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Die Klingen des Kaisers

von

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Attentat

Die Kaiserin kam, wie jetzt immer Sarifa bei sich, zurück in ihre Räumen, wo sie zu ihrer offiziellen Kämmerin freundlich meinte, sie könne sich doch ein wenig eine Pause gönnen. Das bezog sich natürlich auf deren eigentlichen Auftrag als ihre Leibwächterin, aber die Assassine gehorchte. So nett Anawiga auch war, so notwendig die Besprechungen für den Geheimdienst – eine Unterbrechung der aufgezwungenen Gemeinschaft war in der Tat gut für alle.

So verließ Sarifa den Palast, um sich mit einer Sänfte in die eigene Wohnung tragen zu lassen, und ein wenig zu üben. Das Luxusleben als Hofdame bekam ihrer Form nicht wirklich. Sie war gewohnt stundenlang jeden Tag zu üben und das gelang ihr in Gegenwart der anderen Damen kaum, nur in der eigenen Kammer im Palast, die jedoch bei Weitem nicht auf ihre Bedürfnisse ausgelegt war.

Erst nach vier Stunden harten Trainings besorgte sie sich Wasser zum Waschen und zog sich wieder das feine weiße Batisthemd über, das Kleid mit den kaum über die Schulter reichenden Ärmeln, wie es bei Hofe üblich war. Man zeigte sein Hemd. Allerdings verzichtete sie nach wie vor auf das Schnürmieder der feinen Gesellschaft und trug nur das deutlich kleinere, beweglichere, das zuhause für sie hergestellt worden war.
 

Als sie sich bei der obersten Hofdame der Kaiserin zurückmeldete, meinte donna Roswitha: „Ihre Hoheit hat sich hingelegt. Ich fürchte fast, sie benötigt mehr Ruhe.Aber der Hofarzt hat es ihr gestattet...“

„Ihre Hoheit ist ja nicht krank sondern schwanger,“ erwiderte Sarifa sofort: „Das ist doch etwas anderes.“

„Das behauptet Ihr nur, weil Ihr noch nie schwanger wart. Es ist zwar sehr ehrenvoll in hoffenden Umständen zu sein, aber doch....lästig.“

„Meine Mutter sagte etwas anderes – und sie hat sechs Kinder.“

„So ist Eure Mutter zu beneiden. Ich habe zwei – und ich bin froh, nun hier zu sein und meinen Gemahl selten zu sehen.“

Die Assassine bemerkte, dass sie das Gespräch mit der Älteren besser beenden sollte: „Wie lautet der Plan Ihrer Hoheit für heute noch?“

„Heute Abend findet ein Empfang, nun, eher ein Tanzvergnügen für die Botschafter statt. Mit einem Bankett. Der Kaiser wünscht ihre Anwesenheit.“

Nun, da war der Weg nur innerhalb des Palastes, dachte die Leibwächterin sofort, das sollte kein Problem werden.
 

Auf dem Weg von den Gemächern der Kaiserin in den Empfangssaal galt es durch einige Flure und Treppenhäuser zu gehen. Vor jeder Zwischentür stand mindestens ein Mann der Leibwachen. Wie sie es abgesprochen und schon öfter durchgeführt hatten, hielt sich Sarifa fast an der Seite der Kaiserin, aufmerksam nach vorn und beiseite sehend. Dahinter folgten gut zehn Damen, alle nun feierlich gekleidet, die Haare mit bestickten Bändern oder mit Perlen versetzten Nadeln empor gesteckt, die Kleider aus Samt, Brokat oder gar Seide. Anawiga selbst trug einen Kronreif auf dem hochgesteckten blonden Haar, dessen Steine selbst hier im Licht der Öllampen funkelten. An den Schultern ihres Kleides befanden sich geschliffene Bergkristalle, die wie Diamanten wirkten und den Botschaftern den Reichtum des Kaisers signalisieren sollten – denn von dessen Kasse hing auch seine militärische Stärke ab und solche Empfänge wurden gern für die Abschätzung der politischen Lage benutzt.

Die Assassine betrachtete den Flur vor sich, plötzlich angespannt, ohne jedoch sagen zu können, warum. Sie mussten hier nur kurz durch, dort vorn war die Haupttreppe – keine zehn Meter entfernt. Dort befanden sich nun auch Wachen, auch, wenn sie von hier unsichtbar waren. Sarifa war allerdings zu gut ausgebildet worden, um solchen Regungen des Unterbewusstseins keinen Raum zu lassen.

Sie schien zu husten: „Kju...“

Wie sie es vereinbart hatten reagierte Anawiga sofort. Kaum merklich hielt sie im Schritt inne, ließ sich in die Mitte der Hofdamen zurückfallen, scheinbar dort jemand etwas fragen zu wollen – ohne dass die Gruppe deswegen langsamer wurde. Inmitten der ahnungslosen anderen Frauen war sie zumindest gegen Pfeile oder andere Wurfgeschosse einigermaßen geschützt – und würde den kritischen Bereich bald verlassen haben. Falls dennoch ein Überfall geschah, würden alle Damen auseinander stieben – und mit ihnen die Kaiserin.

Sarifa dagegen wurde sich langsam bewusst, was sie störte. Alle Türen aller Flure bislang waren geschlossen – hier war eine jetzt neben ihr nur angelehnt. Sie öffnete sie vollständig und ruckartig – falls jemand dahinter stand, würde er sie an den Kopf bekommen.

Die Ahnung einer Bewegung, sie hörte den fast lautlosen Rückwärtssprung....

Es war dunkel in dem Raum und sie ging hinein, schloss die Tür wieder hinter sich, scheinbar an ihrer Kleidung nestelnd, als ob sie nur Schutz vor Blicken gesucht hätte, einen losen Haken ihrer Garderobe wieder befestigen wollte.

Ja, da war ein Mann, sie konnte das kurze, hastige Einatmen hören, als dem Unbekannten wohl bewusst wurde, dass jemand seinen Plan durchkreuzt hatte und blickte scheinbar erschrocken in die Dunkelheit: „Ist hier wer?“

Ein kaum wahrnehmbares Aufblitzen einer Klinge im Augenwinkel und ihr antrainierter Instinkt retteten sie. Sie sprang trotz des langen Hofkleides in eine Rolle vorwärts und das Messer, das auf ihre Schultern gezielt war, ritzte nur den Stoff. Als sie wieder stand, war ein Dolch in ihrer rechten Hand..

Verdammt.

Das war kein Laie. Das war mehr als knapp gewesen, sie konnte spüren, dass ihre Haut auf dem Rücken aufgerissen war und brannte. Wäre sie wirklich nur eine Hofdame – sie hätte keine Chance gehabt. Und er besaß einen ungemeinen Vorteil: seine Augen waren die Dunkelheit hier bereits gewohnt, während sie aus dem durch Öllampen beleuchteten Gang kam.

Dieser Raum hier wurde nur die die Fackeln am Erdgeschoss draußen im Hof erhellt – wobei Letzteres eine glatte Übertreibung war. Flackernde Helligkeit und nicht besser als in einer Sternennacht.....Sie musste Zeit gewinnen, damit sie sich an dieses matte Licht gewöhnen konnte.

„Seid Ihr...ein Assassine?“ Unwahrscheinlich – keiner ihrer Familie würde auf die Kaiserin losgehen, zumal, wenn sie die Leibwächterin war.

„Ihr schmeichelt mir,“ antwortete der Fremde: „Sagen wir, so etwas Ähnliches.“

„Also ein Meuchelmörder....“ Sie bemühte sich ihrer Stimme ein Zittern zu geben, aber da sie sich mehr als konzentrierte, blieb es beim Versuch. Gerade noch rechtzeitig erkannte sie, dass sie sich zu sehr seitwärts bewegt hatte und nun ihre Silhouette gegen das Fenster deutlich zu sehen war. Mit einem Satz war sie beiseite. Das Zischen der Klinge knapp neben ihr, die gegen ihr Herz gezielt gewesen war, jagte ihr einen kalten Schauder über den Rücken. Ja, das war ein Meisterkämpfer.

„Ein Dolch in der Hand einer Hofdame? Wie amüsant. Aber jetzt, meine Liebe, spiele ich nicht mehr. Mein Auftrag lautet, dass die Kaiserin heute Abend sterben wird. Und da Ihr mir im Weg steht....“ Er griff an.

Sarifa wich aus und wusste, dass er sie erneut nur um Haaresbreite verfehlt hatte. Langsam hatten sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt – aber das half nur wenig. Dieser in einen fast hautengen, schwarzen Anzug gekleidete Mann war größer und stärker als sie – und seine Zeitberechnung war praktisch fehlerlos. Ein Irrtum ihrerseits und sie war tot. Mochte der auch kein Assassine sein, er hatte auf jeden Fall eine exzellente Ausbildung im Messerkampf erhalten. Sie griff an - und wurde pariert. Sollte sie werfen? In diesem Dämmerlicht? Er war anscheinend fähig genug, dass er womöglich auch dem Wurf ausweichen würde – dann hatte sie zwar ein zweites Messer, aber sich selbst für wenigstens einen Sekundenbruchteil entwaffnet. Das konnte hier schon zu lang sein. Sie dachte nicht bewusst nach. Jahrelang antrainiert lief eine Analyse des Kampfes und seiner Möglichkeiten in ihrem Unterbewusstsein ab, während sie sich bemühte, dem nächsten Angriff auszuweichen und selbst eine Gelegenheit zum Zustoßen zu finden.

Ein gespenstischer Tanz in der Dunkelheit entstand – Ausweichen, schnelle Paraden und das Atmen beider wurde schwerer. Wenn der Unbekannte erstaunt war, hier auf eine Frau mit Kampferfahrung gestoßen zu sein, so zeigte er es nicht. Und Sarifa war klar, dass dieses Duell sie leicht das Leben kosten konnte. Er war schnell, sicher und mehr als gefährlich.

Wieder griff der Fremde an. Sie wollte Klinge auf Klinge parieren, erkannte zu spät, dass es eine Finte gewesen war, und er jetzt neben, schräg hinter ihr stand. Seine linke Hand packte ihre Schulter, während seine Rechte bereits ausholte. Ihr war klar, dass er ihr die Kehle durchschneiden wollte und reagierte mehr instinktiv, als sie ihre rechte Hand mit dem Dolch darin etwas vorzog. Sollte er doch annehmen, dass sie auf seine Waffenhand gehen wollte, während in Wahrheit ihr Daumen bereits den Auslöser drückte und die im Griff verborgene Klinge ausfahren ließ. Ruckartig stieß sie sie zurück.

Der Fremde taumelte ein wenig weg. Sie fuhr herum, müde, in ungewohnter Panik und stieß erneut zu, diesmal mit ihrem wirklichen Dolch. Ihr war klar, dass sie keine weitere Chance erhalten würde.

Eingedenk der Lehren, die ihr gepredigt worden waren, überprüfte sie rasch, ob er wirklich tot war, ehe sie ihr Messer in die Scheide unter dem rechten Hemdärmel zurücksteckte.

Keuchend starrte sie auf den Körper in diesem Dreivierteldunkel hinab und dachte nur daran, dass der um ein Haar geschafft hätte, was sich so mancher Meuchelmörder ersehnte: einen Assassinen zu töten. Er hatte die besten Chancen dazu besessen, zumal bei jenem ersten überraschenden Angriff aus der Finsternis.

Sie spürte, das sie zitterte, eine ungewohnte Reaktion bei ihr.

Dann jedoch besann sie sich auf ihre Pflicht und ging aus dem Zimmer, lief zur Treppe: „Wachen!“ Dort sollten doch welche stehen...ahja: „Dort in dem Zimmer...liegt ein Toter mit viel Blut!“

Zwei der Männer kamen sofort zu ihr: „Ihr seid doch eine Hofdame der Kaiserin, ma donna?“ Und da sie nickte: „Ihr seht blass aus. - Bleibt hier, dort ist ein Hocker. Wir sehen nach.“
 

Nur kurz darauf glich der Flur einem Ameisenhaufen. Sie erkannte Leutnant Guiskard, der Anführer der Leibwachen, der zu ihr kam: „Ma donna? Ihr seht sehr blass aus und zittert...Es war wohl ein Schock ihn so zu finden....? Soll ich Euch den Hofarzt rufen?“

„Nein, danke...Es geht sicher gleich wieder.“ Das fehlte noch, dass sie der Hofarzt untersuchen wollte und ihre Dolche entdeckte. Aber sie wusste, dass sie in der Tat noch immer ein wenig unter Schock stand, wenn auch aus anderen Gründen.

Der Leutnant, ein Mann Mitte bis Ende Vierzig, mit zurück gebundenen braunen Haaren, nickte ein wenig, ehe er sich verneigte. Das konnte nur bedeuten, dass der Kaiser kam, und Sarifa stand eilig auf, um sich ebenfalls zu verbeugen.

„Sie hat ihn gefunden, Euer Hoheit,“ meldete Leutnant Guiskard.

Der graue Blick des Kaisers betrachtete die Assassine: „Gehen wir dort in ein Zimmer. Dann erzählt Ihr mir alles, ehe Ihr Euch ein wenig hinlegt....“ Die Milde in seiner Stimme verschwand, als er die Tür hinter sich schloss: „Euer Bericht. - Nein, setzt Euch zunächst.“

Sie musste wirklich schlecht aussehen, dachte Sarifa zerknirscht, wenn der Kaiser vor ihr stehenblieb, aber sie nahm gehorsam auf dem einzigen Stuhl des Zimmers Platz, ehe sie sachlich erzählte, auch den seltsamen Kampf in der Dunkelheit. Am Ende blickte sie auf ihre zitternden Hände: „Ich verstehe es nicht,“ gestand sie: „Er war nicht der erste Mann, den ich getötet habe.“

„Aber womöglich wart Ihr nie zuvor so nahe dran selbst getötet zu werden,“ erwiderte Dagobert und legte seine Hand auf ihre Schulter.

Die Assassine wäre um ein Haar zusammengezuckt. Wollte er sie nun tadeln? Heimschicken? Fast vorsichtig blickte sie an ihm empor und erkannte zu ihrer Erleichterung ein Lächeln – es war das verständnisvolle Lächeln Uthers. Ja, sie waren Brüder.

„Wisst Ihr,“ fuhr er fort: „Es ist ein logischer Schluss. Ihr wart nur zu aufgeregt, um ihn zu ziehen. Dieser Mann war ein exzellenter Messerkämpfer. Jetzt ist er tot. Und Ihr habt ihn getötet. Die einzig zulässige Folgerung daraus ist: Ihr seid besser.“

Sarifa lächelte dankend. Ja, das war sie.
 

Der Kaiser öffnete die Tür: „Guiskard! - Ein Mann soll Prinzessin Sarifa zu den Gemächern der Kaiserin begleiten, damit sie sich erholen kann. Dort soll alles abgesucht werden. Auch hier. Eine solche Überraschung genügt.“

„Ja, Hoheit. - Prinzessin? Würdet Ihr mir bitte folgen?“

Sie erhob sich und versank in einem Knicks vor dem mächtigsten Mann des Reiches, der es immerhin in wenigen Worten vermocht hatte sie zu beruhigen.
 

Raoul, der den Zwischenfall von Dagobert unter vier Augen erfahren hatte, bemühte sich im Gewirr des Botschafterballes Michel zu finden und dem zu winken, selbstverständlich ohne dass es jemand mitbekam, schon gar nicht Markward und Konstantin, die ebenfalls eingeladen waren.

Der Agent folgte ihm sofort, wenn auch mit gewissem Bedauern seinen Flirt unterbrechend. Aber das sah nach einer alarmierenden Nachricht aus, die nicht warten konnte.

Raoul berichtete kurz.

Michel presste die Lippen zusammen. „Und meine Partnerin?“

„Seine Hoheit schickte sie in ihr Zimmer, wo sie sich ausruhen soll. Schon zur Tarnung, aber auch, weil sie wohl ein wenig mitgenommen war. Es scheint ein überaus knapper Kampf gewesen zu sein.“

„Hu,“ machte Michel: „Nun gut. Einem Anfänger wäre es nie geglückt so weit unbemerkt in den Palast vorzudringen. Das heißt, unser Gegner wollte dem Kaiser einen weiteren Schlag versetzen. Und das mitten dort, wo er sich sicher fühlt.“

„Meint Ihr nicht, don Michel, dass das wer anders sein könnte?“

„Raoul, zwei unabhängig voneinander operierende Verschwörergruppen, die so ausgezeichnete Informationen aus dem Palast besitzen, wären des Zufalls und vielleicht auch der Ehre zu viel. Nein, das war sicher derjenige, der uns schon so lange Kopfschmerzen verursacht. Die Frage dürfte nun sein, was er tut, nachdem dieses Attentat heute schief ging. - Wir müssen uns morgen besprechen. Weiß die Kaiserin schon, was passiert ist?“

„Sie wird es sich denken können. Prinzessin Sarifa gab ihr das Alarmzeichen und blieb allein zurück. Bislang war sie nicht wieder hier und der Kaiser wurde weggerufen. Ah, da ist er ja wieder.“

Michel und Raoul bemerkten, wie Anawiga ihren Gemahl anlächelte – durchaus mit einem Fragezeichen darin und konnten sich denken, was er leise meinte: „Alles unter Kontrolle, meine Liebe. Sarifa ist in Euren Räumen.“

Das Lächeln der Kaiserin, das nun dem Botschafter der Buroker galt, war ehrlich und herzlich.
 

Am folgenden späten Vormittag war wohl keiner der anderen Drei im Raum erstaunt, dass neben Anawiga auch Dagobert kam.

„Setzt Euch nur alle,“ meinte der Kaiser: „Sarifa, wärt Ihr so nett, noch einmal den Kampf zu berichten?“

Sie gehorchte.

Michel nickte etwas: „Das heißt mit anderen Worten, dass es einem Fremden gelang alle Sicherheitsvorkehrungen zu unterlaufen und in den Palast zu gelangen, dass er ganz genau wusste, welchen Weg die Kaiserin nehmen würde – und wo die Wachen standen. Alles Sachen, die nicht gerade in der Zeitung stehen. Aber schon in Lavinia und Emsby war uns bewusst, dass der Gegner gut informiert ist. Nur langsam glaube ich: zu gut. Er muss Informationen aus dem Palast bekommen.“

„Diener, Helfer...es ist unmöglich alle zu überprüfen,“ meinte der Kaiser: „Überdies ist nicht einmal gesagt, dass der, der geredet hat, überhaupt wusste, wem er da was sagt. Das Netz des Gegners ist überaus fein gesponnen – und es wird immer enger. Die Frage lautet nun: was tut er als Nächstes, da das Attentat fehl schlug und sein überaus geeigneter Mann ausfällt?“

„Ich würde ungern warten, bis er den Nächsten schickt,“ erklärte Anawiga und schob sich die Hände in die Ärmel – deutliches Zeichen ihres Unbehagens. „Nicht, dass ich Euch nicht vertraue, Sarifa....“ beteuerte sie eilig. Immerhin hatte ihr diese gestern Abend sicher das Leben gerettet.

„Ich denke kaum, dass er den Nächsten schickt,“ erwiderte die Assassine. „Dieser Mann war ein Spezialist mit dem Messer, davon können sie nicht so viele haben. Und er gab zu, dass er kein Assassine sei. Im Übrigen hätte ich ihn in diesem Fall erkannt.“

„Das ist auch meine Meinung, Hoheit,“ ergänzte Michel: „Ein Attentat mit einem Messer ist auszuschließen, gegen Gift sind sehr gute Vorkehrungen getroffen worden.“

Raoul seufzte: „Kein weiteres Attentat würde doch bedeuten, dass er seinen Hauptplan umsetzen will?“

Dagobert warf einen besorgten Blick auf seine Gemahlin, ehe er langsam nickte: „Es wird am besten sein, denke ich, wenn die Polizei verlautbaren lässt, dass eine unbekannte Leiche hier im Palast gefunden wurde, die erdolcht wurde. Der Gegner weiß, dass sein Mann nicht zurückkehrte – soll er doch rätseln, wer ihn umbrachte. Je unsicherer er sich fühlt, umso eher wird er Fehler begehen.“
 

Der Hauptmann der Meuchelmörder hatte in einem Einzelzimmer eines Gasthofes Bericht erstattet und wartete nun ein wenig besorgt auf die Reaktion seines Auftraggebers.

Dieser sah in die Kerzenflamme auf dem Tisch: „Ich bin sicher, Ihr habt Euren Mann gut ausgesucht.“

„Er war der beste Attentäter, ja, der beste Messerkämpfer, den ich je gesehen habe. Und selbst, wenn er einer Leibwache über den Weg gelaufen sein sollte, so wäre er mit dem fertig geworden. Ich verstehe es einfach nicht.“

„Dann lässt sich daraus nur ein Schluss ziehen, mein Bester: er traf jemanden, der in seiner Liga spielt.“

„Nun ja....Aber das ist unmöglich!“

„Er ist tot, nicht wahr? Und ein Messer war der Grund seines Ablebens. Also war es möglich. Und das wiederum bedeutet, dass es ein ebenso fähiger Meuchelmörder oder gar ein Assassine war, den er getroffen hat. Das allerdings legt den Schluss nahe, dass die Kaiserin an diesem Abend gleich von zwei voneinander unabhängigen Attentätern angegriffen werden sollte, die sich unseligerweise direkt begegneten. Hm. Jemand, der die Kaiserin zu beseitigen wünscht....Er mischt sich in meine Dinge ein.“ Assassine? Noch vor wenigen Monaten hätte er diese Möglichkeit als unwahrscheinlich ignoriert – aber da war eine junge Frau dieses Volkes im Schlafzimmer des Bischofs von Pavero gewesen.... Für wen arbeiteten die Assassinen? Gar den Kaiser? Davon hatte jedoch noch nie jemand gehört, und schon gar nicht er, obwohl er sich eines wirklich guten Spionagenetzes schmeichelte. Oder war diese junge Frau nur eine Imitation gewesen, eine Meuchelmörderin, die dem Agenten, der Michel de la Montagne befreien wollte, zufällig begegnet war? Hatte er noch Zeit das herauszubekommen?

„Eure Anweisungen?“ Immerhin war kein Tadel gekommen oder gar die Bemerkung, die Männer nicht mehr zahlen zu wollen, die einen Auftrag so verpfuschten.

„Ich werde Informationen einholen. Wir ziehen unseren ursprünglichen Plan vor. Der Tod der Kaiserin ist nicht mehr notwendig. Ein missglückter Angriff dürfte dem guten Kaiser doch auch ein wenig den Schlaf rauben. - Kommt übermorgen, dann werde ich Euch auch den Grundriss zeigen, wann und wo Eure Männer stehen sollen. Ich möchte nicht, dass jemand anderer mir zuvorkommt.“ Nicht jetzt, wo die Umsetzung seines jahrelang geschmiedeten Planes in so greifbare Nähe gerückt war – und schon zu viele Männer Bescheid wussten. Weder der Hauptmann noch einer der Anderen war so geartet, dass der unter Folter geschwiegen hätte. Nein. Der Punkt, an dem er nicht mehr zurück konnte, war überschritten worden. Es musste einfach gelingen. Und dazu gehörte nur noch herauszufinden, wann ein so genannter kleiner Empfang stattfinden würde – wenig Menschen, wenig Höflinge und noch weniger Wachen, aber das Kaiserpaar dabei.
 

**
 

Das nächste Kapitel bringt: Vorbereitungen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  fiZi
2013-01-17T10:24:35+00:00 17.01.2013 11:24
Es spitzt sich also immer mehr zu, nur noch wenige Tage bis der Hauptplan des Bösewichts in die Tat umgesetzt wird und er auf eine eventuell dementsprechend ausgelegte Falle treffen wird. Ich bin froh, dass Sarifa dieses durchaus knappe Duell übelebt hat, sogar unverletzt ist - so wird sie beim finalen Kampf ebenfalls ohne Einschränkungen zur Verfügung stehen können und die Chance, dass es gelingt, das perfide Spiel des Bösewichts zu stoppen wird sehr erhöht.
Ich freue mich auf den nächsten Teil und bin auf die "Vorbereitungen" die getroffen werden gespannt :-)
Von:  Cistus
2013-01-16T07:36:25+00:00 16.01.2013 08:36
Das war doch mal ein Schlag ins Kontor der Gegnerischen Seite. Nicht nur das diese einen erstklassigen Kämpfer verloren hat, nein zum einen wurden dessen Pläne etwas gestört und was noch wichtiger ist unsere Agenten wissen jetzt das er sehr genaue interne Kenntisse hat und das er näher sitzt als alle bisher dachten. Wenn unsere Helden ein wenig nachdenken werden sie schnell darauf kommen, wo der nächste mögliche Schlag des Gegners mit solch einem Wissen landen kann. Wenig Leute, wenig Wachen und das Kaiserpaar....? Die Schachpartie geht in die heisse Phase!

mfg
Cistus
Von:  Krylia
2013-01-15T22:39:30+00:00 15.01.2013 23:39
Huh. Also ist der Bösewicht tatsächlich nicht Konstantin. Aber er muss die Info über den Attentäter in dessen Schlafzimmer von ihm direkt erhalten haben, oder? Eigentlich hatte der ja nicht vor, es irgendwem zu erzählen.

Hmmm, mysteriös.
Von:  Teilchenzoo
2013-01-15T18:38:15+00:00 15.01.2013 19:38
Oha. Jetzt gehts in die Vollen.
Wie gut, dass das Attentat misslungen ist. Ich hätte weder Sarifa noch Anagiwa tot sehen wollen. Und wie gut, dass die Assassinen auf Seiten des Kaisers stehen.
Dieses Duell lief wirklich knapp ab, und ich hoffe, dass nicht noch mehr Messerstecher und Meister ihres Metiers kommen. Unwahrscheinlich, dass unsere beiden Agenten dann unbeschadet da rauskommen.
Der Kaiser und sein Geheimdienst machen sich also bereit, den Gegner abzufangen. Hm. Wäre es nicht gut, eine Falle zu legen, die nach einem Anschlag schreit?

Lg


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