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Einsamkeit ...

- Ich will gefunden werden -
von

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Seine Augenlider zuckten und er runzelte die Augenbrauen, ehe ein kleiner Laut ihm über die Lippen kam. Blinzelnd öffnete er seine Seelenspiegel und wurde von dem kalten Licht einer Neonröhre geblendet. Er war nicht tot. Er lebte noch immer. Gilbert wusste nicht, ob er darüber nun glücklich sein sollte, oder doch eher traurig. Langsam schloss er seine Augenlider wieder und atmete tief durch. Er wusste nicht genau wo er war und so genau wollte er das auch nicht wissen, er wollte nicht wieder vorgehalten bekommen, dass er es nicht geschafft hatte dem Russen zu entfliehen. Wieder einmal nicht. Als sich die Tür leise öffnete und schloss blickte Gilbert nicht auf. Wieso auch? Er würde früher oder später eh erfahren, wo er war, da konnte er auch noch kurz den Augenblick genießen, das er glauben konnte, dass er wieder bei Ludwig war. Wieder bei seinem Bruder war, ihn wieder in die Arme schließen konnte. Das alles wieder gut war und die Zeit bei Ivan nur ein schrecklicher Alptraum war.

„Gilbert, bist du wach?“

Sofort schlug der Angesprochene die Augen auf und starrte den jungen Mann an, der nun neben seinem Bett stand und zu ihm hinunter schaute. Zunähst kam dem Preußen nichts über die Lippen, er starrte nur weiter den Blonden vor sich an, doch dann ging alles ganz schnell. Die Bettdecke wurde zurückgeschlagen und Gilbert umarmte ihn. „Ludwig..“, flüsterte er nun und drückte sein Gesicht in die Halsbeuge seines jüngeren Bruders. Mehr kam ihm dabei nicht über die Lippen, mehr wollte und konnte er im Moment nicht sagen. Er war so unbeschreiblich glücklich. Er hatte seinen jüngeren Bruder wieder! Ludwig war wieder bei ihm, oder eher er bei ihm. Vorsichtig löste sich der Preuße und starrte nur weiter in die blauen Augen seines Gegenübers. „Wie geht es dir?“ Ludwigs Gesichtsausdruck war besorgt. Sanft drückte er seinen Bruder zurück ins Bett und legte ihm die Decke über die Oberschenkel. Auch wenn das Zimmer beheizt war. Sicher war sicher. Schließlich hatte Gilbert eine ordentliche Unterkühlung, da musste er warm gehalten werden. Doch Gilbert streckte gleich die Hand nach ihm aus und zog ihn ebenfalls mit aufs Bett, damit er bei ihm war,damit Gilbert endlich begriff, dass Ludwig wirklich bei ihm war. Und dass das alles nicht nur wieder ein Tagtraum von ihm war.

„Es geht mir gut.“ Eine glatte Lüge, aber er wollte seinem Bruder nicht noch mehr Sorgen machen. Sicherlich hatte Ludwig noch andere Sorgen, da sollte er sich auch noch um seine großen Bruder sorgen. Schließlich sollten sich ja wohl die Älteren um die Jüngeren sorgen. Erst nun bemerkte Gilbert, wie schwach seine Stimme klang und wie sehr sein Hals schmerzte. Leicht strich er sich mit den Fingerspitzen über seinen Hals und zuckte gleich zusammen. Er hatte schon vollkommen verdrängt gehabt, dass Ivan ihn beinahe umgebrachte hatte. Und dass wahrscheinlich die Blutergüsse so schmerzten. Aber das war egal. Wieder blickte er zu seinem Bruder und drückte dessen Hand leicht. „Bin ich wieder in Deutschland?“, fragte er ihn leise, hoffnungsvoll. Doch diese Hoffnung wurde doch ein Kopfschütteln des Jüngeren zu nichte gemacht. Das Lächeln, dass eben noch das Gesicht des Preußen geziert hatte, verblasste einfach. Stattdessen wurde sein Blick panisch. War er noch in Russland? War er noch immer bei Ivan, diesem Monster?

Ludwig sah seinen älteren Bruder nun nur noch besorgter an. Er war plötzlich noch blasser geworden, als er schon vorher war. War es wirklich so schlimm bei dem Russen? Ludwig selbst kannte Ivan nur von den Konferenzen. Und hatte ihn kurz gesehen, als er ihm Gilbert gestohlen hatte, als Preußen endgültig ausgelöscht wurde und somit ein Teil Russlands wurde. Auch wenn dies erst wenige Monate her war, so hatte sich Gilbert doch total verändert. Wo war der vor Selbstbewusstsein-strotzende Preuße hin? Wo war der junge Mann, der sich von nichts und niemanden unterbuttern ließ? Diesen Gilbert gab es nicht mehr. Seid er bei Ivan war, war er verschwunden. Stattdessen war nun dieses Häufchen, dieser Schatten da.

Gilbert starrte vor sich auf die Bettdecke, während sich seine Hand in die Haut des Deutschen klammerte. Gerade als der Preuße seinen Bruder etwas fragen wollte, wurde die Tür geöffnet und jemand trat ein. Sofort verkrampfte sich Gilbert und ihm wurde augenblicklich schlecht. Wieder einmal. Zwar hatten die roten Seelenspiegel nur kurz zu dem Russen geblickt, dennoch konnte er so etwas wie Reue bei diesem ausmachen, was so gar nicht zu Ivan passte.

Ein wenig unsicher stand dieser nun da, wirkte wie bestellt und nicht abgeholt. So kannte ihn Gilbert gar nicht. Aber er war froh, dass er seinen Bruder bei ihm hatte, der ihm gleich seine Hand auf die Schulter legte und sanft, aber bestimmt zudrückte. Ludwig konnte zwar nicht über seine Gefühle reden, doch bei seinem Bruder konnte er sie wenigstens ansatzweise zeigen. Und nun war Gilbert über jedes bisschen Beistand glücklich. „Wie geht es ihm, Ludwig?“, fragte der Russe vorsichtig, bewegte sich aber keinen Millimeter weiter. Leicht blickte der Preuße zu seinem Bruder auf, ehe er wieder zu Ivan schaute. Er fragte sich wirklich, wieso er den Deutschen ansprach, wenn er selbst doch auch augenscheinlich wach war. Es dauerte einige Minuten bis Ludwig ihm antwortete. Dem Silberhaarigem kam es vor wie Stunden, wie eine kleine Ewigkeit. Aber er riss nicht wie früher seine Klappe auf, um zu antworten, nein er schwieg beharrlich.

„ Nicht gut“ Das war das einzige, was der Deutsche ihm zu sagen hatte. Und Ivan verstand es. Er fragte nicht weiter, sondern ging langsam aber sicher auf das Bett zu, blieb erst kurz davor stehen. In seinen Seelenspiegeln stand eindeutig das Wort Reue. Ivan bereute, was er Gilbert angetan hatte. Doch das wollte der Preuße nicht sehen. Er wollte nicht mehr bei dem Russen sein, er wollte wieder zurück nach Deutschland. Zurück zu Ludwig. Auch wenn sein Land zerstört war vom Krieg, er wollte dorthin zurück. „Bitte Ludwig... Nimm mich wieder mit nach Hause..“,kam es dem Preußen über die Lippen, während er seinen Blick wieder hob und Ludwig anschaute. Doch dabei vermied er tunlichst Ivan anzublicken. Aber hätte er es in diesem Moment getan, hätte er gesehen, was er da bei dem Russen ausgelöst hätte. Kurz hatten sich die violetten Augen geweitet und das Lächeln war verschwunden, komplett. Ivan schien wirklich geschockt zu sein. Dabei musste er es doch langsam wissen. Alle wollten ihn verlassen. Alle. Toris, Raivis, Eduard. Und nun auch Gilbert. Ivan wusste, dass er die baltischen Staaten mit Angst kontrollieren konnte, doch bei Gilbert war er sich da nicht sicher. Denn dieser ließ sich nicht einfach so unterbuttern, niemals. Dafür war er viel zu stolz. Doch Ivan wollte Gilbert nicht hergeben. Er war ein Teil von ihm. Er gehörte ihm. Der Russe teilte nicht gerne. Eigentlich teilte er nie. Wieso sollte er denn nun damit anfangen? Nur weil es Gilbert schlecht ging? Sicherlich nicht. So weit kam es ja noch. Niemals würde er den Preußen gehen lassen. Niemals.

„Gilbert, ich...“ „Gilbert bleibt ihn Russland, da?“, lächelte Ivan nun wieder und beugte sich leicht zu den Beiden vor. Er hatte dem Deutschen eiskalt das Wort durchschnitten. Und genauso eiskalt lächelte er auch. Dieses typische Ivan-lächeln. Wie Gilbert es doch hasste.

„Denn Gilbert ist ein Teil von Russland. Und kein Teil von Deutschland mehr. Gilbert gehört zu Ivan“

Wieder diese Kinderlogik. Gilbert schüttelte schwach den Kopf. „Nein, ich will nicht. Ich will zurück zu Ludwig“ , wisperte der Preuße schwach und krallte sich weiter in die Bettdecke. Leicht blinzelte Ivan und sah hinunter zu ihm. Wieso widersprach er ihm? Keiner hatte ihm zu widersprechen, sonst würde er ihn umbringen. Aber er konnte dem Preußen nichts antun, selbst wenn er wollte. Gilbert übte eine seltsame Faszination auf ihn aus. Er war ebene ein neues Spielzeug. Ein Spielzeug, was erstaunlicherweise lange hielt und einfach nicht kaputt gehen wollte.

„Ludwig sollte besser gehen, da? Toris bringt dich zur Tür“ Sofort blickte Gilbert mit großen Augen auf und schüttelte leicht den Kopf. Er wollte nicht, das Ludwig ging. Und wenn er ging, sollte er ihn mitnehmen. Raus aus seiner Hölle.

Doch Ludwig drückte lediglich noch einmal die Schulter seines Bruders, ehe er sich erhob und schweigend den Raum verließ. Die Fassungslosigkeit stand Gilbert ins Gesicht geschrieben. Ludwig ging, einfach so. Sofort krallten sich seine schlanken Finger wieder in den weichen Stoff der Decke, und er biss sich wütend auf die Unterlippe. „Gilbert hat Ludwig gesehen, nun musst du nicht immer zur Mauer laufen, da?“ Wieder einmal verwirrte Ivan den Anderen. Nur deswegen hatte er den Deutschen nach Russland gelassen? Womit wollte er ihn denn noch quälen? Diese Hilflosigkeit, dieses Ausgeliefert sein, trieben dem Preußen beinahe die Tränen in die Augen, doch diese schluckte er tapfer hinunter. Er würde sich nicht die Blöße geben und nun auch noch anfangen zu weinen. Er hatte nicht geweint, als Ivan ihn mitgenommen hatte, da würde er nun erst recht nicht anfangen Tränen zu vergießen. Noch war er stark genug … Noch. „Du kannst nicht über mich bestimmen, Ivan. Ich werde tun und lassen, was ich will und nicht das, was du mir vorschreiben willst“ Auch wenn der Preuße gebrochen war, er würde niemals aufgeben. Er würde bis zu seinem Verschwinden weiterkämpfen.

Kurz verschwand das Ivan-lächeln. Aber nur kurz. „Ruh dich aus und werd schnell wieder gesund, da?“, lächelte er auch schon wieder und ließ den Preußen wieder allein. Als Gilbert die Tür hörte, konnte er nicht mehr an sich halten. Er zog die Beine fest an den restlichen Körper und begann stumm zu weinen. Die Tränen perlten über seine blassen Wangen, während er weiter vor sich auf die Decke starrte. Alles hatte Ivan ihm genommen. Alles. Sein Land, seinen Bruder, sogar seinen kleinen Vogel. Gilbert war allein. Allein in diesem riesigen, kalten Land. Nichts hatte er mehr.

Noch immer liefen ihm die Tränen über die Wange, doch das war ihm mittlerweile egal. Solange sie niemand sah, war es egal. Erst als es an der Tür klopfte, wischte er sich hektisch über das Gesicht, ließ aber ein Herein verlauten. Ivan klopfte nicht. Ivan trat einfach ein. Also musste es sich um einen der baltischen Staaten handeln. Und schon trat Toris mit einer Tasse Tee und etwas zu Essen ein. Ein kleines Seufzen kam Gilbert über die Lippen und er schloss seine Seelenspiegel. Wenigstens hatte er nun ein wenig angenehme Gesellschaft. Auch wenn es nur von kurzer Dauer war. Er wusste ja, dass auch der Litauer hier nichts zu lachen zu hatte.

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„Ich habe hier eine Tasse Tee und Mittagessen, Gilbert“, lächelte Toris und stellte das kleine Tablett auf dem Nachttisch an. Kurz nickte der Angesprochene, dachte aber nicht daran auch nur etwas davon anzurühren. Ihm war noch immer schlecht von dem Zusammentreffen mit Ivan. Der Litauer schien dies zu merken und ließ ein kleines Seufzen von sich hören. „Verlier' bitte nicht den Mut... Irgendwann schaffst du es auch dich von ihm loszureißen..“ Auch wenn die Worte aufbauend gemeint waren, erreichten sie den Preußen nicht. Er starrte nur weiter vor sich hin, schenkte Toris kein Fünkchen seiner Aufmerksamkeit, auch wenn dieser gar nichts für seine momentane Lage konnte. Natürlich bemerkte der Braunhaarige, dass er Gilbert im Moment nicht helfen konnte, so ließ er ihn wieder allein.

Erst als er die Tür wieder hörte, blickte der Preuße verwirrt auf und lehnte sich leicht in die Kissen. Langsam aber sicher sickerten die Worte des Litauen zu ihm hindurch. Irgendwann... Irgendwann konnte eine verdammt lange Zeit sein. Und Gilbert wollte nicht die nächsten Jahre, Jahrzehnte hier in Russland bei diesem Tyrannen bleiben. Er wollte frei sein. Langsam schlug er die decke zurück und stand auf. Vorsichtig zog er sich wieder an, wickelte einen Schal um seinen Hals und schlüpfte in die dicke Jacke, dir ihm Ivan zumindest erstmal zur Verfügung gestellt hatte. Sonst wäre er hier wirklich schon längst erfroren. Dick eingepackt öffnete Gilbert die Tür zu seinem Zimmer und ging den kurzen Flur entlang, ehe er auch schon das Haus verließ. Niemals würde er länger als nötig dort bleiben. Zwar tat es ihm ein wenig Leid um das verschmähte Essen, aber er konnte im Moment nicht anders, er brauchte seien Freiheit.

Wieder verschlug es ihn zu der gehassten Mauer. Leicht legte er seine zittrigen Finger auf den Stein und starrte diesen an. Wenigstens wusste er nun, dass es Ludwig gut ging. Das war das wichtigste. Seinem Bruder war nicht allzu viel passiert. Natürlich hatte er noch immer über Schrammen, Blutergüsse und andere kleine Wunden, aber im großen und ganzen ging es ihm gut. Sicherlich waren daran auch der kleine Italiener und der Japaner Schuld. Gilbert war froh. Ludwig ging es gut und er war nicht allein. Wenigstens einer.

Wieder stiegen die Tränen in ihm auf. Wie sehr sehnte er sich auch nach jemanden, irgendjemanden, dem er vertrauen konnte, der ihm nichts böses wollte. Im Moment würde er wirklich mit jedem anderen Land tauschen, ob es sich gerade in einer Depression oder anderen handelte, hauptsache er kam aus diesem Schnee heraus. Gilbert verzweifelte immer mehr bei Ivan. Und der Wunsch zu verschwinden wurde immer größer. Langsam ging er in die Knie und legte die Stirn an den Stein. Er wollte so sehr verschwinden. Sich einfach in Luft auflösen. Gerade als ihm wieder die Tränen kamen, hörte er ein Geräusch, ein bekanntes Geräusch. Das leise Zwitschern eines kleinen Vogels.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sya
2011-08-19T11:20:20+00:00 19.08.2011 13:20
Das Kapitel gefällt mir schon besser. <3
Und es kam das Wort Hände drin vor! xD
Mich interessiert aber was Lud sagen wollte, ich glaub ich frag dich das gleich nochmal. xD
Vogel!
Und ich weiß welcher kommt >D
Nicht, dass es meine Idee war oder so. *pfeif*

p.s.: Gil gehört immernoch zu Ivan! >w<


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