach, sah zu Joel. Der Junge schwieg. Er wusste nicht, ob er es verstanden hatte oder nicht. Wie auch, wenn er nicht begriff, was sich dort vor seinen Augen abspielte. Es kam ihm immer noch wie in einem Traum vor. Den Gedanken, dass Nash ihn vielleicht auf den Arm nehmen wollte, hatte er längst wieder verworfen. Niemand machte so einen Aufriss für einen Scherz. Außerdem wirkte es so real … Vielleicht schlief er doch noch. Wäre doch immerhin eine Möglichkeit …

„Hey! Nicht träumen“, mahnte Nash ihn scharf und Joels Blick ruckte wieder nach oben. Leicht nickte er, murmelte ein „Tu ich nicht.“ und hörte weiter zu.

„Gut“, brummte sein Vater, fuhr mit seiner Ausführung fort. Zusammen bilden diese sechs Elemente reine, magische Energie, da sie gegensätzlich sind.“ Er streckte eine Hand vor, schloß die Augen und sprach weiter. „Feuer und Wasser, Luft und Erde, Chaos und Ordnung heben sich gegenseitig auf, gleichzeitig ergänzen sie sich auch. Wo kein Licht ist, gibt es keine Dunkelheit, denn erst das Licht lässt uns die Dunkelheit sehen.“ Nash streckte seinen zweiten Arm aus, hielt die Hand über die andere. Nun sammelten sich die beschworenen Elemente, verbanden sich zu einer einzigen Kugel. Als sie aufeinandertrafen, blendete Joel ein gleißend helles Licht. Es drang selbst durch seine geschlossenen Lieder, erfüllte ihn mit einer angenehmen, dennoch fremdartigen Wärme.

Als das Licht wieder schwächer wurde, öffnete er Augen, sah zu Nash. Die Elementkugeln waren verschwunden. Nun hielt er nur noch eine zwischen seinen Händen. Joel hatte das Gefühl, dass sie leicht pulsierte, spürte es regelrecht in seinem Körper. Es prickelte auf seiner Haut, ließ seinen Atem stocken.

„Diese Energie ist es, was es uns erlaubt, die Elemente zu kontrollieren, Magie zu wirken“, erklärte Nash. „Es gibt viele verschiedene magische Wesen auf dieser Welt. Einige von ihnen sind in ihrem Grundwesen verschiedenen Elementen zugeordnet. Vampire zum Beispiel gehören dem Chaos an, himmlische Wesen wie Engel dagegen der Ordnung. Wölfe der Erde, Füchse der Luft, Nixen dem Wasser, Phönixe dem Feuer. Das sind natürlich nur einige Beispiele.“ Joel nickte. Er hörte nur mit halbem Ohr zu. Viel zu sehr war er gebannt von der Energiekugel in Nashs Hand. Er wusste nicht, warum, doch er schaffte, es kaum, seine Augen von ihr abzuwenden. Sein Vater schien es jedoch nicht zu bemerken oder er ignorierte es einfach, denn er fuhr unbeirrt fort.

„Doch es passiert immer wieder, dass einige dieser Wesen auch anderen Elementen zugeneigt sind. So haben gefallene Engel eher eine Affinität zum Chaos als zur Ordnung und es gibt auch Wölfe, die eher dem Feuer zugeneigt sind. Auch unter uns Magiern gibt es welche, die von Geburt an eher einem bestimmten Element zugeneigt sind. Das hat oft mit ihrer Familie und Herkunft zu tun. Doch im Grunde gehören wir zu den wenigen, die in der Lage sind, alle Elemente zu beherrschen. Einschließlich der reinen, magischen Energie.“ Nash sah zu Joel. Der Junge hörte nicht wirklich zu und vielleicht waren es im Moment auch zu viele Informationen für ihn. Immerhin war alles neu und sicher nicht einfach zu begreifen.

„Ich denke, das reicht für heute“, stellte er fest und presste seine Hände aufeinander. Die Kugel verschwand wieder und auch ihr Licht erlosch. Joel blinzelte, wirkte etwas durcheinander. Nun herrschte wieder trübes Zwielicht, erzeugt durch die einsame Deckenlampe und seine Augen mussten sich erst einmal wieder daran gewöhnen. „Ich hoffe für dich, dass du es verstanden hast. Noch einmal werde ich es dir nicht erklären“, stellte Nash fest, sah ihn prüfend an. „Wie auch immer“, fuhr er dann fort, ohne ihn antworten zu lassen. „Mir ist klar, dass du nicht von heute auf morgen alles beherrschen wirst, was andere in deinem Alter können. Das heißt allerdings nicht, dass ich dich mit Samthandschuhen anpacken werde.“

„Warum … muss ich das überhaupt lernen?“, fragte Joel vorsichtig nach. „Es ging doch die ganze Zeit ohne diesen … magischen Kram. Ich mein es … es ging doch auch vorher ohne.“ Er wusste nicht, warum, aber diese Kugel reiner Energie, hatte sämtliche Zweifel fortgeschafft. Es hatte sich so … lebendig ...warm … einfach richtig angefühlt. Und dabei hatte er sie nur gesehen und gespürt, nicht einmal erschaffen, wenn man es so nennen konnte.

„Du musst es lernen, weil es ein Teil von dir ist“, entgegnete Nash. „Es kommt häufig vor, dass die magische Seite nicht erwacht, wenn man nicht mit Magie oder der gleichen konfrontiert wird. Aber durch den Golem hast du dich schützen müssen und rein instinktiv auf das einzige zurückgegriffen, was du zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung hattest.“ Wieder nickte Joel nur leicht, anstatt zu antworten. Er hatte es verstanden … zumindest nahm er es an. Aber er fühlte sich auf einmal unendlich müde und wollte nichts weiter, als seine ruhe. Sich hinlegen, die Augen schließen und die Welt vergessen. Nash seufzte, rieb sich kurz die Stirn.

„Nun gut. Ich möchte, dass du eine Sache übst. Wir werden mit Feuer anfangen. Wenn du deine Finger oder Hände aneinander reibst, entsteht Wärme. Du musst diese Wärme nutzen und weiter entfachen, um ein Feuer entstehen zu lassen. Die Größe ist erst einmal nicht wichtig. Hauptsache du bekommst das hin.“ Er trat zu Joel, hob die Hand und schnipste, hielt eine kleine Flamme über seine Handfläche, wie er es zu beginn schon getan hatte, als er die Elemente erklärt hatte.

„Ich werde es versuchen“, murmelte Joel.

„Gut“, nickte Nash. „Nächste Woche wirst du mit Rabena zur Schule gehen. Ich denke, sie kann dir am besten mehr darüber erzählen. Frag sie einfach.“

„Mach ich.“

Erneut nickte Nash leicht, entließ Joel dann. Ohne ein weiteres Wort ging der Junge nach oben. Er war froh, dass Rabena ihm nicht über den Weg lief und er einfach in sein Zimmer konnte.
 

Leise schloss er die Tür hinter sich und ließ sich auf sein Bett fallen, vergrub das Gesicht im Kissen. Erst jetzt merkte er wieder, dass sein Körper von dem Angriff immer noch schmerzte. Was aber viel schlimmer war, war die Müdigkeit. Aber jetzt konnte er ja endlich schlafen …

Etwas stimmte nicht. Zumindest hatte er das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Doch er beschloss, es erst einmal zu ignorieren und schloss die Augen, dreht den Kopf auf die Seite. Schwaches Licht drang durch seine Lieder. Komisch. Hatte er die Tür nicht hinter sich zugemacht? Träge öffnete er ein Auge, um herauszufinden, woher das Licht kam.

Mit einem leisen Aufschrei ruckte er nach oben und zuckte zurück, stieß dabei gegen die Wand, an welcher sein Bett stand.

„Was … was machst du hier?!“, rief er aus.

Das Mädchen vor ihm richtete sich wieder auf. Licht fiel durch die offen gelassene Tür und tauchte sie in Schatten, was es ihm unmöglich machte, in ihrem Gesicht zu lesen. Doch er konnte das Grinsen auf ihrem Gesicht förmlich spüren.

„Ich wollte nur wissen, ob du schläfst“, antwortete Rabena belustigt. „Und da ich dich nicht wecken wollte, hab ich nichts gesagt.“

„Das klingt komplett unlogisch“, stellte er fest und sie zuckte nur mit den Schultern und wandte sich wieder um. Schnellen Fußes hatte sie den Raum wieder durchquert und machte das Licht im Zimmer an. Ihre Schritte waren kaum hörbar und nun wunderte es ihn auch nicht mehr, dass er sie nicht eher bemerkt hatte. „Und eigentlich wollte ich gerade schlafen gehen“, fügte er hinzu, als sie sich wieder umwandte und zu ihm setzte.

„Du kannst gleich auch noch schlafen gehen“, winkte sie ab, sah dann einige Zeit schweigend auf einen Punkt vor sich auf dem Boden. Joel seufzte nur, setzte sich aufrecht hin und wartete ab, was sie von ihm wollte.

„Ich glaub, ich war etwas zu hart zu dir“, erklärte sie dann. Joel zuckte mit den Schultern und hoffte innerlich, dass sie bald wieder verschwinden würde. Eigentlich hatte er nicht viel Sinn danach, mit ihr zu reden. Am Ende machte sie sich nur wieder über ihn lustig und das konnte er jetzt beim besten Willen nicht gebrauchen.

„Clarence hat mir erklärt, was los ist. Naja, dass mit deiner Mum, dass das alles hier neu ist. Gut, ich wusste es vorhin schon und von daher war es erst recht unfair“, fuhr sie fort, warf ihm einen prüfenden Blick zu. „Wie auch immer. Es tut mir jedenfalls leid und ich möchte mich entschuldigen.“ Joel antwortete darauf nicht sofort. Mit hochgezogenen Brauen neigte er den Kopf ein wenig und musterte sie. Auch wenn er sie genaugenommen erst seit heute kannte, hatte er das Gefühl, dass an der Sache etwas faul war. Rabena spielte mit einer Haarsträhne, warf ihm erneut einen Blick zu. Kurz setzte sie dazu an, etwas zu sagen, blieb allerdings stumm.

„Ach verdammt. Ist ja schon gut“, brummte sie nach kurzem Schweigen. „Clarence hat gesagt ich soll mich entschuldigen, okay? Sonst streicht der geizige Arsch mir auch noch den Rest meines kümmerlichen Taschengeldes.“ Joel seufzte. Hatte er es doch gewusst.

„Hör zu“, sagte er dann. „Ich will einfach nur schlafen. Nichts weiter als mich hin legen, die Augen zumachen und schlafen. Sag ihm meinetwegen, was du willst, ist mir egal.“ Er klang etwas gereizter als gewollt, allerdings war er auch zu K.O um es großartig zu verbergen.

„Na gut“, antwortete sie gedehnt, sah zu ihm. „Ein klein wenig tut es mir doch leid.“ Entweder sie bemerkte es nicht, oder sie ignorierte gepflegt, dass er seine Ruhe wollte. Am wahrscheinlichsten war wohl die zweite Variante. „Das mit deiner Mum tut mir leid“, fuhr sie dann fort und dieses Mal klang es ehrlicher als der misslungene Versuch einer Entschuldigung. „Ist bestimmt nicht leicht. Auch mit dem Umzug und allem, was heute war.“

„Ist schon okay. Ich komm damit zurecht.“ Rabena warf ihm bei seinen Worten noch einmal einen prüfenden Blick zu, ehe sie aufstand.

„Ach ja, eine Sache noch“, wandte sie sich noch einmal zu ihm um. „Clarence hat mir erzählt, dass du mit auf meine Schule sollst. Ich will dich nur einmal vorwarnen, damit nicht wieder so etwas passiert wie heute. Es wird eine andere Schule sein als die, auf der du bis jetzt warst. Montag wirst du schon sehen, was ich meine.“ Sie ging zur Tür und machte das Licht wieder aus. Bevor sie ganz nach draußen verschwunden war, blieb sie noch einmal stehen. „Dein Vater ist ein guter Mensch, auch wenn er manchmal ein riesen großes Arschloch sein kann. Du solltest ihm das nicht übel nehmen. Er hat für fast alles was er macht seine Gründe.“

„Was meinst du damit?“, fragte Joel.

„Schlaf gut“, sagte sie nur, bevor sie die Tür hinter sich zu zog und ihn alleine ließ.



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