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What do you want from me

a Craig x Tweek story
von

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it's the seapeople

Hatten sie eigentlich auch mal Milch im Haushalt, die nicht abgelaufen war? Oder erwischte Craig einfach immer nur die falsche Tüte. Wahrscheinlich das. Hauptsache er bemerkte es, noch ehe er sich das vergilbte Zeug über die Kelloggs schüttete. Fraglich, wieso sie überhaupt abgelaufene Lebensmittel im Haus hatten, seine Mutter war doch bei allem anderen so kleinlich. Bei seinem Vater könnte er es sich ja vorstellen, dem war auch so alles schnuppe, aber seine Mum? Egal, solange er sich noch haltbare Milch aus dem Vorratsschrank holen konnte und Ruby einfach die abgelaufene hinstellte, war die Welt wieder in Ordnung. Seine Schwester würde irgendwann an einer Lebensmittelvergiftung sterben, oder an Krebs, das war für Craig schon ziemlich sicher. Vielleicht aber auch AIDS oder Hepatitis. So, wie sie sich zurzeit aufführte, wollte sie nichts mehr, als von jedem Jungen in South Park durchgevögelt zu werden. Bitte, sie wäre nicht die erste Hure in dieser Stadt, genauer genommen, sind das doch so gut wie alle Mädchen. Eine Lebensmittelvergiftung wäre angenehmer, als auf dem Strich zu landen.

„Craig.“ Angesprochener sah kurz von seinem cerialienreichen Frühstück auf und gab ein gemuffeltes Geräusch von sich.

„Die Mutter von Tweek hat mich eben angerufen. Sie hat gefragt, ob du ihn nicht von der Klinik abholen kannst.“

Nun legte der Schwarzhaarige seinen Löffel weg und sah seine Mutter an, als hätte ihm jemand ein Brett vor den Kopf geschlagen.

„Wieso sollte ich ihren Sohn abholen? Steht vielleicht »Neger« auf meiner Stirn?“ Seine Worte klangen durchaus angenervt, zumal er sich wirklich schon als eingespannt genug betrachtete, was diese Sache anging. Er sah partu nicht ein, warum er noch mehr Freizeit dafür opfern sollte. Vor allem nicht nach dem gestrigen Vorfall.

„Craig, versteh doch, das ist alles wirklich schwer für Mr. Und Mrs. Tweak und-“

„-Und deshalb darf ich die Scheißarbeit machen?! Denkst du, mir fällt das leichter?!“

Schwer für Mr. Und Mrs. Tweak?! Aber dafür dem eigenen Sohn diese Bürde auferlegen, ja, wie sich Craig doch von seinen Eltern geliebt fühlte! Würde der Schwarzhaarige danach fragen, würde er höchstwahrscheinlich von seinem Vater die ehrliche Antwort bekommen, nur ein Unfall gewesen zu sein. Die empörten Gegenthesen seiner Mutter wären nur Lügen. Aber von irgendjemand musste er dieses Talent schließlich geerbt haben.

„Das hab ich doch gar nicht gesagt!“, führte Mrs. Tucker die Unterhaltung fort, die Craig am liebsten stumm abgeschlossenen hätte. Aber bitte, wenn sie wollte.

„Sie sind seine verdammten Eltern, dann sollten sie endlich mal die Fürsorge nachholen, die sie sein ganzes Leben lang verkackt haben und die Verantwortung nicht ständig auf andere abschieben!“

„Craig-?!“

„Nichts ‚Craig’! Ruf die Schnalle zurück und sag ihr das mal!“

„Sag’s ihr doch selber, junger Mann!“

Mit einem Ruck erhob sich Craig und der Stuhl knallte krachend auf den Boden.

„Schön! Werd ich machen!“, waren die letzten Worte, die er seiner Mutter entgegenschrie, bevor er seine Schultasche packte und aus dem Haus stampfte.

Mehr als gewollt hatten ihn seine eigenen Worte in Rage versetzt. So war es doch. Sein ganzes Leben hatte Tweek alleine mit seinen Problemen verbracht. Mit seinem Koffeinkonsum, mit dem er irgendwann nicht mehr aufhören konnte, da ihm niemand früh genug gesagt hatte, dass es schlecht für seinen Körper ist. Stattdessen waren es seine Eltern, die ihn mit dem Zeug abgefüllt hatten und seine Hyperaktivität dadurch als ADS abstempelten. Vielleicht waren sie zu den anderen Leuten der Stadt ganz nett. Vielleicht waren sie auch zu Tweek nett. Aber sie waren nie als Eltern für ihn da gewesen. Nie hatten sie ihm zugehört, nie hatten sie Rücksicht auf ihn genommen, nie hatten sie ihm geholfen. Solange sich Craig erinnern konnte – und er war nicht selten bei den Tweaks gewesen - war ihre einzige Lösung ein Lächeln, ein ‚gut’ und eine Tasse Kaffee. So einfach kann man Probleme von sich schieben.

Gott, wieso hatte er bis jetzt den Eindruck gehabt, diese Leute wären normal?! Jeder hatte diesen Eindruck, das war ihm bewusst, aber im Moment fühlte sich Craig, als würde die gesamte Bevölkerung South Parks in einer dämmernden Welt zwischen Tag und Nacht vor sich hinschlummern, ständig mit dem hübschen Traumbild vor Augen, in dem es sich leben lässt. Und er hatte als erster die Augen aufgemacht.

Genervt fluchte er sein Feuerzeug an. Bei dieser klirrenden Kälte war es wahrscheinlicher, sich die Finger aufzureißen, bevor das verdammte Ding funktionierte. Also musste seine Zigarette eben ausbleiben. Scheiße.

Er war genau drei Meter von seinem Haus weggekommen. Nicht weit dafür, dass er eben noch gefrustet einen Spaziergang machen und dabei so viele Kippen wie möglich rauchen wollte.

Fünf Minuten später befand er sich in dem dunkelroten Buick seines Vaters und drehte die Zündschlüssel. Das Brummen des Motors übertönte Craigs resigniertes Seufzen. Am liebsten wäre er rein aus Protest mit Vollgas nach vorne durch die Wand der Garage gebrettert. Dann sollten seine Eltern mal sehen, was sie davon hatten! Um das Auto wäre es ihm persönlich nicht schade, immerhin war das Ding gefühlte 30 Jahre alt, aber es tat seinen Job noch. Dumm war nur, dass es ihr einziges Auto war und Craig sich mit solch einer Harakiri-Aktion ins eigene Fleisch schneiden würde, wollte er noch eine reelle Chance haben, wenigstens ab und zu eigenständig in der Gegen herumzudüsen.

Vorsichtig manövrierte der 18 jährige das Auto aus der Garage, ein paar Sekunden später war von dieser Vorsicht jedoch nichts mehr zusehen, genauso wenig, wie von dem Buick, der mit 80 durch die Straßen davon gerast war. Die Führerscheinprüfung war mitunter die schlimmste, die Craig je machen musste. Ständig auf Regeln achten – und dann noch auf so beschissen viele! Manchmal musste er völlig unbegründet an einer Abzweigung halten, links schauen, rechts schauen, wieder links schauen, bis scheinbar auch der letzte Idiot kapiert hatte, dass dort sicher keine Menschenseele war. Und warum? Wegen Vorfahrtsregeln! Aber wie in so vielen Situationen wusste Craig sich in den richtigen Momenten zusammenzureißen, zu gehorchen und schaffte die Prüfung beim ersten Mal. Im Prinzip verstand er es ja, dass man aufpassen musste beim Autofahren und auch ab und zu nachgeben musste, aber wenn die Straßen frei waren – so wie gerade eben – ließ er es sich nicht nehmen, seine Freiheit auszukosten und gegen alle Regeln, die er je übers Autofahren gelernt hatte, zu verstoßen. Noch dazu war es für ihn ein ungeheuerer Frustabbau - und den hatte er bitter nötig. Er war kein schlechter Fahrer, sonst könnte er sich das nicht erlauben.

Nach einer kurzen Weile stieg der Schwarzhaarige aus dem Wagen und begab sich vom Parkplatz zur Klinik. Es war dieselbe, in die er Tweek vor ein paar Tagen gebracht hatte. Es gab nur ein Krankenhaus in South Park und das übernahm so ziemlich alles. Außer das Abtreiben, dafür hatten sie natürlich wieder eine Extraklinik…

Sobald er die Türe aufdrückte, stieg ihm sofort der wohlbekannte Geruch von Desinfektionsmittel und Gummihandschuhen in die Nase. Zusammen mit dem kahlen Weiß der Wände war der Eindruck des Klischee-Krankenhauses perfekt. Gerade wollte er an die Rezeption, um sich nach Tweeks Aufenthalt zu erkundigen, doch das wurde überflüssig, als er einen blonden Jungen auf den Bänken etwas weiter weg sitzen sah. Seufzend schob Craig die Hände in die Hosentaschen und ging auf den bekannt aussehenden jungen Mann zu.

„Hey“, noch ehe der Schwarzhaarige bei ihm angekommen war, grüßte er ihn halbherzig von Weitem. Tweek hob den Kopf und sah ihn verwundert an, was allerdings schnell in Misstrauen umschlug.

„Was willst du hier?“, fragte er unbeeindruckt.

„Ich bin hier, um dich abzuholen. Deine Eltern… können nicht.“ Oh ja, und wie sie ‚nicht konnten’.

Lange fackelten sie zu Craigs Glück nicht herum und Tweek ergab sich seinem Schicksal. „Na schön, dann gehen wir.“

Wenig später ließ sich der Blonde auf dem Beifahrersitz neben Craig nieder. Vollkommen ruhig und unbekümmert blieb er dort sitzen, als der Schwarzhaarige den Schlüssel herum drehte, rückwärts aus dem Parkplatz manövrierte und viel zu schnell in die Stadt zurück fuhr. Es passte nicht zu Tweek. Craig wäre wirklich fast von der Fahrbahn abgekommen, da er viel zu oft Seitenblicke in Tweeks Richtung riskierte. Glücklicherweise passierte nichts und nach diesem kleinen Schockmoment fiel es Craig auch leichter sich wieder auf die Straße zu konzentrieren.

Tweek abholen, bei der Schule vorfahren und den Rest des Vormittages darin verbringen. Das war seine ursprüngliche Aufgabe. Doch Craig sah nicht im Geringsten ein, weshalb er das tun sollte. Und so kam es, dass er seinen Wagen vor dem Wallmart abstellte.

„Sollen wir nicht in die Schule?“, Tweek stieg ebenfalls aus. Seine Worte klangen nicht vorwurfsvoll, sondern einfach neutral.

„Sollen und Wollen sind zwei verschiedene Dinge“, antwortete ihm Craig seufzend. „Außerdem MUSS ich noch einkaufen und das hat für mich gerade Priorität. Also komm mit, du willst doch selbst nicht zurück in dieses Irrenhaus.“

Tweek schnaubte auf diesen Kommentar lediglich und folgte dem Schwarzhaarigen durch die sich automatisch öffnenden Türen.

„Willkommen im Wallmart!“ Beinahe routineartig zückte Craig seinen Mittelfinger und das war alles, was Stan’s Opa auf seine ‚Begrüßung’ erwidert bekam. Dass der alte Sack immer noch lebte und noch dazu die Leute hier belästigen konnte, war schon ein halbes Wunder. Auch Tweek ignorierte den alten Mann einfach und so gingen sie schnurstracks in das Gewirr aus Regalelen, Werbetafeln und Schnäppchenangeboten.

Das gesamte Einkaufszentrum war generell von Menschenmassen überlaufen, zumindest für South Parks Verhältnisse. Sobald jemand gesucht wird, sich nicht zuhause oder in der Bar aufhält, ist sicher, er ist im Wallmart. Falls einmal ein Teller zerbricht oder mitten in der Nacht ein Serviettenspender benötigt wurde – Wallmart. Es war schon fast wie eine Sucht, eine Krankheit, welche die Erwachsnen angefallen und in die Knie gezwungen hatte. Auch seine Eltern, jedoch noch lange nicht so schlimm, wie Stans oder Kyles Erziehungsberechtigte. Gut, Craig war inzwischen ebenfalls 18 und somit volljährig. Trotzdem fühlte er noch nicht den geringsten Zwang dazu, wann immer er Zeit hatte, diesen Ort aufzusuchen. Wahrscheinlich Kindheitstrauma. Oder die Dummheit kam, je länger er in South Park bliebe. Im Moment war es jedoch fast angenehm, da zu solch früher Zeit die meisten Eltern doch ihre Kinder in die Schule brachten, noch schliefen oder anderweitig beschäftig waren. Es ließ sich demnach gemütlich durch die Reihen schlendern. Abgesehen von den ständigen Schnäppchenangeboten, deren Tafel oft den Zugang zu einem halben Regal versperrten. Stumm gingen sie durch das Einkaufszentrum. Hier und da blieb Craig einmal stehen, nahm doch nichts, ging weiter. Tweek kopierte jeden seiner Schritte unkommentiert. Leise und sanft wurden sie von einschläfernder Kaufhausmusik berieselt.

„Wenn du auch etwas findest, nimm’s mit. Ich zahl.“ Ohne sich zu dem Blonden umzudrehen, machte der Größere dieses Angebot. Tweek lehnte nicht ab. Nahm jedoch auch nichts mit.

Mal sehen… zuhause hatten die Tuckers nichts, das für Craig als ‚essbar’ definiert werden konnte. Also was wollte er dagegen tun? Fertignudeln. Fertignudeln. Fertignudeln mit Entengeschmack. Tiefkühlpizza. Cola. Bier. Chips. Kekse – für Ruby, falls er sie bestechen musste.

„Du kochst nicht gern selbst, oder?“ Die Worte des Blonden kamen nun so überraschend, dass Craig beinahe die Kekspackung hätte fallen lassen. Obwohl er nicht laut gesprochen hatte. So emotionslos wie möglich, wandte der Schwarzhaarige seine dunkelblauen Augen nun Tweek zu. „Nein, nicht wirklich.“ Hatte der Junge gerade mit ihm eine Unterhaltung angefangen? Diese Chance durfte er sich ja nicht entgehen lassen. „Meine Mum kocht meistens Biozeug. Mag vielleicht gesund sein und ab und zu schmeckt es ja, aber meistens ist es so, als würde man in eine Wiese beißen“, erklärte er nebensächlich, als er sich Cornflakes vom oberen Regal herab hangelte. „Überhaupt, wieso soll ich kochen, wenn es Mikrowellenfutter gibt?“

„Schon wahr…“

Craig bemühte sich wirklich nichts zu zeigen und so kühl wie immer zu wirken, doch sein Herz machte einen kleinen Salto als er das leise, lachende Zustimmen des Blonden hörte. Er hatte gelacht. Ganz kurz und kaum hörbar. Doch in diesem Moment bemerkte Craig, wie sehr er dieses Lächeln auf dem Gesicht des Blonden vermisst hatte. Er war nie sentimental gewesen, er wollte es nun auch nicht werden. Stattdessen griff er sich noch eine zweite Packung vom Regal und ging dann weiter. Er hatte alles, was er zum Überleben der nächsten drei Tage brauchte, doch der Schwarzhaarige blieb erneut abrupt stehen, als seine Augen so über die angepriesenen Artikel in den Reihen schweiften. Tweek, der nun bereits ein paar Schritte weiter vorn war, drehte sich um und fragte, was denn los sei. Langsam, fast andächtig griff der Größere nach einer Schachtel und zog sie aus dem Regal, sah sie ungläubig an, bevor er Tweek zu antworten gedachte.

„Sie mal“, er hielt ihm die Packung hin. Der Blonde kam die Paar Schritte zu ihm, nahm den Artikel und warf einen fragenden Blick darauf.

„…Seemenschen?“

Ja, Seemenschen. Craig hatte mit dieser Sache damals nichts am Hut gehabt. Er hatte erst von Tweek erfahren, dass Cartman, Stan, Kyle und er diese Dinger gekauft hatten und in Ms. Choksondicks Kaffee geschüttet hatten. Darauf hin war diese auf unerklärliche Weise verstorben und die Jungs dachten erst, sie wären daran schuld. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass sie es nicht waren, leider erst nachdem sie eine lange Zeit des Stresses und Paranoia hinter sich hatten. Mitunter ein Erlebnis, von dem Tweek behauptet hatte, es sei das schrecklichste in seinem ganzen Leben gewesen. Bis die Sache mit George Lukas und Hat eintrat. Und die mit dem Geist der Menschlichkeit. Und dann die Riesen-Meerschweinchen oder die Robo-Streisand… also generell alle Erlebnisse, die mit den Vier Chaoten verbunden waren. Aber darauf wollte Craig im Moment nicht hinaus. Es ging ihn viel mehr darum, ob der Anblick dieser bescheuerten Schachtel vielleicht das Gedächtnis des Blonden wieder aufleben ließe.

„..Und?“ Nun merkte man sogar der Stimme des Schwarzhaarigen die Neugierde an. Sein Gegenüber drehte die Packung nur ein paar Mal herum und schien nicht begeistert davon. „Was soll ich mit Schrimps zum selber aufziehen? Die verkaufen lebende Viecher an kleine Kinder. Das ist unnütz und Tierquälerei.“

„Nein, das meine ich nicht!“, unterbrach der Schwarzhaarige. „Kommt dir das nicht bekannt vor?“ Eine Frage, die Craig nie hätte stellen sollen. Denn darauf ließ der Blonde tatsächlich die Packung sinken und warf ihm einen dermaßen kalten Blick zu, dass der Tucker Junge fast reflexartig nach dem nächstbesten Gegenstand in Reichweite greifen und es Tweek an den Kopf schleudern wollte. Er sollte aufhören ihn so anzusehen! Das war unerträglich.

Ohne ein Wort kam der Blonde auf ihn zu, nahm diesen Blick nicht von ihm. Craig konnte sich nicht bewegen. Nicht unter diesem Blick. Erst ein paar Zentimeter vor ihm blieb er stehen, streckte den Arm aus und knallte die Schachtel wieder ins Regal.

„Wenn das alles war, was du mir zeigen wolltest, dann tu mir den Gefallen und lass es bleiben…!“ Gehisste, scharfe Worte schnitten Craigs Ohren. Eine Sekunde darauf hatte der Bonde sich wieder umgedreht und entfernte sich von ihm. Der leichte Windhauch seiner ruckartigen Bewegung schlug dem Schwarzhaarigen gegen die Wangen. Es war so kontrovers. Dieser Junge sah so aus wie Tweek. Er klang nach ihm. Er roch sogar nach Tweek. Aber er benahm sich nicht wie er. Er fühlte sich so weit entfernt und fremd an. Unerreichbar.

Seufzend überwand der Schwarzhaarige seine Starre, griff mit einer Hand an seine blaue Mütze und rückte sie etwas zurecht. Er sollte solche Momente nicht verspielen.

„Zur Kasse geht’s hier lang“, wies er seinen blonden Vordermann zurecht, als er ihm nachlief, jedoch in eine andere Richtung abbog.

Der Aufbau eines Supermarktes war doch wirklich interessant. So gewinnorientiert, wie nur möglich. Am Eingang die ganzen unnützen Dinge, die wichtigsten ganz hinten, damit man auch schön durch den gesamten Laden latschen durfte um hier und da vielleicht noch etwas mitzunehmen - und zur Kasse hin die verführerischen Regale, von denen der 0815-Kunde doch noch das Ein oder Andere herausgreifen sollte. Damit meinte er zum einen Teil die Süßigkeiten, klar. Auf der anderen Seite die Sexartikel.

Wie die Geschäftsinhaber veranlassen konnten, dass neben den kinderbegehrten Leckerein Kondome und Massageöl prangten, hatte sich Craig schon seit Eröffnung des Ladens gefragt. Aber sie lebten immerhin in South Park. Hier war das möglich.

Normalerweise hielt sich Craig hier nie lange auf. Bis auf dieses mal. Und einmal davor. Wegen einer verlorenen Wette. Nicht einmal eine, die er verloren hatte, doch mit der er mehr oder minder passiv zu tun gehabt hätte.

„Sag mal… Tweek…-“

„Was ist? Hast du wieder vor, mich an etwas zu erinnern? Falls ja, lass es sein, es nervt und bringt mir nichts.“ Die Worte des Blonden, als auch sein kalter Blick, machten auf Anhieb klar, wie er zu diesem Thema stand. Seufzend schüttelte Craig den Kopf und bewegte sich von dem Regal weg, in Richtung Kasse. Das kaum sichtbar gewesene Lächeln auf seinen Lippen verschwand dabei gänzlich. Vielleicht hatte es im Moment wirklich keinen Sinn.

Nachdem Craig gezahlt hatte, transportierten sie die Lebensmittel in Craigs Auto und der Schwarzhaarige ließ kurz darauf den Motor starten. Jetzt noch in die Schule zu gehen, empfand er als wenig sinnvoll und Lust dazu hatte er auch keine mehr. So würden sie nur den Rest des Tages von Mrs./Mr. Garrison angemacht werden, wieso sie zu spät waren. Das konnte er sich sparen. Nach einem kleinen Umweg setzte er Tweek wieder bei sich zu Hause ab, in der Hoffnung, dass dessen Eltern nicht zu groß rumfragen würden, weshalb ihr Sohn nicht in der Schule war.

„Sag einfach, es wäre dir zu viel Stress gewesen“, Craig stieg aus, lehnte sich an die Tür des Wagens und sah Tweek über das Autodach hinweg an.

„Wieso Stress?“, fragte der Blonde zurück, nachdem er die Tür zugeworfen hatte.

„Einfach deshalb. Oder ist es dir lieber, wenn ich dich doch in der Schule absetze?“

Ein leises Murren war alles, was der Blonde von sich gab, ehe er sich abwandte und auf das Haus zuschritt. Ebenfalls ohne Verabschiedung lies Craig sich seufzend in den Fahrersitz fallen und lehnte den Kopf gegen die Lehne, sobald der Blonde hinter der Haustür verschwunden war. Gott, das war so anstrengend. Er hatte absolut noch nichts Produktives an diesem kümmerlichen Tag erledigt, außer dem Einkauf und er war schon so fertig, dass er nur noch schlafen wollte. Tweek machte ihn fertig. Das, was er war – oder besser gesagt, nicht war – machte ihn fertig.

Nach weiteren fünf Minuten war er dann Zuhause, überwand sich zu einer anderen Erklärung, als dem Mittelfinger, wieso er nicht in der Schule war und schloss sich dann auch schon in seinem Zimmer ein. Die X-tausesnste Wiederholung von Red Racer flackerte über den Bildschirm. Schon seit der 6. Klasse kannte Craig jede Folge auswendig. Und er hatte sie sich immer wieder angesehen. Wieso? Keine Ahnung. Es hatte ihm immer irgendwie gefallen, war ein Zeitvertreib, ließ ihn das Gefühl erleben, nie älter geworden zu sein. Doch nun regte sie ihn auf. Immer derselbe beschissene rote Rennwagen. Immer dieselbe nervtötende Titelmusik. Immer derselbe Mist an Storyline. Frustriert aufseufzend schmetterte er die Fernbedienung ins letzte Eck seines Zimmers und ließ sich auf sein Bett fallen.

Kein störendes Flimmern mehr. Keine begleitenden, fahlen Stimmen aus dem TV. Es war einfach still. Seit Stripe tot war, hatte der Schwarzhaarige permanent irgendetwas in seinem Raum, das Geräusche von sich gab, sei es der Fernseher, das Radio oder der Mp3 Player. Er war das Schaben am Käfig, das gelegentliche Quieken oder das Geklapper des Laufrades so gewohnt, welches er Tag und Nacht, Jahr ein Jahr aus, gehört hatte, dass er Stille schon gar nicht mehr aushielt. Nicht in seinem Zimmer.

Trotzdem ersehnte er sich nichts mehr, als Stille. Trotzdem hasste er nichts mehr, als Geräuschlosigkeit. Ab und zu fuhr draußen ein Auto vorbei. Jedes Mal nahm sich Craig vor, beim nächsten Auto vom Bett aufzustehen. Beim nächsten Auto nahm er seinen Blick von der Zimmerdecke. Sie war weiß, langweilig. Wenige Poster oder Bilder zierten den Raum. Keine Kinderbilder von ihm. Mal davon abgesehen, dass er sie spätestens im Alter von 15 Jahren aus Peinlichkeit abgehängt hatte – er hatte nie gezeichnet oder gebastelt als er klein war. Weder für sich, noch als Geschenk für seine Eltern.

Ein Auto rauschte auf der Straße vorbei.

Er war kein kreatives Kind. Er hatte lieber anderen bei solchen Arbeit zugesehen. Seiner Schwester oder Schulkameraden. Wenn es so still war, legte man viel mehr Wert auf das, was man sah. Craig war nie aufgefallen, wie unbekannt ihm sein Zimmer eigentlich war. Doch er wusste, dass er es kannte. Schon sein Leben lang. Wie fühlte sich das an, eines Morgens aufzuwachen und alles vergessen zu haben? Wirklich gar nichts mehr zu kennen…

Erneut fuhr ein Auto vorbei.

Es war helllichter Tag, es war Vormittag. Es war zwar kalt, doch die Sonne schien. Die meisten Kinder und Jugendlichen waren in der Schule. Eigentlich die perfekte Zeit um rauszugehen. Es würden ihm nicht viele Leute begegnen, jedenfalls nicht viele, die der Schwarzhaarige kannte. Warum lag er hier auf seinem Bett und ließ die Zeit einfach so an sich vorbei gehen? Weil er auf nichts Lust hatte. Weil er sich zu nichts aufraffen konnte oder wollte. Das Gefühl kannte Craig nur zu gut und es hatte ihn sein Leben lang nie gestört. Also wieso tat es das jetzt?

Das Brummen eines Motors war durch die geschlossenen Fenster zu hören und Craig erhob sich mit einem Ruck. Mit einem zweiten stand er auf seinen Beinen. Seltsam. Er wollte es nicht. Aber er stand trotzdem. Wenn er das schon einmal tat, dann könnte er gleich gehen. Irgendwo hin, vielleicht zu Sizzlers, oder einfach nur spazieren. Danach würde ihm schon etwas anderes einfallen. Die Stille hier hielt er jedoch keinen Moment länger aus.

Dabei war er selbst ein ruhiger Mensch. Konnte es sein, dass er nur deswegen so still war, weil er es gewohnt war, Geräusche um sich zu haben? Und sei es nur das Schaben eines Meerschweinchens. Vielleicht brauchte Craig das. Vielleicht brauchte er jemand, der sich nicht still halten konnte, der ständig irgendetwas von sich gab.

Einen Spast.

Vielleicht brauchte er das.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: Niche
2011-11-28T18:42:17+00:00 28.11.2011 19:42
OH GOTT!
Wie sehr Craig Tweek vermisst!
O_O
Der Arme tut mir echt leid
x_x
*ihm am liebsten in dne Arm nehmen wag, aber dafür wohl den Mittelfinger ernten würde* xD
Boah das ist echt heftig, wie scheiße Tweek zu ihm ist x_x
Craig tut mir ehrlich leid
Hoffentloch schafft er es ihn zurück zu holen >x<
Von:  Kenny-Mon
2011-11-28T18:21:49+00:00 28.11.2011 19:21
...irgendwie schon deprimierend wenn man selber dasitzt und sich denkt 'gleich steh ich auf gleich steh ich auf'
dann steht man doch mal auf macht den PC an freut sich übers neue kapitel und liest dann von einem anderen der sich sagt 'gleich steh ich auf gleich steh ich auf'
gruselig xDDDD
du hast meinen momentanen abendlichen Zustand perfekt beschrieben xD

und ich habe es aufgegeben unterm Fahrradfahren zu rätseln wie DAS weitergehen soll... armer Craig.. Tweek bemerkt nichtmal was er Craig antut..-.-'
irgendwie bekomme ich aggressionen ...ich würde Tweek gerne eine reinhauen und ihm gewaltsam Kaffee einflösen xDDDD

Je mehr Kapitel kommen umso mehr kann ich mich mit Craig idendifizieren :D

Ach ja , was wollte Craig Tweek eigentlich noch fragen? ---->*neugierig*
Von:  Innocent
2011-11-28T16:00:07+00:00 28.11.2011 17:00
Auf Arbeit war ich voll so: OMGOMGOMGOMG hoffentlich ist das Kapitel freigeschaltet wenn ich heim komme! *durchdreh*

:D und siehe da! Es ist freigeschaltet! *durchdreh*

Und wieder einmal tut mir Craig leid :( Er will Tweek nur helfen und der will das gar nicht. Wobei ich gar net verstehen kann wieso nicht, er weiß ja nicht mehr das er früher voll der Spast war ;-;' (nur aus erzählungen *drop*)
*hihi* Und wollte Craig wirklich danach fragen ob Tweek sich noch irgendwie an diese eine Nacht erinnert? xD Die vor dem Unfall?

Ach ich kann gar net warten bis zum nächsten Kapitel


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