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Die Klingen des Kaisers

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Kampf

In den ersten Sekunden berührten sich die Degen der beiden potentiellen Thronfolger fast weich und spielerisch. Beide tasteten sich ab, suchten die Strategie, die Kraft des Anderen.

Michel war ärgerlich über sich, dass er vergessen hatte, dass Markward ebenfalls durch die Schulen gegangen war, die er selbst besucht hatte. Er selbst war nicht auf der gewohnten Höhe seiner Fähigkeiten. Zwar waren die bei Uthers Tod wieder aufgerissenen Wunden am Rücken vernarbt, aber er hatte in dieser Zeit und auch aus Rücksicht auf seine neuen Pflichten im Geheimdienst nicht mehr geübt. Es musste eben reichen, was er in den vergangenen Jahren in manchmal harten Duellen gelernt hatte.

Der Kaisersohn war verblüfft über die Kraft, die Bewegungen eines Mannes, den er immer für einen parfümierten Narren und Wichtigtuer gehalten hatte. Jetzt erst fiel ihm ein, dass Michel de la Montagne ab und an auch bei den Leibwachen aufgetaucht war, als er dort widerwillig geübt hatte. Der Idiot war dann immer mit einigen erfahrenen Kriegern verschwunden – anscheinend zu einem besonderen Training. Das war lange her und er hatte es vergessen gehabt. Nun gut. Er würde dem verweichlichten Kerl dennoch zeigen, was er drauf hatte. Schon lange war der nicht mehr beim Üben gesehen worden, das hatte ihm Konstantin versichert und Konstantin irrte sich in solchen Fällen nicht. Er hatte ihn gefragt, ja, um zu wissen, ob ihm dieser Nichtsnutz bei Sarifa in die Quere kommen könnte. Er hatte einmal gesehen, wie dieser Hanswurst die Hübsche aus dem Süden umflattert hatte – und sie hatte dem zugelächelt. Brennende, bislang unbekannte, Eifersucht hatte sich in ihm ausgebreitet, wobei Markward zugab, dass er Sarifa Geschmack zutraute. Nun, gleich. Das hier war keine Übung sondern Ernst und mal sehen, was dieser Stutzer dazu sagte, wenn er die ersten Verletzungen abbekam. Denn das hier war kein Kampf, der mit einem Kratzer enden würde. Jetzt setzte Markward mehr Druck hinter seine Angriffe, erhöhte die Geschwindigkeit.
 

Die anwesenden Profis und auch die Männer, die nur mal eben so fechten gelernt hatten, erkannten, dass noch immer kein Ernst sondern mehr Abtasten hinter dem Duell steckte. Nicht weiter verwunderlich in einem Kampf auf Leben und Tod. Niemand konnte es sich da leisten zu früh seine Kräfte zu verschwenden. Allerdings hatte keiner der sonstigen Anwesenden die Ausbildung der Leibgarde durchlaufen. Dieser hätte sonst auch noch erkannt, dass es reine Trainingseinheiten waren, die sich Michel und Markward lieferten, Übungen, tagelang bis zur Perfektion geschult – für beide eine sichere Anwendung und bei einer Unaufmerksamkeit für den Gegner tödlich.
 

Dagobert hielt noch immer die Hand der Kaiserin, hatte sich jedoch einen Schritt zurück direkt neben sie begeben, schräg jetzt hinter Sarifa, schon, um der Assassine möglichst freie Bahn zu lassen, wenn....nun ja, wenn Markward gewann. Er wusste nicht viel über Michels Fechtkünste, aber ihm war klar, dass die beiden Kämpfer eigentlich auf demselben Technikstand sein sollten. Uther hatte freilich immer behauptet Michel sei einer der besten Degen des Reiches – war das der nur zu verständliche Stolz eines Vaters auf seinen äußerst wohlgeratenen Sohn gewesen oder die nüchterne Abschätzung eines Taktikers? Dagobert gab zu, dass er manchmal dieses Vater-Sohn-Verhältnis beneidet hatte. Obwohl sie beide eisern nach außen das Geheimnis bewahrten – sie arbeiteten zusammen, Michel verehrte seinen Vater förmlich, war intelligent und dem Reich sehr nützlich. Er selbst hatte manchmal gebetet, einer seiner Söhne möge, und sei es durch ein Wunder, ebenso werden. Jetzt hatte er mit Dankward zugegeben einen Ähnlichen – nur war der nicht am Reich interessiert, ja, durch seine...hm...Neigungen unfähig zur Thronfolge. Und nun dieses Duell....Er wusste nur zu gut, wenn Markward, wenn sein Ältester, gewann, würde die Sache für Anawiga und ihn selbst kritisch, Assassinen hin oder her. Konstantin würde nicht zögern, den direkten Angriff zu befehlen, da dem klar war, dass er und auch Markward nur dann um die Anklage wegen Hochverrates herumkämen. Verlor Markward....Wie weit würde Konstantin gehen? Würde er dennoch den direkten Angriff befehlen oder würde er hoffen, dass er nicht aufgeflogen sei? Sich noch herausreden könnte? Im ersteren Fall würde die Assassine gewiß den Bischof töten. Im Endeffekt hingen auch Anawigas und seine eigenes Schicksal von Michels und Sarifas Waffen ab.
 

Die Kaiserin war sich der Lage ebenfalls bewusst, auch, wenn sie überrascht war. Ihr fehlte der militärische Blick und so wusste sie nichts von Konstantins Beimischung. Sie rätselte nur, wieso ihr Stiefsohn, der zugegeben recht dumm und lästig schien, heute zu Hochverrat griff. Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass er das ominöse Genie hinter den ganzen Zwischenfällen der letzten Zeit, Graf Uthers Mörder, war. Aber er war ein Hochverräter und schon um sein eigenes Leben zu retten müsste er nun, falls er gegen don Michel gewann, Befehl geben, seinen Vater und auch sie umzubringen. Don Michel....ja. Als sie ihre Verblüffung darüber überwunden hatte, dass ihn Dagobert als seinen Neffen vorgestellt hatte, hatte sie plötzlich alles begriffen. Michels so deutlichen Schmerz über Uthers Tod, aber auch die Tatsache, warum er den dümmlichen Stutzer in der Öffentlichkeit spielte – jedoch ebenfalls, warum Raoul so oft zuerst don Michel, dann Hoheit, gesagt hatte. Ihr war es einmal aufgefallen und sie hatte darauf geachtet. Freilich hatte sie nur angenommen Raoul als alten Geheimdiensthasen störe es, dass nun eine Frau die Leiterin sei. Daran, dass er der Nummer Vier oder mittlerweile Zwei der möglichen Thronfolger höflich begegnete, dem potentiellen nächsten Kaiser, hatte sie zwangsläufig nicht denken können. Sie hatte don Michel in den letzten Wochen durchaus als intelligenten, nüchternen Mann kennengelernt und sie hoffte inständig, dass der das Duell gewinnen würde.
 

Sarifa hätte zwar gern dem Kampf zugesehen, aber mehr als einen raschen Seitenblick wagte sie nicht. Ihr Auftrag lautete, dass weder Markward noch Konstantin diesen Raum lebend verlassen durften, und, da sie annahm ihr Partner käme mit dem Kaisersohn zu Rande, ließ sie ihre Augen nicht von dem Bischof, der deutlich unruhig dem Duell folgte. War ihm klar, dass der Kaiser nun wusste, dass er hinter allem steckte? Auch hinter Uthers Tod? Denn nichts anderes konnte Dagoberts Befehl an sie bedeuten. Und Konstantin sollte bewusst sein, dass der Kaiser schon bei Hochverrat die Todesstrafe verhängt hatte – aber da war noch das qualvolle Sterben seines geliebten Bruders...Die Assassine glaubte, dass der Bischof den schnellen Untergang durch ihre Klinge schätzen sollte, falls es dazu kam.
 

Tatsächlich schwankte Konstantins Meinung. Montagnes Angebot eines Duells war überraschend gekommen – und, dass Markward darauf eingegangen war, war mehr als töricht. Sie hatten den Sieg hier schon praktisch in der Hand gehabt, schon in wenigen Minuten wären Dagobert und Anawiga tot gewesen, Markward der nächste Kaiser. Nun jedoch war dem Bischof klar, dass er seinen Männern nichts befehlen konnte – nicht, ehe das Duell beendet war. Überdies konnte man erst dann abschätzen, wie es weitergehen sollte.

Konstantin gab gern zu, dass er von den unerwarteten Fechtfähigkeiten des Kaisersohnes überrascht war. Er hätte daran denken müssen, immerhin war er selbst im ersten Jahrgang gewesen, der die Knappenschule abschloss und einigen von ihnen hatte Uther dann die Leibwachen angeboten. Ihm selbst nicht, war er doch für eine kirchliche Karriere, einen Abschiebeposten, bestimmt. Nicht, dass er Dagobert und Uther da nicht verstanden hätte. Er selbst hätte einen solchen potentiellen Thronfolger allerdings mehr oder weniger unauffällig aus dem Weg geräumt. Als ihm mit Mitte Zwanzig klar geworden war, dass es den beiden Brüdern genügte ihn nach Pavero geschickt zu haben, hatte er begonnen, sein Spionagenetz aufzubauen, Rache für seinen Vater und seine Verbannung in diese kleine Stadt zu suchen. Inzwischen hatte Dagobert wohl begriffen, dass es ein Fehler gewesen war ihn nicht zu töten. Menschen, die man nicht wieder sehen wollte, musste man eben umbringen. Er selbst hatte Uthers Tod befohlen, rein aus Vorsorge und um Dagobert einen schweren Schlag zu versetzen. Und er war sicher, Uther hätte das verstanden. Das war seine einzige Entschuldigung, angesichts der Tatsache, dass dies der einzige Tod war, der nötig gewesen war, er aber bedauerte. Denn der Kaiserbruder war seine gesamte Kindheit über sehr freundlich zu ihm gewesen.

Er selbst verstand wenig vom Fechten, aber er bemerkte, dass Markward vorwärts drängte, Montagne zurückwich, bemüht, die Distanz zwischen ihnen zu vergrößern. Der Grund war eine rote Rose, die sich an der rechten Schulter auf dem weißen Hemd ausbreitete. Dem Kaisersohn war es gelungen, dass sein Gegner als erster Blut zeigen musste. Hoffentlich würde er gewinnen. Das wäre dann wirklich einfacher – quasi ein Gottesurteil, dass er der rechtmäßige Thronfolger wäre. Damit war Dagobert jeder Ausweg versperrt und er würde entweder Markward anerkennen oder sterben. Konstantin gab zu, dass ihm beides recht war.
 

Michel bemühte sich ein wenig in Entfernung zu bleiben, um eine erneute Verletzung zu vermeiden, da er erst überprüfen wollte, wie tief der Degen seines Widersachers in seine Schulter gedrungen war. Mit gewisser Erleichterung stellte er fest, dass kein Muskel verletzt worden war, er seinen Arm noch immer frei, wenn auch nicht ganz ohne leichten Schmerz bewegen konnte, zusätzlich zu dem Ziehen im Rücken. Ihm war klar, dass er als erster Blut gezeigt hatte, Markward damit Selbstvertrauen gewonnen hatte, er konnte es an dessen Klinge spüren. Aber das bewies nur, dass der ein Narr war. Freilich würde er selbst vorsichtiger sein müssen, den nicht mehr unterschätzen. Aber es gab eine Chance für ihn. Riskant ,aber möglich, und er hatte guten Grund zu der Annahme, dass der Kaisersohn nicht wusste, was er wirklich alles konnte. Er würde jetzt angreifen, immer nach der gleichen Methode, bis Markward vermutete, dass sei sein Standardangriff und entsprechend seine Abwehr strukturierte. Dann....ja, dann würde er alles in einen einzigen Stoß setzen müssen. Denn entgegen seiner eigenen Annahme war der Mistkerl wirklich ein guter Fechter. Wenn auch offenbar nur in einer Turnierhalle. Das würde letztendlich den Unterschied machen.

So widerstand er dem nächsten Angriff, versuchte mit einer raschen Drehung seines Handgelenkes Markward zu entwaffnen. Das funktionierte nicht, aber damit hatte er auch nicht gerechnet. Es war nur der erste Teil seines Planes.
 

Agrar, der ebenso wie seine Stammesbrüder relativ unbesorgt dem Duell folgte, hatte das rasche Lächeln des Kaisersohnes gesehen als er mit seinem Angriff durchgekommen war, Michel verwundet wurde. Narr, dachte er. Er selbst hatte ihm die Wade durchstochen – und diese Verletzung, an der viele andere zusammengebrochen wären, hatte den Partner der Bluterbin nicht davon abgehalten, sich im nächsten Moment auf seine Kehle zu knien und zu siegen. Nein, mit so etwas wie einem Degenpiekser beeindruckte niemand Michel wirklich. Sollte jedoch Markward in der Tat siegen, was Agrar nicht glaubte, so war seine Entscheidung schon längst gefallen. Falls ihm Sarifa nicht zuvor kam, würde er eben diesen Kerl erledigen. Er schuldete Michel sein Leben. Und auch, wenn sich niemand in solch einen Zweikampf einmischen durfte, so blieb diese Ehrenschuld doch bestehen.
 

Markward achtete darauf sich nicht zurückdrängen zu lassen. Wie hätte denn das ausgesehen, wenn er sich von so einem parfümierten Nichts auch nur andeutungsweise hätte ins Bockshorn jagen lassen? Leider war dieser Montagne noch immer nicht müde, ja, schien irgendetwas vorzubereiten. Aber, was? So langsam sollten dem doch die Ideen ausgehen? Ja, das taten sie, stellte der Kaisersohn dann fest. Fast jedes Mal, wenn sein Gegner zu einem Angriff angesetzt hatte, hatte er mit dem gleichen Hieb begonnen, dann versucht ihn zu entwaffnen. Das würde er bestimmt das nächste Mal auch probieren....Markward war darauf vorbereitet und stieß direkt mit der Klinge vor, die Michels umwindend. Er war eigentlich sicher, dass er treffen musste, aber mit einer anscheinend instinktiven Abwehr schlug dieser Idiot seinen Degen beiseite.

Noch während der Kaisersohn hastig seine Waffe zurück zwischen sie beide bringen wollte, unangenehm überrascht, dass seine perfekte Attacke misslungen war, zog Michel seinen Degen aus dem Duell zurück, senkrecht, während er sich seitwärts drehte um dem nächsten Angriff Markwards zu entgehen.

Dieser riss förmlich seine Klinge zurück, als er sah, dass der Degen seines Gegners aus dessen Rechter fiel – nur, um mit der Linken aufgefangen zu werden. Das war doch der legendäre....! Er spürte den Stoß von schräg unten, mit links geführt, fühlte den scharfen Stich in sein Herz, noch während ihm sein Verstand zuschrie, dass er betrogen worden war. Überlistet, nicht besiegt! Niemand besiegte ihn...
 

Michel richtete sich auf und atmete tief durch, als er den Toten auf dem Hallenboden liegen sah. Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres hatte ihn Meister Leonardos Wurfstoß in einem Kampf gerettet. Er sollte wirklich eifriger üben – obwohl, als Thronfolger wäre ihm das wohl eher nicht mehr möglich und die Chancen auf ein Duell auch eher gering. Immerhin war ein Zweikampf mit dem Kaiser oder seinem Erben eigentlich Hochverrat. Ausgenommen natürlich, man besaß die Genehmigung des Kaisers.

Im nächsten Moment fuhr er herum, als Konstantin bereits die Schlussfolgerungen gezogen hatte und rief: „Tötet den Kaiser!“

Michel bemerkte, dass sofort die Bewaffneten, mit Ausnahme derer, die bei den Türen standen, los rannten und versuchte, wenigstens einen zu stoppen, zu einem Kampf zu zwingen, sicher, dass die Assassinen in seinem Rücken Dagobert und Anawiga beschützen würden. Und Sarifa konnte auf sich selbst aufpassen.

Dennoch schrie er fast gleichzeitig: „Das war Konstantin. Den brauchen wir lebend!“ Der war der Einzige, der dem Kaiser Auskunft über sein Spionagenetz und seine Verbündeten geben konnte. Und er war sicher, dass die Angehörigen seiner Partnerin ihn gehört hatten – und ihm gehorchen würden. Dann war nichts mehr wichtig außer der Klinge eines weiteren Gegners vor ihm.
 

Dagobert schob Anawiga hinter sich. Degen gegen Messer sah schlecht aus, dachte er – immerhin war die eine Reichweite deutlich länger als die Andere. Aber dann erkannte er rasch, dass die Assassinen immer mindestens zu zweit aufeinander eingespielt waren, trotz ihrer geringeren Anzahl durchaus ein Vorteil. Und Sarifa stand noch immer vor ihnen beiden, mischte sich nicht in das Getümmel. Wollte sie als letzte Sicherung bleiben? Oder ihre Rolle als Hofdame nicht aufgeben? Oder beides? Dagobert wusste es nicht. Er gab zu verwirrt zu sein, eine gewisse Trauer über den Tod seines Ältesten zu empfinden, aber auch Angst um sich und Anawiga. Die heutigen Erlebnisse würden in Ruhe noch einmal durchgegangen werden müssen Natürlich nur, falls er diesen Tag überlebte. Er versuchte in dem Gewirr der kämpfenden Männer vor sich etwas zu erkennen, eine Strategie, aber ihm fehlte der Überblick.

Erst scheinbar endlose Zeit später entdeckte er, dass die Saaltüren geöffnet wurden. Irgendwie war es anscheinend Assassinen gelungen dorthin vorzudringen und die Geharnischten dort zu verjagen oder zu töten. Jedenfalls bewirkte dies sofort, dass die Höflinge, Männer und Frauen, hastig den Saal verließen.

Er hörte den zittrigen Atemzug hinter sich und wandte eilig den Kopf: „Ruhig, meine Liebe,“ murmelte er: „Es...es ist gleich vorbei....“ Hoffentlich hielt sie durch, wurde nicht ohnmächtig oder verlor durch die Aufregung gar das Kind.
 

Mit einem Schlag wurde es still in der noch eben vom Kampflärm erfüllten Halle. Die Widersacher trennten sich voneinander und Dagobert erkannte den Grund.

Spät, aber nicht zu spät: Guiskard und Männer seiner Leibwache. Hastig schrie er: „Helft den Assassinen!“ Woher sollten sie auch wissen, wer auf welcher Seite stand? Einige Tote beider Parteien lagen am Boden und er bemühte sich, sich so vor die Kaiserin zu stellen, dass sie sie nicht sehen konnte. Konstantin war niedergerungen worden, im Griff zweier Assassinen. Sie schienen tatsächlich auf Michel gehört zu haben, dass er seinen entfernten Cousin lebend wollte. Vernünftig gedacht. Sein Neffe eben. Konstantin war der Einzige, der Auskunft geben konnte. Ganz sicher hatte er niemanden eingeweiht. Und der Bischof würde reden, das schwor sich Dagobert. Er wollte wissen, warum Uther sterben hatte müssen, noch dazu auf diese Art, warum Chilperich, wer die Verbündeten waren, die Spione.
 

Dann war alles vorbei. Kaum einem der Angreifer war es gelungen aus dem Saal zu entkommen, die meisten waren verletzt, aber lebendig. Dennoch waren von den fünfzig Männern zwölf tot, die meisten an der Hallentür. Dort lagen auch zwei Assassinen. Sarifa war etwas besorgt, wer, aber sie wagte noch nicht ihren Platz vor dem Kaiserpaar zu verlassen. Das tat sie erst, als die Leibwachen alle, auch Konstantin gefesselt hatten, sie aus der Halle führten. Sie trat zu Fürst Moussa, der soeben Bericht erhielt.

„Ich freue mich, dass ihr kamt,“ sagte sie: „Wer …?“

Ihr Onkel sagte die Namen. Natürlich kannte sie sie, aber sie war doch erleichtert, dass es keiner ihrer Brüder war. Aber alle ihrer Bekannten und Verwandten waren mehr oder weniger verletzt. „Wie ein Krieger leben und wie ein Krieger sterben,“ murmelte sie den alten tröstenden Spruch ihres Volkes in solcher Lage.

„Du hast dich ja fein rausgehalten,“ meinte jemand hinter ihr und sie fuhr herum.

„Shahin!“

Ihr zweitältester Bruder hielt sich den linken Oberarm, sichtlich verletzt, lächelte jedoch: „Schon gut. Du bist die Leibwächterin der Kaiserin, die letzte Verteidigung. Es wäre töricht gewesen deinen Platz zu verlassen. Du willst sicher wissen, wie wir herkamen? Amir, Mahedj und ich haben seit Tagen die Lage hier erkundet. Wie du weißt, hat unser Volk für den Tod deines Auftraggebers und um Michels Willen dem Mörder den Krieg erklärt. So wollte Onkel eine gewisse Menge an Männern hier haben. Während wir voraus erkundeten, kamen einer nach dem anderen einzeln nach Paradisa, meldeten uns, wo sie waren. Als Amir heute morgen feststellte, dass praktisch die gesamte Leibgarde abzog, wurde er misstrauisch und wir teilten Onkel dies mit. Er schickte daraufhin Mahedj aus um alle zusammenzurufen. Unser kleiner Bruder muss wirklich schnell wie eine Gazelle über die Dächer gelaufen und gesprungen sein. Wir kamen rechtzeitig.“

„Die Kaiserin geht...ich sollte wohl hinterher.“ Aber sie bemerkte den Wink des Kaisers und blieb. Er verstand, dass sie mit ihrer Familie reden wollte.

Michel kam heran: „Ich muss zugeben, ich habe mich gefreut, dass ihr kamt,“ meinte er: „Nette Überraschung, Fürst Moussa.“

„Die Überraschung lag auf unserer Seite,“ erwiderte dieser: „Thronfolger und der nächste Kaiser?“

„Ich habe davon auch erst fünf Minuten früher gehört.“

„Das werden wir noch besprechen!“ Sarifa funkelte ihren Partner an.

„Das ist mir klar, mein Engel.“ Michel kannte sie: „Ein wenig später, allerdings. Ich vermute, der Kaiser möchte noch mit deinem Onkel reden.“

Denn Dagobert hatte den Bericht Leutnant Guiskards – und dessen Entschuldigung, auf Markward und Konstantins falschen Angaben hereingefallen zu sein – angehört und kam nun heran. „Meinen Dank den Assassinen,“ sagte er: „Ich hoffe, Ihr habt Eure Rettungsaktion nicht mit zu vielen Leben bezahlt.“

„Zwei, bislang,“ erwiderte Moussa sachlich, ehe er kurz wiederholte, was Shahin bereits erwähnt hatte – warum sie hier rechtzeitig waren.

„Hm,“ meinte der Kaiser: „Ich vermute, ich sollte mich freuen, dass es einigen Eurer Männer gelang den Palast auszuforschen. Aber irgendwie muss ich die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen. - Wie lange bleibt ihr noch in Paradisa? Ich würde mich freuen, einmal Sarifas Volk näher kennen zu lernen.“

„Wir werden, sobald klar ist, welche Verletzungen schwerer sind und diese einigermaßen geheilt, wieder in den Süden reisen. Keine Aufmerksamkeit. - Danke, Euer Hoheit. Aber wir sind lieber die Schatten. Sarifa wird jedoch hier bleiben.“

„Das hoffe ich. Ich habe eine wichtige Aufgabe für sie.“ Dagobert bemerkte, dass die Toten bereits aufgenommen wurden: „Dann sage ich lebt wohl.“

„Danke, Hoheit. Ihr wisst ja, wie man uns finden kann.“
 

Konstantin betrachtete ein wenig frustriert die schwere Tür seiner Einzelzelle. Licht fiel nur durch einen schmalen Spalt oben knapp unter der Decke. Seine Männer samt dem Hauptmann hatten die Wachen in einen größeren Raum zusammen gesperrt. Ihm war dagegen der zweifelhafte Luxus des Alleinseins gewährt worden, nachdem ihn die Leibgarden vollständig ausgezogen hatten. Ohne Zweifel auf gesonderte Anweisung des Kaisers. Dagobert kannte ihn und war vorsichtig – er hatte sicher zu Recht vermutet, dass er in seiner Kleidung Gift trug, um bei einem Scheitern des Umsturzes sein Leben selbst und rasch beenden zu können. Jetzt saß er hier, mit einer unbequemen, kalten und schweren Schelle um den Hals, damit an die Wand gefesselt. Immerhin hatten sie ihm noch eine Hose aus grobem Leinen zugeworfen. Konstantin zögerte jedoch sie anzuziehen. Er wusste nicht, wer das zuvor getragen hatte und überhaupt....Allmählich wurde ihm jedoch klar, dass Bequemlichkeit und persönlicher Stolz wohl zu den Dingen gehörten, von denen er sich für den kurzen Rest seines Lebens verabschieden musste.
 

**

Das nächste Kapitel bringt: Michels Geschichte....



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Teilchenzoo
2013-02-12T11:23:48+00:00 12.02.2013 12:23
Puh.
Alles gut gegangen. Erfahrung im Kampf auf Leben und tod ist eben was anderes als Turniere und Übungen ... und wer schon gegen Assassine gekämpft und überlebt hat ... aber ich bin sehr froh, dass es so gekommen ist und es nur wenig auf unserer Seite zu betrauern gibt.
Ich bin mal wirklich gespannt, wie Michels Rolle nun weiter aussieht. Wird er Thronfolger bleiben oder kommt er noch aus der Sache raus?

Nun, Sarifa ist sicher nicht begeistert, aber ich denke, der Grund, das geheim zu halten, ist ziemlich gut, also wird sie es sicher verstehen.

Lg
Von:  00schnepel8
2013-02-07T10:57:13+00:00 07.02.2013 11:57
Oh Michel, da hast du ein nettes Gespräch vor dir ^^.Sarifa ist eindeutig sauer, aber das wird schon.

Es ist beruhigend zu wissen, dass Markward selbst dann gestorben wäre, hätte Michel versagt.
Und ich fand es sehr erheiternt zu lesen, wie sich alle ernsthafte Sorgen um den Ausgang des Duells machten und nur die Assansine ruhig blieben und Michel vollkommen vertrauten...

Die Nachricht über diese Ergeignisse wird sich wie ein Lauffeuer verbreiten, sind doch die Zivilisten im Saal getürmt.Und sicher werden sie da mit anderen drüber reden wollen und so wird sich das ganz schnell verbreiten.Ich wäre neugierig zu hören wie sich der Kampf am Ende der Tratschkette anhört.Warscheinlich war Michel am verbluten und schaffte es mit einem letzten tollkühnen (er war tatsächlich tollkühn) Schlag Markward zu töten und bla bla bla... :)

Ich bin gespannt auf das nächste Kapitel...
Von:  Krylia
2013-02-06T09:14:55+00:00 06.02.2013 10:14
Hach, ich habe immer noch ein breites Grinsen auf dem Gesicht, wann immer ich mir Konstantin in seiner Zelle vorstelle, hehehe....
Tja, ich bin eben keine Heilige.

Im nächsten Kapitel geht es dann wohl wieder ruhiger zu. Ich freue mich schon auf das Gespräch zwischen Michel und Sarifa. Sie scheint scheint ja recht eingeschnappt zu sein...
Von:  fiZi
2013-02-05T20:43:32+00:00 05.02.2013 21:43
Juchu, habe den ganzen Tag schon ungeduldig auf das Kapitel gewartet, und da ist es! Der Anschlag wurden abgewendet und alle (wichtigen Leute) haben überlebt - da fällt mir ein Stein vom Herzen.
Jetzt bin ich schon sehr auf Michels Geschichte gespannt, warum er nicht offiziell als Uthers Sohn leben konnte :-)
LG
Anne
Antwort von:  Hotepneith
06.02.2013 16:44
*Blumenstrauß überreicht*

Vielen Dank für den zweihundersten Kommentar zu dieser Geschichte. es freut mich sehr, dass eine eigene Geschichte solch einen Anklang findet.

Udn natürlich hoffe ich, Michels Begründung - oder eher die, die ihm geliefert wurde - ist pausibel:)

bye

hotep


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