Zum Inhalt der Seite

Gaias Lilie

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

22

Ryota lehnte sich an die gegenüberliegende Wand und wartete, bis Sayuri sich fertig umgezogen hatte. Er stellte sich auf eine lange Wartezeit ein. Schließlich war sie ein Mädchen. Und die brauchten erfahrungsgemäß immer länger. Selbst wenn Amaya noch so eilig hatte, alles musste immer in ihren Augen perfekt aussehen. Nichts war in dem Moment wichtiger als welcher Schuh passt zu welchem Kleid, sitzt das Makeup, sind die Haare auch nicht verrutscht. Ryota machte sich nicht mehr die Mühe, darüber nachzudenken woher das kam. Selbst wenn sie den Mist im Stall wegräumen müsste würde sich die benötigte Zeit nehmen. Vielleicht tat er ihr da auch etwas unrecht. Schließlich konnte sie, wenn es darauf ankam, schnell sein. Dennoch musste alles zusammenpassen und halbwegs gut sitzen.
 

Man könnte jetzt sagen – sie wäre eine Ausnahme. Aber Ryotas Erfahrungen sprachen für sich. Er hatte bisher immer auf egal welches Mädchen warten müssen. Und teilweise waren sie bei dem Zeitaufwand nicht einmal annähernd so erfolgreich wie seine kleine Schwester, dass man wenigstens sagen könnte, es habe sich gelohnt zu warten.

Hässlich waren sie zwar auch nicht… aber…
 

Er seufzte schwer.
 

Sie dauerten einfach zu lang. Umso überraschter war er, dass Sayuri plötzlich vor ihm stand. Fertig angezogen, die Haare zu einem lockeren Pferdeschanz schnell und einfach zusammengebunden. Es schien sie dabei nicht zu stören, dass sie dabei einige Strähnen nicht erwischt hatte und lose herum hingen.
 

Kleidung wie schon beim letzten Ausritt – einfach und zweckmäßig. Trotzdem musste er zugeben – die Sachen standen ihr erstaunlich gut. Sie hantierte noch ein wenig mit der Fibel ihres Umhanges herum, die einfach nicht richtig zu gehen wollte.
 

„Halt mal.“ Hielt sie ihm die Tasche für den kleinen Knöchelbeißer hin. Der Kleine saß ungewöhnlich gehorsam schwanzwedelnd auf dem Boden und schaute erwartungsvoll nach oben.
 

„Ok – bin fertig.“
 

Plötzlich zauberte sie irgendwo ein kleines Stückchen getrocknetes Fleisch herbei und gab es der Nervensäge.
 

„Tiere sind doch alle gleich verfressen. Das macht sie ziemlich bestechlich.“ Grinste sie zu Ryota rüber, der sie fragend angesehen hatte.
 

„Gar nicht mal so dumm.“
 


 

„Ja gell – hättest du mir jetzt nicht zugetraut.“
 

Diesen Seitenhieb hatte er wohl verdient. Doch entschied sich einfach mal, das ganze überhört zu haben.
 

„Na los. Gehen wir.“
 

Unten im Stall angekommen, wartete ein temperamentvoller Tezuyoi bereits auf seinen Herrn. Einer der Angestellten hatte ihn bereits gesattelt. Was wohl nicht einfach gewesen sein musste, so dankbar wie der arme Junge schaute, als Ryo ihm das Tier abnahm. Seiner Stärke bewusst warf der Schwarze seinen Kopf zurück und tänzelte nervös. Er wollte endlich Dampf ablassen. Und so versuchte er sich aufzubäumen
 

„Bist du schon wieder bockig heute.“
 

Doch der Prinz hatte genug Erfahrung um ihn nicht einfach ausbrechen zu lassen. Ruhig sprach er auf ihn ein.
 

„Der Kleine da hat ganz schön Feuer.“ Gesellte sich der alte Stallmeister zu Sayuri.
 

„Ohja.“ Stimmte Ryota ihm mit ruhiger Stimme zu.
 

„Der spielt sich doch nur auf. In Wirklichkeit bist du doch ein ganz lieber, oder mein Hübscher?“ Trat nun auch Sayuri an den ruhiger werdenden Hengst und legte sanft ihre Hand auf seinen Hals. Das Tier sah ihm einen Moment direkt in die Augen und schnaubte dann eingeschnappt und senkte seinen Kopf um Seijitsu zu begrüßen. Sie nahm es als ein Zeichen der Zustimmung. Dann endlich war er soweit ruhig genug dass sie sich auf seinen Rücken schwingen konnten. Sayuri packte den Wolf in ihre Tasche, ehe sie nach Ryotas Hand griff.
 

„Sollte mein Vater fragen. Wir sind auf den Feldern heute unterwegs.“ Sein Ton schien leicht entnervt, doch nur einen Augenblick. Eine überflüssige Pflichtauskunft die nicht mal erwähnenswert wäre, seiner Meinung nach. Was tat man nicht alles für den Frieden…Frieden… was auch immer das auch bedeuten mochte. Sein Vater würde ja doch wieder etwas finden, was er zu kritisieren hatte. Er war es einfach nur noch leid. Doch er war zu sehr Sturkopf um sich den Regeln gänzlich zu beugen und … „Gut festhalten.“ Gab er das Zeichen zum Start.
 

Kaum, dass sie aus der Stadt draußen waren, preschten sie in hoher Geschwindigkeit über die Felder. Es schien ewig zu dauern, ehe Ryota Tezuyoi endlich langsamer werden ließ. Sayuri hatte sich erneut an ihren Vordermann gekrallt. Das ungewohnte Holpern unter ihr gepaart mit der Kraft der Geschwindigkeit verlangte einiges von ihr ab. Und so schnaufte sie etwas erleichtert aus, als es endlich ruhiger wurde.
 

„Geht’s denn noch?“ fragte Ryo.
 

„Ja. Alles noch dran.“
 

Sie trabten noch ein wenig weiter, ehe sie eine kleine Rast einlegten. Beide saßen schweigend im hohen Gras und beobachteten die Bauern bei der Arbeit. Der Platz an dem sie sich befanden war etwas höher gelegen, so dass sie eine gute Sicht über einen Teil der Felder hatten. Seijitsu tobte ein wenig herum, ehe auch er sich neben seinem Frauchen nieder ließ und etwas Gras zupfte. Sanft strich sie ihm über den Kopf und steckte ihm noch ein Leckerchen zu.
 

„Erstaunlich wie gut das funktioniert.“
 

„Nur solange ich noch etwas habe. Muss wirklich zusehen, dass ich noch irgendwo ein Halsband und Leine auftreiben kann.“
 

„Brauchst du wahrscheinlich gar nicht mehr wirklich. Diese Wölfe sind dafür bekannt, sich schnell auf jemanden zu prägen. Dann ist es eher schwer sie wieder los zu werden.“
 

„Achja?“
 

„Wenn er einmal auf dich hört ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass er wieder tut. Sie lernen schon fast unheimlich schnell. Hinzu kommt, dass du ihn aus der Hand fütterst, er in deinem Bett liegt und du ihn auch sonst überall hin mit nimmst. Wart ihr denn schon einmal getrennt seit du ihn hast?“
 

Sie überlegte kurz.“Glaub nicht. Aber das war ja erst vorgestern.“
 

„Das ist egal. Die sind sehr sehr zutraulich. Auch wenn man es ihnen nicht ansieht. Vor allem wenn sie ausgewachsen sind.“
 

„Wie groß werden sie denn?“
 

„Ziemlich groß. Männliche Tiere sogar einen Kopf größer als die Weibchen. Und bei den Pfoten die er hat – ich schätze der Kopf wird locker an deine Hüfte gehen.“
 

„Wow. Groß.“
 

„Jap. Und wenn er dann mal wen anknurrt, sieht man schon, was für Waffen er mit sich herumträgt. Da wird man sich sicherlich zweimal überlegen was man tut.“
 

„Dann wirst du ja mal ein richtiges Monster mein Süßer.“
 

„Du sagst es.“
 

„Die Rasse wird bestimmt gerne als Wachhund dann eingesetzt oder. Ich meine. Groß, bös aussehend und trotzdem treu.“
 

„Eigentlich sind sie sehr unbeliebt und dienen vorrangig zur Pelzgewinnung.“ Nun sah Sayuri geschockt aus.

„Sie sind nicht ganz unproblematisch in der Haltung. Sie brauchen sehr viel Platz und Bewegung. Und die fressen auch sehr sehr viel und da sie auch recht alt werden, kannst du dir ausmalen, was das Tier so ein Leben lang in gesundem Zustand kostet. Auch ist die Anschaffung nicht gänzlich günstig, da sie nur sehr wenig Nachwuchs haben, was sie zu einen der seltenen Tiere hier macht. In freier Natur bekommst du sie praktisch gar nicht zu Gesicht. Wie du siehst, lauter Gründe, die eine Haltung erschweren. Sie haben zu wenig Zeit, Platz und Geld für diese Tiere. Da ist es profitabler sie für die Pelzgewinnung zu züchten. Er ist sehr schön, selten und bringt daher gut Geld ein.“
 

„Das ist grausam.“
 

„Ja – aber so ist es eben.“
 

„Was wird mit ihm passieren, wenn ich fort gehe? Wird er …?
 

„Du hast Amaya doch gehört. Ihm wird es bei uns an nichts fehlen. Ich kümmere mich dann um den Stinker. Hab ja genug Zeit und wenn er ein wenig größer ist, kann er mit auf den Ausritt.“
 

„Du?“
 

„Was dagegen?“
 

„Nein…“
 

„Soll ich dir jetzt das Reiten beibringen?“
 

„JETZT? HIER? Und worauf?“ Sayuri schien nun vollkommen aus allen Wolken zu fallen.
 

Ryota deutete einfach nur auf Tez.
 

„Bist du verrückt?“
 

„Sieh es doch mal so; wenn du auf seinem Rücken bleibst, dann auch auf allen anderen. Und hier finde ich es eigentlich gar nicht mal so übel – wenn du fällst, hats hier genug Grashaufen auf denen du weich landen kannst.“
 

„Aber die sollen doch trocknen.“
 

„Das könne sie auch mit dir. Also was ist jetzt?“

Sayuri sah Ryota zweifelnd an. Tezuyoi hatte vorhin ja eigentlich schon einen Teil seiner Kraftreserven raushauen können. Er schien ihr für den Moment ruhig genug. Es dauerte einige Augenblicke bis sie alle Fürs und Widers abgewogen und beschlossen hatte, dem Prinzen zu vertrauen.
 

„Wehe du machst irgendwelche Dummheiten mit mir. Denk dran, dass Seijitsu größer wird, und dann kann ich ihn auf dich hetzen.“
 

„Deine Meinung von mir muss ja echt hoch sein.“
 

„Woher DAS nur kommt.“ Blitzten ihre Augen herausfordernd und Ryota zog es vor nicht weiter darauf einzugehen. Er würde verlieren, sollte er es darauf ankommen lassen.
 

„Ich versprech dir; keine Dummheiten.“ Ryota schwang sich auf die Beine und hielt ihr die Hand hin. Sie mit einem prüfenden Blick in seine Augen griff sie danach. Er meinte es ernst.
 

„Dann erst mal rauf auf den Rücken.“ Sayuri rief ihre spärlichen Reitkenntnisse ab und versuchte mit einem Fuß im Steigbügel sich nach oben zu schwingen. Doch fehlten ihr der Schwung und die Kraft sich mit den Händen hochzuziehen. Ryota musste ein wenig nachhelfen, wofür er einen abschätzenden Blick einfing.
 

„Was?“ seine Stimme war gespielt empört.
 

„Nichts.“
 

Seijitsu lag unruhig im Gras – unschlüssig ob er aufspringen oder doch besser liegen bleiben sollte. Er entschied sich für letzteres um die ganze Situation zu beobachten.

Ryota passte die Steigbügel noch etwas der neuen Reiterin an, um ihr den bestmöglichen Halt zu gewähren. Er versicherte sich, dass das Tier auch wirklich ruhig genug war und strich ihm nochmal sanft über den Nasenrücken.
 

„Ok. So. Je lockerer der Zügel, desto schneller wird er. Füße kannst du relativ locker lassen. Zum anlaufen reicht ein kleiner Druck. Den Kopf nach links wenden, wenn du nach links willst, rechts genau das Selbe. Verstanden?“ er machte sich noch lang und korrigierte ihre Haltung der Zügel. „Ein bisschen strammer anziehen. Und keine Angst – wenn du fliegst, landest du weich. Kanns losgehen?“
 

„Und wenn er durchbrennt...“ Sayuri sah sich hilflos davonreiten ohne dass Ryota schnell genug war ihr zur Hilfe zu kommen.
 

„Dann darf ich mich im Palast nicht mehr blicken lassen.“
 

„Soll mich das denn jetzt beruhigen?“
 

„Vertrau mir einfach. Und vertrau ihm. Hast du nicht vorhin noch gesagt, er hätte nur ne harte Schale…“
 

Sie atmete noch einmal kräftig durch und drückte sanft ihre Schenkel an den warmen Körper.

Mit einem Ruck setzte sich Tezuyoi in Bewegung. Sie spürte wie sie verkrampfte und ihre Hände feucht wurden.
 

„Bleib locker.“ wies ihr Lehrer sie an, doch das war einfacher gesagt als getan. So schloss sie kurz die Augen um kurz durchzuatmen und entspannte sich tatsächlich.
 

„So ists gut. Lass ihm etwas mehr Zügel.“
 

Je länger sie trainierte, desto mutiger wurde sie. Doch bevor sie zu übermütig werden konnte, stoppte Ryota die Trainingsstunde. "Gar nicht mal so übel. Wir sollten nur langsam zurück. Es wird bald dunkel und Vater ist da etwas … empfindlich.“

Vor allem was Sayuri betraf; doch er konnte sich verkneifen, den Zusatz laut auszusprechen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück