Zum Inhalt der Seite

Die Seele der Zeit

Yu-Gi-Oh! Part 6
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Keine Ahnung, ob das hier noch jemand liest - aber ich hasse lose Enden. Hier also das vorletzte Kapitel. Das nächste ist dann der Epilog. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Nach dem Sturm - Teil III

„Zunächst möchte ich eines klarstellen: gleich, was ich in diesem Gespräch sagen werde, es ändert nichts daran, dass du meine Schwester bist – und es immer bleiben wirst. Wann immer du mich brauchst, ich bin für dich da. Ich weiß nicht, was in Kul Elna passiert ist, aber …“

„Ich will nicht darüber reden.“

Es überraschte Riell nicht, dass Risha ihm das Wort abschnitt. Er hatte damit gerechnet. Also nickte er nur. „Ich wollte lediglich, dass du das weißt.“

„Hab’s verstanden. Lass uns endlich über den eigentlichen Grund für dieses Treffen sprechen. Je schneller ich es hinter mir habe, desto besser“, fuhr sein Gegenüber fort.

Riell unterdrückte ein Seufzen. Er war darauf vorbereitet, dass diese Unterhaltung mitunter die schwierigste in seinem Leben werden würde. Er ging ein gewaltiges Risiko ein, das war ihm klar. Die Chancen standen nicht schlecht, dass Risha anschließend aus dem Raum stürmen und er sie nie mehr zu Gesicht bekommen würde. Aus und vorbei. Aber er hatte diese Entscheidung treffen müssen.

„Nun gut“, begann er schließlich und stütze die Arme auf die Tischplatte, die zwischen ihnen lag. „Hör zu: ich habe lange nachgedacht. Sehr lange. Unsere letzte Unterhaltung – wenn man das, was in der Wüste passiert ist, überhaupt so nennen kann – ist mir noch sehr gut in Erinnerung. Ich weiß, dass es sich dabei um eine Ausnahmesituation gehandelt hat. Wir alle waren geschockt von Kipinos Tod. Und dennoch darf ich das, was du in dieser Nacht gesagt und getan hast, nicht ignorieren.“ Er zögerte kurz. „Mir ist mittlerweile bewusst, dass du nicht vorhattest, uns hängen zu lassen. Ich gehe davon aus, dass du lediglich etwas Abstand gebraucht hast, um wieder klar denken zu können. Ich bin mir sicher, dass du zu uns zurückgekommen wärst, hättest du die Möglichkeit gehabt. Das ändert aber nichts daran, dass das, was du getan hast, gravierende Auswirkungen hatte, Risha. Noch in der selben Nacht sind Dreiviertel der Schattentänzer verschwunden. Dass sich das massiv auf unsere Truppenstärke und die Moral der verbliebenen Clanmitglieder ausgewirkt hat, muss ich dir nicht extra sagen“, führte er aus. Dann ein Seufzen. „Aber auch das ist noch nicht einmal das, was mich letztendlich zu meiner Entscheidung bewegt hat. Wir sind immerhin alle Menschen und machen Fehler. Allerdings war das, was du dir geleistet hast, etwas, das weit darüber hinausging. Du hast Atemu angegriffen, unseren damaligen wie heutigen Verbündeten. Und damit hast du den zerbrechlichen Frieden, den die unseren so sehr verdient haben, auf eine harte Probe gestellt. Wir können von Glück sprechen, dass die Beziehungen, die wir so mühsam aufgebaut haben, weiterhin Bestand haben. Ich denke, ich muss nicht ausführen, was alles hätte passieren können.“

Er machte eine kurze Pause, um Risha die Möglichkeit zu geben, sich zu äußern. Doch zu Riells Überraschung schwieg sie eisern und musterte konzentriert die Wand zu ihrer Rechten. Er seufzte erneut.

„Es ist nicht so, als würde ich deinen Zorn nicht verstehen. Ich will jetzt keine Diskussion darüber anfangen, ob er gerechtfertigt ist oder nicht. Das ist auch nicht von Belang. Du trägst diese Wut in dir, das ist ein Fakt. Allerdings sind das deine Gefühle Risha – und nicht die des Clans.“

„Ach ja?“, hakte seine Schwester mit müde klingender Stimme nach.

„Ja, so ist es. Ich sage das, was jetzt kommt, vollkommen ohne Vorwurf: ich war in der letzten Zeit bei ihnen. Du nicht. Zahllose Schattentänzer haben ihre Meinung über den Regenten revidiert. Seto und Atemu sind nicht ihre Vorgänger und das haben die Schattentänzer verstanden. Mehr noch: das Königshaus ist sogar bereit, uns endlich das zu geben, was wir uns so lange erträumt haben. Ein Leben in Frieden, in dem wir anerkannt werden …“

„Riell“, unterbrach ihn Risha plötzlich. „Tu mir einen Gefallen und komm zum Punkt. Wir beide wissen, dass du gerade nur herumredest. Deine Entscheidung lautet wie?“

Ihr Bruder warf ebenfalls kurz einen Blick zur Seite und schien seine Gedanken zu ordnen. Dann biss er sich auf die Unterlippe und nickte. „Was ich sagen will: während ich deine Ablehnung gegen die königliche Familie verstehen kann, so kann ich nicht zulassen, dass sich deine persönlichen Aversionen derartig auf den gesamten Clan auswirken. In einer Führungsposition, wie wir sie innehaben, können wir nicht handeln, wie es uns beliebt. Das Wohl aller anderen muss stets vor unseren eigenen Interessen stehen. Ich weiß, was du jetzt denken wirst – dass du genau das getan hast, dass du den Clan nur schützen wolltest. Aber das hast du nicht. Dein Verhalten war absolut inakzeptabel. Und ich darf nicht zulassen, dass so etwas jemals wieder geschieht. Ich habe bereits gesagt, dass es auch ganz anders hätte laufen können. Deshalb bleibt mir leider nichts anderes übrig, als dich hiermit offiziell der Clanführung zu entheben.“

Risha hatte den Schlag kommen sehen. Trotzdem drehte sich ihr in diesem Moment der Magen um. Sie schloss für einen Moment die Augen und atmete bewusst ein und aus, um das flaue Gefühl in ihren Eingeweiden zu vertreiben. „Dann wäre das ja geklärt“, entgegnete sie matt und machte sich daran, aufzustehen.

„Einen Moment noch, bitte“, hielt Riell sie zurück. „Ich bin noch nicht ganz fertig, Risha. Ich denke, es ist wichtig zu betonen, dass ich dich zwar nicht mehr in einer führenden Position einsetzen kann, das aber nicht bedeutet, dass du kein Mitglied des Clans mehr bist. Du gehörst zu uns, Risha, und daran wird sich niemals etwas ändern. Du bist unersetzlich für uns und die starke Hand, die wird definitiv brauchen. Deswegen würde ich mir wünschen, dass du uns – und vor allem mir – weiterhin zur Seite stehst. Ich hätte dich gerne in der Position meiner Beraterin, Risha.“

Ihre Augen richteten sich zum ersten Mal in diesem Gespräch auf ihn. „Und wozu? Alles, was ich an Bedenken vorbringe, tust du ohnehin nur als Paranoia ab.“

„Wenn es darum geht, dass du behauptest, man wolle uns alle hinterrücks im Schlaf ermorden, magst du Recht haben. Und ja, genau diese Paranoia ist es, die dich als Clanführerin ungeeignet macht. Sie ist jedoch von Nutzen, wenn es darum geht, Augen und Ohren offen zu halten und nicht zu vertrauensselig zu werden. Während ich mich darüber freue, dass Seto gedenkt, weiterhin mit uns zusammen zu arbeiten, ist mir ebenso bewusst, dass er nicht auf ewig regieren wird. Und genau deswegen muss ich wachsam bleiben – etwas, das mir, wie du schon häufig erkannt hast, manchmal nicht leichtfällt. In dieser Hinsicht haben wir uns schon immer gut ergänzt, meinst du nicht?“, schloss er mit einem Lächeln.

Risha erwiderte dieses jedoch nicht. „Lass mich kurz zusammenfassen: ich soll also wie ein geprügelter Hund zurückgekrochen kommen, meines Postens beraubt, und von da an auf gut‘ Freund mit dem Pharao machen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, Riell. Aber wenn du glaubst, dass ich das kann, dann täuscht du dich. Ich habe auch meinen Stolz. Und ich werde ganz bestimmt nicht die Klappe halten, wenn es darum geht, Gerechtigkeit zu verlangen.“

„Seto ist nicht Atemu, Risha. Und keiner von beiden ist Aknamkanon.“

„Umso schlimmer – Akunaden hat nicht nur die Milleniumsgegenstände erschaffen, sondern war zugleich auch der Vater des neuen Pharao.“

„Womit wir wieder beim Thema wären: deine privaten Fehden dürfen sich nicht auf den Clan auswirken, verstehst du das nicht? Genau deshalb kann ich dich nicht in der Führung einsetzen. Genau deshalb kann ich dir lediglich den Posten meiner Beraterin anbieten – denn dann bin ich in der Lage, zu filtern, was du denkst.“

„Beantworte mir nur noch eine Frage, Riell, und dann lass uns dieses Trauerspiel beenden“, fuhr Risha dazwischen. „Was machst du, wenn du krank werden solltest oder dir sonst etwas passiert? Wer führt dann den Clan? Außer mir gibt es niemanden, der das könnte.“

„Katira.“

Risha sah ungläubig drein, während ihr Kopf die knappe Antwort verarbeitete. „Katira? Wie kommst du auf Katira? Sie ist eine Heilerin …“

„… und bald meine Ehefrau. Wir werden nach der Amtseinführung von Pharao Sethos heiraten.“

Risha schwirrten einhundert Antworten im Kopf herum. Dass das alleine Katira zu keiner Führungsfigur mache, dass sie zu weich war, dass es noch ewig dauern würde, bis Riell einen Nachfahren hatte, der alt genug wäre, um den Clan anzuführen … doch sie äußerte keinen einzigen dieser Gedanken. Sie wusste, dass sie verloren hatte. Sag gab ein Schnauben von sich. „Immerhin ist es dir nicht schwergefallen, mich so schnell wie möglich zu ersetzen.“

„Niemand wird ersetzt. Katira würde die Clanführung nur im absoluten Notfall erhalten. Und ich würde mich darauf verlassen, dass du sie unterstützt anstatt eine solche Situation auszunutzen. Weil ich dir vertraue. Ich weiß, du bist jetzt aufgewühlt, vielleicht auch verletzt und wütend – aber bitte, denk darüber nach. Bleib bei uns.“

Ein bitteres Lächeln stahl sich auf Rishas Züge. „Ach ja? Du vertraust mir? Offenbar nicht genug.“

Damit erhob sie sich und rauschte zur Tür hinaus.
 

„… und zuletzt habe ich noch kurz mit Riell gesprochen. Er hat Risha seine Entscheidung mitgeteilt.“

„Ich nehme an ihre Reaktion war nicht gerade positiv?“

Mana massierte sich die rechte Schläfe. „Nicht wirklich, wobei Riell meinte, er hätte sich das Ganze schlimmer vorgestellt. Offensichtlich ist sie ziemlich angefressen, hat die Situation insgesamt aber überraschend ruhig aufgenommen. Es bleibt lediglich die Frage offen, ob sie beim Clan bleiben wird oder nicht. Wobei ich nichts dagegen hätte, würde sie verschwinden.“

Atemu lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Finger ineinander. „Wie man es nimmt. Ein Sprichwort im 21. Jahrhundert sagt, dass man seine Freunde an sich binden soll – und seine Feinde noch mehr. Ich denke, es wäre einfacher, sie im Auge behalten zu können.“

Als Mana nicht auf seine Worte reagierte, wanderte sein Blick zu der Hofmagierin, die plötzlich in Gedanken versunken schien. „Ist alles in Ordnung?“

„Ja, natürlich. Es ist nur … ach.“ Sie seufzte und ließ sich ihm gegenüber auf einen Stuhl sinken. „Weißt du, ich hatte ehrlich gesagt gehofft, dass die Götter dich zum Dank … na ja, vielleicht bei uns lassen würden und dir die Regentschaft überlassen, die du dir so sehr verdient hast. Ich bin mir sicher, es hätte eine Blütezeit für das Land bedeutet … und ich hätte mich ebenfalls sehr darüber gefreut.“

Atemu lächelte. Er hatte fast damit gerechnet, dass es Mana nicht leichtfallen würde, ihn gehen zu lassen. Er streckte seine Hand aus und legte sie auf ihre. „Die Götter haben ihre Gründe. Gute Gründe noch dazu. Ich hätte eigentlich niemals zurückkommen sollen.“

„Ich weiß. Ich freue mich für dich, wirklich. Mir ist sehr wohl bewusst, dass sie dich ebenso gut ins Jenseits zurückschicken könnten. Es ist schön, dass du die Möglichkeit bekommst, ein Leben in Frieden zu führen. Ich denke, es ist das größte Geschenk, das man erhalten kann. Es ist nur so schwer für mich. Wir haben dich schon einmal gehen lassen müssen. Und obgleich ich weiß, dass es dir dort, wo du hingehst, gutgehen wird, fühlt es sich an, als würden wir dich erneut verlieren.“ Mana biss sich auf die Unterlippe, darum bemüht, die Tränen zurückzuhalten, die zu fließen drohten.

Atemu löste seine Finger von ihren, stand auf und ging um den Tisch herum, um sich neben sie zu setzen. Er legte tröstend einen Arm um ihre Schultern. „Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlen musst. Auch mir fällt die Vorstellung schwer, dich nicht noch einmal wiederzusehen. Wobei das eigentlich nicht ganz richtig ist, oder?“ Auf den fragenden Blick der Hofmagierin hin fuhr er fort: „Ich bin und bleibe ein Pharao Ägyptens. Und wenn meine Zeit gekommen ist, so hoffe ich darauf, dass Ammit meine Seele passieren lassen wird. Und dann, spätestens dann, bin ich mir sicher, werden wir uns wiedersehen. Doch bis dahin ist noch Zeit, Mana. Ich kann nicht bleiben. Und nach allem, was geschehen ist, braucht dieses Land sowohl dich als auch Seto mehr denn je. Aber ich bin sicher, dass ihr dieser Aufgabe mühelos gewachsen seid. Du bist stark geworden, Mana. Überaus stark. Und genau das ist es, was mir die Gewissheit gibt, die Entscheidung der Götter beruhigt annehmen zu können. Denn ich kann darauf vertrauen, dieses Land und seine Menschen in guten Händen zurück zu lassen.“

So sehr sich die Hofmagierin auch bemüht hatte, sie vermochte schließlich nicht mehr, die Tränen zurückzuhalten. Doch obgleich sie glitzernden Perlen gleich über ihre Wangen rannen, spielte ein Lächeln auf ihren Lippen. „Das kannst du. Ich verspreche dir, dass wir stets alles nur Erdenkliche tun werden, um Ägypten und seine Bewohner zu beschützen. Wir werden nicht zulassen, dass irgendjemand jemals wieder derartiges Leid über uns bringt. Von nun an werden wir alleine zurechtkommen, damit du den Frieden finden kannst, den du verdienst.“

Atemu erwiderte ihr Lächeln. „Ich danke dir. Von ganzem Herzen.“ Er ließ den Blick durch den Raum wandern. „Soweit ich das verstanden habe, müssten wir inzwischen weitestgehend damit fertig sein, das Amt zu übergeben, oder?“

Mana wischte sich verstohlen mit einer Hand über die Augen und nickte. „Ja. Alles Weitere sollte sich auch so klären lassen, es sei denn, dir liegt noch etwas auf der Seele.“

„Ich denke nicht“, entgegnete er, ehe er sie wieder ansah. „Es dauert noch etwas, bis ich gehen muss. Wir könnten also noch etwas Zeit miteinander verbringen.“

Die Miene der Hofmagierin hellte sich augenblicklich auf. „Nichts lieber als das! Schwebt dir irgendetwas bestimmtes vor?“

„Nun, zum einen … Mana, sag: hat Mahad nach seinem Tod jemals ein Grab erhalten?“

Mana nickte mit ernstem Gesicht. „Selbstverständlich. Es befindet sich in der Nekropole. Möchtest du, dass ich dich hinbringe?“

„Das wäre gut, ja. Auf dem Rückweg können wir uns dann gleich um die andere Sache kümmern.“

Die Hofmagierin zog eine Augenbraue nach oben. „Und die wäre?“

„Ein Sack Mais.“

„Ein Sack Mais?“, wiederholte sie ungläubig.

„Allerdings. Als Tea und ich in der Himmelspforte das Popcorn gemacht haben, war es nicht ganz richtig. Ich denke, es wird Zeit, dass wir es einmal mit Zucker und Salz probieren.“
 

Die drückende Hitze der Mittagszeit hatte Men-nefer in ihrem Griff. Es lag eine ungewöhnliche, friedvolle Ruhe über der Stadt. Die meisten Menschen hatten sich für eine kurze Zeit in ihre Häuser zurückgezogen. Sobald das Himmelsgestirn weitergewandert und die Temperaturen erträglicher waren, würden sie jedoch wieder herauskommen, um ihrem Tagesgeschäft nachzugehen. Dieses umfasste momentan vor allem noch Aufräum- und Aufbauarbeiten, aber auch der Handel hatte bereits wieder eingesetzt.

Marlic hatte es sich im Palastgarten unter einer Dattelpalme bequem gemacht. Er lag im weichen Gras, hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Augen geschlossen. Ein seliges Grinsen lag auf seinen Lippen. Er hätte nicht gedacht, dass diese ganze Sache so eine gute Wendung nehmen würde. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass die Götter ihn zurück ins Jenseits schicken würden. Aber scheinbar meinte es das Schicksal gut mit ihm. Nun malte er sich aus, wie er sein neues Leben gestalten würde.

Es hätte jeden Außenstehenden wahrscheinlich überrascht, aber für ihn stand fest, dass der Pharao darin keine Rolle mehr spielen würde. Warum auch? Es gab keine Milleniumsgegenstände mehr, um die es sich zu kämpfen lohnte. Die Mächte der Finsternis, die ihm der Milleniumsstab einst verliehen hatte, waren ebenfalls dahin. Auch Atemu war fortan nichts weiter als ein einfacher Kerl. Und so gerne er ihn foppte, wusste er doch, dass ihm das auf Dauer keine Genugtuung verschaffen würde. Klar, er hätte immer noch die Möglichkeit gehabt, ihn mit irdischen Mitteln umzubringen. Aber zu welchem Zweck? Ja, er hasste den Kerl. Allerdings wies das 21. Jahrhundert ein deutlich strafferes Rechtssystem auf, als das Alte Ägypten. Und ohne die angesprochenen Fähigkeiten der Dunkelheit würde er Gefahr laufen, für eine solche Tat geradestehen zu müssen. Und das lohnte sich in Marlics Augen kaum. Er hatte wider Erwarten eine zweite Chance im Leben bekommen. Und die wollte er diesmal vollends auskosten.

Irgendwie war es immer noch seltsam. Er wusste selbst nicht so genau, wo er eigentlich herkam. Er war irgendwo auf Markis Lebensweg entstanden, geboren aus seinem Hass und seiner Abscheu gegenüber seiner Pflicht als Grabwächter. Und genau das war er auch gewesen: purer Hass, reine Abscheu. Etwas, das alles zerstören wollte. Doch dann hatte er das Duell gegen den Pharao verloren und war schließlich hier wieder aufgewacht. Und plötzlich war alles anders. Die ziellose Zerstörungswut lag zwar noch irgendwo in ihm, aber sie war nicht mehr so präsent wie früher. Oft verspürte er sie zwar noch, aber nicht mehr im gleichen Ausmaß und in der gleichen Unbändigkeit wie damals. Er hatte sich oft gefragt, warum. Er vermutete, dass es damit zusammenhing, dass eine abgespaltene, eigenständige Seele wie seine nicht einfach aus dem Nichts entstand. Hass und Wut genügten alleine nicht, um eine Seele zu formen. Vermutlich hatte er von Marik noch andere Dinge übernommen. Immerhin hatte Marik seine dunkle Seite überhaupt erst durch abgrundtiefe Verzweiflung, Angst und Hoffnungslosigkeit erschaffen. Diese wiederum resultierten aus Träumen, von denen Marik damals überzeugt war, er würde sie sich niemals erfüllen können. Auch Marlic musste folglich komplexer sein.

Er schüttelte energisch den Kopf, wie immer, wenn sich seine Gedanken zu diesem Punkt bewegten. Zum einen nützte es nichts, darüber nachzudenken. Er war eine eigenständige Daseinsform und aus. Und ganz gleich, wie stark der Hass auf den Pharao sich auch abgeschwächt haben mochte, das hieß noch lange nicht, dass er fortan zu den Guten gehörte. Marlic war ein egozentrisches Arschloch und würde es immer bleiben – das nahm er sich fest vor. Was wiederum nicht überraschte, wenn man bedachte, dass sein einziger Referenzpunkt Marik blieb, keine Familie, kein gar nichts. Aber das war gut so. Bevor er sich solche Familiendramen antat wie Bakura, blieb er gerne alleine.

Für in stand bereits fest, dass er nicht in Japan bleiben würde. Viel zu spießig, diese ganze Kultur. Ägypten schied ebenfalls aus. Im 21. Jahrhundert herrschte dort eine gänzlich andere Religion und Kultur vor, die ebenfalls mehr als genug Stolpersteine barg. Nein, Marlic liebäugelte viel mehr mit den USA, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Er war sich sicher, dass er sich dort eine, vielleicht nicht ganz gesetztestreue, Lebensgrundlage schaffen konnte. Und weit genug weg von seinem nörgelnden, besserwisserischen Ebenbild wäre er auch noch. Es gab heiße Weiber im Überfluss, die geilsten Karren des ganzen Planeten und Party-Hochburgen wie Las Vegas. Ja, das konnte ein Abenteuer werden!

Er schrak plötzlich auf, als er eine Berührung an der Wange spürte. Ruckartig setzte er sich auf und war bereits drauf und dran, Des Gardius zu rufen, da stutzte er. Vor ihm hockte dieses kleine rothaarige Energiebündel, mit dem er nach der Sonnenscheibe des Ra gesucht hatte. Sie war einen Schritt zurückgewichen, hielt den Finger aber immer noch ausgestreckt, mit dem sie ihn in die Wange gepiekt hatte. Er verdrehte die Augen und ließ sich zurück ins Gras sinken.

„Hat man dir eigentlich keine Manieren beigebracht? Man betatscht Leute nicht einfach ohne zu fragen!“

„Ich hab dich nicht betatscht. Ich wollte nur sehen, ob du schläfst.“

„Und diese Information war wichtig weil?“

Samira zuckte mit den Schultern. Nachdem sie jedoch nichts weiter sagte, schüttelte Marlic nur verständnislos den Kopf und schloss wieder die Augen. Für einen kurzen Moment glaubte er, er habe es tatsächlich geschafft, die Kleine erfolgreich zu ignorieren. Dann ergriff sie aber doch noch das Wort.

„Stimmt es, was man sagt? Dass du, Bakura und der Pharao Ägypten verlassen werden?“

„Jep, ganz so sieht es aus“, erwiderte der Angesprochene, ohne sie anzusehen.

Für einen Augenblick herrschte Schweigen. „Und … wohin geht ihr?“

„Ins 21. Jahrhundert.“

„Das ist die Zukunft, richtig?“

„Jep.“

„… wie ist es da so?“

„Viel besser als hier. Kühlschränke, Fernsehen, Internet, fließend Wasser in jedem Haushalt … Es wird einfach himmlisch.“

„Und willst du da hingehen oder musst du da hingehen?“

„Ich will und ich muss. Also eine Win-Win-Situation.“

„Eine was?“

„Die perfekte Situation für mich. Sag mal, hast du eigentlich niemand anderen, dem du Löcher in den Bauch fragen kannst? Geh und nerv Bakura, der kann dir genau das Gleiche erzählen, wie ich.“

„Ich will aber lieber mit dir reden.“

Nun war es doch an Marlic, ein Auge zu öffnen und die dazugehörige Braue in die Höhe zu ziehen. „Und womit hab ich diese fragwürdige Ehre verdient?“

Samira zuckte abermals mit den Schultern. „Na ja, ich dachte, wir haben uns ganz gut verstanden …“, meinte sie zögerlich.

Nun öffnete er auch das zweite Auge. Die zweite Augenbraue schoss in die Höhe. „Ich hab dich abgefüllt und dazu getriezt, trotz eines mächtigen Katers deine Ka-Bestie bis nach Theben zu treiben. Und dich beständig daran erinnert, dass du selbst schuld bist.“

„Ja, aber du hattest doch Recht. Ich hätte nicht saufen müssen. Dass ich dann mit den Auswirkungen zu kämpfen hatte, war nun einmal meine Schuld.“

Hätte Marlic ein drittes Auge besessen, auch dessen Augenbraue wäre bei diesen Worten in die Höhe geschnellt. So blieb es jedoch bei einem verdutzten Gesichtsausdruck. Normalerweise gab ihm niemand Recht. Also, außer er sich selbst. Bevor er sich jedoch dazu äußern konnte, schüttelte Samira den Kopf und wandte den Blick ab.

„Es ist alles so mies. Ich weiß einfach nicht, wohin mit mir. Die Schattentänzer sind nicht mehr das, was sie mal waren. Riell hat Risha offiziell ihres Amtes als Oberhaupt enthoben, sodass sie uns bestimmt verlässt. Zudem sind wir gerade noch ein paar Dutzend Leute und jetzt will Riell auch noch weiterhin gemeinsame Sache mit dem neuen Pharao machen. Das ist doch Mist! Ich will nicht, dass wir irgendetwas mit dem Königshaus zu tun haben! Die haben doch alle nicht die geringste Ahnung davon, wie das einfache Volk lebt! Sie schwelgen in Saus und Braus, während wir an manchen Tagen nicht mal wissen, woher wir unser Essen kriegen sollen. Und auch, wenn die Zusammenarbeit gegen Caesian funktioniert haben mag, darf man doch nicht einfach all die Jahre vergessen, in denen wir als religiöse Minderheit diskriminiert wurden! Ich kann und will Riell einfach nicht verstehen!“ Sie biss sich auf die Unterlippe, sodass sie nuschelte, als sie weitersprach: „Darum hab ich gedacht, ich kann vielleicht dich begleiten, wo immer du auch hingehst … Das wäre auf jeden Fall besser gewesen, als hier zu bleiben und Riell dabei zuzuschauen, wie er dem Pharao in den Hintern kriecht.“

Samiras Gedanken rasten jedes Mal, wenn sie an die Zukunft dachte. Ja, sie hatte im Verlauf des Krieges akzeptieren müssen, dass der Pharao nicht für alles verantwortlich gemacht werden konnte, was in Ägypten vor sich ging. Auch er konnte nicht ändern, dass es weiterhin Vorurteile gegen ihren Clan in der Bevölkerung geben würde. Aber das hieß noch lange nicht, dass Atemu oder Seto ihr als Menschen oder Herrscher sympathisch sein mussten. Dafür hatte sie sie zu viele Jahre ihres noch jungen Lebens verachtet. Dass sie wenigstens eine gewisse Abneigung gegen beide hegen würde, würde sich so schnell auch nicht ändern lassen.

Marlic auf der anderen Seite befand sich in einem Zustand, den er nicht oft erlebte: er war sprachlos. Er hatte nun wirklich nicht gerade seine beste Seite gezeigt und dennoch hatte dieses Kind darauf gehofft, dass er sie mitnehmen würde, wenn er Men-nefer verließ. Wie es dazu gekommen war? Keine Ahnung. Er würde gehörig darüber nachdenken müssen, welchen Eindruck er bei anderen Menschen hinterließ. Konnte ja nicht angehen, dass es plötzlich Leute gab, die ihn mochten. Nicht, dass er nicht verstehen konnte, warum andere ihn toll fanden – Marlic hielt sich ja selbst für unwiderstehlich. Aber normalerweise teilten die meisten Menschen seine Ansichten eben nicht. Er vermutete, dass es etwas damit zu tun hatte, dass Bakuras Base bald abhauen würde – was Samira ja auch selbst als einen Grund angeführt hatte. Offensichtlich brauchte sie jemanden, der ihr Grenzen aufzeigte und ihr verdeutlichte, dass Handlungen Konsequenzen nach sich zogen. Er hatte wenig Einblick in diesen Zirkel, dem die Kleine angehörte, aber er vermutete von dem, was er gesehen hatte, dass Risha bislang diese Person gewesen war. Dann hatte die sich aber zwischenzeitlich aus dem Staub gemacht. Und so war das Energiebündel an Marlic geraten, der ihr ähnlich Kontra gegeben hatte, als sie sich besoffen hatte. Dass das aber solche Auswirkungen haben würde, damit hätte er nun wirklich nicht gerechnet.

Aber noch etwas anderes war neu. Er konnte es nicht genau deuten, aber es fühlte sich fast so an wie Bedauern. Also nicht richtig. Marlic war kein emotionaler Typ, zumindest nicht, was solche Gefühle anging. Aber irgendwie konnte er das kleine Energiebündel halbwegs tolerieren. Und das war schon eine Menge.

„Tja, Püppchen. Das Leben spielt nun mal nicht immer so, wie wir es gerne hätten. Es ist jedenfalls ausgeschlossen, dass du mich ins 21. Jahrhundert begleiten kannst“, stellte er schließlich trocken fest und richteten den Blick wieder gen Himmel. „Warum läufst du nicht eurem Ex-Oberhaupt hinterher? Dachte, Bakuras Zicke von einer Base wäre dein großes Vorbild?“

Sein Gegenüber musste gar nicht lange überlegen, wie sie auf diese Frage reagieren sollte. „Selbst wenn ich sie fragen würde, würde sie eh nein sagen, weil sie denkt, es wäre besser für mich, hier zu bleiben. Sie nimmt mich nicht für voll. Außerdem ist sie total komisch, seit sie aus Kul Elna zurück ist. Normalerweise hätte sie um ihren Posten gekämpft, aber sie hat Riells Entscheidung einfach akzeptiert! Das ist noch nie passiert, wenn sie anderer Meinung war. Daher weiß ich gar nicht, ob ich sie noch begleiten wollen würde …“

„Tja, ich fürchte, dann wirst du wohl eine andere Beschäftigung finden müssen.“

„Ist doch alles scheiße …“, murmelte Samira zur Antwort und klang dabei ziemlich bedrückt. Herrje, hoffentlich fing die Kleine nicht gleich an zu weinen!

Marlic überlegte kurz, dann setzte er sich ruckartig auf. „Okay Kindchen, pass mal auf“, setzte er an. „Es mag verständlich sein, dass dir die Situation nicht taugt. Glaub mir, ich kann sehr gut nachvollziehen, warum man weder mit Atemu noch seinem Priesterfutzi von einem Vetter etwas zu tun haben will. Aber du machst es schon wieder genau so, wie damals in der Nekropole.“

Die Rothaarige sah ihn offen verdutzt an. „Wie meinst du das?“, hakte sie schließlich nach.

„Ganz einfach: du jammerst rum und gibst allen anderen die Schuld. Da ist Riell, der mit dem Königshaus paktiert. Dann ist da Risha, die sich wahrscheinlich aus dem Staub machen wird. Und der Pharao, den du nicht leiden kannst. Aber anstatt die Situation zu deinen Gunsten zu wenden, sitzt du hier und jammerst mich voll.“

„Und was soll ich deiner Meinung nach machen? Seto abstechen? Oder Katira verschwinden lassen?“, erwiderte Samira überspitzt und deutlich sarkastisch.

„So sehr ich den Gebrauch von Schnittwaffen gutheiße – es lässt sich zu meinem Leidweisen nicht alles damit lösen, dass man jemanden umbringt. Zumal dich der Hohepriester unangespitzt in den Boden rammen würde. Sein Ka ist viel zu mächtig. Und wer ist überhaupt Katira?“

„Riells Ehefrau. Zumindest bald. Aber das ist auch egal. Was soll ich denn deiner Meinung nach machen? Jetzt sag schon!“

„Ganz einfach: Du redest davon, dass du keinen Bock hast, bei Riell zu bleiben – dann pack deine Sachen und geh. So einfach ist das.“

„Aber … wohin denn? Und mit wem?“

„Da liegt dein nächster Fehler. Du machst deine Entscheidungen von anderen abhängig. Wenn du so lebst, wirst du nie das erreichen, was du willst.“

„Aber ich weiß doch gar nicht, was ich will!“, platzte es plötzlich aus Samira heraus. Für einen Moment sahen sie und Marlic sich schweigend an, bis sie den Blickkontakt abbrach.

Der Ältere seufzte innerlich. Schwierig, das. Aber auch darauf wusste er natürlich eine Antwort. „Dann finde es heraus.“

„Das ist ja das Problem! Ich zerbreche mir seit Umläufen den Kopf und habe absolut keine Ahnung, was ich mit meinem Leben anfangen soll! Ich kenne doch nichts anderes, als die Schattentänzer!“

„Dann wird es wohl höchste Zeit, die Welt kennenzulernen, Püppchen.“

Samira sah ihn wieder mit ihren großen, grünen Augen an. Irgendwie war es ja schon fast schade. Hätte er hierbleiben müssen, die Kleine wäre wirklich perfekt gewesen, um sich einen Azubi zuzulegen. Sie war so planlos, Marlic hätte aus ihr alles machen können, von einer exotischen Tänzerin bis hin zu einem Auftragskiller. Aber das ging nun mal nicht.

„Jetzt mal ernsthaft – es wird doch wohl irgendwas außer eurem Zirkel geben, das dich interessiert.“

Das Energiebündel wandte den Blick ab und schien zu überlegen. Es dauerte eine ganze Weile. Marlic war schon fast dabei, sich hinzulegen und weiter zu dösen, da schien ihr doch noch ein Licht aufzugehen. „Ich hab immer gerne unseren beiden Schmieden bei der Arbeit geholfen. Ich durfte zwar nie selber schmieden, sondern habe nur Waffen geschliffen und gepflegt, aber es sah toll aus, wenn sie aus einem Klumpen Metall ein Schwert gemacht haben.“

Warum ausgerechnet sowas?

„Kannst du knicken. Frauen in Handwerksberufen? Bis dahin vergehen noch ein paar tausend Jährchen, Kleines. Sonst irgendwelche Ideen?“

Samira überlegte angestrengt. „Magie …“, murmelte sie schließlich. „Magie wäre toll. Aber ich weiß nicht, ob ich das kann.“

„Du hast einen Ka. Deine Chancen stehen also nicht mal schlecht. Aber viel Spaß dabei, jemanden zu finden, der dich ausbildet. Die Einzige, die uns bislang begegnet ist, ist das Püppchen des Pharao.“

Für einen Moment herrschte Schweigen. Marlic ließ sich wieder ins Gras sinken, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und wollte schon die Augen schließen, da sprang das Energiebündel plötzlich auf.

„Marlic! Du bist absolut genial!“, rief sie dabei aus und ballte ihre putzigen Fäuste.

„Nicht, dass ich das nicht wüsste – aber was meinst du genau?“, erkundigte sich der Andere nach einem kurzen Moment.

„Na weil du vollkommen recht hast! Ja, wenn ich etwas nicht mag, muss ich dafür sorgen, dass es sich ändert. Und jetzt weiß ich auch wie! Pass auf.“ Sie ließ sich verschwörerisch neben ihm ins Gras plumsen. „Die Palasties sind uns Schattentänzern eine Menge schuldig, oder? Siehst du doch genau so? Darum werde ich Riell bitten, dass er die Hofmagierin bittet, mich auszubilden!“

Marlic zog zum gefühlt hundertsten Mal in dieser Unterhaltung eine Augenbraue in die Höhe. „Ich dachte, du willst hier weg?“

„Ja, eigentlich schon … aber dann ändert sich ja wieder nichts! Wenn ich will, dass sich was ändert, muss ich was dafür tun. Also werde ich mich zur Magierin ausbilden lassen und seeehr stark werden! Stärker als alle Magier bisher! Und dann bin ich eine von denen, die den Ton angeben! Ich werde Ägypten verändern!“ Sie machte Anstalten, Marlic zu umarmen. Der reagierte jedoch geistesgegenwärtig genug und rutschte ein Stück zurück, sodass sie nur seinen linken Oberarm zu fassen bekam. Das störte sie jedoch scheinbar nicht. „Danke! Du bist der Beste! Aber jetzt muss ich noch was erledigen!“

Damit gab sie ihn frei und hopste davon. Marlic war dermaßen baff von dem plötzlichen Gemütswandel, dass er sich fragen hörte, was sie denn machen wolle. Samira wandte sich daraufhin noch einmal mit diesem unscheinbaren Süße-Mädchen-Lächeln zu ihm um. „Ganz einfach: Um in die Zukunft zu gucken, muss ich mit meiner Vergangenheit aufräumen. Zeit, meinen Erzeugern mal einen Besuch abzustatten!“

Damit wirbelte sie herum und war verschwunden. Marlic blieb verdutzt zurück. Keine Ahnung, wo das jetzt plötzlich hergekommen war. War eigentlich auch egal. Alles was zählte, war, dass er jetzt wieder seine Ruhe hatte. Genüsslich sank er ins Gras und schloss die Augen.
 

Risha zügelte ihr Pferd am äußersten Rand der Nekropole von Gizeh. Ihr Blick schweifte über die unzähligen Grabanlagen, manche gigantisch, andere fast bescheiden. Wie viele Mumien hier wohl liegen mochten? Zwischen all den Verstorbenen kam man sich als Lebendiger beinahe fehl am Platz vor.

Sie saß ab und befestigte die Zügel des Reittieres an einem dafür vorgesehenen Pflock. Dann setzte sie sich langsam in Bewegung. Ihr Ziel konnte nicht weit sein. Der Papyrus, den sie erhalten hatte, hatte sehr genau beschrieben, wo sie sich einfinden musste. Dennoch gelang es ihr nicht auf Anhieb, zu finden, wonach sie suchte. Glücklicherweise begegnete sie jedoch einen Priester, der ihr verraten konnte, wohin sie musste. Schließlich erreichte sie ein Grab, dessen Eingang in einen relativ niedrigen Felsen geschlagen war. Für einige Augenblicke stand sie nur da und starrte den Gang hinab, der in die Tiefe führte. Dann atmete sie ein letztes Mal durch und machte sich daran, die Hühnerleiter hinabzusteigen. Kerzen erhellten ihren Weg dabei in unregelmäßigen Abständen. Je tiefer sie hinuntergelangte, desto stickiger, aber auch kühler wurde die Luft. Schon nach einigen Fußlängen war der Gang so niedrig, dass sie gebückt weitergehen musste, um sich nicht den Kopf zu stoßen. Sie konnte sich gut vorstellen, dass es Menschen gab, denen eine solche Enge ganz und gar nicht behagte. Ihr machte es zum Glück nichts aus. Sie hatte die meiste Zeit ihres Lebens in unterirdischen Gängen gehaust.

Sie schätzte, dass sie etwa fünfzehn Fuß in die Tiefe gestiegen sein musste, als die hölzernen Trittstücke endeten und in einen ebenen Gang übergingen, der genau so niedrig war, wie der vorige. Auch hier waren einige Kerzen aufgestellt. Sie folgte dem Weg ein Stück, bis sich in der Wand eine tiefliegende Öffnung zu ihrer Rechten auftat. Sie sammelte sich kurz, dann kroch sie fast auf allen Vieren darunter hindurch.

Auf der anderen Seite lag eine einzige Kammer, vielleicht gerade einmal neun Schritte lang und breit. Auch hier vertrieb Kerzenschein die Dunkelheit. Die Wände waren einfach, aber gekonnt bemalt worden. In der Mitte des Raumes befand sich ein steinernes Podest, auf dem ein hölzerner Sarkophag ruhte – und an diesem stand Bakura.

Als er Risha gewahrte, warf er ihr einen kurzen Blick über die Schulter zu und nickte. Sie erwiderte die Geste knapp und trat näher. Ihre Augen wanderten zu der Totenlade. Auch sie war mit Verzierungen übersät. Sie stellten ebenso wie die Malereien an den Wänden Episoden aus der ägyptischen Mythologie dar, allen voran den Übergang des Toten in das Jenseits. Als ihr Blick erneut über die Wände schweifte, blieb er an einer Stelle hängen, die den Toten im Grabe nannte. Keiro, Sohn von Gahiji und Oseje aus Kul Elna stand in Hieroglyphen an der Wand.

Seinen Namen hier zu lesen fühlte sich seltsam an, gleich wie viel Zeit bereits vergangen war. Es wirkte auf sie immer noch, als sei es ein böser Traum gewesen. Sie hatte sich nie vorstellen können, dass er wirklich einmal sterben würde. Gleich, ob sie einander hatten leiden können oder nicht, Keiro war eine Konstante in ihrem Leben gewesen.

Ihre Augen glitten zu Bakura hinüber. Seine Miene war vollkommen ausdruckslos und ließ keinen Rückschluss auf seine Gedanken und Gefühle zu. Wie so oft, schoss es ihr durch den Kopf. So standen sie eine ganze Weile nur schweigend nebeneinander, während in einer Ecke des Raumes ein Räucherwerk niederbrannte und den Geruch von Weihrauch verströmte. Als die Stille schließlich unerträglich zu werden drohte, war es Risha, die sie durchbrach.

„Wie weit sind sie mit den Riten?“

Bakura warf ihr einen knappen Blick zu. „Die Organe wurden bereits entfernt und der Leichnam gereinigt. Aktuell ist der Sarg mit Natron gefüllt, um den Körper auszutrocknen. Es wird aber noch um die dreißig bis vierzig Tage dauern, bis sie mit den weiteren Riten fortfahren können.“

Zur Antwort nickte sein Gegenüber. „Das heißt es wird noch etwa 60 Tage dauern, bis er rituell beigesetzt und das Grab verschlossen wird.“

„Richtig. Und genau das ist einer der Gründe, warum ich dich sprechen wollte.“

Risha wandte ihm den Blick zu und zog eine Augenbraue in die Höhe. „Wie darf ich das verstehen?“

„Lass uns das draußen besprechen“, entgegnete der Grabräuber und machte sich daran, die Grabkammer zu verlassen. Die Schattentänzerin folgte ihm nach einem letzten Blick auf den Sarg.

Bald fanden sie sich an der Oberfläche wieder. Bakura griff die Unterhaltung jedoch nicht gleich wieder auf. Als sie schließlich an den Rand der Nekropole kamen, hielt es Risha nicht mehr aus.

„Was ist es denn nun, das du besprechen wolltest? Nimm es mir nicht übel, aber du hast in all den Umläufen nicht einmal das Gespräch gesucht. Daher bin ich jetzt doch etwas verwundert“, erklärte sie und verschränkte die Arme vor der Brust, als sich der Andere ihr zuwandte.

Bakura musterte sie einen Moment lang. Für einen Augenblick überlegte er, ob er ihr eine entsprechende Retourkutsche verpassen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. So sollte diese Unterhaltung besser nicht verlaufen.

„Keine Sorge, es ist simpel“, erwiderte er schließlich, während seine Augen zurück zur Nekropole wanderten. „Ich wollte dich lediglich bitten, darüber zu wachen, dass die Riten ordentlich durchgeführt und korrekt abgeschlossen werden.“

Er ließ die Aussage zunächst so stehen und ging wieder dazu über, sein Gegenüber zu beobachten, gespannt darauf, wie sie reagieren würde. Dies war wieder einer der Momente, in denen ihm bewusst wurde, wie fremd sie sich waren. Genauso, wie Keiro eigentlich bis zum Schluss ein Fremder für ihn gewesen war. Er schob den Gedanken energisch beiseite, als Rishas Stimme an sein Ohr drang.

„Ja, nun … natürlich kann ich das machen. Aber was ist mit dir? Willst du dich nicht selbst darum kümmern? Ich meine, er war dein Bruder und ihr hattet ein deutlich besseres Verhältnis zueinander …“

„Ich werde nicht mehr hier sein, wenn es soweit ist.“

Ein einziger Blick in ihre Augen verriet ihm, dass sie überrumpelt war. Und nicht verstand. Aber damit hatte er gerechnet. Sie hatte sich in den vergangenen Tagen rar gemacht, das Gemurmel im Palast vermutlich nicht mitbekommen. Dass Riell kein Wort fallen ließ, dafür hatte Bakura hingegen selbst gesorgt. Dieses Gespräch würde er mit ihr führen und sonst niemand.

„Was soll das heißen, du bist dann nicht mehr hier? Wohin willst du denn? Und warum kann das nicht warten, bis …“

„Weil mir nur noch drei Umläufe bleiben, bis ich gehen muss. Ich habe keine andere Wahl. Entweder das oder die Unterwelt.“

Jetzt verstand Risha überhaupt nichts mehr. „Was redest du da? Die Unterwelt?“ Ihr Blick verfinsterte sich. „Hat dir der Pharao gedroht?“

„Nein.“

„Aber was ist es denn dann? Wärst du vielleicht so freundlich, mir zu erklären, was es damit auf sich hat?“

„Es ist kompliziert.“

„Ach, ist es das? Wie gut, dass ich keine anderen Verpflichtungen habe. Ich habe also den ganzen Tag Zeit“, entgegnete sie und ließ sich, um ihre Worte zu unterstreichen, im Schneidersitz in den Sand sinken.

Bakura musterte sie einen Moment lang mit hochgezogener Augenbraue. Er hatte vermutet, dass sie sich nicht mit einfachen Erklärung abspeisen lassen würde. Schließlich seufzte er. „Meinetwegen. Ich kann es dir erklären. Aber lass uns vielleicht irgendwo anders reden.“
 

Kurze Zeit später fanden sich beide auf einer Felsformation außerhalb der Hauptstadt wieder. Die Sonne stand noch immer gleisend hell am Firmament, doch die Felsen boten genügend Schatten. Sie hatten kaum eine der oberen Klippen erreicht, da begann Risha schon wieder, ihn mit Fragen zu bombardieren.

„Und wohin überhaupt? Was könnte es außerhalb von Ägypten geben, das es wert ist, deiner Heimat den Rücken zu kehren?“

Diesmal kam Bakura nicht daran vorbei, die Augen zu verdrehen. „Wie wäre es, wenn du dich zunächst mal hinsetzt?“

„Ich steh ganz gut. Also, was ist jetzt …“

„Risha …“

„Ist ja gut! Ich setz mich schon hin“, sprach’s und ließ sich endlich zu Boden sinken.

Der Grabräuber atmete einmal tief durch, ehe er es ihr gleich tat. Dieses Gespräch würde in der Tat schwerer werden, als gedacht.

„Also, pass auf. Das alles ist wahnsinnig kompliziert, ja? Daher unterbrich mich nicht, bis ich dir zumindest den akuten Teil erklärt habe, sonst verliere ich am Ende selber noch den Faden.“

Die Schattentänzerin musterte ihn aufmerksam, nickte jedoch nur zur Antwort. Schließlich begann Bakura zu erzählen. „Es ist so: ich sollte eigentlich gar nicht mehr hier sein. Wenn man es genau nimmt, bin ich bereits seit zwei Sommern tot.“

Sein Gegenüber legte die Stirn in Falten. „Unsinn. Du sitzt doch direkt vor mir.“

„Risha.“

Sie biss sich sichtlich auf die Unterlippe, schwieg jedoch.

„Ich kann mir vorstellen, wie sich das anhört. Aber ich habe weder einen Sonnenstich noch meinen Verstand verloren. Es ist ein Fakt. Soweit ich mitbekommen habe, haben sowohl du als auch Keiro damals von dem Kampf Wind bekommen, den der Pharao und ich vor zwei Sommern ausgefochten haben, richtig?“

Seine Base nickte knapp.

„Und genau diese Auseinandersetzung habe ich nicht überlebt“, fuhr Bakura fort. „Die Mächte, die ich entfesselt habe, haben mich verraten. Und so fand ich mich nach dem Kampf im Jenseits wieder. Und auch, wenn ich mich kaum an diese Zeit erinnern kann, weiß ich sicher, dass ich tot war. Zumindest bis vor nicht allzu langer Zeit. Außerdem bin ich nicht als Einziger gestorben. Den Pharao hat es ebenfalls erwischt, aber das ist ja allgemein bekannt. Als Caesian aufgetaucht ist, haben die Götter jedoch entschieden, dass es seine Majestät brauchen wird, um dem Treiben dieses Psychopathen Einhalt zu gebieten. Da eine Wiedergeburt jedoch scheinbar ein ziemlich großer Akt ist, der nicht ohne Gegengewicht erfolgen darf, bin auch ich wiederauferstanden. Und Marlic ebenso.“

Risha sah ihn an, als seien ihm plötzlich Hörner gewachsen oder etwas in der Art, doch sie schwieg. So fuhr er fort: „Jetzt, da der Kampf vorbei ist, haben die Götter entschieden, dass es wohl undankbar wäre, uns in die Unterwelt zurückzuschicken. Sowohl der Pharao als auch ich und Marlic sollen so etwas wie ein zweites Leben kriegen. Allerdings geht das nicht hier. Du kennst dich wahrscheinlich was das angeht besser aus als ich, aber es hat irgendwas mit der Stabilität dieser Sphäre zu tun und dass hier nicht einfach Leute rumrennen können, die eigentlich im Jenseits sein müssen. Deshalb müssen wir in eine andere Sphäre wechseln, in diesem Fall eine, die in der Zukunft liegt. Genau genommen knapp dreitausend Jahre in der Zukunft.“

Dass Risha baff war, wäre eine absolute Untertreibung gewesen. Sie schüttelte verständnislos den Kopf. „Dreitausend Jahre? Aber warum dreitausend Jahre? Was willst du denn dreitausend verdammte Jahre in der Zukunft?“

Jetzt kam der Part, wo es erst richtig kompliziert wurde. „Weil ich dort schon einmal war. Denn genau genommen ist das, was ich hier erlebe, schon mein dritter Anlauf an ein Leben in dieser Zeit.“

„Jetzt hab ich den Faden verloren. Wovon sprichst du da? Das … das ist doch vollkommen …“

„Krank? Durchgeknallt? Aberwitzig? Egal was du auswählst, ich denke, ich kann es nicht abstreiten.“ Er schnaubte. „Aber sei erst mal im Zentrum dieses Konstrukts.“

Risha schloss für einen Moment die Augen und massierte sich die Nasenwurzel. „Bist du sicher, dass es dir gut geht? Ich kenne so einige religiöse Fanatiker, aber das, was du da erzählst, übertrifft deren Gerede um Längen. Wie bitte schön sollst du in die Zukunft gekommen sein? Und wie zurück? Hör zu, wenn du mich auf den Arm nimmst …“

„Natürlich, weil ich auch nichts Besseres zu tun habe“, fuhr Bakura patzig dazwischen. „Ich kann versuchen, es dir zu erklären, aber dafür müsstest du mal länger als einen Wimpernschlag den Mund halten, ja?“

Was dann folgte war eine Erklärung sämtlicher Ereignisse, die sich zwischen dem Zeitpunkt, als ein Teil von Bakuras Seele im Milleniumsring versiegelt wurde, und seinem erneuten Auftauchen in dieser Zeit vor zwei Sommern abgespielt hatten. Risha hörte aufmerksam zu, man konnte ihr jedoch ansehen, dass sie Mühe hatte, alles nachzuvollziehen. Am Ende schien es dem Grabräuber aber irgendwie gelungen zu sein, sie nicht auf halber Strecke zu verlieren. Als er geendet hatte, schwiegen sie für eine Weile. Schließlich gab seine Base ein Schnauben von sich.

„Unglaublich. In drei Tagen bin ich also, aus einer anderen Perspektive gesehen, seit gut dreitausend Jahren tot. Und du hast aus unserer Sicht betrachtet noch gar nicht existiert.“

Bakura biss die Kiefer fester aufeinander. Dieser Gedanke war ihm auch schon gekommen. Und er war mehr als seltsam. Als er das letzte Mal, eingeschlossen in ein uraltes Artefakt, darauf gewartet hatte, seine Rachepläne in die Tat umzusetzen, hatte es sich anders angefühlt. Er hatte seine Eltern sterben sehen und war sicher, dass es auch Keiro und Risha erwischt hatte. Diesmal war es irgendwie anders. Ja, jetzt konnte er sich ebenfalls sicher sein, dass sein Bruder schon Geschichte war. Seine Base jedoch saß quicklebendig vor ihm und würde auch noch leben, wenn er im 21. Jahrhundert aufwachte – wo sie allerdings faktisch tot sein würde. Bei diesen Gedankenspielen kam ihm nicht zum ersten Mal die Frage, ob es wohl auch eine Zeitebene gab, in der seine ganze Familie noch lebte.

Ein Schnauben seines Gegenübers holte ihn wieder ins Hier und Jetzt zurück. „Das können auch nur die Götter – ihre Dankbarkeit ausdrücken, indem sie jemanden aus seiner Heimat reißen. Großartig. Da will man doch direkt in den nächsten Tempel rennen und beten.“

Sie schwiegen eine Weile, ehe sie erneut das Wort ergriff. „Was wirst du dort machen? Was genau erwartet dich dort? Ich weiß nicht viel über diese kommende Zeit, aber sie scheint nichts mit der gemein zu haben, in der wir uns gerade befinden.“

Bakura zuckte nur mit den Schultern. „Tut sie nicht, nein. Ich habe keine Ahnung. Irgendetwas wird sich ergeben. Wie immer.“ Er musterte sie einen Moment lang prüfend. „Was ist mit dir?“

„Was soll mit mir sein?“

„Stell dich nicht dumm. Die Wände des Palastes haben Ohren. Riell hat an seinem Plan festgehalten, nicht wahr?“

Sie schlang die Arme fester um ihre Beine und legte den Kopf auf den Knien ab. „Ich sehe schon, du bist bestens im Bilde“, entgegnete sie matt, jedoch mit einem Unterton in der Stimme, der verriet, dass sie platzen würde, sollte er sich irgendeinen Scherz erlauben. Ehe Bakura jedoch seine Meinung dazu abgeben konnte – dass Riell sowie so eine verweichlichte Flasche sei – sprach sie bereits weiter. „Und ersetzt hat er mich auch schon. Ich hab eigentlich immer viel auf Katira gehalten – aber als Oberhaupt? Beschissene Wahl. Aber was will man machen, sie steigt nun mal mit ihm ins Bett.“

„Soweit ich das sehe, besitzt du die gleichen körperlichen Voraussetzungen“, kommentierte Bakura trocken.

Rishas Miene verzog sich schlagartig. „Du bist ekelhaft. Riell ist mein …“

Ziehbruder. Dichte dem Arschkriecher bloß keine Blutsverwandtschaft zu unserer Familie an.“

„Was auch immer. Außerdem hab ich auch meinen Stolz. Und noch dazu wäre ich zu spät. So eilig wie es die beiden mit der Hochzeit haben, ist wahrscheinlich schon Nachwuchs im Anmarsch.“

„Na ja, dann haben sie ja vielleicht noch eine Verwendung für dich – als Tante und Kindermädchen“, feixte der Grabräuber.

„Sehr witzig. Ich lach mich tot“, knurrte sein Gegenüber zurück.

Danach kehrte eine ganze Weile Schweigen zwischen ihnen beiden ein. Jedoch keine einträchtige Ruhe, sondern eher eine angespannte Stille, die darauf wartete, wer zuerst wieder das Wort ergreifen würde – und was dabei gesagt werden würde. Schließlich war es Bakura, der als erstes wieder sprach.

„Ich habe dir eben eine Menge erzählt. Aber auch ich habe noch Fragen, die geklärt werden wollen.“

Rishas Blick wurde auf der Stelle wachsam. „Ich nehme an, wenn du diese Aussage an mich richtest, sind es Fragen, die ich beantworten soll.“

Der Grabräuber ließ die Antwort so stehen. Er überlegte einen Moment lang, wie er es formulieren sollte – und entschied sich dann dazu, mit der Tür ins Haus zu fallen. „Ich will wissen, was damals zwischen Keiro und dir vorgefallen ist.“

Er war wenig überrascht, als sein Gegenüber den Blickkontakt fast zeitgleich abbrach und stattdessen in die Wüste hinausstarrte, als gäbe es dort etwas Spannendes zu sehen. „Ich dachte, er hätte dir bereits alles erzählt. Immerhin habt ihr euch unterhalten.“

Dass in diesen Worten ein vorwurfsvoller Unterton mitschwang, entging Bakura nicht. Zugegeben, bis zum heutigen Tag hatte er sich nicht gerade die Mühe gemacht, irgendetwas über sie zu erfahren. Ehrlich gesagt wusste er nicht mal, was er hier überhaupt tat. Es hatte sich irgendwie ergeben, war aber definitiv nicht geplant gewesen. Ein Teil von ihm hatte angenommen, dass Risha bei der Ankündigung seines Weggangs lediglich mit den Schultern zucken, „ist gut“ sagen würde und die Sache damit gegessen wäre. Stattdessen saßen sie hier und fragten sich gegenseitig Löcher in den Bauch. Wobei die ganze Sache nicht halb so gezwungen und anstrengend war, wie er erwartet hatte.

„Die wenigen Unterhaltungen, die wir geführt haben, waren weniger spektakulär als du wahrscheinlich denkst. Natürlich habe ich versucht, ihn diesbezüglich auszuquetschen, aber er meinte, wenn ich genaueres wissen will, soll ich dich fragen.“ Er sah ihr fest in die Augen. „Dir steht die Option, mich deinerseits an Keiro zu verweisen, leider nicht mehr offen.“

Risha biss eine gefühlte Ewigkeit auf ihrer Unterlippe herum, ehe sie nickte. „Gut. Was genau willst du wissen?“

„Wie es zu dem Bruch kam. Ihr habt euch vor dem, was in Kul Elna passiert ist, wunderbar verstanden. Keiro hat dich regelrecht angehimmelt. Was ist geschehen, dass sich das geändert hat?“

„Ich fürchte genau das ist der Punkt“, erwiderte sie. Auf Bakuras fragenden Blick hin fügte sie hinzu: „Kul Elna. Kul Elna ist passiert.“

„Geht das vielleicht auch ein bisschen konkreter?“, hakte der Grabräuber nach und kam nicht drum herum, die Augen zu verdrehen.

„Also gut. Ich weiß nicht, wie lange genau, aber ein, zwei Umläufe nach dem Angriff haben die Schattentänzer zuerst mich und anschließend Keiro in der Wüste aufgesammelt. Und egal, was er behauptet haben mag, es lag nicht am Clan, dass wir uns entzweit haben. Der Grund war ein ganz anderer: während es Keiros Ziel war, weiterzuleben und irgendwie mit der Vergangenheit abzuschließen, hatte ich so eine ungeheure Wut in mir – auf den Pharao und alle, die ihm dienten. Ich konnte an nichts anderes mehr denken, als daran, ihm eines Tages heimzuzahlen, was er uns angetan hat. Keiro und ich haben uns mehr als einmal deshalb gestritten. Er wollte, dass ich loslasse. Ich wollte aber nicht loslassen. Diese Auseinandersetzungen wurden mit der Zeit immer heftiger. Am Abend, bevor er verschwand, hatten wir uns wieder in den Haaren. Und diesmal ist alles eskaliert. Es hatte sich so viel angestaut. Ich konnte einfach nicht nachvollziehen, warum er mich nicht verstanden hat. Es mag dämlich klingen, aber als er mir immer wieder sagte, ich läge falsch, habe ich mich verraten gefühlt. Hinzu kam, dass ich das nicht nur von ihm zu hören bekommen habe. Resham und Riell waren genauso. Aber sie standen mir noch nicht so nah. Deshalb war ich vor allem von Keiro unglaublich enttäuscht. Und dann sind die Pferde mit mir durchgegangen …“

„Heißt?“

„… ich hab ihm den Tod an den Hals gewünscht.“

„Das habt ihr andauernd …“ Bevor Bakura den Satz jedoch zu Ende führen konnte, korrigierte sich Risha bereits: „Ich habe gesagt, ich würde mir wünschen, dass er an deiner Stelle gestorben wäre.“

Sie richtete den Blick wieder in die Wüste hinaus. „Und nein, ich habe diesen Satz anschließend nie wieder in den Mund genommen. Aber ich hatte mich in diesem Moment nicht mehr unter Kontrolle. All die Narben waren zu frisch, die Schmerzen zu groß. Ich wollte die Welt brennen sehen, ohne Rücksicht auf Verluste. Als mir dann klar wurde, was ich da eigentlich gesagt hatte, war der Schaden schon geschehen. Die Fronten hatten sich dermaßen verhärtet, dass wir über den Punkt hinaus waren, wo eine Entschuldigung noch Wirkung gezeigt hätte. Es war vorbei. Keiro ist schließlich abgehauen und wir haben uns mehrere Sommer lang nicht gesehen. Die wenigen Wiedersehen, die es dann gab, waren nicht besser als das, was an dem Abend passiert ist.“

Abermals kehrte Schweigen zwischen ihnen ein, während sich Bakura das Gesagte durch den Kopf gehen ließ. Keiro war schon immer der Zartbesaitete von ihnen gewesen. Er konnte sich gut vorstellen, dass gerade für sein kindliches Ich eine solche Aussage ein harter Brocken gewesen war. Ja, er konnte sich sogar vorstellen, dass Keiro seiner Base einen solchen Satz über Sommer hinweg nachtragen würde. Allerdings wusste er nicht recht, was er davon halten sollte. Die Aussage war definitiv alles andere als nett gewesen. Grausam traf es eher, wenn man wusste, wie vernarrt Keiro als Kind in seine kleine Base gewesen war. Es war sogar irgendwo verständlich, dass dies einige Zeit lang einen Zwist zwischen beiden nach sich ziehen würde.

Aber eine regelrechte Blutsfehde, bei der Keiro kein gutes Haar mehr an ihr ließ? Bakura wusste, dass sein Bruder unheimlich nachtragend hatte sein können. Aber zunächst einmal waren sie beide noch Kinder gewesen. Kinder sagten dumme Dinge. Außerdem war Keiro zwei Sommer älter gewesen. Eigentlich wäre es doch sein Job gewesen, hier den Erwachsenen zu geben, sie vielleicht eine Weile lang mit Nichtachtung zu strafen. Aber einfach abzuhauen und sie bei diesem Clan zurücklassen, von dem er damals noch nicht einmal gewusst haben konnte, wie sie mit ihr umgehen würden, sobald er weg war?

In einem Punkt hat sie recht – wenn sie mit so einer Aussage an mich geraten wäre, wäre die Sache anders verlaufen. Bakura wusste selbst, dass er ordentlich austeilen konnte. Jedoch hatte er immer die Divise vertreten, dass der, der austeilte, auch einstecken können musste. Keiro war da anders gewesen. Er hatte offensichtlich nicht verstanden, was das ständige „Nun lass doch gut sein“ und „den Pharao trifft keine Schuld“ bei Risha angerichtet hatten. Bakura konnte es regelrecht hören – immerhin hatte Keiro auch ihm derartige Vorträge gehalten. Schon seltsam. So nachtragend Keiro gewesen war, dem Pharao hatte er nie einen Vorwurf gemacht.

Risha riss ihn aus den Gedanken. „Nun sprich es schon aus“, forderte sie hin auf.

Der Grabräuber legte die Stirn in Falten. „Was?“

„Dass es meine Schuld ist. Dass ich ihn umgebracht habe. Alleine wegen mir hatte die Finsternis, die sich in ihn gefressen hatte, überhaupt einen Nährboden. Wäre das alles nie passiert, hätte sie vielleicht nie Besitz von ihm ergreifen können. Dann würde er jetzt noch leben.“

Für einen Moment lang war Bakura baff. Damit hatte er nicht gerechnet. Was es aber nicht besser machte. Denn das, was sie von sich gab, war schlicht und ergreifend Unfug. Bakura hatte mit der Finsternis höchst selbst im Bunde gestanden. Er wusste, wie die dunkle Seite tickte. Und eines war gewiss: kein Mensch war rein. Jeder trug einen Teil in sich, der der Dunkelheit zuzurechnen war. Mochte sein, dass sich die Abgründe der Götter bei Keiro auf den Konflikt mit Risha gestürzt haben mochten – aber der Grabräuber war sich sicher: hätte es diesen nicht gegeben, dann hätten sie irgendeinen anderen Nährboden finden können.

„Blödsinn“, meinte er schließlich.

Doch Risha zuckte lediglich mit den Schultern, ohne ihn anzusehen. „Beweis mir das Gegenteil.“

Dass sie ständig seinen Blicken auswich, ging im mit der Zeit auf die Nerven. Schließlich stand er auf. Bisher hatten sie einige Schritte voneinander entfernt gesessen. Doch nun platzierte sich Bakura direkt ihr gegenüber, damit sie ihn ansehen musste. Das war wichtig. Er hatte begriffen, dass sie einen verdammt dicken Schädel hatte. Die folgende Botschaft hineinzuhämmern, würde Blickkontakt erfordern.

„Du vergisst ein ganz wichtiges Detail“, erklärte er langsam. „Keiro war ebenfalls in Kul Elna, als die Soldaten einfielen. Glaub mir, wenn ihr dir sage, dass das auch an ihm nicht spurlos vorüber gegangen ist, gleich wie er sich nach außen hin gegeben haben mag. Wenn diese Sache zwischen euch nicht passiert wäre, dann hätte die Finsternis spätestens dort einen Nährboden gefunden. Vermutlich hätte sogar irgendetwas anderes, unbedeutenderes ausgereicht, damit das passiert. Vielleicht sogar irgendeine Lappalie. Ich sage nicht, dass du dich damals mit Ruhm bekleckert hast. Aber ich war nicht dabei. Und ich kenne meinen Bruder. Er konnte wahnsinnig nachtragend sein, wenn er wollte. Fakt ist allerdings, dass ihr beide durch den Wind ward. Ich denke nicht, dass man hier in irgendeiner Weise von Schuld sprechen muss.“

Mehrere Augenblicke starrten sie sich einfach nur an. Dann zuckte Risha schließlich mit den Schultern. „Wenn du das sagst.“ Es war keine zufriedenstellende Antwort, aber immerhin diskutierte sie nicht. Das war also schon einmal besser, als die Reaktion, die er erwartet hatte. Außerdem wirkte sie zumindest ein wenig gelöster.

Die Schattentänzerin deutete mit einem Kopfnicken in die Ferne. „Ich denke, da zieht ein Sandsturm auf. Wir sollten nach Men-nefer zurückgehen.“

Bakura folgte ihrem Blick. Tatsächlich baute sich am Horizont eine dunkle Wand auf. Es würde kein heftiges Unwetter werden, aber es war vermutlich durchaus angenehmer, es hinter schützenden Mauern auszusitzen. Zeitgleich nahm er den Wink mit dem Zaunpfahl wahr, dass für Risha das Thema beendet war. Er beließ es vorerst dabei. Er hatte noch andere Fragen, die geklärt werden wollten. Beispielsweise, wie es ihr und Keiro überhaupt gelungen war, dem Massaker zu entfliehen oder ob Risha eine Ahnung hatte, was aus ihren leiblichen Eltern geworden war. Ebenso fragte er sich, ob sie oder Keiro eigentlich jemals nach Kul Elna zurückgekehrt waren – von den jüngsten Ereignissen einmal abgesehen. Diese Frage brannte ihm mit am meisten auf den Lippen. Bakura selbst hatte dem Ort nie den Rücken gekehrt, hatte sich auch nach der Tragödie viel dort aufgehalten. Wenn Risha oder sein Bruder wirklich einmal dorthin zurückgekommen waren, dann hatte ihnen das Schicksal ein Schnippchen geschlagen – denn begegnet waren sie sich nie. Dann mussten sie buchstäblich aneinander vorbeigelaufen sein. Auf die Frage, die sich daraus ergab, konnte ihm wiederum niemand eine Antwort geben. Hätte es etwas geändert? Wäre die Geschichte anders verlaufen? Er würde es nie erfahren.

Aber zunächst würde er die soeben geführte Unterhaltung sacken lassen. Sein Gegenüber schien ohnehin nicht mehr gesprächig. Umso mehr überraschte es ihn, als sie erneut eine Frage an ihn richtete, als sie zu den Pferden zurück gingen.

„Was hast du jetzt eigentlich vor? Ich meine, in den drei Umläufen, die dir noch bleiben?“

Worauf genau die Frage abzielte, wusste er nicht zu deuten. War es reines Interesse? Oder fühlte sie vor, um zu erfahren, ob das ihr letztes Gespräch sein würde?

Zur Antwort zuckte er mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber es gibt da noch ein paar Dinge, die ich wissen will. Jedoch nichts, was nicht in drei Umläufen geklärt werden könnte. Wobei … eine zeitaufwendige Sache wäre da ja schon noch. Mal sehen, ob ich das in so kurzer Zeit hinkriege.“

„Und diese Sache wäre?“

Ein feixendes Grinsen schlich sich auf seine Züge. „Na ja, ich bin dein letzter männlicher Verwandter. Also solcher kommt mir doch eigentlich die Aufgabe zu, dich zu verheiraten?“

„Untersteh dich.“
 

Atemu hatte den Tag mit Mana verbracht. Zunächst waren sie zur Nekropole geritten, um Mahads Grab zu besuchen. Dort angekommen hatten sie die Ka-Statue mit Speis und Trank versorgt, wie es die Riten verlangten. Anschließend verweilten sie einige Zeit am Bestattungsort und sprachen über die Erinnerungen, die sie mit dem einstigen Hofmagier verbanden.Es war bereits spät gewesen, als sie entlang der Nilauen nach Men-nefer zurückgeritten waren. Als sie den Markt passierten, hatte Atemu einem Händler einen kleinen Sack mit Mais abgekauft, den sie zum Palast mitnahmen. Dort angekommen hatten sie die Wirtschaftsräume aufgesucht, um das gelbe Korn zuzubereiten. Mana war nach wie vor fasziniert von der Art, wie die Maiskörner aufsprangen, wenn man sie erhitzte. Als sie damit fertig waren, schnappten sie sich das frische Popcorn und verließen die Küche, um sich irgendwo nieder zu lassen. Dabei begegneten sie Ryou, der sie wissen ließ, dass sich die anderen in einem der kleineren, gemütlichen Säle niedergelassen hatten.

Und so saßen sie nun alle gemeinsam auf dicken Kissen und unterhielten sich über dies und jenes. Es war bereits spät, doch keiner von ihnen gedachte, sich bald zur Ruhe zu begeben – im 21. Jahrhundert hätten sie genug Zeit, um sich auszuruhen. Die letzten Stunden im Alten Ägypten wollten voll ausgekostet werden.

„Man, eine Sache will mir nicht aus dem Kopf – wie zum Teufel erklären wir unseren Familien, dass wir einfach weg waren?“, äußerte Joey die Frage, über der sie alle noch grübelten.

„Vielleicht können wir diese Sachmet ja bitten, uns zu dem Zeitpunkt zurück zu bringen, wo ihr verschwunden seid?“, schlug Tristan vor.

„Ich glaube kaum, dass das so ohne weiteres möglich ist“, gab Ryou zu bedenken. „Uns wird wahrscheinlich nicht viel übrigbleiben. Entweder wir sind die unverantwortlichen Ausreißer, oder aber wir spielen eine Entführung vor – wobei letzteres schwer sein könnte.“

„Schieben wir es einfach Kaiba in die Schuhe. Der kauft sich eh aus allem raus.“

„Ja – und verklagt uns anschließend wegen Rufmordes. Und gewinnt. Vergiss es Joey“, entgegnete Duke.

„Marik und ich werden es da wohl noch am einfachsten haben. Er kann mit seiner Familie ebenso offen über das Geschehene sprechen, wie ich mit meinem Großvater“, überlegte Yugi.

„Und ich war ohnehin nach Japan verreist“, meinte Duke. „Je nachdem, wie viele Tage in unserer Zeit vergangen sind, ist es vielleicht nicht einmal jemandem aufgefallen, dass ich weg war.“

„Sobald wir zurück sind, werde ich mit Ishizu reden“, sagte Marik. „Ich weiß zwar nicht, ob es klappen wird, aber vielleicht kann sie irgendetwas drehen, um unser Verschwinden zu erklären.“

„Meine Mutter wird mir den Kopf abreißen …“, befürchtete Tea.

„Ich bin gespannt, ob mein Vater überhaupt mitbekommen hat, dass ich weg war“, seufzte Ryou.

„Ishizu wollte zumindest sehen, ob sie ihn kontaktieren kann. Keine Ahnung, ob ihr das noch gelungen ist“, erklärte Tristan.

„Mal was ganz anderes“, ergriff noch einmal Tea das Wort. „Wie genau wird das eigentlich ablaufen, wenn Atemu und die anderen beiden uns begleiten? Hat da irgendjemand eine Ahnung? Hat Sachmet irgendetwas genaueres gesagt?“

Der Pharao schüttelte den Kopf. „Nein, das hat sie nicht. Ich bin ebenfalls gespannt.“

„Wäre aber mal interessant zu wissen“, überlegte Marik. „Wissen die Götter denn, dass man in der Zukunft nicht einfach so auftauchen kann? Ich meine, was man alles braucht – Ausweise, Geburtsurkunden, Pässe …“

„Eine gute Frage. Aber ich fürchte, darum werden wir uns erst kümmern können, wenn es so weit ist“, meinte Atemu. „Ich hatte ganz vergessen, wie bürokratisch dieses Zeitalter ist.“

„Und noch was: wo kommt ihr unter?“, warf Joey ein. „Also meine Bude ist zwar winzig, aber meine Couch steht dir jederzeit zur Verfügung.“

„Er kann erst einmal bei Großvater und mir wohnen. Wir haben viel Platz und ich muss niemandem erklären, wo er so plötzlich herkommt“, schlug Yugi vor. „Du kannst auch gerne auf längere Zeit bei uns bleiben. So lange du möchtest, um genau zu sein. Ich bin sicher, Großvater hat nichts dagegen. Sofern du das willst natürlich!“

„Danke Partner. Nichts lieber als das.“

„Du kannst dich jedenfalls auf uns alle verlassen! Wir werden dafür sorgen, dass du mit den besten Voraussetzungen in dieses neue Abenteuer startest“, fügte Tea hinzu.

„Genau! Und was wir alles zusammen erleben werden! Kino, Konzerte, Spieleabende …“, zählte Joey vorfreudig auf.

„Und was macht ihr mit Bakura und Marlic?“, erkundigte sich Mana.

„Pft, sollten sie doch schauen, wie sie zurecht kommen“, sagte Tristan. „Die reißen doch immer den Mund auf und behaupten, sie bräuchten niemanden.“

„Selbst wenn wir ihnen Hilfe anbieten würden – sie wären wahrscheinlich eh zu stolz, um sie anzunehmen. Außer es ist absolut notwendig“, überlegte Ryou. „Wobei ich mir das schon sehr hart vorstelle … ich meine, Marlic ist ja jetzt kein gebürtiger Altägypter. Aber für Bakura muss das schon ein ganz schöner Brocken sein, nochmal aus dieser Zeit herausgerissen zu werden.“

„Ähm, Ryou?“ Joey beugte sich vor und legte ihm eine Hand auf die Stirn. „Fieberst du? Es klingt fast so, als würdest du überlegen, ihm deine Hilfe anzubieten.“

„Ich bin noch nicht sicher, ob es wirklich tun werde – aber ich spiele mit dem Gedanken, ja.“

„Bist du von allen guten Geistern verlassen?“, mischte sich nun auch Tristan ein. „Nach allem, was er dir angetan hat?“

Auch Marik sah den Weißhaarigen verblüfft an, sagte jedoch nichts. Ryou seufzte schließlich. „Ich weiß. Und das kann ich auch nicht vergessen, glaubt mir. Aber … ich habe genau zwei Optionen: entweder ich schließe mit der Vergangenheit ab oder ich trage sie ewig mit mir herum. Letzteres möchte ich nicht. Klar, um damit abzuschließen muss ich Bakura nicht die Absolution erteilen und das werde ich vermutlich auch nie tun. Aber nach allem, was ich inzwischen über seine Vergangenheit weiß, kann ich zumindest grundlegend verstehen, wieso einige Dinge so passiert sind, wie sie passiert sind. Außerdem …“ Er schüttelte den Kopf. „Es ist viel passiert. Aber bei so gut wie allem weiß ich nicht, ob es tatsächlich Bakuras Schuld war – oder doch die von Zorc.“ Als seine Freunde nicht überzeugter dreinschauen, zuckte er mit den Schultern. „Keine Angst, ich habe nicht vor, aus meiner Wohnung eine WG zu machen. Alles, woran ich denke, ist vielleicht eine kleine Starthilfe – vor allem wenn sie ohne Geld und Papiere in unserer Zeit ankommen sollten. Das ist alles.“

Nun war es an Marik, den Kopf zu schütteln. „Du bist definitiv zu gut für diese Welt, Ryou.“

„Du wirst Marlic nicht helfen, oder?“, hakte Tea nach.

„Er kann mir gestohlen bleiben. Soll er sehen, wie er zurechtkommt. Er hat sich kein Stück verändert. Und ihm kann man immerhin nicht andichten, er sei von einer dunklen Macht besessen gewesen. Im Gegenteil – er war die dunkle Macht.“ Er überlegte einen Moment. „Außerdem würden Ishizu und Odeon mich umbringen, wenn ich ihn anschleppen würde.“

„Sagt mal“, ergriff plötzlich Mana das Wort. „Ich weiß, dass ihr alle eine sehr lange Vorgeschichte miteinander habt. Aber … ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie die aussieht. Ich weiß, dass Atemu eine Zeit lang bei euch im 21. Jahrhundert war. Aber ich glaube, ich habe nie die ganze Geschichte gehört.“

„Willst du sie denn hören?“, erkundigte sich der Pharao.

„Ich bitte darum!“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  BienchensLullaby
2018-05-26T15:52:52+00:00 26.05.2018 17:52
Hier ich^^...Ich lese hier noch aktiv jedes Kapitel und bin sehr froh, dass diese Geschichte ein gebührendes Ende erhält :D Wirklich ein sehr gelungenes Kapitel. Man merkt es geht dem Ende zu und ich bin froh alles mit bekommen zu haben. Deine Recherche, die du vermute ich mal für jedes Kapitel betreibst, mach alles so viel lebendiger und lässt die Atmosphäre noch realistischer erscheinen.
Ich bin gespannt auf das Ende dieses Epos und freue mich, irgendwann noch ein Mal von vorne beginnen zu dürfen, was ich definitiv tun werde. Eine Geschichte die zu meinen Top-Favoriten gehört:D
Antwort von:  Sechmet
26.05.2018 21:12
Hallo BienchensLullaby,

vielen Dank für Dein Lob! Es freut mich sehr, dass es noch Leute gibt, die die Geschichte mitverfolgen. :)

Recherchieren tue ich manchmal mehr, manchmal weniger. Ich habe neben meinem Hauptstudium ab und an ein paar Ägyptologie-Vorlesungen besucht und mich in meiner Freizeit viel mit dem Thema Totenkulte beschäftigt, daher kenne ich mich ein bisschen aus und habe das eine oder andere Nachschlagewerk da. Bei der Beschreibung des Grabes habe ich mich aber z.B. auf meine Erinnerungen gestützt, nachdem ich mal ein so angelegtes Grab in Ägypten besucht habe (aber frag mich nicht mehr, wessen das war ...). Das mit der Versorgung der Ka-Statue hingegen habe ich nochmal nachgelesen, um sicherzugehen, dass ich Ba und Ka nicht durcheinander gebracht habe.

Es freut mich jedenfalls sehr, dass Dir die Geschichte so viel Spaß macht! Vielen lieben Dank für Deine netten Worte! :)

LG, Sechmet


Zurück