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Die Seele der Zeit

Yu-Gi-Oh! Part 6
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Und gleich noch ein neues - einfach, weil es im Moment läuft. Diesmal nicht sonderlich lang, aber der Bruch am Ende war nötig. Im nächsten Kapitel kommen wir dann allmählich richtig zur Sache.

Vielen lieben Dank außerdem noch einmal an Seelendieb und Rowanna für die Kommentare zu den letzten Kapiteln! Ihr seid spitze. :) Komplett anzeigen

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Am Abgrund - Teil III

„Wie bitte?“

„Ich habe dich gefragt, nach welchem wir Relikt nochmal suchen. Also, wie lautet deine Antwort?“

Keiro und Bakura standen sich gegenüber, während Sandschwaden zwischen ihnen dahintrieben. Die Anspannung, welche in der Luft lag, war regelrecht greifbar. Jetzt würde sich zeigen, was es mit der Anwesenheit seines Bruders wirklich auf sich hatte.

„Sei nicht albern. Wir wissen beide, wonach wir suchen.“

„Tun wir das? Nun, ich bin mir sicher, dass ich im Bilde bin. Bei dir bezweifle ich das allerdings. Komm schon Keiro, sag es mir – welches Relikt ist es, das wir jagen?“

Tu es und zerstreu‘ meine Zweifel, verdammt!

Inzwischen krampfte sich Bakuras Magen regelrecht zusammen. Eine ungewohnte Unruhe stieg in ihm auf, so, als müsse er jeden Augenblick mit einem Angriff rechnen. Diabound spürte die undefinierte Bedrohung ebenfalls, die von dem Anderen auszugehen schien. Und dennoch klammerte sich ein kleiner Teil des Grabräubers an die illusionäre Hoffnung, er bilde sich all dies nur ein, auch wenn ihm sein Ka versicherte, dass dem nicht so war.

Keiro seufzte und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Na gut, wenn es unbedingt sein muss, dann spiele ich deine Spielchen eben mit. Wir suchen …“

Gib mir die Antwort, die ich brauche …

„… die Sonnenscheibe des Ra. Na, zufrieden?“

Bakura wurde kalt und heiß zugleich. Sein Bruder hatte nicht den blassesten Schimmer, was in den letzten Sonnenläufen vor sich gegangen war. Er konnte den Pharao ergo nie getroffen haben. Er hatte gelogen – und dafür musste es einen Grund geben, einen, den er vor dem Grabräuber zu verbergen suchte.

„Können wir dann weitergehen? Soweit ich unterrichtet bin, läuft uns die Zeit davon.“

Keiro wollte sich in Bewegung setzen, bemerkte jedoch, dass Bakura vor ihm zurückwich. „Ist was?“, fragte er daher.

„Keinen Schritt weiter oder ich hetze dir Diabound auf den Leib!“

Der Angesprochene verharrte auf der Stelle und musterte sein Gegenüber eindringlich. Dann stahl sich plötzlich ein bitteres Lächeln auf seine Lippen, die Augen funkelten. „Ich sehe schon … ich habe das falsche der beiden Artefakte genannt, nicht wahr? Das Glück scheint mir nicht hold zu sein.“

„Ganz im Gegenteil“, zischte Bakura zur Antwort. „Du bist seit meinem Aufbruch nie auf die Anderen getroffen, habe ich Recht? Du hast nicht ein Wort mit ihnen gewechselt und hast keine Ahnung, was wir in der letzten Zeit getan haben.“

Ein Glucksen entwich Keiro. „Ich fürchte, du hast mich ertappt. Du liegst vollkommen richtig, Bruderherz.“

„Dann rück endlich mit der Sprache raus – weswegen treibst du dich wirklich hier rum?“

„Das kann ich dir nicht sagen.“

„Und warum nicht?“

„ … Weil ich befürchte, dass ich dich dann töten müsste.“

Bakura spürte, wie Diabound irgendwo in seiner Seele grollte. Das Wesen machte sich bereit, jederzeit eingreifen zu können.

„Was soll das? Willst du mir etwa drohen?“

„Ich will es nicht, ich muss. Zu deinem eigenen Schutz.“

„Dir ist klar, dass du ziemlich paradoxen Unfug von dir gibst, nicht?“

„Ich werde nicht weiter mit dir diskutieren, Bakura. Vergiss, dass du mich hier gesehen hast und verlasse diesen Ort. Komm niemals hierher zurück. Dies ist die erste und einzige Warnung, die ich dir gebe.“

„Wenn du glaubst, ich lasse mich von dir einschüchtern, dann liegst du falsch“, knurrte der Grabräuber zur Antwort. „Ich werde mich nicht von meinem eigenen Bruder bedrohen und die Sache anschließend auf sich beruhen lassen – was geht hier vor sich Keiro? Antworte mir oder ich presse es zur Not aus dir heraus!“

Was auch immer sein Bruder verbarg, es musste wichtig sein. Noch nie hatte er ihn Drohungen aussprechen hören, zumindest nicht seinem nächsten Verwandten gegenüber. Was auch immer er plante, für ihn musste es ungeheuerlich bedeutend sein.

Da ist noch mehr, flüsterte Diabound in seinem Inneren. Er ist regelrecht getrieben – von etwas, das ich spüre, jedoch nicht zu definieren vermag.

Ich spüre es auch …

„Nun gut, aber dies ist deine letzte Chance, Bakura“, riss ihn die Stimme Keiros plötzlich aus den Gedanken. „Ich werde dir erklären, was ich hier tue. Und du wirst es verstehen müssen, es akzeptieren. Solltest du dich meinem Ratschlag zu verschwinden daraufhin weiter widersetzen, dich mir vielleicht gar in den Weg stellen, bleibt mir keine andere Wahl, als dich auf deine nächste Reise zu schicken.“

Was ist so bedeutend, dass er mich dafür töten würde? Und was gibt es, das ich versuchen würde, aufzuhalten?

„Dann lass mal hören, damit ich meine Entscheidung treffen kann“, entgegnete der Grabräuber schnippisch.

Was auch immer dabei herauskommt und was immer er dann tut, ich brauche mich nicht zu sorgen – Diabound ist bedeutend stärker, als es Shadara jemals sein wird.

„Wie du willst. Weißt du, als ich unsere kleine Truppe verlassen habe, hat man mir kurze Zeit später die Augen geöffnet. Seitdem vermag ich die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind.“

„Jemand hat dir die Augen geöffnet? Wer soll das gewesen sein?“

„Das spielt keine Rolle. Wichtig ist lediglich, dass meine Gedanken von da an klarer und geordneter Waren, als jemals zuvor. Endlich sehe ich die Welt, wie sie wirklich ist. Sie wird permanent bedroht, Bakura. Von Individuen, die dazu auserkoren, allein dazu geboren wurden, Unheil über sie zu bringen. Und diese Einzelnen müssen wir aufhalten, gleich was es kosten mag, ehe aufgrund ihres Schicksals, das sie selbst nicht zu kontrollieren vermögen, alles vergeht. Sie mögen es nicht beabsichtigen, doch gleich wohin sie gehen, sie verbreiten nichts als Leid. Das muss enden.“

Bakura legte die Stirn in Falten. „Ich habe keine Ahnung, was du da von dir gibst – aber es klingt krank.“

„Oh, das ist es keineswegs. Es ist vollkommen logisch. Mir hat sich eine Logik offenbart, die vielen leider verborgen bleibt. Deshalb ist es meine Aufgabe, zu tun, was andere nicht zu tun vermögen, Bruderherz. Verstehst du das?“

Der Grabräuber schnaubte. „Hast du den Verstand verloren?“

Keiro lächelte enttäuscht und schüttelte den Kopf. „Ich hatte befürchtet, dass du mir nicht glauben würdest.“

„Du müsstest dir mal selbst zuhören! Und was zum Geier hat all das mit Kul-Elna zu tun? Warum bist du hier, Keiro?“

Sein Gegenüber begann, langsam auf und ab zu gehen. „Nun, unsere Blutlinie hat leider das Schicksal ereilt, dass eine dieser verirrten Seelen in sie hineingeboren wurde. Dieser Fehler muss korrigiert werden. Ich habe vor, diese Seele von ihrem Leid, das sie über sich und andere bringt, zu erlösen.“

Bakura machte instinktiv noch einen Schritt rückwärts. „Du bist scheinbar völlig durchgeknallt! Lass mich meinerseits eine Warnung an dich aussprechen, Keiro: Wenn du glaubst, ich lasse dich deinen Wahn an mir ausleben, dann hast du dich geschnitten. Ich werde nicht zögern, Diabound gegen dich einzusetzen.“

Was bei allen Göttern ging hier vor sich? Wann hatte sein Bruder den Verstand verloren? Was war passiert, dass er einen derartigen Mist von sich gab? Kein Mensch, der noch bei Sinnen war, würde so ein Geschwafel glauben, geschweige denn versuchen, es zu rechtfertigen. War er auf einen Stein geknallt? Hatte ihm die Sonne einen Stich versetzt?

Nein. Hier sind übermenschliche Kräfte am Werk, grollte Diabound.

Der Grabräuber wurde aus seinen Gedanken gerissen, als dem Anderen ein kurzes, freudloses Lachen entwich.

„Bakura, du solltest es unterlassen, immer alles auf dich zu beziehen.“

„Was soll das heißen? Wen meinst du …?“

Mit einem Mal fanden all die Teile ihren Platz in dem Mosaik, das ihm Keiro vor die Füße geworfen hatte, und fügten sich zu einem Bild zusammen. Ein ungutes Gefühl stieg in ihm auf.

„Was hast du mit ihr gemacht?“, zischte er.

„Noch nichts. Du hast mich unterbrochen. Aber keine Sorge, ich werde mich darum kümmern, dass das, was hier passiert ist, sich nicht wiederholen wird – in Ägypten oder sonst wo auf der Welt.“

Sie ist nicht zurückgekommen, weil sie nicht zurückkommen konnte.

„Wo ist sie?“, verlangte Bakura mit mehr Nachdruck zu wissen.

„Das braucht dich nicht zu kümmern. Alles, was du wissen musst, ist, dass ihr Leid bald vorbei sein wird. Ihres und unseres. Und nun geh und komm mir nicht in die Quere, Bruder. Es ist zu ihrem eigenen Besten.“

„Für wen hältst du dich? Einen Gott? Wer bist du, um zu wissen, was das Beste für einen anderen ist? Ich habe keine Ahnung, was dir auf den Kopf gefallen ist, Keiro, aber dieser hysterische Wahn endet hier und jetzt. Du bringst mich dorthin, wo sie ist und lässt sie gehen. Und anschließend reißt du dich zusammen und verbannst diesen fanatischen Schicksalskram aus deinem Leben, oder ich prügle ihn aus dir heraus. Ich werde nicht zulassen, dass die Einzigen, die Kul-Elna überlebt haben, sich jetzt gegenseitig zerfleischen. Hört mit eurem kindischen Gezanke auf und werdet endlich erwachsen!“

Die Gesichtszüge seines Bruders verrieten Enttäuschung. „Ich hatte befürchtet, dass du es nicht verstehen wirst. Aber das musst du auch nicht unbedingt, solange du verschwindest. Geh jetzt Bakura – oder lebe mit den Konsequenzen.“

„Du denkst, du kannst mir drohen? Diabound zerreißt dich in der Luft, wenn es sein muss. Zwing mich nicht dazu.“

Keiro lächelte kalt. „Zwing du mich nicht dazu, eben das mit dir zu tun, Bruderherz.“

Kaum, da die Worte über seine Lippen gekommen waren, begannen sich Schatten um ihn herum auszubreiten, aus deren Tiefen sich nach und nach eine Kreatur schälte. „Dein Ka mag sich mit Göttermonstern messen können. Aber hiergegen hat er keine Chance.“

Bakuras Augen weiteten sich, als er erkannte, dass es sich bei dem dämonisch anmutenden Wesen um Shadara handelte. Nichts mehr erinnerte an die vorige Form des Zerberus. Das Fell war pechschwarz, während weiße, lange Krallen die Pfoten zierten. Bläuliche Flammen gingen von der Kreatur aus, deren zahlreiche Schweife angriffslustig umherpeitschten. Reißzähne, lang wie ein Unterarm, ragten aus dem Maul hervor. Sechs Augen, dunkler als jede Nacht, waren auf den Grabräuber gerichtet.

„Was hast du mit ihm gemacht?“

„Er ist ebenso gereift, wie ich es bin. Auch er sieht die Dinge jetzt, wie sie wirklich sind.“

Ich spüre es jetzt deutlicher denn je … es sind finstere Mächte am Werk.

Diabound hatte nicht Unrecht, traf es zugleich jedoch nicht ganz. Ja, dass sie es hier mit Kräften der Dunkelheit zu tun hatten, war unbestritten. Doch diese übertrafen von der Intensität her bei Weitem alles, was er bislang erlebt hatte – selbst Zorcs Gegenwart hatte nicht diesen Grad von Bedrohung gehabt. Es gab nur eine Erklärung dafür. Die Veränderung musste irgendetwas mit göttlichen Mächten zu tun haben.

„Das ist deine letzte Chance Bakura. Geh mir aus dem Weg – oder stirb.“
 

„Wir ziehen uns in die Stadt zurück! Alle weg von der Mauer und rein in die Straßen! Für weitere Befehle bereithalten!“

Der Klang eines ägyptischen Horns dröhnte über der Stadt, als zum Rückzug geblasen wurde. In Windeseile entfernten sich die Truppen und nahmen die ihnen zugewiesenen Positionen ein. Die Ka-Träger verblieben indes auf der Mauer und hielten die feindlichen Krieger weiter zurück. Yugi und Samira waren in der Zwischenzeit wieder zu ihnen gestoßen und auf den neusten Stand gebracht worden. Erst, als sich niemand mehr in direktem Umkreis der Mauer aufhielt, entschied auch der Kern des Widerstandes, den Rückzug anzutreten.

„Es ist soweit! Ruft eure Ka-Bestien und dann nichts wie weg hier!“, verkündete Atemu, der Slifer einen stummen Befehl zum Aufbruch gab.

Die Seelenwesen gaben ihre letzten Angriffe ab, Qi stieß den Ka Caesians mit einem Irrlicht von sich, dann zogen auch sie sich zurück. Gemeinsam eilte die Gruppe die Stufen an der Mauer hinab, überquerte den großen Vorplatz am Stadttor und teilte sich auf, um Plätze an verschiedenen Straßen einzunehmen, die nach Theben hineinführten. Ihre Monster stießen nur kurze Zeit später zu ihnen.

„Jetzt heißt es abwarten“, murmelte Atemu, der sich gemeinsam mit Yugi und Tea verschanzt hatte.

„Hoffen wir, dass es klappt“, entgegnete sein Partner.

„Caesian wird sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die Mauer widerstandslos zu Fall bringen zu können. Darauf vertraue ich“, gab der Pharao zurück.

Eine ganze Zeit lang, die sich hinzog wie eine zähe Masse, geschah gar nichts. Vor den Toren konnten sie das Stapfen, Klirren und Brüllen der feindlichen Armee deutlich hören, das verheißungsvoll zu ihnen herüber wehte. Und dann war es plötzlich, als habe man die Ketten einer wilden Bestie gelöst.

Ohne Vorwarnung traf eine der Energiekugeln, die Caesians Ka hervorzubringen vermochte, die Stadtmauer und riss einen Teil davon in Stücke. Trümmer wurden durch die Luft geschleudert und flogen bis weit nach Theben hinein. Bei einem Angriff blieb es jedoch nicht. Der Boden unter ihren Füßen bebte, als schätzungsweise fünf, sechs weitere Attacken die Mauer nach und nach zu Staub zermalmten, Stein von Stein rissen und begannen, den Weg in die Stadt freizumachen. Sand und Dreck wirbelten auf und behinderten die Sicht.

„Wir müssen sie kommen sehen – Slifer!“

Auf den Befehl hin begann der Drache mit den Flügeln zu schlagen, um die Körner davon zu wehen. Der weiße Drache, Rotauge und Anwaar trugen bald ihren Teil zu seinem Tun bei und so gelang es ihnen in kürzester Zeit, nachdem der letzte Angriff des feindlichen Kas vorüber war, wieder klare Sicht zu haben.

Der Anblick, der sich ihnen dann bot, wäre jedoch lieber verborgen geblieben. Atemus Augen weiteten sich, während Tea eine Hand vor den Mund schlug und Yugi scharf die Luft einsog. Auf der gesamten Länge der Mauertrümmer waren Caesians Truppen zum Stehen gekommen und mit ihnen die ägyptischen Zivilisten. Ein jeder von diesen stand vor einem gegnerischen Krieger, der ihm von hinten ein Messer an die Kehle drückte – bereit, ihnen allen das Leben auszuhauchen. Erst jetzt, viel zu spät, durchschaute Atemu den Plan des Feindes. Zunächst hatte er versucht, den Pharao dazu zu verleiten, dass er seine eigenen Leute abschlachtete – doch dies war misslungen. Jetzt, da die Mauer, der wichtigste Punkt in dieser Auseinandersetzung, eingenommen war, hatte er keine Verwendung mehr für sie. Sie würden seine Truppen in den Straßen nur behindern.

Das Aufblitzen aberhunderter Messer ließ sein Blut in den Adern gefrieren. Er stieß einen Schrei aus, hörte ihn jedoch über das laute Pfeifen in seinen Ohren selbst nicht. Vor seinen Augen ergoss sich derweil Blut über den Boden Ägyptens, der Lebenssaft der eigenen Bevölkerung, die es vollkommen widerstandslos mit sich geschehen ließ. Ein Leib nach dem anderen fiel zuckend und sich windend in sich zusammen, die von Alten neben denen von jungen Seelen, die noch ihr ganzes Leben vor sich gehabt hätten.

Atemu fühlte sich taub. Ungläubig schüttelte er kaum merklich den Kopf.

Es reicht …

Er hatte sie beschützen wollen, doch er hatte es nicht vermocht, hatte den Feind falsch eingeschätzt. Und nun waren sie tot.

Es reicht …

Zivilisten … alles unschuldige Menschen, die keinen Anteil an diesem Krieg gehabt hatten. Einfach niedergemetzelt, Mastvieh gleich.

Es reicht!

„Dafür wirst du büßen!“

Unbändiger Hass bahnte sich einen Weg in seine Seele und übertrug sich auf Slifer. Ohne einen Befehl zu erhalten, sammelte der rote Drache seine Kräfte und stieß eine Salve gleißender Blitze in die gegnerische Armee hinein. Dass der Rest des Widerstandes das Gleiche empfand wie ihr Anführer, zeigte sich in den Angriffen der anderen Ka-Bestien, der keinen Wimpernschlag später erfolgte und ein beachtliches Loch in die vordersten Reihen des Gegners riss. Dabei entzündete sich der Teer vor den Mauern und verwandelte die Wüste in einem gewissen Abschnitt um sie herum in ein Flammenmeer. Kaum, dass der Schlag vorüber war, stürmten andere Kreaturen vor und stürzten sich auf die Soldaten, die versuchten, die entstandene Lücke zu schließen. Vielen von ihnen gelang es aber dennoch, sich unbehelligt an den tobenden Bestien vorbei zu drängen und in die Stadt hinein zu gelangen.

„Lasst die Monster die Arbeit machen, bis sie zu den Straßen vordringen!“, schallte Setos Befehl über die sich entfesselnde Schlacht hinweg.

„Atemu!“

Yugis Ruf riss den Pharao aus seinen Gedanken. Er schloss kurz die Augen, um sich nach den Geschehnissen von eben zu sammeln. „Ja, Partner?“

„Wir müssen noch immer das Relikt dazu bringen, uns vor den Auswirkungen von Bastets Amulett zu schützen.“

Der Regent nickte. „Du hast Recht.“

Und danach werde ich Caesian zeigen, was mit jenen geschieht, die meinem Volk derart Schreckliches antun.

Er holte den Reif der Isis hervor, den er unter seiner Rüstung verborgen hatte. Er packte das Artefakt fest, schloss die Augen und konzentrierte sich.

Isis, Gemahlin des Osiris, Mutter des Horus und Schützerin Ägyptens. Bitte vergib mir meine Anmaßung und meinen Verrat. Doch es gibt keinen anderen Weg als diesen. Leihe mir deine Kraft dieses einzige Mal und schütze uns gegen Kräfte, derer wir uns ohne deine Hilfe nicht erwehren können.

Die Gedanken waren noch nicht gänzlich geformt, da spürte Atemu bereits, wie sich das Relikt erwärmte. Als er auf es hinabblickte, sah er, dass es zu leuchten begonnen hatte. Dann schoss plötzlich eines Aura, der eines Polarlichts nicht unähnlich, aus dem Artefakt heraus dem Himmel entgegen und fing an, sich am Firmament auszubreiten. Es dauerte nicht lange, dann lag das kaum sichtbare, farbig schillernde Licht wie ein Tuch über der Stadt und hüllte sie ein.

„Es hat funktioniert!“, rief Tea freudig aus.

„Ein …“

Weiter kam Yugi nicht. Mit einem Mal erschütterte ein Beben den Grund unter ihnen und drohte, sie von den Füßen zu holen. Ebenso plötzlich, wie es gekommen war, verschwand es jedoch wieder und ließ lediglich ein dumpfes Grollen, wie jenes von Donner, in der Luft zurück.

„Was war das?“, fragte die Braunhaarige an ihre beiden Begleiter gewandt.

„Eine Erschütterung unserer Sphäre“, erklärte Atemu knapp.

„Wir benutzen ein einziges Mal ein Relikt und es hat direkt Auswirkungen?“, sagte Yugi ungläubig.

„Ich denke, die Artefakte sind insgesamt bereits zu oft gebraucht worden. Wir müssen dem ein Ende setzen“, erwiderte der Pharao entschlossen. „Slifer, komm zurück.“

Ein kurzes Leuchten am Firmament, dann verschwand das Seelenwesen.

„Was hast du vor?“, erkundigte sich sein Partner ernst.

„Ich werde mich um Caesian kümmern. Bis ich ihn erreicht habe, muss ich meine Kräfte schonen. Ich werde jeden Funken davon brauchen, wenn ich ihm gegenüberstehe.“ Er wandte sich nach seinen beiden Freunden um. „Schafft ihr es, die Truppen solange in Schach zu halten, bis ich der Schlange den Kopf abgeschlagen habe?“

„Du kannst dich auf uns verlassen“, versicherte ihm Yugi. „Und wir verlassen uns auf dich.“

Atemu nickte. „Am Ende dieses Tages wird all das hier vorbei sein.“

Ein Befehl Setos ließ sie hochschrecken. Dem Feind gelang es, ihre Verteidigung weiter und weiter zurückzudrängen. Es wurde Zeit, sich endgültig in die verwinkelten Straßen und Gassen der Stadt zu begeben, um den strategischen Vorteil nutzen zu können, den Theben ihnen bot. Die drei Freunde sahen sich noch einmal eindringlich an, dann sprangen sie auf und hasteten den Weg hinab, an dessen Mündung sie bis jetzt ausgeharrt hatten. Während Tea und Yugi noch ein Stück weit auf diesem zurückzulegen hatten, bog Atemu nach einigen Schritten in eine winzige, unscheinbare Nebengasse ein, bereit, sich Caesian zu stellen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Seelendieb
2016-10-25T04:08:54+00:00 25.10.2016 06:08
Ich bin sprachlos. eigentlich hätte ich es wissen müssen, aber gerechnet habe ich nicht mit Caesians Handeln, die zivilisten abschlachten zu lassen.

Joar... einfach nur krass. Bin mal gespannt was passiert, wenn Atemu endgültig die Beherrschung verliert...

Antwort von:  Sechmet
26.10.2016 20:28
... was in der aktuellen Situation durchaus noch passieren kann.

Vielen lieben Dank für Dein Feedback - schön, wenn ich Dich überraschen konnte, auch wenn es vielleicht keine sonderlich schöne Überraschung war. Für mich war einfach naheliegend, dass Caesian die Leute unter keinen Umständen heil aus der Sache heraus kommen lässt, gleich was passiert - immerhin ist sein größtes Anliegen, Atemu zu schaden und das hat er damit definitiv geschafft.
Von:  Rowanna
2016-10-24T22:49:16+00:00 25.10.2016 00:49
Trotz der furchtbaren Wendung der Ereignisse konnte ich mich durchringen, auch dieses Kapitel zu lesen. ;) Scherz beiseite: Es war wieder mal ein tolles Kapitel. So schlimm und eindrücklich es auch war, wie die Zivilisten getötet wurden, es hat doch super zur Atmosphäre beigetragen. Außerdem fand ich Atemus Reaktion toll, der in der ersten Schlacht in ähnlicher Situation einen Zusammenbruch erlitt. Man kann der Gruppe wirklich beim Reifen zusehen. :)
Antwort von:  Sechmet
26.10.2016 20:32
Vielen Dank für deine Rückmeldung! Freut mich, wenn es Dir wieder gefallen hat. :)
Jetzt wo du es erwähnst ... ich hatte beim Schreiben der Szene seinen Zusammenbruch gar nicht mehr im Kopf. Das heißt, das, was Du hier lobst, habe ich mehr oder minder unbeabsichtigt und vollkommen ungeplant konstruiert. ^^" Für mich war schlichtweg naheliegend, dass Atemu jetzt, wo es wirklich um alles geht, nicht einfach mit einem Nervenzusammenbruch herumsitzen kann. Aber auch aus der Perspektive, die Du mir soeben aufgezeigt hast, macht es perfekt Sinn - natürlich hat er inzwischen mehr gesehen und erlebt und dadurch ein dickeres Fell bekommen.
Also, danke nochmal - gerade sowas finde ich sehr spannend: wenn ich merke, dass sich die Perspektive des Lesers von meiner unterscheidet! :)


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