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Trauerspiel

Eine Geschichte um das alte Team von Kakashi
von

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Der alte Mann

Zwei Faustschläge und die beiden Räuber hasteten ängstlich davon. Neben mir stand das Opfer, welches erleichtert seufzte und sich dabei demonstrativ an das Herz griff. Normalerweise hätte ich die Täter nicht davonkommen lassen, aber der Anblick des Mannes hielt mich davon ab, sie zu verfolgen.
 

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, richtete ich mich besorgt an den gebrechlichen Herrn, der aufgrund seines sehr stark gekrümmten Rückens Mühe hatte, zu mir aufzuschauen.
 

„Vielen Dank für deine Hilfe, junger Freund“, entgegnete er stattdessen mit kränklicher Stimme und suchte im selben Atemzug Halt an einem Baum. Die Räuber hatten ihm seinen Gehstock mit einem Schlag entrissen und die Aufregung lag ihm noch zu sehr in den Knochen als dass seine müden Glieder dazu imstande waren, diesen zu holen.
 

„Kommen Sie, ich bringe Sie nach Hause“, sagte ich und sammelte erst den Gehstock auf, bevor ich mich dem Alten näherte und ihm dann unter die Achseln griff, um ihn nach Hause zu begleiten. Der altmodische braune Mantel und die kleine rundliche Figur des Mannes erinnerten mich unweigerlich an Bruder Tuck aus der Legende von Robin Hood. Zwar hatte ich mich nie großartig für solche Geschichten interessiert, aber vor vielen Jahren, als ich von einer Mission heimkehrte und mich müde aufs Sofa legte, hatte ich ohne bestimmten Grund den Fernseher angeschaltet und wie der Zufall wollte, lief gerade dieser Disneyfilm.
 

Eine herzliche Wärme ging von dem alten Mann aus, die dem wütenden Wind die Kälte nahm. Ich konnte mich nicht entsinnen, wann ich jemals einem solchen Menschen begegnet war. Der Unbekannte hatte es bereits nach kaum einer Minute geschafft, mich für sich einzunehmen und das Misstrauen, welches ich grundsätzlich gegen jeden Fremden hegte, aus meinem Bewusstsein zu tilgen.
 

„Hab vielen Dank, mein Junge“, sagte der Weißhaarige. „Ich wohne ganz in der Nähe.“ Mit seinem Zeigefinger deutete er auf ein hölzernes Haus, das sich hinter all dem Laub versteckte und von unserem Standpunkt aus kaum sichtbar war. Ich sandte ihm ein fröhliches Lächeln und ging anschließend auf ihn zu, um ihm beim Gehen behilflich zu sein. Gemeinsam steuerten wir das Häuschen mitten im Wald an.
 


 

Das Quietschen der Tür beim Öffnen verriet mir, dass der Mann wohl schon viele Jahre hier wohnte. Die gesamte Erscheinung des Häuschens bezeugte ihr hohes Alter. Eine staubartige Schicht hatte sich auf das dunkle Holz gelegt und ihr sämtlichen Glanz geraubt. Verblasst und farblos wirkte das Zuhause des Alten von außen. Wie es wohl von innen aussah?
 

„Immer hereinspaziert, mein Sohn“, bat er mich herein. Ich warf nur einen neugierigen Blick hinein, achtete aber darauf, die Schwelle nicht zu übertreten.
 

„Vielen Dank, aber ich muss los“, entgegnete ich auf das Angebot meines Gegenübers und hob zum Abschied lächelnd meinen Arm. Doch bevor ich von dannen ziehen konnte, richtete der alte Mann abermals das Wort an mich.
 

„Tu‘ mir bitte den Gefallen und trete ein. Es ist sehr kalt heute. Du kannst dich am Kamin aufwärmen.“
 

Das „Nein, danke!“ lag mir bereits auf den Lippen, doch das Antlitz des Alten verhinderte, dass ich auch nur ein einziges Wort sagen konnte. Stattdessen antwortete ich, die Augen im Unglauben geweitet: „Danke.“ Sein intensiver Blick hatte einen hypnotisierenden Effekt auf mich, das ich mir nicht erklären konnte. Weder mein Mund noch mein Körper gehorchten den Signalen meines Gehirns. Die Magie, die den Unbekannten umgab, zog mich an und setzte jeglichen Willen in mir außer Kraft. Von der einen auf die andere Sekunde hatte sich seine Aura verändert, auch wenn ich nicht genau sagen konnte, was anders war. Ich fühlte mich unwohl. Es schien so, als würde sich sein Schatten langsam auf meine Gestalt legen und die Kontrolle an sich reißen.
 

Widerwillig betrat ich die beschauliche Hütte, ohne auch nur für eine Sekunde meinen Blick von dem faszinierenden alten Herrn zu nehmen. Er hatte ein überaus freundliches Gesicht und doch sagte mir mein gesunder Menschenverstand, dass ich dem nicht trauen konnte. Es war eine Fassade; Eine Fassade, die auf festem Grund und Boden aufgebaut war und alles und jeden zerschmettern würde, der versuchte, sie zum Einsturz zu bringen. Ich sah mich plötzlich einer Kraft gegenüber, die so groß war, dass ich sie nicht in Worte zu fassen vermochte. Sie war nicht greifbar, in keinster Weise. Und dann fiel mir urplötzlich ein, dass ich dieses Häuschen noch nie gesehen hatte, obwohl ich die Gegend seit meiner Kindheit kannte. Was konnte das nur bedeuten?
 

„Hier, bitte.“ Damit reichte er mir eine Tasse heißen Tee, dessen süßlicher Duft sich rasch in der beschaulichen Hütte entfaltete. Dankend nahm ich sie entgegen, obwohl ich nicht vorhatte, auch nur einen Schluck davon zu trinken. Mit beiden Händen umschloss ich sie, um mich ein wenig aufzuwärmen, auch wenn der unheimliche Fremde bereits Feuer im Kamin gemacht hatte. Ich fror.
 

Während er genüsslich an seinem Tee nippte, schaute ich mich unauffällig um. Das kleine Häuschen war nahezu überfüllt von Gegenständen, die kein System erkennen ließen. Chaotisch traf die Situation zwar nicht, unübersichtlich aber hingegen schon. An Möbeln entdeckte ich bis auf den Tisch und den zwei Stühlen, auf die wir uns niedergelassen hatten, ein Bett und zwei kleine Nachttische. An den Wänden hingen mehrere Traumfänger in den unterschiedlichsten Farben, dazwischen aber auch einige ausgestopfte Tierköpfe und viele Bilder. Von der Decke hingen an einem Haken riesige Muscheln, die in verschiedenen Farben bemalt worden waren. Bei jedem kleinen Luftzug stießen sie etwas zusammen und erzeugten ein merkwürdiges Geräusch. Nach diesem Anblick war ich nicht unbedingt gewillt, die Küche und das Bad zu sehen. Und dennoch konnte ich nicht leugnen, dass diese Hütte eine Wärme und Geborgenheit ausstrahlte, die einen nahezu in ihre Arme trieb.
 

„Nun, mein junger Freund, ich möchte mich gerne für deine Hilfe bedanken.“ Unmerklich runzelte ich die Stirn. Ich konnte es mir nicht erklären, aber das „bedanken“ schlang sich wie eine Würgeschlange um mein Hals und nahm mir den letzten Funken Vertrauen, den ich diesem Fremden noch entgegenbrachte.
 

„Das ist nicht nötig. Es war meine Pflicht.“ Mühsam hatte ich ein kleines Lächeln zustande gebracht, ungeachtet dessen, dass es unter meiner Maske versteckt lag und ohnehin nicht sichtbar war. Dann setzte ich meine Teetasse ab und begab mich daran, aufzustehen, als die Hand des alten Mannes blitzschnell nach meinem Unterarm griff und mich somit an meinem Vorhaben hinderte. Wie konnte er so schnell sein, wenn er wegen seines hohen Alters doch kaum laufen konnte? Das fragte ich mich erstaunt im Stillen, während ich seinen sanften Blick mit verunsichertem Gesichtsausdruck erwiderte.
 

„Bitte, lass mich aus deiner Hand lesen, mein Sohn.“ Die warme Stimme in Kombination mit dem seichten Lächeln bewog mich dazu, inne zu halten, obwohl ich mir absolut sicher war, dass ich das nicht wollte. Alles, was ich wollte, befand sich außerhalb dieser Hütte. Ich wollte weg, und das so schnell wie möglich.
 

Doch ehe ich mich versah, saß ich wieder auf meinem Stuhl und beobachtete ihn dabei, wie er erst meinen rechten Handschuh auszog und dann begann, neugierig auf die Innenfläche zu schauen.
 

Während mir der alte Mann stillschweigend aus der Hand las, entspannte ich mich Stück für Stück und kehrte wieder zu meinem selbstsicheren Ich zurück. Meine Augen ruhten unermüdlich an seinem konzentrierten Gesicht, aus dem absolut nichts sprach. Ich wusste nicht, ob es gut oder schlecht war, dass er keine Miene verzog.
 

Langsam hob er seinen Kopf und konfrontierte mich mit seinen braunen Augen, die mitleidig dreinschauten.
 

„Kakashi …“
 

Alles in mir zog sich schmerzhaft zusammen und ich konnte nicht verhindern, dass man mir das deutlich ansah. Woher wusste dieser Mann, wie ich hieß, wo ich ihm doch noch nie begegnet war und meinen Namen auch mit keinem Wort erwähnt hatte?
 

„Sie kennen meine Namen?“ Ich hatte Mühe, meine Stimme unter Kontrolle zu halten. Was war heute nur los mit mir? Wie konnte dieser Fremde mich nur so aus der Bahn werfen?
 

„Du bist der berühmte Kopierninja Hatake Kakashi. Jeder kennt dich“, antwortete er mir, die Mundwinkel dabei leicht nach oben gezogen.
 

Vermutlich hätte ich diese Erklärung jedem anderen geglaubt, aber dieser Person glaubte ich es nicht ansatzweise.
 

„Kakashi-san“, fing er abermals an, meinen immer noch verwirrten Blick ignorierend. „Du hast schon viel in deinem jungen Leben durchmachen müssen. Das tut mir sehr leid, mein Junge.“
 

Wie hypnotisiert fing ich den traurigen Ausdruck in den braunen Tiefen seiner Seelenspiegel auf. Warum nur, wendete ich mich in Gedanken an ihn, warum nur habe ich das Gefühl, dass Sie alles über mich wissen? Dass selbst meine Gedanken kein Geheimnis für Sie sind? Warum nur haben Sie eben so geklungen, als wären Sie schuld daran, dass ich sehr oft in meinen Leben gelitten habe?
 

„Kakashi-san.“ Ich löste mich aus der Starre und zuckte kurz unmerklich zusammen.
 

„Ja?“, fragte ich teilweise neugierig, teilweise besorgt nach.
 

Er lehnte sich etwas nach hinten, warf mir ein tröstliches Lächeln zu und sagte anschließend: „Ich werde dein Leben bis zu einem bestimmten Tag oder einer bestimmten Handlung beziehungsweise Ereignis zurückspulen und von dem Punkt an wieder abspielen. Inwieweit du den Verlauf deines Lebens änderst, liegt in deiner Hand.“
 

Ungläubig riss ich die Augen auf. Jedem anderen hätte ich spätestens jetzt eine psychische Störung unterstellt, aber ich wusste, dass der Alte nicht log. Er sagte die Wahrheit. Wer oder was war er nur?
 

„Es gibt aber einiges, das du wissen solltest“, sagte er und unterbrach meinen chaotischen Gedankengang. Meine Augen lagen nun aufmerksam auf seinem Gesicht.
 

„Ich kann dein Leben nur bis zu einem solchen Tag zurückspulen, der einen gravierenden Einfluss auf dein jetziges Ich hatte. Somit ist der Tag deiner Geburt schon ausgeschlossen, falls du das im Sinn hattest.“
 

Ich hatte gar nichts im Sinn. Wie sollte ich auch, wenn mir einer erzählte, er würde auf einen Knopf drücken und mein Leben würde ab einem Tag in meiner Vergangenheit erneut abgespielt werden?
 

Er legte eine Sprachpause ein und gab mir damit die Gelegenheit, mich kurz zu sammeln.
 

„Sobald ich dein Leben ab dem Tag deiner Wahl abspiele, existiert diese Welt, in der du dich zurzeit befindest, nicht mehr. Du wirst dich aber an alles erinnern können. Sollte jedoch irgendjemand von dort davon erfahren oder bemerken, dass irgendwas nicht in Ordnung ist oder dergleichen, so wirst du sofort wieder in diese Welt zurückgezogen und deine Chance wäre vertan.“
 

Zum ersten Mal fand ich mich in einer Situation wider, die mir ein rein weißes Puzzel darbot. Auch wenn ich sämtliche Teile eingefügt hatte, so ergab es doch kein zusammenhängendes, vollständiges Bild. Nur weiß, wie ein leeres Blatt Papier. Und von einem leeren Blatt Papier konnte man nicht lesen.
 

„Welcher Tag schwebt dir vor?“
 

Mit Geduld blickte der Alte mir entgegen und nahm nebenbei hin und wieder einen Schluck von seinem Tee. Erst jetzt bemerkte ich die strubbligen ergrauten Augenbrauen, die mich an Gai erinnerten. Dass ich ausgerechnet jetzt an meinen selbsternannten Rivalen denken musste, hätte mich unter anderen Umständen vermutlich zum Schmunzeln gebracht. Aber in der gegenwärtigen Situation brachte ich nicht mal einen sanfteren Blick zustande.
 

Etwas in mir sträubte sich vehement dagegen, dieses Angebot anzunehmen, während der andere Teil wie ein Ertrinkender danach griff. Hin und hergerissen zwischen meinen widersprüchlichen Gefühlen gefror mein Kiefer zu Eis und ich sah mich nicht imstande dazu, auch nur einen Ton von mir zugeben.
 

Obwohl ich noch immer skeptisch war und nicht begriff, wie jemand eine solche Fähigkeit besitzen konnte, fällte ich eine Entscheidung.
 

„Für welchen Tag hast du dich entschieden?“, fragte er mich, nachdem vielleicht Minuten vergangen waren, in der ich nichts anderes getan hatte als schweigend dazusitzen und einen leeren Punkt an der Wand zu fixieren.
 

„Für die Mission, die Obito das Leben kostete“, antwortete ich beinahe geistesabwesend, mein Blick noch immer auf denselben Punkt gerichtet wie zuvor. Ich hatte nicht mal explizit darüber nachgedacht. Es schien so, als wäre das in meinem Unterbewusstsein verankert gewesen. Hätte es das Schicksal gewollt, hätte ich vielleicht Rins Todestag gewählt.
 

„Ich hätte gedacht, du entscheidest dich für den Tag, an dem dein Vater starb“, bemerkte der alte Mann und verzog seinen Mund etwas nachdenklich.
 

Ich sagte nichts darauf.

Der Leidensweg meines Vaters war lang. Die Depressionen hatten ihn zugrunde gerichtet. Selbst wenn ich damals gewusst hätte, dass er Selbstmord begeht, so hätte ich es nicht verhindern können. Und ihn noch einmal sterben zu sehen, ... hätte ich nicht verkraften.
 

Ein trauriges und zugleich tröstliches Lächeln strahlte mir entgegen. Mich beschlich das Gefühl, dass der alte Herr meine Gedanken gelesen hatte. Wie absurd.
 

Langsam erhob er sich unter meinen begleiteten Blicken von seinem Stuhl und rückte den Tisch zwischen uns zur Seite, um die Distanz zu beseitigen. Was würde er jetzt tun? Ich beobachtete ihn aufmerksam und mein Körper spannte sich automatisch an.
 

Als er gegenüber von mir stand schloss er seine Augen und legte mir die Handinnenfläche auf die Stirn und die Finger auf den Haaransatz. Augenblicklich spürte ich, wie eine Kraft durch meinen Körper floss und mir die Energie entzog. Wie ironisch.

Und dennoch rührte ich mich nicht, ließ ihn einfach gewähren, lauschte stattdessen hellhörig den Worten, die seinen Mund verließen. Kein einziges davon verstand ich, denn er sprach sehr schnell. Ich konnte sie nicht einmal hundertprozentig einer Sprache zuordnen. Sie klangen wie … wie griechisch.
 

Immer leiser wurde die Stimme des Alten, während gleichzeitig meine Sicht stückweise verschwand und alles in mir sich unglaublich schnell zu drehen begann.
 

Bald schon hörte und sah ich absolut nichts mehr. Derweil nahm das Schwindelgefühl deutlich zu und ich hatte das Bedürfnis, mich mit beiden Händen an den Kopf zu fassen. Doch ich konnte nichts tun. Absolut nichts. Mein Körper war zu Stein geworden; starr und gefühlstaub. Alle Kraft war aus ihr entwichen.
 

Ein paar Augenblicke verstrichen und ein leises Geräusch erreichte mich. Zuerst hielt ich es für eine Windböe, doch es wurde langsam aber sicher lauter und ich hörte ganz deutlich, wie jemand immer und immer wieder meinen Namen rief. Was mir dabei die Haare zu Berge stiegen ließ, war, dass es sich um diese Stimme handelte.
 

Ja, ich war mir absolut sicher. Es war er. Mein toter Sensei.
 

Namikaze Minato.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  amiga_girl93
2011-07-03T12:41:31+00:00 03.07.2011 14:41
Oh, interessante Geschichte ^-^=
*cheers* *freu*
ich lieee~be solche Stories, wo Kakashi in seine Vergangenheit geschickt wird *__* Danke, danke, danke fürs veröffentlichen :D
Kann den weiteren Verlauf gar nicht abwarten! >_<

lg amida_girl


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