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Mephisto

von

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1

PROLOG
 

Gehetzt betrat der Kontrollinspektor den Besprechungsraum. Der gestrige Abend hatte sich wie üblich in die Länge gezogen, weswegen sein Schlaf eher bescheiden ausgefallen war. Er war zuerst wie üblich in den großen Hörsaal einmarschiert, da er dort mehrere Polizeianwärter erwartete, doch dort hielt nur einer seiner Kollegen eine Ansprache zum Thema Rassismus. Wenn der Kontrollinspektor sich jedoch dessen Zuhörermenge ansah, konnten diese gut seine Jungs gewesen sein. Die Gruppe der zukünftigen Anwärter war in den letzten Monaten erstaunlich geschrumpft, besonders nach der kommissionellen Dienstprüfung war nur noch gut ein Dutzend der Jungs übrig geblieben. Jedoch würden noch mehr auf ihn warten. Der Kontrollinspektor entschuldigte sich für die Störung und erinnerte sich erst dann an seinen gemieteten Raum. Er seufzte und stieg die Treppe zum vierten Stock hoch. Er marschierte den Gang entlang auf eine weiße Doppeltür hin, auf der das Schild ‚Besprechung’ klaffte. Der Beamte riss die Tür auf und wollte eine Entschuldigung herauskrächzen. Die Blicke, die ihn daraufhin trafen, ließen jedoch kein einziges Wort zu. Schräg gegenüber saß eine Gruppe uniformierter Personen, die warten zwar gewohnt waren, doch scheinbar nicht in solcher Situation. Mindestens zwei trampelten mit ihren Füßen auf den Paketboden, ein anderer schlug immer wieder seine Daumen beisammen. Natürlich gab es auch welche, die ganz ruhig waren. Diese wussten entweder, dass sie den Test mit Bravour bestanden hatten… oder eben nicht. Der Kontrollinspektor murmelte ein Morgen heraus und begab sich dann an einen breiten Tisch, von dem aus er Überblick auf alle Absolventen hatte.

„Meine Damen und Herren. Ich weiß heute ist für Sie der Tag der Tage. Die Stunde der Stunde. Die Minute… nunja, ich weiß, dass Sie alle unter Druck stehen. Ich habe die Prüfungen ausgewertet und kann Ihnen sagen, dass Dreizehn von Ihnen positiv abgeschnitten haben.“

Leises flüstern und Getuschel wurde hörbar. Es waren 19 Personen im Raum anwesend. Minus dem Kontrollinspektor würden 5 die Polizeischule, die so genannte SIAK verlassen müssen. Das war für manche schwerer als für anderer. Ein Jahr durften sie ihre Stühle wärmen und dem Kontrollinspektor und dessen Kollegen zuhören. Das zweimonatige Praktikum war schon angenehmer. Zu diesem Zeitpunkt verließen einige die Schule. Der siebenmonatige Hauptteil war für viele eine Freude, aber dass sie danach noch abgelehnt werden konnten war für viele ein Schock. Einige redeten sich gut zu und glaubten so eine Prüfung locker bestehen zu können. Der Kontrollinspektor packte seinen Koffer auf den Tisch und ließ die Scharniere knacksen. Er holte mehrere Dokumente heraus und starrte seine Schüler durch seine dickrandige Brille an. Scheinbar zierte er sich. Er hatte bereits viele Absolventen und jedes Mal bedauerte er, dass es einige nicht schafften. Für diese gab es sicher anderer Alternativen, aber so kurz vor dem Ziel zu scheitern war für niemanden leicht.

„Ich mache es kurz und schmerzlos, keine Sorge. Ich lese jetzt alle Dreizehn Namen vor. Diese werden dann den Rang eines Inspektors erhalten und der Verwendungsgruppe E2b zugeteilt.“

Noch bevor er den ersten Namen nannte schwenkte sein Blick in die Richtung eines jungen Anwärters. Dieser hatte sowohl Hände, als auch Füße verschränkt und wirkte sehr aufmerksam. Keine Spur von Zweifel, dass er es vielleicht versiebt haben konnte. Alles an diesem Anwärter stimmte. Die Ärmel hatten dieselbe Länge, die Uniform hatte keine Knicke, das Abzeichen saß gerade. Der Name des Anwärters lautete Christian Hartmann. Der Kontrollinspektor sah gerade ihn an, da er der einzige mit einer vollen Punktzahl war. Das hatte er bis jetzt nur einmal erlebt. Bei seinem Vorgesetzen. Hartmanns Kameraden entging der Blick nicht, aber er überraschte sie auch wenig. Bereits als der erste Fuß des Kontrollinspektor durch die Türe war, war klar: Hartmann hatte es geschafft. Es war unklar wieviele Punkte er haben würde, aber er wäre der beste der Abschlussklasse gewesen. Neben Hartmann saß sein inzwischen bester Freund Sebastian Fleischer, der ihm mit der linken Hand auf die Schulter klopfte. Sebastian hätte sich gewünscht die Gelassenheit seines Freundes gehabt zu haben. Er war sehr nervös. Chris wollte ihm ein paar beruhigende Worte zuflüstern, doch das erledigte sich. Der Kontrollinspektor hatte ohne jegliche Vorwarnung begonnen die Namen vorzulesen.

„Sebastian Fleischer“, war gleich der erste in der spärlichen Liste gewesen.

„Ich verzichte hier darauf die Ergebnisse mitzuteilen, soviel sei gesagt.“, hängte er noch dran. Sebastian hob die Hände in die Höhe und stieß einen stummen Siegesschrei aus. Am liebsten wäre er seinem Kumpel nun in die Arme gefallen, aber das wäre wohl etwas zuviel des Guten gewesen.

„Karl Henning.“, las der Kontrollinspektor weiter. Ein weiterer guter Freund von Sebastian und Chris, der nun ein Handschlagritual mit Sebastian abhielt. 10 weitere Namen folgten. 8 Männer und zwei Frauen. Als nur noch ein Name auf der Liste stand wurden alle panisch. Sie bissen sich auf die Lippen und hatten Angst wegen ihrem lauten Herzschlag den Namen nicht richtig zu verstehen. Alle Blicke waren auf Chris gerichtet. Es konnte nur er sein. Aber Hoffnung starb zuletzt. Und in diesem Fall starb sie langsam und qualvoll.

„Christian Hartmann.“, sagte der Kontrollinspektor und packte seine Liste wieder ein.

„Herr Hartmann, Sie haben als bester abgeschnitten, ich hoffe, Sie würdigen das.“, meinte er. Dass er erwähnt hatte, die Ergebnisse außen vor zu lassen, interessierte nun niemanden mehr. Einige schrieen wütend, wofür sie den Scheiß überhaupt mitgemacht hätten, wenn sie nun im Regen standen. Die Vernünftigen verließen Schulter hängend den Raum. Der Kontrollinspektor wurde arg beschimpft, bevor auch noch der letzte gescheiterte Anwärter ging. Sebastian gönnte sich nun endlich die Umarmung mit seinem Freund, in der sich Karl ebenfalls einklinkte. Nach dem Trubel räusperte sich der Kontrollinspektor und nahm seinen Koffer.

„Wenn Sie hier fertig sind, melden Sie sich bitte in Raum 08-A.“, erwiderte er noch, bevor er zur Tür schritt. Chris erreichte ihn noch rechtzeitig und reichte ihm die Hand.

„Vielen Dank.“, erlaubte er sich als einziger. Der Kontrollinspektor schüttelte den Kopf und wehrte ab.

„Nein, mein Junge, Sie haben alles selbst geschafft.“, sagte er und verschwand dann durch die Doppeltür. Chris wurde kurz darauf ebenfalls hinausgedrängt. Hinter ihm ein Siegeszug aus zukünftigen Polizisten. Sebastian und Karl stoppten erst am nächsten Kaffeeautomaten. Sebastian griff in seine Hosentasche, sah dann aber zu Chris. Dieser schmunzelte und holte seine Geldbörse hervor.

„Du hast es verdient.“, zeigte er sich gnädig. Chris öffnete die Geldtasche und Karl gelang ein flüchtiger Blick auf ein Bild. „Deine Kleine?“, grinste er. Sebastian streckte seinen Kopf dazwischen, wehrte aber ab.

„Leider nur seine Schwester.“, schien er das Bild bereits zu kennen. „Nette Schwester!“, hob Karl die Augenbrauen.

„Und du wirst sie nie kennen lernen.“, fügte Chris lächelnd hinzu. Hinter einem blonden Mädchen, das nur wenig jünger als er selbst war, standen auch zwei ältere Personen, die eindeutig Chris Eltern darstellten.

„Bald kannst du dir neue Bilder reinstecken. Blonde, Schwarze, Brünette…. Ach Gott, als Polizist kriegst du sicher mehr ab als sonst.“, meinte Sebastian, immer noch in Extase. Chris wehrte sanft ab.

„Du hast ja Ansichten. Würde mich nicht wundern, wenn du nur deswegen Polizist werden wolltest.“ Sebastian schüttelte den Kopf. „Dann wäre es mir kaum gelungen diese hässliche Prüfung zu bestehen. Der Alte hat zwar nichts gesagt, aber ich habe es sicher nur knapp geschafft. Bin ja kein Chris Hartmann.“, entgegnete er. Chris schüttelte den Kopf.

„Stell dein Licht nicht unter den Scheffel.“, erwiderte er. Sebastian schüttelte den Kopf. „Nene, du wirst uns noch alle überflügeln. Chefinspektor, Dienststellenleiter, Polizeipräsident…“, schwärmte er Chris vor.

Dieser weigerte sich soweit voraus zu denken. „Mal was anderes.“, versuchte Karl das Thema zu wechseln.

„Wo gehen wir eigentlich feiern?“, wollte er wissen. Sebastian lachte.

„Alles schon geregelt. Ich habe bereits den Club ausgesucht.“, antwortete er. Karl grinste. Sebastian hatte nichtmal gewusst, ob er dabei war. Naja so hatte er zumindest ein gutes Karma.

„Ich kann nicht.“, mischte sich Chris ein. Böse blicke folgten. „Weißt du eigentlich, was wir im letzten Jahr durchgemacht haben?“, meinte Sebastian ihn erinnern zu müssen. Chris nickte schnell.

„Schon aber meine Familie wusste natürlich im Vorfeld, dass ich bestehen würde und hat auch das dementsprechende Essen vorbereitet.“, erklärte er sich. Sebastian wiegte mit dem Kopf. „Kein Problem. Auf der Partie werden wir sowieso nichts futtern. Nur saufern und strippende Mädels anstarrten.“, verriet er.

„Sagt der zukünftige Polizist.“, hängte Karl dran.

„Komm einfach später nach, die Partie geht ohnehin meistens erst später los.“, schlug Sebastian vor. Chris war einverstanden und kam erst dann dazu Sebastian die 50 Cent zuzuschieben. Er vertagte sich auf später und fuhr mit seinem Wagen direkt zum Haus seiner Eltern. Er war bereits ausgezogen, nur seine Eltern und seine Schwester lebten noch dort. Chris stellte den Motor ab und warf einen Blick ins Innere. Merkwürdig. Sowohl das Wohnzimmer, als auch die Küche lagen in Dunkelheit. Seine Familie hatte angekündigt für ihn zu kochen, sowas konnten sie also nicht vergessen. Die einzig logische Erklärung war demnach ein Stromausfall. Chris marschierte in die Einfahrt und verengte seine Augen. Die Haustür stand weit offen. Gut, seine Mutter hatte Angewohnheit sie im Sommer offen zu lassen, auch wenn Chris das für unklug hielt. Aber im Vorraum brannte Licht. Doch kein Stromausfall. Chris’ Schritte wurden nun schneller, so dass er das kleine, aber geräumige Einfamilienhaus betrat und sich umsah. Der Boden, als auch der Teppich waren voller Schmutz. Stiefelabdrücke. War jemand zu Besuch? Kam noch jemand zum Essen, von dem seine Eltern ihm nichts gesagt hatten? Nein, die Spuren führten aus dem Haus hinaus.

„Mama? Papa? Hannah?“, rief der in die dunklen Zimmer. Er schritt voran und setzte seinen Fuß zuerst in die Küche. Nur der Mond, der inzwischen aufgegangen war erhellte sie. Auf dem Essenstisch standen vier Teller in der Mitte ein Topf aus dem Chris’ Lieblingsgeruch kam. Kürbissuppe. Rauch schwoll auf, sie war also noch warm. Chris’ schlug auf den Lichtschalter. Mit dem Strom war also alles in Ordnung. Auf der Theke, neben der Abspüle lagen zwei Bretter mit je Gemüse und Fleisch. Der Hauptgang war noch nicht zubereitet worden. Seine Eltern schienen das Haus schnell verlassen zu haben. Hatte sich einer von ihnen verletzt? Hatte es etwa irgendwo im Haus gebrannt? Zweiteres konnte Chris ausschließen. Dennoch begann er nun sich ernste Sorgen zu machen. Die nächste Station war das Wohnzimmer. Dort versuchte er den Lichtschalter zu ertasten, hatte aber Probleme. Er verzichtete darauf, als er seine Eltern und Hannah endlich erblickte. Sie saßen rund um den Wohnzimmertisch. Seine Eltern auf zwei breiten Stühlen und seine Schwester auf der gemütlichen, grasgrünen Couch. Chris war irritiert. Normalerweise war seine Mutter strikt dagegen im Wohnzimmer das Essen einzunehmen. Außerdem hatte sie es bereits in der Küche angerichtet, also wieso?

„Mama?“, fragte er verwirrt. Sowohl seine Eltern, als auch seine Schwester saßen mit dem Rücken zu ihm. Chris tapste näher und stolperte fast. Erst jetzt konnte er dank dem Mondlicht, das durch die Terrassentür fiel mehr erkennen. Plötzlich wurde er panischer, als bei seiner Prüfung. Seine Mutter, sein Vater und seine Schwester saßen zusammengesackt da. Den Kopf hängend und ihre Arme hinter dem Stuhl verschanzt. Diese waren mit dicken Seilen an das Stuhlbein gebunden worden.

„Mama! Papa! Hannah!", schrie Chris nun ernsthaft besorgt. Er fischte ein Taschenmesser aus seiner Hose und schnitt das Seil, das die Hände seiner Mutter fesselte los.

„Mam…“, wollte er sagen, doch durch das Entfernen des Seils, verlor die Frau den Halt und fiel zu Boden. Chris kniete sich hin und hob seine Mutter an den Schultern hoch. Als er sein Gesicht sah, schreckte er zurück. Er hob seinen Kopf und starrte nun auch seine Schwester und seinen Vater an, die in derselben Position dasaßen.
 

Genervt wählte Sebastian zum fünften Mal Chris’ Nummer. „Was ist denn mit ihm?“, fragte ihn Karl im alkoholisierten Zustand. Sebastian deckte sich mit einer Hand das linke Ohr ab. Beim achten Klingeln regte sich endlich etwas. Es wurde abgehoben. „Chris endlich! Ich versuche dich schon seit Uhrzeiten zu erreichen! Du, wir warten schon alle auf dich. Hier sind megascharfe Bräute und Unmengen Alk.“, schrie er in den Hörer. Es dauerte etwas, bis Chris antwortete.

„Du, Sebastian… Ich… ich werde nicht kommen können.“, sagte eine leise Stimme. Normalerweise hätte Sebastian ihn angeschrieen, doch an seiner Stimme merkte er, dass irgendwas passiert sein musste. Er hörte ein Knallen und rief etwas in den Hörer, dass Chris nicht verstehen konnte. Dieser hatte seine Hand nämlich fallen gelassen. Er war noch immer im Wohnzimmer, diesmal kauerte er jedoch in einer Ecke. Nichtmal das Mondlicht gab etwas von seiner Gestalt preis. Dafür aber von seiner Familie. Knapp zehn Zentimeter vor Chris lief ein Spalt im Paketboden entlang. In dieser Spalte rann nun eine rötliche Flüssigkeit entlang. Direkt an Chris vorbei und endete in einer Lache, die Chris beim hereingehen unmöglich hatte sehen können. Es war beinahe beruhigend. Wie ein Wasser, das heruntertropfte und in eine Quelle mündete. Doch es war ja kein Wasser. Sondern Blut.
 

Kapitel 1

Warum die Hölle im Jenseits suchen? Sie ist schon im Diesseits vorhanden, im Herzen der Bösen.
 

Ackermann schrie und das Echo antwortete ihm. Diesmal jedoch nicht, weil ihm jemand Schmerz zufügte, sondern weil er sich seine Haut an dem festen Seil, dass seine Hände an den Eisenrohren fixierten aufgerieben wurde. Blut rann seinen Unterarm entlang und tropfte auf seine nackte Brust. Ein Hemd trug er nicht mehr. Dieses lag nämlich etwa einen Meter von ihm entfernt. Völlig verschließen und zerschnitten. Mit einem Messer war es von Ackermanns Hals bis hin zu seiner Hüfte durchtrennt worden. Denn Fetzen hatte sein Entführer schließlich weggeworfen. Am ersten Tag hatte er es dabei belassen. Ackermann fror diese Nacht. Aber nicht aus Kälte, sondern aus Angst. Bereits, als er wieder zu sich kam und gefesselt an einem Heizungsrohr hing wusste er, wie sich der weitere Verlauf gestalten würde. Dabei hatte alles so harmlos angefangen. Seine Sekretärin war an ihn getreten und hatte sich erkundigt, wie lange er sie noch brauche. Ackermann war ein Nachtmensch und arbeitete für gewöhnlich tief in sie hinein. Sie schickte seine Sekretärin nach Hause und begutachtete noch eine Stunde seine Formulare. Schließlich gähnte er und verließ sein Büro. Er schloss ab und fuhr mit dem Lift ins Parkhaus. Es standen nur noch wenige Autos in den Nischen und Ackermann brauchte nicht lange, bis er seines gefunden hatte. Er zog seinen Schlüssel und öffnete damit das elektronische Schloss. Er stieg ein, schlug die Tür zu und wollte sich vorbeugen um den Schlüssel ins Zündschloss zu stecken. Daraus wurde nichts. Er spürte plötzlich ein schmerzhaftes Ziehen um seinen Hals. Etwas schnürte ihn zu. Aus den Augenwinkeln heraus erkannte er zwei Hände, die in kohlrabenschwarzen Handschuhen steckten. Sie hielten etwas. Eine Schnur, so vermutete Ackermann. Diese schnürte immer mehr um seinen Hals. Ackermann bekam kaum noch Luft und erst als sich seine Augen nach oben vertreten und er sein Bewusstsein zu schwinden drohte, schnürte die Schnur ab. Ackermann hustete und rang flehend nach Luft. Doch die Schnur war nicht das einzige Grauen, das ihn heute erwarten sollte. Eine der schwarzen Handschuhe hielt plötzlich etwas in der Hand. Ein länglicher, gläserner Behälter. Eine Spritze! Ackermann bekam Panik. Alles Mögliche konnte sich darin befinden. Angefangen von einem harmlosen Beruhigungsmittel, bis zu Heroin und bis hin zu einem Gift. Ackermann wusste, dass er es nicht soweit kommen lassen durfte. Wenn ihm sein Angreifer erst einmal etwas von dem Inhalt injiziert hatte war es vorbei. Dann hatte er keine Chance mehr. Die Fahrertür war nicht abgeschlossen und so tastete Ackermann verzweifelt nach dem Griff. Doch seine Sicht war durch den kurzen Sauerstoffmangel dermaßen verschwommen, dass seine Hand nur in der Luft herumschwebte. Es war zu spät. Die schwarze Hand fuhr nach unten und bohrte die Nadel in Ackermanns Hals, dicht unterhalb der Halsschlagader. Der Inhalt leere sich und drang in Ackermanns Blutbahn ein. Es dauerte nichtmal 20 Sekunden bis Ackermanns Pupillen sich nach oben richteten und er schlaf zusammensank. Was dann geschah wusste er selbstverständlich nicht. Ob der Angreifer ihn in einen anderen Wagen gepackt, oder seinen eigenen benutzt hatte war schwer zu sagen. Ackermann wusste nichtmal wie lange er geschlafen hatte, bis er in seinem dunklen, dreckigen Verließ aufwachte. Seine Beine waren mit einem dicken Bergsteigerseil zusammengebunden, sowie seine Hände. Während er seine Beine bewegen konnte, waren seine Hände völlig eingeschränkt. Direkt über ihm leuchtete eine Glühlampe, die den Kerker erhellte. Schwarze, unverputzte Wände starrten Ackermann entgegen. Der Geruch von Asbest und Fäulnis drang in seine Nase. Er befand sich in einem Keller, aber in welchem? Er schien ziemlich groß sein, vielleicht der eines Kaufhauses oder einer Lagerhalle. Da hörte er zum ersten Mal die Schritte. Ackermann wusste damals nicht, wie er darauf kam, aber ihm kam die Idee, dass der Unbekannte Stiefel tragen musste. Er hörte das Knarren und Quietschen einer schweren Tür, die er aber nicht sehen konnte. Wenig später kam sein Entführer um die Ecke gebogen.

„Meine Frau hat mir bei der Scheidung alles genommen! Sie wird nicht für mich zahlen!“, redete Ackermann auf den Entführer ein. Dieser reagierte nicht, sondern setzte seinen Weg fort. Ackermann erkannte ihn nicht. Erst als der Entführer unter die Glühlampe trat konnte Ackermann einen Aufschrei nicht mehr unterdrücken. Mit den Stiefeln behielt er Recht. Der Entführer trug alte, abgenutzte Kleidung. Unter dem Mantel waren Spuren eines karierten Hemdes auszumachen. Die schwarzen Handschuhe trug er immernoch. Das schaurige war sein Gesicht. Er besaß keines. Darum hatte Ackermann auch einen derartigen Schock erlitten. Erst bei genauerem hinsehen sah er klarer. Das Gesicht des Entführers schien vollkommen von Haut überwuchert worden zu sein. Wie Unkraut, das eine Hauswand in Beschlag nahm. Sie überzog den Mund, die Nase und auch die Augen. Ackermann erkannte Löcher, die kleine, stechende Augen preisgab. Es konnte sich nur um eine Art Maske handeln. Diese zog sich vom Kinn, über die Haare und schließlich bis zum Hinterkopf. Bis auf die Löcher war sein ganzer Kopf darunter begraben.

„Wieso tun Sie das?“, war Ackermann nun den Tränen nahe. Wäre er heute nur früher gegangen oder hätte noch etwas länger gearbeitet.

„Ich habe wirklich kaum Geld!“, schwor er. Sofern sich in diesem Moment im Gesicht des Entführers etwas regte war es Ackermann unmöglich das zu sehen. Die Augen visierten ihn weiterhin an. Nun kniete sich der Entführer hin und zog etwas aus der Manteltasche. Erst als Ackermann ein Messer aufblitzen sah schrie er um sein Leben. Mehrere Hilfeschreie folgten, auf die der Unbekannte nichts erwiderte. Die Breitseite des Messers strich über Ackermanns Kinn, der steif sitzen blieb. Er sah selbst ein, dass eine Bewegung unratsam gewesen wäre. Nun begann der Unbekannte Ackermanns Hemd aufzutrennen. Er zog ihm den Fetzen aus und warf ihn weg. Ackermann begann zu schwitzen und flehte den Entführer an, doch Vernünftig zu sein. Dieser strich wieder mit der Breitseite des Messers über Ackermanns Wangen. Erst über die linke, dann die rechte. Dann stand er auf. Ohne etwas zu sagen steckte er sein Messer wieder ein und verließ den Keller mit demselben Tempo, wie er gekommen war. Ackermann war nicht wirklich erleichtert. Sollte das bedeuten, dieser Psychopath wollte ihn nicht umbringen? Wollte er wirklich Lösegeld? Ackermann betete dafür. Und wurde enttäuscht. Ackermann verlor an Kraft und schlief schließlich ein. Er wurde wieder von der schweren Tür geweckt. Er versuchte sich zu orientieren und hätte heulen können, als er sich wieder an alles erinnerte. Vor ihm stand wieder der Entführer. An seinem Äußeren hatte sich nichts geändert. Noch immer trug er die schaurige Maske, die sein Gesicht verdeckte. Ackermann hätte nur der Figur her sagen können, dass es sich um einen Menschen handelte. Dieser vollzog sein Ritual wie zuvor. Er kniete sich hin und zog das Messer. Wieder strich er über Ackermanns Kinn. Wieder begann er zu schneiden.

„Ahhh.“, konnte Ackermann einen gewaltigen Aufschrei nicht unterdrücken. Ohne Vorwarnung – nicht, dass der Psychopath, eine hätte abgeben müssen – drang die Spitze der Klinge in die Haut des Geschäftsmannes ein. Kurz oberhalb der rechten Brustwarze.

„Bitte! Also gut, ich habe Geld!“, änderte er schlagartig seine Meinung.

„Aber nicht im Land, es kann also etwas dauern!“, sprudelte es aus Ackermann heraus. Der Unbekannte zog die Klinge schräg nach oben und Ackermann bis die Zähne zusammen. Seine Hände schnüren sich noch mehr zusammen, blieben jedoch festgebunden. Nun vollzog der Maskierte einen schnellen Schnitt nach unten. Blut floss aus und rann zu Boden. Da hatte der Maskierte etwas aus seiner Hosentasche geholt. Ein Glas in dem sich etwas Weißes befand. Er öffnete den Deckel und ließ den Inhalt über Ackermanns Oberkörper rasseln. Es war Salz. Ackermann schrie weiter und versuchte aus der realen Welt zu flüchten. Der Maskierte rieb mit seinem Handschuh sein Werk zu Recht. Das Salz hatte die Blutung verlangsamst, was ihm nun ermöglichte weiter zu machen. Wieder kam das Messer zum Einsatz. Zwei gezackte Bögen wurden in die linke Hälfte von Ackermanns Oberkörper geritzt. Und wieder kam kurz darauf das Salz zum Einsatz. Ackermann schlug immer wieder seinen Kopf gegen die Kellerwand, in der Hoffnung endlich das Bewusstsein zu verlieren. Als er auf seinen Körper sah, erstarrte er. Dreizehn. Es war tatsächlich eine Dreizehn. Der Psychopath hatte tatsächlich die Zahl Dreizehn in seinen Brustkorb geritzt. Ackermann wusste nun, dass er es mit einem Verrückten zu tun hatte und ihn dieser nicht laufen lassen würde. Ackermann einzige Hoffnung war die Polizei. Aber wusste diese überhaupt wo er war? Besaß sie bereits eine Spur? Oder ahnten sie noch nichtmal etwas von seinem Verschwinden?

„Willst du leben? Oder willst du sterben?“, drang nun die heisere Stimme des Verrückten hervor. Durch die Maske wirkte sie dumpf, aber nicht weniger bedrohlich. Ackermann kannte die Stimme nicht.

„Bitte lass mich leben!“, bellte er ihn beinahe an. Er glaubte ein kurzes Nicken seitens des Mannes zu sehen. Dieser steckte sein Messer wieder ein und begann zu gehen.

„Oh Gott!“, stieß Ackermann aus. Kurz bevor er verschwand, drehte sich der Maskierte um. „Nein.“, warf er ihm zu. „Mephisto.“, schien er ihn korrigieren zu wollen. Ackermann starrte ihn gedankenlos an. Am nächsten Tag kam ‚Mephisto’ wieder. Diesmal schnitt er beide Arme Ackermanns der Länge nach auf. Nur so tief, dass er keine wichtigen Adern verletzte. Am Ende fragte er Ackermann wieder.

„Willst du leben? Oder willst du sterben?“

Ackermann sah ihn erschütternd an.

„Hören Sie doch bitte auf!“, jammerte er. Der Maskierte wiederholte seine Frage.

„Ich will leben verdammt nochmal!“, brüllte ihn Ackermann mit letzter Kraft an. Der Maskierte nickte und verließ den Raum. Am dritten Tag kehrte er zurück. Diesmal begann er langsam Ackermanns Fingerkuppeln abzutrennen. Zuerst an der linken, dann an der rechten Hand. Ackermann jammerte und flehte. Als seine Hand bald nichts weiter als ein blutiges etwas war, hielt der Maskierte Ackermanns Kopf mit seiner schwarzen Hand fest. Seine stechenden Augen sahen direkt in die von Ackermann. Wieder stellte er die Frage.

„Willst du leben? Oder willst du sterben?“ Als Ackermann sich zierte zu antworten drückte er dessen Kinn fest an, damit dieser endlich etwas sagte.

„Bitte.“, krächzte der Geschäftsmann.

„Hör bitte auf. Mach bitte ein Ende.“ Der Maskierte zog seine Augen zusammen.

„Dann willst du, also sterben?“, hakte er nach. Ackermann gab ein Summen von sich.

„Ja. Bitte lass es enden.“, bettelte er. Der Maskierte nickte. Ackermann spürte nun endlich den erlösenden Stich in sein Herz. Seine Augen bekamen einen fast frohen und glücklichen Ausdruck. Das bildete sich zumindest der Maskierte ein. Er säuberte nochmals Ackermanns Brust, damit seine Zahl auch deutlich zu lesen war.

„Noch Zwölf.“, murmelte er.
 

Kapitel 2

Zeit existiert nicht, es existiert nur das Jetzt.
 

„Feierabend.“, schob Chris demonstrativ seinen Stuhl zu Recht. „Fast.“, hielt Damir seine Freude zurück und zeigte in Richtung Tür. „Dieser Reimer, Reiner, oder wie auch immer hat sich für heute noch angekündigt.“, erklärte er. Chris schüttelte den Kopf.

„Ohne mich. Ruf ihn an und vertröste ihn auf morgen.“, bat er seinen Kollegen um einen Gefallen, welchen Damir jedoch abschlagen musste.

„Is’ schon da, kommt gerade die Treppe hoch. Er hat sich vor wenigen Sekunden über die Sprechanlage angekündigt.“, gab er an. Chris warf seinen Kopf in den Nacken.

„Ade Feierabend.“, seufzte er und hörte kurz darauf das erwartete Klingeln. „Ich lass dich dann mal allein. Will meinen Feierabend ja auch genießen.“, rieb sich Damir die Hände. Chris sah ihn verstohlen an.

„Du gehst und ich darf noch Bleistifte spitzen?“, fühlte er sich im Stich gelassen. Damir schmunzelte.

„Dein Fall. Worum geht’s eigentlich?“, hakte er nach. Chris winkte ab.

„Kannst du dir doch denken. Worum es immer geht.“, erwiderte er. Damir nickte.

„Sehen wir uns dann nachher im Shelter? Ich gebe dir dafür einen aus.“, bot er an. Chris bestand sogar darauf und Damir schritt zu Tür. Er riss seinen Mantel vom Kleiderständer und öffnete die Tür. Er begrüßte den Klienten und bat ihn herein. Kurz darauf verließ er die Detektei. Chris sah durchs Fenster. Es hatte zwar noch nicht geschneit, aber der Winter war definitiv eingebrochen. Er würde sich demnächst wohl auch dickere Sachen zulegen müssen. Er beschloss sich demnächst eine gemütliche Jacke zuzulegen.

„Herr Hartmann, so reden Sie doch!“, war Chris vollkommen entgangen, dass sich der Klient bereits auf den Stuhl vor seinen Schreibtisch gesetzt hatte.

„Achja, Herr Reiner!“, begrüßte er ihn. Der Klient hustete. „Reimer.“, korrigierte er. Chris musste schmunzeln.

„Und? Wie schautes aus? Hat’s die Nutte gewagt mich übers Ohr zu hauen?“, fragte Reimer scharf. Chris bat ihn erst einen ruhigeren Ton einzuschlagen.

„Herr Reimer, ich muss Ihnen in der Tat mitteilen, dass sich Ihr Gefühl bestätigt hat.“, antwortete Chris im Takt. Er wusste nicht, wie oft er diesen Satz in diesem Monat bereits runtergeleiert hatte.

„Ich habe das Privatleben Ihrer Frau Gemahlin unter die Lupe genommen und bin zum Schluss gekommen, dass Sie derzeit eine Affäre mit ihrem Arbeitgeber, Kurt Ritter führt.“, sagte er gefühllos und reichte Reimer einen Umschlag. Dieser war offen, aber Reimer schien es dennoch für nötig zu befinden ihn aufzureißen. Mehrere Fotos purzelnden heraus. Reimer musste sich nur eines ansehen, um wieder einige hässliche Wörter auszusprechen.

„Ich hab’s Ihnen gesagt, Herr Hartmann! Oder?“, fuhr er Chris an. Dieser versuchte seine Gesichtszüge so zu verschieben, dass es nach Anteilnahme aussah.

„Ja, das haben Sie Herr Reimer.“, erwiderte er kühl. Einige seiner Klienten zogen es vor sofort zu bezahlen und dann wütend das Gebäude zu verlassen und sofort einen Scheidungsanwalt hinzu zu ziehen. Reimer war keiner dieser Leute. Er war mittleren Alters, schick angezogen und vermögend. Das war auch der einzige Grund, warum Chris den ‚Fall’ annahm.

„Wissen Sie, was sie mir erst heute gesagt hat? Sie muss länger arbeiten! Da konnte ich mir im Prinzip schon vorstellen, was damit gemeint war. Eigentlich waren Ihre Untersuchungen von Anfang an unnötig!“, warf er Chris vor. Dieser nickte brav. „Wenn ich sie jetzt wegen der Zahlung unterbrechen darf….“, versuchte er sein Glück, doch Reimer redete nicht weiter. „Wissen Sie, was ich mache? Wegen dem Haus wird’s schwierig, aber mit dem Konto lässt sich einiges machen! Bei der Scheidung geht sie jedenfalls leer aus. Clever, von mir, oder?“, fragte er mehr sich selbst, doch Chris nickte wieder. Dann klingelte es erneut. Chris vermutete Damir, wer sonst würde so spät stören?

„Entschuldigen Sie mich.“, stand Chris auf und ließ Reimer mit seinem Frust allein. Chris ging betont langsam, damit sein Klient Zeit hatte sich abzuregen. Er öffnete die Tür und erwartete einen grinsenden Damir draußen zu stehen. Fehlanzeige. Er sah nur noch blau.

„Herr Hartmann?“, wurde er sofort gefragt. Chris nickte nicht, sondern musterte die beiden uniformierten Polizeibeamten, die vor seiner Tür standen.

„Könnten Sie uns etwas Zeit einräumen?“, fragte der Ältere der beiden. Chris schwenkte seinen Blick in Richtung Reimer.

„Tut mir Leid, ich habe gerade einen Kunden.“, gab er an. Aber anstatt zu gehen, versuchten sich die Beamten in die Wohnung zu drängen. „Wir warten solange im Wartezimmer, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“, schien der Ältere darauf zu bestehen. Chris seufzte und schlenderte zu Reimer zurück. Dieser war inzwischen aufgestanden.

„Was würden Sie mit so einer Schlampe anstellen?“, fragte er Chris erbost.

„Das weiß ich nicht. Sind wir dann fertig, oder wünschen Sie noch etwas?“, fragte er sanft. Reimer überlegte.

„Nein, es sei den, Sie sind auch Anwalt.“, meinte Reimer, erwartete aber keine Bestätigung. Er zog sprichwörtlich seinen Hut und verließ das Büro.

„Schicken Sie mir die Rechnung. Aber bitte vor der Scheidung.“, warf er noch zurück. Er würdigte den Beamten, die es sich inzwischen im Wartezimmer bequem gemacht hatten keinen Blick, sondern stürmte einfach aus der Detektei. Diese sahen nun aber interessiert zu Chris. Dieser winkte die beiden widerwillig herein. Er bot ihnen einen Stuhl an, doch sie verzichteten.

„Sie müssen mit uns kommen.“, platzte der Ältere gleich heraus. Chris konnte nicht sagen, ob er Kroate wie Damir war, oder doch Tscheche.

„Bin ich verhaftet?“, hakte Chris unsicher nach. Sofort schüttelten beide Beamte den Kopf.

„Nein, so meinten wir das nicht. Unser Dienststellenleiter möchte mit Ihnen wegen eines privaten Grundes reden.“, erklärte der Ältere geheimnisvoll. Chris presste die Lippen zusammen.

„Und natürlich ist er so beschäftigt, dass er nicht selber kommen kann.“, sagte er selbstsicher. Zu seiner Überraschung bestätigten es ihm die Beamten.

„In der Tat. Der Herr Dienststellenleiter meinte, dass er Sie von früher kenne und Sie in einer wichtigen Angelegenheit sprechen müsste. Wenn Sie akzeptieren, würden wir Sie sofort zur Dienststselle in Penzing fahren.“, erklärte er. Chris fühlte sich überrumpelt.

„Ich kenne Ihn von früher?“, kam er auf diesen Teil zurück. Der Ältere bejahte.

„Herr Fleischer meinte, Sie beide wären gemeinsam auf der Polizeischule gewesen.“, gab er an. Der jüngere hatte noch immer keinen Ton gesagt.

„Alles in Ordnung, Sir?“, fragte er schließlich, als er Chris’ heftige Reaktion sah.

„Fleischer? Was will er?“, fragte Chris perplex. Er hatte Sebastian seit fünf Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen. Zuletzt hatte er einen Streit mit seinem Freund in Erinnerung. Er bekam mit, dass der Psychologe Sebastian bat mehr Zeit mit seinem Freund zu verbringen. Chris warf Sebastian vor es gar nicht ernst mit der Freundschaft zu meinen und die beiden trennten sich im Streit. Chris hatte nicht erwartet je wieder von ihm zuhören. Aber wenn er so zurückdachte, war Sebastian wahrscheinlich das einzige an Familie, das ihm geblieben war. Und das er ebenfalls verlor. Also was wollte er jetzt? Vor allem nach dieser ganzen Zeit? Kein Anruf, keine E-Mail war seit damals eingegangen.

„Hat er gesagt, was er will?“, hakte Chris nach. Der Ältere schüttelte den Kopf.

„Nein, nur dass es sehr wichtig sei.“, entgegnete er. Chris nickte langsam.

„Gut, ich begleite Sie. Ich muss vorher nur noch einen Anruf tätigen.“, erklärte er. Die Beamten bedankten sich und warteten vor der Tür. Chris informierte Damir, dass er nicht kommen konnte und entschuldigte sich. Dann verließ er zusammen mit den Beamten die Detektei Hartmann & Maletic, die er und Damir vor zwei Jahren gegründet hatten.
 


 

Kapitel 3

Für Teufel ist es einfach sich als Engel zu tarnen, da sie von ihnen abstammen.
 

„Unsere Zellen sind voll.“, rief ein Beamter, als Chris aus dem Polizeiwagen ausstieg. Der Jüngere, der gefahren war, winkte ab.

„Nur sowas wie ein Zeuge.“, rief er zurück. Chris hatte davon nichts mitbekommen. Er stand vor der Polizeidienstelle und seufzte. Er hätte einer der Uniformierten sein können, vielleicht sogar Sebastian.

„Hier entlang.“, redete ihn einer der Beamten an und Chris folgte brav. Sie durchquerten eine Schiebetür und wanderten eine Treppe nach oben. Sie waren in den Büroräumen angekommen. Chris folgte den beiden bis zum Ende. „Dienststellenleiter Sebastian Fleischer“, las Chris in Gedanken. Nun bekam er erste Zweifel. Hätte er die Einladung wirklich annehmen sollen? Der Ältere klopfte und ein Herein war die Folge. Die Tür öffnete sich vor Chris und gab das Innere preis. „Herr Hartmann ist hier.“, informierte er seinen Vorgesetzten. „Vielen Dank. Gehen Sie an Ihren Posten zurück, ich benachrichtige Sie, wenn Herr Hartmann zurückgefahren werden möchte.“, brummte er. Der Beamte nickte und verschwand mit seinem Kollegen hinter der nächsten Ecke. Chris zierte sich das Büro zu betreten.

„Ich beiße nicht mehr.“, versuchte Sebastian einen Scherz zu machen. Chris nickte und betrat das Büro. Es sah ordentlich aus. Selbst Sebastians Schreibtisch war tiptop. Erst jetzt erblickte Chris den zweiten Mann, der vor den eckigen Fenstern des Büros stand und eine Akte las.

„Ignorieren Sie mich.“, sprach er, ohne Chris anzusehen. Erst jetzt erkannte dieser die Aufschrift auf der Akte. „Christian Hartmann“ Chris runzelte die Stirn. Seit wann besaß er eine Akte? Sebastian deutete auf einen Stuhl. Chris setzte sich und fühlte sich Unbehagen. Normalerweise nahm er auf der anderen Seite des Schreibtisches platz.

„Lange nicht gesehen.“, begann Sebastian. Chris nickte.

„Sehr lange.“, zeigte er Geduld. Sebastian strich sich übers Kinn. „Fünf Jahre. Und acht Jahre seit… naja. Du hast dich scheinbar verändert.“, schien er auf Chris’ Kinnbart anzuspielen.

„Du meinst seit damals?“, hakte Chris nach, obwohl er schon verstanden hatte. Sebastian wehrte ab.

„Versteh das bitte nicht falsch! Ich wollte dich damals nicht so sitzen lassen.“, versuchte er sich zu Erklären. Chris versuchte nun schnell das Thema zu wechseln, bevor er noch mehr an die Vergangenheit erinnert wurde.

„Du hast dich auch ziemlich verändert.“, meinte Chris und deutete auf Sebastians Bauch. Dieser lachte künstlich und schlug darauf.

„Ich bin jetzt Familienvater musst du wissen. Ich weiß, ich sollte mich nicht so gehen lassen, aber…“, nun fiel ihm das Bild seiner Familie wieder ein, welches schräg zu Chris stand. Sofort ergriff er es und stellte es in seine Schublade.

„Schon gut, Sebastian, wir sind beide erwachsene Männer.“, erwiderte Chris. Sebastian nickte ertappt.

„Also warum bin ich hier?“, wollte Chris zum Punkt kommen. Sebastian sah nun zu dem Mann am Fenster.

„Es ist dienstlich. Es hat mit einem deiner Fälle zu tun.“, schweifte er aus. Chris reagierte überrascht.

„Mit einem meiner Fälle? Ich vertrete doch nur gehörnte Ehemänner. Ab und zu mal ein Diebstahl oder Körperverletzung.“, wies er darauf hin. Sebastian nickte und eine Pause entstand. Dann entschied er sich die Sache anders anzupacken und deutete auf den Mann am Fenster.

„Das ist…“, wurde er sofort unterbrochen.

„Chefinspektor Ben Jäger. Bundeskriminalamt.“, stellte er sich selbst vor. Chris wollte ihm die Hand reichen, kam aber nicht dazu.

„Wo waren Sie letzten Montag zwischen 12 und 15 Uhr Nachmittags?“, kam er direkt zum Punkt. Wieder eine Frage, die Chris auch stellen hätte können, wenn er bei der Polizei geblieben wäre.

„Wenn soll ich den erschossen haben?“, konterte er. Jäger schmunzelte aber nicht.

„Ich sagte nicht, dass ich von der Mordkommission wäre.“, erinnerte er. Chris zuckte mit den Schultern.

„Ich wollte Sie nur beeindrucken.“, gab er an. Jäger legte die Akte auf den Tisch. Es war tatsächlich sein Name, der in dicken schwarzen Buchstaben darauf stand und mit einer roten Linie unterstrichen worden war. Darunter stand eine Fallnummer. Chris hätte sich beinahe schon geehrt gefühlt, wenn er gewusst hätte worum es ging. Ihm war bewusst, dass Jäger nicht nochmal fragen würde, weswegen ihm Chris einfach die Antwort schenkte.

„Im Büro. Mein Partner und ein Klient können das bestätigen.“, antwortete er. Doch Jäger schien noch nicht fertig zu sein.

„Und vor zwei Tagen? Selbe Zeit?“, hakte er weiter nach. „Noch ein Mord?“, spielte Chris den Nüchternen. Danach folgte dieselbe Antwort.

„Chris…“, begann Sebastian wieder.

„Du ließt doch Zeitung, oder?“, begann er. Chris nickte.

„Auch die… naja… Verbrechen?“, drückte er sich blumig aus. Chris starrte ihn an.

„Der tote Politiker?“, hakte er nach, obwohl Sebastian das eigentlich nicht meinen konnte. „Vor einer Woche wurde eine 19-jährige tot im Park des dritten Bezirks aufgefunden. Nackter Oberkörper und überseht mit Schnittwunden.“, redete Jäger weiter, dem Sebastians Art nicht zu gefallen schien. Chris nickte. Jäger war ein härteres Kaliber als Sebastian, das war ihm schon klar. „Kann sein, dass ich davon gehört habe.“, sagte er ruhig. Wieso fragte ihn Jäger nach seinem Alibi? Hielt er ihn tatsächlich für einen Verdächtigen? Falls, ja, warum wurde er dann nicht in die Mordkommission geführt sondern zu seinem alten Freund eingeladen?

„Der Name des Mädchens war Nadine Boglárka, sagt Ihnen nichts, oder?“, wurde Jäger eine Spur lauter. Chris schüttelte natürlich den Kopf. Ihm viel auf, dass Jäger ihm kein Bild von ihr zeigte, wie es normalerweise üblich gewesen wäre. „Vorgestern fanden wir eine zweite Leiche. In einer Seitengasse zu einem bekannten Club. Der Tote war der 53-jährige Carsten Ackermann. Gleiche Schnittverletzungen. Übelst zugerichtet.“, setzte sich Jäger nun auf die Kante von Fleischers Schreibtisch. Chris überlegte kurz, wie er darauf reagieren sollte.

„Chris…“, redete Sebastian hinter Jägers Rücken weiter. Dieser verschaffte ihm etwas Sicht.

„Wir haben der Presse einige Details vorenthalten, um den Täter hervorzulocken.“, gestand er. Chris blickte seinen ehemaligen Freund nun interessiert an. „Ich bin ganz Ohr.“, erwiderte er. Auch Jäger übergab dem Dienststellenleiter dann die Zügel.

„Ich und meine Dienststelle sind involviert, weil wir das zweite Opfer gefunden haben. Bzw. waren wir die ersten am Tatort. Ich bat Herrn Jäger darauf nicht nur an dem Fall mitzuarbeiten, sondern auch dich hinzu zu ziehen.“, gestand er. Chris konnte ihm nicht folgen.

„Warum ich? Ich bin nur ein armer Privatermittler, der sich im Winter nicht mal das Heizen leisten kann.“, klang er beinahe verständnislos.

„Wir sagten ja schon, wir fanden etwas an den Leichen, dass wir nicht an die Presse weitergegeben haben.“, sagte Sebastian. Chris hasste es, das er es so spannend gestaltete.

„Zahlen.“, nahm Jäger seinem Kollegen die Chance.

„Bitte?“, glaubte Chris sich verhört zu haben. Nein, er hätte sogar dafür gebetet. Aber Jäger schien keine Gnade zu kennen. „Auf der Stirn von Nadine Boglárka wurde die Zahl ‚Vierzehn’ eingeritzt. Die Wunde wurde dann mit Salz gesäubert. Genau wie bei Opfer Nummer 2. Auf der Brust von Carsten Ackerman stand in Schönschrift die Zahl ‚Dreizehn’. An beiden Verletzungen sind die Opfer nicht gestorben, sondern durch einen Stich ins Herzen. Genau genommen ist Stich nicht der richtige Ausdruck. Der Täter hat gewütet. Er hat das Messer mehrere Male umgedreht, so dass die Aorta nachher aussah wie gestampftes Rindfleisch.“, schien er einen Hang zu Metafern zu haben.

„Haben Sie diese Tötungsweise schonmal gesehen?“, fragte Jäger, ohne eine Miene zu verziehen. Chris sprang auf. Am liebsten hätte er nun seine Hände genommen, sie um Jägers Hals gelegt und so lange zugedrückt, bis ihm seine Augen rausgekullert wären.

„Was zum Teufel bilden Sie sich ein?“, sah er ihn schreckerfüllt an. „Chris bitte! Setz dich wieder!“, flehte ihn Sebastian an. Nun fischte Chris nach der Akte mit seinem Namen.

„Da steht nichts über die Fälle drin. Nur über Sie, Hartmann.“, enttäuschte ihn Jäger. Chris war dennoch nicht zu bremsen. Er schlug die erste Seite auf und erkannte einen Bericht, der seine Daten beinhaltete. Blatt Nummer 2 war der psychologische Bericht, den die Polizeischule anfertigen hatte lassen. Blatt Nummer 3, der psychologische Bericht nach dem Tod seiner Familie. Chris erinnerte sich ungern zurück. Angstzustände, Panikattacken… Und dann… ja dann folgten die polizeitechnischen Untersuchungen über das Ehepaar Hartmann und deren Tochter Hannah. Das war zuviel und Chris schmetterte die Akte wieder auf den Tisch. Wo sie Jäger aufsammelte. Er ließ Chris nicht zufrieden und fischte ein Bild aus der Akte. Ob es Absicht war, dass er das, seiner kleinen Schwester erwischte, wusste er nicht. Jäger hielt es ihm direkt unter die Nase. Das Foto zeigte Hannah auf dem silbernen, kalten Obduktionstisch. Auf ihrer Stirn klaffte die Zahl „22“. Chris war so aufgebracht, dass er Jäger das Foto entriss und es in Konfetti verwandelte. Jäger schien das nicht zu stören. Sebastian begann nun auf den Chefinspektor einzureden. „Er ist doch auch ein Opfer!“, appellierte er an Jägers Vernunft. Dieser schnaufte.

„Wir werden sehen.“, meinte er, stand auf und verließ die Tür. „Ich sehe Sie dann morgen Hartmann. Wir haben uns hier eingerichtet. Sie sind ab sofort der SOKO Mephisto zugeteilt.“, rief ihm noch zu, bevor er durch die Bürotür verschwand.
 

Kapitel 4

Diese Welt ist nicht zum Leben, sie existiert nur zum Träumen.
 

Aus Respekt hatte Sebastian seinen Freund die nächsten Minuten nicht angesprochen. Nur ein Anruf ging für ihn ein, von dem Chris nichts mitbekam. Als er das Foto sah war er plötzlich wieder in seinem Haus. Schattenweg 7a. Die Haustür stand offen und er betrat das Innere. Als er in der Küche niemanden vorfand drang er ins Wohnzimmer vor. Dort wurde er schließlich fündig. Es vergingen Stunden, bevor er Sebastian anrief. Dieser kam und zog kurz darauf die Mordkommission hinzu. Chris sah zu, wie sich Sebastian draußen übergab. Chris war nicht übel. Kein Stück. Später, bei der psychologischen Betreuung wurde er gefragt, was er gefühlt habe.

Er antwortete: Ich verstand nicht, warum meine Mutter nicht zu ende gekocht hatte. Außerdem nahmen wir das Essen stets in der Küche ein. Als er seine Familie fand, glaubte er zuerst nicht, dass es Hannah und seine Eltern waren. Blutige Fratzen sahen ihm entgegen, die einem höchstens zu Halloween anglotzten. Die Zahlen entgingen ihm natürlich nicht. Als er den Kopf seiner Mutter hielt sprang ihm die Zahl „23“ ins Auge. Damals hatte er ihr keinen großen Wert zugeteilt. Auf der Stirn seines Vaters prangte die „24“ und auf Hannahs die „22“. Niemals würde er diesen Anblick vergessen. Auch nicht diese Zahlen. Und die Worte. Die Kriminalpolizei entdeckte sie vor Chris, da dieser nur in der Dunkelheit da hockte. Der Wohnzimmertisch war beiseite geschoben worden und der Täter hatte etwas auf den flachen Paketboden gekritzelt. Mit Blut, wie sollte es anders sein. Seine Eltern und Hannah saßen im Halbkreis herum da.

„Die Kraft ist schwach, allein die Lust ist groß.“ Die Buchstaben waren verwischt, konnten aber genau rekonstruiert werden. Chris hatte sich damals gefragt, von wem das Blut dafür stammte. Seine Mutter hatte die tiefste Schnittwunde, die Ermittler gingen damals von ihr aus. „Chris.“, redete Sebastian mit sanfter Stimme auf ihn ein. „Er ist wieder da.“, versuchte er es so schonend wie möglich auszudrücken. Chris schüttelte den Kopf. „Das sind acht Jahre Sebastian. Kein Serienmörder macht solange Pausen. Erinnerst du dich an die Vorlesung von diesem Ami?“, spielte er auf die Ausbildung an. Sebastian seufzte.

„Es sind nicht nur die Zahlen. Sowohl der Gerichtsmediziner von damals, als auch unser jetziger sagen einstimmig aus, dass die Morde vom selben Täter begangen wurden.“, erklärte er. Chris hielt sich die Hand vor den Mund.

„War der Rest auch gleich?“, hakte er nach. Sebastian schüttelte den Kopf.

„Nichts war gleich. Die Sätze fehlten und es wurden nicht mehr Familien umgebracht, sondern nur noch Einzelpersonen.“, gab er preis.

„Und es ist sicher der selbe Täter? Damals wurden die Zahlen preisgegeben.“, erinnerte Chris. Sebastian stimmte ihm zu.

„Ja, er hat sein Schema geändert, aber sonst auch nichts. Die Wunden werden immernoch mit Salz gestoppt und damals wurde nicht der Sinn der Zahlen veröffentlicht.“, erinnerte er. Chris nickte. Der Sinn. Die Zahlen kombiniert mit den schaurigen Zitaten, die an den Tatorten zurückgelassen wurden. „Die Kraft ist schwach, allein die Lust ist groß.“ Das war einer der Sätze. Chris erlitt damals eine Panikattacke und blieb zur Beobachtung zwei Wochen im Krankenhaus. Damals waren die Zeitungen voll.

„Grausamer Mord an Familie.“ Chris las jede Ausgabe davon. Doch in keiner stand etwas, was er noch nicht wusste. Er rief Sebastian an, der ihm aber auch nichts sagen konnte. Und die Kriminalpolizei schon recht nicht. Am Tag seiner Entlassung kaufte er eine neue Zeitung.

„Eine weitere Familie kaltblütig ermordet! Polizei geht von einem Ritualmord aus. Mörder hinterlässt Zahlen und religiöse Botschaften am Tatort. Eine Bevölkerung in Angst und Schrecken!“ Chris suchte den damaligen Ermittlungsbeamten auf. Dieser hatte größtes Mitleid mit dem Jungen und verriet ihm, gegen die Vorschrift die Hindergründe. Beim zweiten Mord gab es wieder drei Opfer. Ein Ehepaar mit ihrer Tochter. Auf den Stirnen der drei wurden die Zahlen „21“, „20“ und „19“ gefunden. Zuerst hatten die Ermittlungsbeamten angenommen, der Täter hätte bereits 24 Menschen getötet und erst bei Chris’ Familie angefangen zu zählen. Dass es noch Opfer gab, die der Polizei nicht bekannt waren. Doch dann stellten sie fest, dass der Täter hinunterzählte. Die Polizei glaubte einen großen Durchbruch erzielt zu haben, als Natascha Klein, die Tochter der Familie noch einen schwachen Puls aufwies. Sie wurde ins nächste Krankenhaus gebracht und operiert. Mit Erfolg! Sie überlebte, und die Polizei glaubte durch sie den Serienmörder finden zu können. Doch es dauerte, bis sie vernehmungsfähig war. Sie erzählte von einem Mann mit einer Maske, die wie Haut aussah. Er hatte ihre Eltern vor ihren Augen gefoltert und sie musste zusehen, wie ihre Erzeuger grauenvoll ihr Leben lassen mussten. Natascha erinnerte sich nicht mehr selbst gefoltert worden zu sein, obwohl ihre Wunden das bewiesen. Die Ärzte fanden diese Reaktion mehr als logisch. Auch bei Tat Nummer 2 wurde ein Satz gefunden. „Ja, aus den Augen, aus dem Sinn!“ Die Polizei stand vor einem Rätsel, bis ein Polizeipsychologe schließlich Abhilfe leistete. Er konnte die Sätze dem Werk „Faust“ von Goethe zuordnen. Die Zahlen dauerten etwas, doch schließlich fand man den Zusammenhang.

„Faust beschwor damals einen Teufel. Mephistopheles. Er wickelte ein Geschäft mit ihm ab. Mephistopheles sollte ihm 24 Jahre lang dienen, dafür würde er am Schluss Fausts Seele erhalten.“ Das war das letzte, dass der Chefermittler damals gesagt hatte. Die Polizei ging davon aus, dass der Mörder aus irgendeinem Grund 24 Opfer ausgewählt hatte. Doch warum Familien? Natascha Klein war auch keine Hilfe mehr. Sie erinnerte sich, dass der Täter ihre Eltern ständig etwas gefragt hatte, als er sie folterte. Er fragte sie, ob sie sterben oder leben wollten. Sie schwor darauf, dass ihre Eltern ständig zweiteres beteuerten, doch je mehr sie der Killer folterte, umso mehr wechselte ihre Meinung. An ihre Antwort erinnerte sich Natascha nicht mehr. Hatte sie bejaht? Oder verneint? Vielleicht hatte sie sich ja trotz dem ganzen Schmerz entschieden zu leben, vielleicht war das ja auch der Grund, warum der Mörder sie verschont hatte. Aber hatte er das wirklich? Er hatte ihre Eltern hingerichtet, war es wirklich human sie dann leben zu lassen? Ein gieriger Krankenpfleger gab der Presse schließlich ein Interview.

Nächste Schlagzeile:

„Mörder hinterlässt Zitate aus Goethes ‚Faust’. Anspielungen von dem Teufel Mephisto werden genannt.“ Ab da stand in jeder Zeitung nur noch ein Name. Mephisto! Die Stadt geriet noch mehr in Angst, als zwei Wochen nach dem Überfall auf Familie Klein eine dritte Tat geschah. Die Familie Beck, mit ihrem 20-jährigen Sohn tot in ihrem Haus aufgefunden. Eine Tante kam zu Besuch und entdeckte das Scheusal. Doch wieder gab es einen Überlebenden. Andreas Beck, der noch bei Bewusstsein war, als die Polizei ankam und seine Eltern ‚eintütete’. Von ihm erwartete die Polizei einen weiteren Hinweis um den Morden endlich Einhalt zu gebieten, doch Andreas Beck erlitt einen Nervenzusammenbruch und wurde in eine Psychiatrische Anstalt eingeliefert. Bis heute ist er noch nicht vernehmungsfähig, so die Anamnese die Ärzte. Alles was blieb waren die Zahlen „18“, „17“ und eine schlechte „16“. Obwohl Andres Beck nichts sagte, gingen die Beamten davon aus, dass er sich gewehrt und Mephisto in die Flucht geschlagen haben musste. Doch er konnte einfach nichts dazu aussagen. „Der Teufel hat sie's zwar gelehrt; Allein der Teufel kann’s nicht machen.“, war der letzte Satz der 1999 gefunden wurde. Das Morden hörte auf. Mephisto wurde nie gefasst. Nach einem Jahr ging man davon aus, dass Andreas Beck ihn tödlich verwundet hätte, - dafür sprach eine Ausgabe des Buches ‚Faust’, dass der Mörder liegengelassen hatte - oder Mephisto Selbstmord begangen hätte. Nach einem weiteren halben Jahr wurde wie damalige SOKO aufgelöst.
 

„Wie… wie ist das möglich?“, hatte Chris nun seine Fassung verloren. Sebastian wünschte, ihm diese Frage beantworten zu können. „Diese ‚Pause’ kann verschiedene Gründe haben. Vielleicht wurde Mephisto bei seiner letzten Tat, oder anders wo wirklich schwer verletzt, weswegen er stoppte. Vielleicht ging er auch für eine kleinere Tat ins Gefängnis.“, zählte er die Optionen auf.

„Und jetzt holt er sich die restlichen 15.“, ergänzte Chris. Sebastian nickte beträchtlich. „Leider. Und drei hat er bereits geholt. Wir fanden die ‚14’ und die ‚13’, gehen also davon aus, dass es noch eine unentdeckte ‚15’ gibt. Wir müssen ihn unbedingt aufhalten! Ich zähle auch dich.“, ergriff er nun Chris’ Unterarm. Dieser sah ihn fragend an.

„Wie sollte ich helfen können?“, stockte er. Sebastian seufzte. „Jäger schuldet mir etwas. Ich habe ihn gebeten dich mit ins Boot zu holen. Als unabhängiger Berater und Kontakt zur mir.“, klärte er auf. Chris sah Richtung Fenster. „Wieso solltest du das tun?“, sah er ihn nicht an. Sebastian überraschte die Frage, ja sie machte ihn sogar etwas wütend.

„Verdammt Chris! Du warst der einzige, der damals noch weiterermittelt hat! Du hast es sogar geschafft den Laden ausfindig zu machen, in dem der Faust-Roman gekauft worden war. Die Polizei hatte bereits aufgegeben.“, erinnerte er. Chris kniff die Augen zusammen.

„Das hat alles nichts gebracht. Mephisto ist entwischt. Meine Obsession hat mich nur noch in Sackgassen geführt.“ Sebastian sah ihn eindringlich an.

„Und genau diese Obsession brauchen wir nun wieder. Mephisto hat neue Spuren hinterlassen, die ausgewertet werden müssen. Ich habe dich nicht nur hinzugezogen, weil es deine Familie betrifft, sondern auch wegen deinen Fähigkeiten. Ich glaube, dass du etwas findest, was die Mordkommission übersieht. Und sei es nur darum, weil du diese schlimmen Dinge durchgemacht hast.“, versuchte er ihn zu überzeugen. Chris schnaufte.

„Sieht Jäger, das auch so?“, hakte er nach. Sebastian wehrte ab. „Jäger ist professionell. Lass dich von seiner Art nicht, täuschen er ist ein guter Kerl.“, schien sich Sebastian da sicher zu sein. „Hör zu. Ich riskier damit eine ganze Menge. Aber ich bin es dir einfach schuldig. Also revanchier dich indem du den Scheißkerl fängst!“, wurde Sebastians Ton lauter. Chris nickte und stand auf.

„Vielen Dank für die Informationen. Da ich jetzt weiß, dass Mephisto wieder aktiv ist ermittle ich weiter. Aber ich lehne das Angebot der Sonderkommission ab. Trotzdem viel Erfolg.“, richtete er sich der Tür entgegen.

„Chris, sei doch nicht dumm! Die Jungs haben die besten Methoden, glaub mir! Wenn du jetzt einen Alleingang machst, endet das wie vor fünf Jahren.“, rief er ihm zu. Chris verließ das Büro ohne Verabschiedung. Die beiden Beamten fuhren ihn nach Hause, wo Chris sich alles nochmal durch den Kopf gehen ließ.
 

Kapitel 5

Furcht besiegt mehr Menschen als irgendetwas anderes auf der Welt.
 

Breuer zündete sich bereits die dritte Zigarette an, musste sie jedoch schnell wegwerfen und zertreten, als seine Zielperson den Nachtclub verließ. Breuer kramte entnervt in der Seitentasche seines Sakkos herum, aus dem er ein zerknittertes Bild hervorholte. Er überprüfte die Frau, die darauf zu sehen war mit seiner Zielperson. Es bestand kein Zweifel. Sie war es. Nun folgte der schwierigste Teil. Breuer hatte eine selbstgeschriebene Beschreibung dabei, wie er die Zielperson ‚ausschalten’ sollte. Es sollte bei weitem nicht sein erster Mord werden, dennoch dürften die Ausführungen, die er sich selbst auferlegt hatte kompliziert werden. Der Name der Zielperson war Sabine Emmerich. Breuer hatte den Namen zum ersten Mal im Gefängnis gehört, erinnerte sich jedoch ungern zurück. Er beschattete die Frau, die er auf Mitte Zwanzig schätzte bereits mehrere Abende. So wusste er auch, dass sie auf ihrem Heimweg keine Taxis bestieg. Ihr Weg führte Sabine durch eine wenig bevölkerte Gegend, worauf Breuer baute. Es grauste ihn vor sich selbst, doch sollte für diesen Job gutes Geld bekommen. Nach seiner Entlassung aus der Justizanstalt, würde er auch dringend welches brauchen. Er blieb mindestens 10 Meter hinter der Zielperson. In seinem Sakko spürte er die Klinge, des mitgebrachten Messers. Sobald sich diese Sabine vor einer dunklen Gasse oder einem verlassenen Gebäude befand würde er losschlagen. Für seinen Plan musste dieser Mord öffentlich stattfinden, womit Breuer auch ein unkalkulierbares Risiko einging. Sabine bog nun um eine Ecke. Aber was war das? Täuschte sich Breuer, oder hatte seine Zielperson ihr Tempo erhöht? Eigentlich hätte sie Breuer nicht sehen dürfen. Was hatte ihn verraten? Der Rückspiegel eines Autos? Breuer begann zu laufen und bog kurz darauf ebenfalls um die Ecke. Er hielt inne. Ungläubig blickte er die lange Gasse hinunter. Links nur eine kalte Steinmauer und rechts die breite Hauptstraße. Von der Zielperson war nichts mehr zu sehen. Selbst wenn sie wir ein Stier gerannt wäre, Breuer hätte sie nicht verlieren dürfen. Hatte sie sich nur versteckt? Breuer ließ seinen Blick schweifen. Trotz Dunkelheit war er sich sicher, dass es kein geeignetes Versteck geben konnte. Kurz darauf vernahm er ein Quietschen. Er blickte auf die Straße und entdeckte ein Auto, das wendete. Scheinbar hatte es kurz gehalten und setzte nun die Fahrt fort. Als es unter einer Straßenlaterne hinwegfuhr traute Breuer seinen Augen nicht. Eine Hand klatschte an das Fenster des Rücksitzes und sank dann nach unten. Den Fahrer konnte Breuer nicht ausmachen, geschweige den das Model, oder das Nummernschild des Fahrers. Er hatte eine Ahnung, um wen es sich handeln konnte, hatte aber Panik davor diese zu akzeptieren. Was würde Breuers nächste Schritt sein? War es wirklich Sabine Emmerich, die gerade entführt worden war? Wenn ja, konnte er seinen Auftrag unmöglich ausführen. Jemand war ihm offensichtlich zuvor gekommen. Breuer drehte sich um und blickte in das Gesicht einer alten Dame.

„Haben Sie das gesehen? Ich glaube, die Frau wurde in das Auto gezerrt!“, sagte sie fassungslos. Breuer geriet nun in Panik und tat etwas Unkluges. Er zog sein Messer und hielt es der Rentnerin entgegen. Diese zuckte und tapste einige Schritte zurück. Doch Breuer beruhigte sich wieder. Sie war eine Zeugin, aber nicht die Zielperson. Wenn Breuer nun etwas Dummes tat, saß er schneller wieder im Knast, als ihm lieb war. Er steckte das Messer weg und trat die Flucht an. Nachdem die alte Frau sich ebenfalls sicher fühlte meldete sie die Tat bei der nächsten Polizeidienststelle.
 

Damir hatte bereits von Chris’ Vergangenheit erfahren, doch bei diesen neuen Erkenntnissen blieb selbst ihm die Spucke weg. „Alter, ich habe davon gelesen, aber dass diese Morde mit deinem Fall damals zu tun gehabt haben sollen? Ist das ganze den sicher?“, erkundigte er sich. Chris nickte beträchtlich.

„Laut Sebastian schon. Er hätte mich nicht wegen irgendeinem Nachahmer dazugeholt.“, stand für ihn fest. Damir versuchte seinen Freund mit ein paar netten Worten aufzumuntern. „Ist doch super, dass der Kerl sich wieder meldet. Ich meine… diesmal ist die Chance größer, dass ihr ihn kriegt.“, blieb er optimistisch. Bei dem „Ihr“ wurde Chris ganz blass. Damir stellte seinen Kaffee hin.

„Ich kann den Laden auch eine Zeitlang allein schmeißen.“, wollte er sich aufbürgen. Chris winkte ab.

„Niemals. Das könnte ich nicht. Ich habe mit der Vergangenheit abgeschlossen.“, redete er mehr sich ein, als Damir. Sein Partner schien ihn jedoch nicht ernst zu nehmen. „Wem willst du das erzählen? Du hast Jahre damit verschwendet dem Kerl nachzulaufen. Ich kenne dich zu gut. Du wirst das Angebot dieses Fleischers annehmen, soviel ist sicher. Die einzige Frage ist mit welchem Gefühl. Du kannst mich ständig anrufen, keine Frage. Du hast nicht nur die Möglichkeit dem ganzen ein Ende zu machen, sondern auch die Pflicht.“, warf ihm Damir vor. Chris zweifelte. Was würden seine Kollegen von ihm halten? Würden sie ihn als den Versager sehen, der seinen Beruf trotz absolvierter Polizeischule hingeschmissen hatte? Oder den armen Tropf, dessen Familie umgebracht wurde und der ständig alle wegen Hinweisen nerven würde? Chris malte sich bereits Jägers Gesicht aus. Er würde ihn für keine Hilfe, sondern für eine Last halten. Ein Frack, dass mehr Schaden als Nutzen anrichten würde.

„Du hast wie immer Recht. Das geht mir langsam auf den Sack.“, entgegnete Chris. Damir grinste.

„Ich mach das ja nicht zum Eigennutz. Ich darf unsere Superfälle ja dann ganz allein bewältigen.“, erinnerte er. Chris stimmte ihm zu. Dafür war er vielleicht noch weniger zu beneiden. Er telefonierte mit Sebastian und nahm das Angebot an. Sebastian schien wenig überrascht über den Anruf, als ob er ihn bereits für früher datiert hätte. Chris legte den Hörer auf und lehnte sich zurück. Noch immer suchte er nach einer Ausflucht. Er wünschte sich bereits Reimer zurück, der sich eine Neue geangelt hatte und sie überprüfen lassen wollte. Doch es klingelte nicht. Kein dringender Fall. Chris fuhr nach Hause, schüttete sich noch einen Cognac ein und aß die halbe Wurstsemmel auf, die er seit der Mittagspause in der Tasche hatte. Er schlief ungewohnt schnell ein. Als ob er es schnell hinter sich bringen wollte. Die neuen Informationen blieben natürlich alles andere als traumlos. Ein Stier rannte auf Chris zu, der sich unerwartet aufbäumte und sich als Teufel mit langen Hörnern entpuppte. Mephisto. Er hielt plötzlich eine Klinge in der Hand, mit der er Chris attackierte. Dieser hatte keine Chance zur Flucht mehr. Mephisto hatte sich auch noch den Rest der Familie geholt. Chris wachte auf und starrte auf seinen Wecker, der im Dunkeln leuchtete. Fünf Uhr. Früh genug, für Polizeibedienstete. Chris stand auf, tuschte sich, schnappte sich eine Flasche Eistee und bestieg seinen Wagen. Er fuhr ohne Umwege zur Dienststelle.
 

Kapitel 6

Wieso fällt es uns so schwer an Gott zu glauben, wo wir doch bereits die Existenz des Teufels bewiesen haben?
 

„Hartmann, was stehen Sie da draußen herum, wie bestellt, aber nicht abgeholt?“, fuhr ihn Jäger an, der Chris vor der Tür erblickte.

„Guten Tag.“, konnte Chris nur erwidern. „Glauben sie nicht, wir warten auf Sie. Also bewegen Sie ihren Arsch rein und suchen sie sich einen Stuhl aus.“, drängte er. Chris trat ein und stand kurz darauf vor mehreren zusammen geschobenen Schreibtischen und einem Gewirr aus Telefonkabeln. „Chris! Ich darf, Sie doch Chris nennen?“, wurde dieser von der Seite angesprochen. Neben ihm hatte sich ein rundlicher, aber stämmiger Kerl aufgebaut. Grauer Anzug und Rote Krawatte schmückten ihn aus. Chris nickte und reichte ihm die Hand, die kurz darauf geschüttelt wurde. „Johannes Berger, ich habe bereits viel über Sie gehört.“, erklärte er. Chris wusste nicht wie er diese Worte und vor allem Bergers Auftreten einordnen sollte.

„Schon gut, Hannes, für sowas gibt’s die Pausen.“, schien Jäger all seine Untergebenen so steif zu behandeln.

„Da unser Ehrengast nun anwesend ist, zurück zum Tagespunkt.“, ergriff er das Wort. Berger bot Chris einen Stuhl an, den dieser annahm und bei dieser Gelegenheit seine neuen ‚Kollegen’ musterte. Außer Jäger und Berger waren noch zwei Männer und zwei Frauen anwesend. Eine der Frauen, Chris schätzte sie auf dreißig trug einen weißen Kittel, weswegen zu vermuten war, dass sie in der Forensik tätig war. Die Männer trugen wie Berger einen schicken Anzug und die zweite Frau einen typischen Anzug mit Faltenrock.

„Da Pajak bereits so freundlich war Ackermanns Sekretärin einzuladen wird er sie auch verhören. Braun und Schlager sehen sich nochmal die Tiefgarage an. Sofern sie dort etwas finden, sofort ab damit in die Forensik zu Frau Kohl und ihrem Team. Das wäre erstmal alles.“, beendete Jäger seine Ansprache. Chris staunte. „Ich will mich ja nicht aufdrängen, aber…“, begann er und erntete einen gestressten Blick seitens Jäger.

„Achja, bevor ich es vergesse. Das ist Herr Hartmann. Er dient als Kontakt zur Dienstelle. Falls er Fragen haben sollte, beantworten Sie ihm diese schnell und arbeiten Sie weiter.“, brachte es Jäger hinter sich. Doch so ließ Chris nicht mit sich umspringen. Er hatte sich doch nicht dazu durchgerungen hierher zu kommen, nur um Jäger schöner Stimme zu lauschen. „Ehrlich gesagt habe ich erwartet zu allererst ins Bild gesetzt zu werden. Ich denke, Sie alle haben Informationen, die mir leider fehlen.“, setzte sich Chris zu wehr. Die Mitarbeiter der SOKO, vor allem die Frauen musterten ihn. Scheinbar kam es nur selten vor, dass sich jemand Jäger entgegenstellte. Dieser verschränkte die Arme und verzog die Mundwinkel.

„Wir haben es hier mit einem Psychopathen zu tun, der mordet, wenn ihm gerade langweilig ist. Denken Sie wir haben Zeit auf Sie Rücksicht zu nehmen?“, fiel es Jäger schwer sich zu beherrschen. Nun schritt auch Berger ein. Chris’ Auftreten schien ihn animiert zu haben.

„Ben, er kann für die SOKO von großer Hilfe sein. Im Moment brauchen wir jeden Mann!“, sagte er. Jäger schien nichts anderer von Berger erwartet zu haben.

„Wie du meinst, Hannes. Dann stelle ich ihn ab sofort in deine Obhut. Du verschaffst ihm alle nötigen Informationen, die er braucht. Herr Hartmann, Sie halten sich ab sofort an Herrn Berger und belästigen keinen anderen der Ermittler.“, bestimmte er. Damit hatte Berger nicht gerechnet und wollte seinen Standpunkt vertreten.

„Na dann. Ich denke alle haben zu arbeiten.“, ließ ihn Jäger nicht zu Wort kommen. Er verließ das Büro als erster, die anderen folgten ihm. Zwei der Ermittler, sowie die Forensikerin reichten ihm die Hand.

„DER Hartmann?“, traute sie sich schließlich zu fragen.

„Persönlich.“, würgte Chris heraus, bevor sie an ihm vorbeiging. Dann blickte er hilfesuchend zu Berger. Dieser lächelte unschuldig und beugte sich über den Tisch, um nach einer Akte zu fischen. Bevor er sie Chris in die Hand gab, zog er sie nochmal zurück.

„Sämtliche Ermittlungsergebnisse sind vertraulich, ja?“, überreichte er sie ihm schließlich.

„Logisch.“, erwiderte Chris nur. Er schlug die Akte auf und erkannte, dass es sich um die von Nadine Boglárka sein musste. „Warum liegen die Obduktionsbilder nur immer vorne?“, dachte er sich im ersten Moment.

„Sie wissen ja, was es mit den Zahlen auf sich hat.“, meinte Berger. Chris nickte.

„Welcher Psychopath kommt auf sowas? Nur weil er in einem Buch die Zahl 24 gelesen hat, bringt er jetzt dieselbe Anzahl um.“, konnten Chris die Schnitte an Nadine Boglárkas Stirn gar nicht entgehen. Berger zuckte mit den Schultern. „Wir haben einige Psychologen darauf angesetzt, obwohl ich denen nicht über den Weg traue. Wenn wir Mephisto fangen dann mit guter, alter Polizeiarbeit. Chris brummte.

„Ist es OK, ihn so zu nennen?“, fragte er nachdenklich. Berger seufzte.

„Sobald wir den Namen des Schweinehunds wissen, ist nicht nur bald sein Künstlername vergessen, sondern auch er selbst. Sicherheitsverwahrung, Notwehr, oder Suizid. Eines dieser drei Dinge wird eintreffen.“, sagte Berger bestimmt. Chris viel dazu noch Option 4 ein.

„Oder Flucht. Mephisto zieht sich wieder zurück und wir hören die nächsten Acht Jahre wieder nichts von ihm.“ Berger winkte ab. „Diesmal nicht. Soviel Glück hat niemand. Wir haben fremde DNA unter Nadine Boglárkas Fingern gefunden.“, verkündete er. Zuerst war Chris ganz aufgeregt, beruhigte sich aber schnell wieder.

„Lassen Sie mich raten. Da Mephisto noch nicht verhaftet wurde ist sie wohl nicht in der Datenbank.“, ließ Chris den Kopf hängen. Berger musste leider verneinen. Chris konnte seine Augen nicht von der Zahl nehmen.

„Vierzehn. Das bedeutet Mephisto will noch zwölf weitere Menschen umbringen. Und dann? Hört er auf? Geht er sozusagen in Pension? Oder fängt er von neuem an?“, dachte Chris laut. Berger sah das anders. „Soweit kommt es nicht. Diesmal geht er uns in die Lappen. Chris las die Akte und Berge gab immer wieder Kommentare ab.

„Nadine Boglárka verschwand drei Tage, bevor ihre Leiche gefunden wurde. Die Vierzehn wurde am ersten Tag eingeritzt. Die Wunde wurde mit Salz gereinigt, nicht mehr und nicht weniger. Wir können davon ausgehen, dass Mephisto noch nichtmal eine Krankenhausserie in seinem Leben gesehen hat. Oder es war Absicht. Schließlich spielte es keine Rolle, wann das Opfer starb.“ Chris konnte Bergers Standpunkt nicht teilen, als die Akte zu Ende hatte. „Nach der ‚14’ vollzog der Täter mehrere Schnitte an Armen und Händen. Hier steht die

Verletzungen wären gleich alt wie die Markierung. Es gibt Verletzungen im Gesicht, die frischer waren. Und Schnitte endlang des Halses und der Brust, die am Tag der Entdeckung durchgeführt worden waren. Das lässt den Schluss zu, dass Mephisto sie jeden der drei Tage gefoltert hatte.“, kombinierte Chris. Berger gab ihm Recht. Gefoltert. Wenn Chris dieses Wort schon hörte. Seine Eltern und Hannah mussten zum Glück nicht solange leiden. Aber trotzdem wurden sie gefoltert. Chris konnte es sich gar nicht ausmalen. Dann erinnerte er sich an damals, als er selbst den Fall untersuchte.

„Sagte diese Überlebende nicht, Mephisto hätte seine Opfer etwas gefragt?“, warf er Berger zu. Dieser bejahte.

„Natascha Klein sagte aus, der Täter habe ihre Eltern zuerst gefoltert und sie immer wieder – oder nein, ich glaube es waren genau dreimal – gefragt, ob sie leben oder sterben wollten.“, erinnerte er sich. Chris schlug die Akte zu. „Dann könnte es…“, murmelte er. Berger nickte.

„Jäger ist ebenfalls darauf gekommen. Mephisto hat sein Tatschema geändert, aber vieles ist gleich geblieben. Damals hat er seine Opfer dreimal gefragt, scheinbar waren sie beim dritten Mal zu schwach um sich zu wehren. Vielleicht hatte Natascha Klein alle Strapazen überwunden und auch beim dritten Mal geschworen, dass sie leben wolle. Vielleicht hatte sie auch nur Glück. Egal, wir können sie nicht mehr fragen.“, entgegnete Berger. Chris blickte ihn verdutzt an. „Weswegen?“, hakte er nach. Berger reagierte überrascht. Scheinbar hatte er Chris für Aufgeklärter gehalten.

„Natascha Klein hat sich ein Jahr nach der Tat die Pulsadern aufgeschnitten. Es war nichts mehr zu machen.

Naja wenn man sowas erlebt hat, ist es wohl in Ordnung sowas zu tun.“, gab Berger seine Meinung kund. Chris wollte keine Kritik an dessen Worten üben.

„Das wusste ich nicht. Damit hat Mephisto wirklich sein Neunzehntes Opfer erwischt. Was ist mit seinem Sechszehnten?“, führte Chris die Befragung fort. Berger brummte.

„Andreas Beck? Hat’s nicht besser erwischt. Immer noch in der Geschlossenen. Aus dem kriegen wir nichts raus.“, meinte er. Chris gab nicht so schnell auf. „Hat man ihn den schon befragt? Ich meine seit dem Fund der neuen Leichen.“, wurde er konkreter. Berger schüttelte den Kopf.

„Nein, Jäger verspricht sich nichts davon.“, erklärte er. Chris konnte sich das gut vorstellen. Er hingegen eine ganze Menge. „Herr Berger, würden Sie mir den gefallen tun und mich in die Anstalt begleiten?“, fragte Chris höfflich. Berger reagierte überrascht. Zuerst zögerte, doch dann grinste er.

„Jäger hat mir befohlen, Ihnen nicht von der Seite zu weichen.“ Chris war erleichtert, dass er nicht allein gehen musste. Berger selbst versprach sich genauso viel wie Jäger von einem derartigen Besuch, doch in einem Fall dieses Außmasses war ihm ebenfalls jeder Strohhalm recht.
 

Kapitel 7

Die Definition von Böse ist das vollkommene Fehlen von Liebe.
 

Berger hatte beschlossen Jäger nicht über den Ausflug zu informieren. Vor dem Verlassen der Etage trat ein Mitglied der SOKO aus einem der Räume. Chris erinnerte sich, dass Jäger ihn Pajak genannt hatte.

„Auf dem Sprung?“, fragte dieser Berger.

Sein Kollege nickte.

„Wir wollen uns etwas ansehen.“, erklärte er ungenau. Zum Glück fragte Pajak nicht genauer nach.

„Wie sieht’s an deiner Front aus?“, wiegte sein Kopf Richtung Verhörzimmer. Pajak zuckte mit den Schultern. Sackgasse. Sie hat nichts Verdächtiges gesehen und im Terminkalender von Ackermann stand auch nichts. Keine Verabredungen oder Besprechungen. Weißt du, was sie mich als erstes gefragt hat, als ich mit ihr gesprochen habe? Ob sie jetzt ihren Job verloren hat.“, tippte sich Pajak darauf auf die Stirn. Berger zwang sich ein Lächeln ab und wünschte ihm noch viel Glück. Zusammen mit Chris verließ er das Gebäude und führte diesen zu seinem Wagen. Ein dunkelblauer Audi, der schon einige Jahre auf dem Buckel hatte. Berger fuhr über die Autobahn, wahrscheinlich um möglichst viel Zeit zu sparen. Vielleicht glaubte er auch nicht, dass Andreas Beck nach all den Jahren noch ein paar Antworten liefern konnte. Nach 20 Minuten ereichten sie das Eric-Berne Institut. Das Gebäude war weiß gestrichen, wenn man von den roten Kanten absah. Es parkten nicht viele Wagen vor dem Gebäude, weswegen sich es Berger leisten konnte direkt vor dem Eingang zu parken.

„Schickes Haus.“, piff er, als er die Wagentür zuknallte. Chris konnte ihm nicht zustimmen. Seine Bewohner hatten wahrscheinlich eine andere Meinung von ihrer Behausung. Der Eingang bestand aus einer Glastür, die sich nur durch eine Authentifizierung per Anmeldung aufging. Berger läutete und wechselte ein paar Worte mit dem Portier und die Glastür schwankte auf.

„Es gibt noch ein zurück.“, murmelte Berger und trat ein. Chris wusste nicht, wie sein neuer ‚Partner’ das gemeint hatte. Berger wurde an einer Glaskabine, der kaum die Größe einer Vorratskammer besaß angehalten. Berger zückte seine Dienstmarke und der Portier versprach, ihn und Chris anzumelden. Es dauerte kaum fünf Minuten, bis ein älterer Mann in weißem Kittel in Gang entlang kam. Während Berger ihn noch nie gesehen hatte, und ihn daher auch fälschlicherweise mit einem Pfleger verwechseln hätte können, ging es Chris anders. Obwohl es an die 7 Jahre her war, seit er dem Mann zum ersten Mal begegnet war, erkannte er ihn wieder. Das aschfahle und völlig überarbeitete Gesicht, das gar nicht zu dem dunklen Hautton passte. Sein Bart war eine Mischung aus grau und weiß, und von seinen Haaren war nicht mehr viel übrig geblieben.

„Was kann ich für Sie…“, begann der Arzt zu reden, hielt jedoch ein, als Chris in seinen Blickwinkel kam.

„Herr Hartmann?“, schien auch er – wie man es von einem Arzt vermuten konnte – ein hervorragendes Gedächtnis zu besitzen. Chris trat vor und reichte ihm die Hand. „Lange nicht gesehen, Dr. Engel.“, gab er sich taff. „Das neben mir ist Herr Berger von der Mordkommission.“, stellte er ihn gleich mit vor. Engel runzelte die Stirn.

„Mord? Ist jemand zu Tode gekommen? Oder ist es immernoch wegen damals? Herr Hartmann, Sie kennen sowohl meine Meinung, als auch die meines Kollegen.“, begann er, doch Chris würgte ihn ab.

„Nein, nein. Eigentlich…ist es vertraulich, Sie beziehe ich mit ein. In den letzten Woche sind zwei Todesfälle geschehen, von denen die Polizei ausgeht, sie wären vom selben Täter begangen worden wie damals.“, begann er. Berger presste die Lippen zusammen. Jäger würde ihn aufknöpfen und an seinen Kleiderständer hängen, wenn er hiervon Wind bekam. Engel musste kurz überlegen.

„Die Mephistomorde? Ist das Ihr ernst?“, fragte er und sah zu Berger. Scheinbar hatte er Probleme das zu Schlucken. Berger nickte einmal kurz. Engel rieb sich das Kinn.

„Sagen Sie mir aber bitte, Sie wollen nicht mit Andreas Beck sprechen!“, klang er beinahe flehend. Ungern erinnerte er sich an die Besuche und Telefonate vor sieben, Schrägstrich sechs Jahren die alle denselben Ursprung hatten.

„Herr Hartmann, Herr Berger, es ist wie damals. Am Zustand des Patienten hat sich nichts geändert!“, meinte er diese Tatsache besonders laut betonen zu müssen. Chris konnte das aber nicht akzeptieren.

„Es ist fast acht Jahre her! Was sind Sie für ein Arzt, wenn Sie einem Patienten nach solange Zeit kein Stück weiterhelfen können?“, wurde auch Chris laut. Er wollte es nicht, konnte sich aber nicht mehr beherrschen. Bevor das Gespräch eskalierte, mischte sich Berger ein.

„Meine Herren, Schuldzuweisungen sind völlig unnötig. Wenn jemand an Andreas Becks Zustand schuld hat, dann Mephisto.“, erinnerte er. Doch Engel vertrat seinen Standpunkt wehemend.

„Dennoch! Andreas Beck lebt seit acht Jahren in seiner eigenen Welt und sie nicht für diese neuen Fälle verlassen.“, erklärte er. Chris wollte es jedoch auf einen Versuch ankommen lassen. „Verstehen Sie doch! Andreas Beck ist der einzige, noch lebende Mensch, der Mephistos Gesicht gesehen hat. Wenn Sie uns nicht zu ihm lassen, sind sie schuld an allen weiteren Morden, die dieser Teufel ausübt.“, entgegnete Chris. Das wollte sich Engel nicht gefallen lassen. Obwohl er den beiden versicherte, sie würden ihre Zeit verschwenden bat er sie, ihn zu begleiten. Die drei durchquerten den Korridor und passierten eine rote Schiebetür. Berger musste nichtmal das Schild „Geschlossene Abteilung“ lesen, um zu wissen, wo sie sich befanden.

„Selber Raum?“, fragte Chris beiläufig. Engel nickte. Sie waren am letzten Raum des Ganges angekommen.

„Andreas Beck.“

Noch war nur das Namensschild zu lesen, als Engel aufschloss auch der Patient selbst. Chris hatte ihn lange nicht mehr gesehen und war gespannt was für ein Anblick ihn erwartete. „Zum Thema, keine Fortschritte.“, begann Engel.

„Damals hat er kein Wort herausgebracht. Vor einigen Monaten hat er jedoch angefangen sich wieder auszudrücken.“, erklärte er. Berger hob die Augenbrauen.

„Das ist doch was.“, dachte er und wollte bereits pfeifen.

„Aber erwarten Sie lieber nicht zuviel.“, schien Engel Gedankenlesen zu können. Chris blendete das Sonnenlicht, welches durch ein Fenster, das sehr hoch an

der Wand hing hereingelangte. Knapp darunter stand das Bett. Ein Mann, kaum älter als Chris saß im Schneidersitz darauf und blätterte eine Zeitschrift durch.

„Ließt er sie wirklich?“, traute sich Berger zu fragen. Engel konnte ihm keine klare Antwort liefern.

„Er sieht sich die Zeitschrift bereits seit Tagen an. Wöchentlich winkt er mit der alte, oder sagt ‚neu’, so wissen wir, wann er Nachschub braucht. Ansonsten sind seine Tätigkeiten einseitig.“, verriet Engel.

„Sie lassen ihn nicht nach draußen?“, fragte Chris. Nun entdeckte er einen erschrockenen Ausdruck in Engels Gesicht. „Also… um ehrlich zu sein, versuchten wir es zweimal. Er wollte beide Male fliehen. Natürlich kam er nicht weit.“, brummte er. Chris nickte und schritt zu Andreas Bett. Dieser beobachtete ihn nur aus den Augenwinkeln und las dann seine Zeitschrift weiter.

„Wir haben uns schon einmal getroffen. Mein Name ist Christian Hartmann. Chris, weißt du noch?“, begann er.

„Chris.“, erwiderte Andreas flüsternd. Engel reagierte überrascht. „Normalerweise reagiert er nicht auf sowas.“, warf er ein.

„Was hast du die ganze Zeit getan?“, fragte Chris weiter. Andreas brauchte etwas. Dann hob er kurz die Zeitschrift und ließ sie wieder hinunterfahren. Chris nickte nur.

„Verstehe. Weißt du wieso du hier bist?“, wagte er sich weiter vor. Andreas schwieg. „Weißt du, wegen wem du hier bist?“, setzte Chris anders an. Andreas nickte.

„Wegen ihm.“, antwortete er. Chris holte nach Luft. Auch Engel hatte nicht mit sowas gerechnet. „Chris scheint ein Vertrauensverhältnis zu ihm zu haben. Wie können Sie sich das erklären?“, fragte Berger den Arzt. Engel konnte ihm im Moment noch keine klare Antwort geben. Natürlich, Chris war damals häufiger hier, aber viele Jahre nicht mehr. Dennoch schien sich Andreas Beck in seiner Nähe wohl zu fühlen. „Ihm?“, fragte Chris weiter. „Wen meinst du damit?“ Andreas schlug die Seite um.

„Den Teufel.“, sagte er wie selbstverständlich. Chris erinnerte sich ans eine Versuche von damals. Von Beck war kein Wort gekommen. Jetzt schien er nicht nur mit ihm zu reden, sondern ihn auch zu verstehen. Engel hatte wohl untertrieben und das war Chris Vorteil. „Weißt du… wie er ausgesehen hat?“, ging er aufs Ganze. Andreas nickte.

„Ich habe sein Bild vor mir.“, flüsterte er. Chris wurde aufgeregt. Auch Berger holte seinen Notizblock hervor und kramte nach seinem Stift. Chris wollte ihn nicht drängen, ließ aber auch nicht locker.

„Kannst du ihn beschreiben?“, bat Chris sanft. Wieder nickte Andreas.

„Rotes Fell. Gebogene Hörner. Schwarzer Schwanz.“, erzählte er. Chris schnaufte. Er wollte Andreas bereits anschreien, bis ihm das Bild in der Zeitschrift auffiel. Auf der linken Seite prangte das Bild eines Krampus, der wütend seine Kette schwang. Das hatte Andreas mit ‚er habe das Bild direkt vor ihm’ gemeint.

„Andreas. Damals hat dich auch so ein Teufel besucht. Er hat deine Eltern auf dem Gewissen! Willst du mir nichts dazu sagen?“, ergriff er nun Andreas Schulter. Dieser wich zurück und rutschte auf die andere Seite des Bettes. „Vielleicht belassen Sie es für heute. Andreas hat heute neue Fortschritte gezeigt. Und das nur wegen Ihnen. Das ist doch was.“, gab Engel zu bedenken. Chris wollte aber nicht. Vor ihm saß der einzige Mensch, der Mephisto in die Augen geblickt hatte. Andreas Beck hatte in die Augen der Bestie gesehen und war zu Stein erstarrt. Von seiner Narbe an der Stirn war nicht mehr viel zu sehen. Chris wollte näher rücken, doch nun wurde Andres wütend. Er trat nach Chris und dieser schrie auf. Dann zog sich Andreas die Bettdecke über den Kopf und begann zu summen. „Herr Hartmann, bei aller Liebe, aber lassen Sie es gut sein!“, bat Engel. Berger stimmte ihm zu.

„Er hat Recht. Vielleicht erfahren wir noch etwas von ihm. Aber nicht heute.“, meinte er. Chris musste schließlich klein beigeben.

„Ich komme wieder, Andreas.“, flüsterte ihm zu und bewegte sich Richtung Tür. „Chris.“, hörte er nun das Wimmern des Patienten. Chris drehte sich nochmal um. Andreas guckte durch ein Loch in der Bettdecke.

„Du… bist mein Spiegelbild, Chris.“, flüsterte und vergrub sich dann wieder. Berger lief es kalt den Rücken runter. Engel tat es als unlogisches Gerede ab, und Chris begann nun zu gehen. Obwohl sie vor ihm standen verließ er den Raum vor Berger und Engel. Draußen holte er tief Luft.

„Ich nehme an, ich kann mit Ihrer baldige Rückkehr rechnen?“, fragte Engel zynisch. Berger winkte ab.

„Nicht wenn die Polizei Mephisto als erstes kriegt.“, versprach er.

„Das hoffe ich wirklich. Ich kam erst einige Wochen später in diese Klinik. Beck war mein erster großer Fall. Ich habe alles daran gesetzt ihm zu helfen, so wahr Gott mein Zeuge ist. Ich habe immer auf ihn aufgepasst.“, beteuerte er. Chris und Berger versprachen ihr bestes zu geben, verabschiedeten sich und schritten Richtung

Ausgang. „Passen Sie gut auf ihn auf.“, hatte Chris dem Doktor noch zugerufen. Berger sagte nichts, bis sie im Wagen waren. „Wo soll’s jetzt hingehen, Boss?“, fragte er. Chris überlegte kurz. „Wäre es ok den Tatort des letzten Opfers anzusehen?“, bat er. Berger nickte.

„Sie meinen den Entführungsort. Wo die beiden Opfer getötet worden sind steht noch in den Sternen.“, sprach er und startete den Wagen. Chris sah zum Fenster raus. Du bist mein Spiegelbild Chris. Hatte Andreas Beck kurz einen klaren Moment gehabt? Hatte er Chris Vergangenheit erkannt? Sein Spiegelbild. Chris und Andreas Familien wurden beide von einem Psychopathen ausradiert. Sie waren sich also näher als nur Spiegelbilder. Chris hätte selbst in diesem Zimmer sein können. Jeden Tag Zeitschriften durchblättern und sich Engels selbstherlichende Predigen anhören können. Aber es war anders gekommen. Gut, es gab nicht mehr viele, die Chris damals aufgefangen hatten, aber dennoch war er wieder auf die Beine gekommen. Natürlich hatte er jahrelang nur an Rache gedacht, doch das schlug um, als sich eine neue Perspektive ergab. Doch jetzt war sie wieder da. Seine Vergangenheit. Scheinbar war sie noch nicht fertig mit ihm.
 

Kapitel 8

Alle Antworten auf Fragen, auf die nicht mit Ja geantwortet werden bedeuten ein Nein.
 

Der Abstecher zu der Tiefgarage brachte nicht mehr allzu viel. Schlager und Braun, die Chris nun noch etwas genauer kennen lernte hatten bereits eingepackt.

„Er wurde hier entführt, mehr ist aber auch nicht klar. Kameras wieder mal zur Reparatur und niemand hat was gesehen.“, hatte Braun seine Hände über den Kopf geschlagen. Es war ihm anzusehen, dass er der Dienstälteste war. Sein Anzug erschien eng an ihm und er wirkte, als hätte er den Fall am liebsten abgegeben. Schlager war eine Mittdreißigerin, aber so gar nicht Chris’ Typ. Dafür entging ihm aber nicht, dass Berger ihr dafür immer wieder Blicke zuschickte. Braun und Schlager verhielten sich freundlich gegenüber Chris, dem ‚Opfer’ der auf so tragische weise seine Eltern und seine kleine Schwester verloren hatte. Chris ließ seinen Blick nochmal über den Anlage schweifen. Der Platz an dem Ackermann stand war mit Kreide markiert. Eine Außenkamera hatte gefilmt, wie der Wagen die Garage um kurz nach Mitternacht verließ. Natürlich nicht den Fahrer, das wäre zu einfach gewesen. Es gab also nur zwei Möglichkeiten. Mephisto besaß keinen eigenen Wagen. Also hatte er Ackermann gezwungen zu fahren, oder war selbst gefahren. Chris hatte sich Ackermanns Akte noch nicht angesehen, wollte das aber schnellstmöglich nachholen, worum er auch Berger bat. Diese blickte auf die Uhr. „Vorschlag. Sie bekommen Ihre Informationen aus erster Hand. Verena ist gerade mitten in der Arbeit, wir können sie als stören.“, grinste er. Chris blickte ihn fragend an.

„Die Forensikerin.“, half ihm Berger weiter. „Bis auf Dr. Rotburg, unseren Gerichtsmediziner ist sie die einzige, welche die Leichen so gut kennt, um uns genaue Auskunft zu verschaffen.“, verriet er. Chris war einverstanden. Vielleicht konnte ein Trip in die Forensik den Tag noch einigermaßen retten. Bisher waren ihre Informationen bei Null, und Berger fürchtete bereits das Gespräch mit Jäger. Es war gegen drei, als Chris und Berger wieder bei der Dienststelle waren. Sie stiegen aus, doch diesmal führte ihr Weg nicht die Treppe hinauf, sondern den Keller hinunter. Chris entdeckte ein Papierballt, auf dem „Forensik“ stand. Wir haben uns hier notgedrungen eingerichtet, da die Dienststelle im Umkreis von Mephistos Ablageplätzen ist. Bis auf die Gerichtsmedizin ist also alles, was wir brauchen hier. Berger stemmte die schwere Tür auf und wurde kurz darauf angebellt.

„Schonmal was von anklopfen gehört?“, fragte ihn eine Frauenstimme. Chris stand die blonde Forensikerin gegenüber, der er bereits heute Morgen im Konferenzraum begegnet war.

„Dafür hat die Polizei keine Zeit. Immer in Eile.“, scherzte Berger. Dann erblickte er einen Laboranten.

„Hey, Sie, machen Sie doch mal Pause.“, wies er darauf hin, dass sie kurz ungestört sein wollten. Der Laborant hatte ohnehin bereits eine Wurstsemmel im Mund, als er zu Berger schaute. Es machte ihm nichts aus, kurz mal auszutreten. Als die Tür zufiel, begann er. „Sie beide kennen sich ja schon.“, verzichtete er auf Formalitäten. Verena Kohl erkundigte sich schließlich wegen dem Rauswurf. Berger zuckte mit den Schultern.

„Man weiß nie, wer sonst noch von diesem Gespräch windbekommt.“, erwähnte er Jäger, ohne dessen Namen zu nennen. Verena seufzte. „Kein Grund zur Sorge. Ich soll unseren Ehrengast informieren? Kein Problem, Jäger hat ohnehin befohlen im alle Infos zukommen zu lassen. Womit fangen wir an?“, erkundigte sie sich. „Von vorne bitte.“, bat Chris. Verena nickte.

„Also gut, Herr Hartmann…“, begann sie, bis Chris sie mit dem Erwähnen seines Vornamens unterbrach. Verena nickte. „Gut Chris, das erste Opfer war Nadine Boglárka, 19 Jahre Auszubildende. Sie verschwand drei Tage, bevor man ihre Leiche im Stadtpark fand. Und zwar von einem älteren Ehepaar, denen ihr Hund ausgekommen war.“, schien sie jedes Detail zu lieben. „Es gibt vier unterschiedliche Verletzungen. Zwei sind frischer, die anderen beiden wurden in deutlichen Abständen zugefügt. Für genaueres fragen Sie bitte Dr. Rotburg. Die erste Verletzung war definitiv die „Vierzehn“, die in ihre Stirn geritzt wurde. Sie war mit Salz gereinigt, sehr altmodisch, aber effektiv. Der Mörder hatte scheinbar keine Dentenz sie am Leben zu erhalten.“, berichtete sie. Nun viel Chris wieder etwas ein.

„Herr Berger erzählte mir etwas von DNA-Spuren.“, warf er ein. Verena nickte und griff nach einem Glasbehälter. „Ein Haar.“, erklärte sie. Chris sah es sich genauer an. „Weiß.“, meinte er nur. Verena nickte.

„Die Person ist etwa zwischen 50 und 60. Wir gehen davon aus, dass sich auch Mephisto in diesem Alter befindet.“, erzählte sie. Chris zweifelte.

„Aber kann das Haar nicht auf andere Weise auf ihren Körper gekommen sein? Vielleicht hatte sie vor der Entführung Kontakt zu einem älteren Mann? Ihrem Vater womöglich. Oder der Mann, der das Opfer zusammen mit seiner Frau fand.“, warf Chris ein. Verena nickte.

„Obwohl das schlüssig klingt, können es ausschließen. Aus folgenden zwei Gründen; Wir haben von allen Verwandten und Bekannten eine DNA-Probe genommen, die in den letzten Tagen mit ihr in Kontakt standen. Kein Treffer. Außerdem wurde das Haar in einer Wunde gefunden. Es muss also während oder nach dem Foltern dorthin gelangt sein.“, verriet sie. Chris brummte hörbar. Berger schien sich nicht zu wundern.

„Unser Killer ist also ein alter Sack. Vielleicht hat er ja deswegen Pause gemacht? Räumer, oder sowas?“, stellte er die Möglichkeit in den Raum. Chris lachte kurz auf.

„Und dann? Ein Arzt verpasst ihm eine neue Prostata und Mephisto geht wieder an die Arbeit?“, konnte er diese Vorstellung nicht ab. Berger schwieg. Er fühlte sich nicht direkt beleidigt, eher hatte er Verständnis.

„Opfer Nummer 2?“, fragte Chris weiter. Verena nickte und nahm dazu eine Akte in die Hand.

„Carsten Ackermann, 53, Tageshändler. Arbeitete bis Mitternacht in seinem Büro, bestieg danach sein Auto und fuhr los. Vielleicht.“, fügte Verena hinzu. Chris sah sie verdutzt an. „In seinem Blut wurde Morphin gefunden, genau wie in dem von Nadine Boglárka. Die Frage ist wann es ihm verabreicht wurde.“, erklärte sie. Chris erinnerte sich an seinen Gedanken in der Tiefgarage.

„Also hat er Ackermann entweder sofort betäubte oder ihn gezwungen irgendwo hinzufahren.“, kombinierte Chris. Verena nickte. „So in etwa muss es gewesen sein. Hier war die erste Verletzung wieder die „Dreizehn“ auf der Brust.“, las sie vor. Chris stutzte.

„Auf der Brust? Hat Mephisto nicht immer die Stirn für seine Signaturen benutzt?“, hakte er nach. Verena nickte.

„Das ist richtig. Ackermanns Stirn war sehr eng und faltig, vielleicht war das der Grund. Genauer kann ich es nicht sagen.“ Berger tat die Sache ab.

„Wenn wir ihn haben, fragen wir ihn.“, meinte er lässig. Chris wünschte, er hätte Bergers Gemütszustand. „Ackermann wurde auf einer Landstraße von einem Radfahrer gefunden. Diesmal keine DNA-Spuren. An der Kleidung fanden wir Asbest und verdrecktes Wasser, doch diese Dinge sagen nicht allzu viel aus. Wie gesagt für die körperlichen Verletzungen, sucht bitte Dr. Rotburg auf.“, sagte Verena zum Abschluss. Chris nickte und reichte ihr die Hand.

„Vielen Dank für Ihre Zeit Frau. Kohl.“, sagte er. Verena schüttelte sie und wirkte etwas verlegen.

„Verena.“, korrigierte sie nachträglich. Chris sah zu Berger und zusammen verließen sie die Forensik.

„Verena.“, flötete Berger, als er außer Hörweite war. Chris lächelte nur. Während sie die Treppe zum Konferenzraum hinaufmarschierten reichte auch Berger Chris nochmals die Hand.

„Ich fühle mich etwas traurig, dass Sie mir noch nicht den Vornamen angeboten haben. Ich weiß, meine Schönheit kann nicht mit der von Dr. Kohl konkurrieren, aber ich würde mich freuen, wenn wir uns duzten würden. Hannes.“, bot Berger an. Chris war etwas perplex, akzeptierte dann aber.

„Chris.“, erwiderte er. „Berger!“, hörten sie ein Rufen, das eindeutig Jäger zuzuordnen war. Der stämmige Chefinspektor stand vor einem Büro, dass extra ihm zur Verfügung gestellt worden war und winkte die beiden Ankömmlinge zu sich. „Schönen Ausflug gehabt?“, schien er wenig erfreut zu sein. Berger tat ganz unschuldig und

erinnerte ihn ans eine Worte, dass jede Spur wichtig sein konnte. Jäger wollte aber nichts davon hören und bat Berger in sein Büro. Dann wand er sich an Chris.

„Und Sie gehen für heute am besten nach Hause. Morgen wissen wir sicher mehr.“, servierte er ihn ab und marschierte in sein Büro. Hinter sich schlug er die Tür zu. Chris konnte nur ahnen, welcher Predigt er Berger nun aussetzte. Chris seufzte und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Er beschloss auf Jäger zu hören und den Heimweg anzutreten. Am Ende der Treppe entdeckte er ein bekanntes Gesicht.

„Schon Feierabend? Genau wie ich. Wie war dein erster Tag so? Vermisst du es Cop zu sein?“, überschwemmte ihn Sebastian mit Fragen. Chris zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung, war noch nie einer.“, meinte er. Sebastian schien zu verstehen.

„Ich kenne da eine super Bar.“, begann er. Chris überlegte kurz. „Dem Dienststellenleiter kann ich wohl nichts abschlagen.“, erwiderte er. „Aber ich will eingeladen werden, ok?“, bestand er darauf. Sebastian schmunzelte.

„Ich schätze, das hast du dir verdient.“, erklärte er sich bereit und führte Chris zu seinem Wagen.
 

Kapitel 9

Deine Verbündeten sind nicht deine Freunde.
 

„Beck hat also nichts gebracht?“, schob Sebastian Chris das Glas weiter. Der nahm einen kräftigen Schluck, bevor er antwortete.

„Nein, nur einen Blick in meine eigene Seele.“, erwiderte er. Sebastian warf einen Blick auf Chris’ Glas.

„Also unter Trinkfest stell ich mir etwas anderes vor. Wenn du schon so schnell besoffen wirst.“, kicherte er. Chris knallte das Glas wieder hin. „Ich hätte das sein können. Ich hätte Andreas Beck sein können.“, sagte er nun. Sebastian holte tief Luft. „Aber du bist es nicht. Du bist derjenige, der diese ganze Scheisse überstanden und weitergemacht hat.“, redete er ihm gut zu. Chris stimmte ihm zu. „Bist du enttäuscht, dass ich es geschmissen habe?“, wollte er wissen. Sebastian schüttelte den Kopf. „Verdammt nein, sonst würdest du jetzt auf meinem Stuhl sitzen.“, gab er an. Chris versuchte zu lächeln.

„Trotzdem wäre ich gerne er. Andreas Beck, meine ich.“, gestand er. Sebastian sah ihn ungläubig an.

„Was hat er so an sich, dass du dich in ihn hineinwünscht?“, brachte er kein Verständnis auf.

„Seine Augen.“, erwiderte Chris kühl. „Er hat ihn gesehen. Egal, was für Grauen er durchlitten hat, er hat ihn gesehen. Und selbst wenn ich in Mephistos Augen gestarrt hätte und dadurch zu Stein erstarrt worden wäre, hätte ich wenigstens die Gewissheit. Ich wüsste, wer er ist.“ Chris trank sein Glas leer. „Dennoch wäre ich über ein paar Hinweise dankbar.“, seufzte Chris. Sebastian entkam ein Lachen. Wenn jemand unter Druck stand, dann er oder Jäger.

„Engel hat bei Beck doch Fortschritte erzielt. Vielleicht schafft er es ihn aus seiner Welt heraus zu holen. Dann hätten wir wenigstens eine Beschreibung von dem Typen.“, leerte auch er sein Glas. Chris spielte mit dem Henkel des Glases herum.

„Denkst du den, Engel hätte das Recht dazu?“, fragte er nach Sebastians Meinung. Dieser schob dem Wirt ein paar Euro hin.

„Das beweist, dass du definitiv genug hattest. Ich fahr dich jetzt nach Hause. Immernoch die Wohnung neben dieser Konzerthalle?“ Chris nickte und stand auf. Während der Fahrt unterhielten sie sich wenig und am Zielort angekommen klopfte Sebastian seinem Freund nur nochmal auf die Schulter, bevor er abfuhr.

Erst jetzt erinnerte sich Chris, dass er heute mit seinem eigenen Wagen zur Dienststelle gefahren war. Er fluchte, da er morgen den Bus nehmen musste. Er sperrte seine Haustür auf und glaubte sich plötzlich mehrere Jahre in die Vergangenheit versetzt zu fühlen. Damals trabte er mutlos in seine Wohnung und warf seine Reisetasche auf den Gang. Sebastian hatte sie ihm voll gepackt und ins Krankenhaus gebracht. Chris hatte sie jedoch noch nichteinmal geöffnet, um seine Zahnbürste heraus zu fischen. Sein Blick streifte durch die Wohnung. Es war nichts verändert worden, von wem auch? Nachdem er sich aus seinem Kühlschrank ein Bier besorgt hatte, setzte er sich auf die Couch und schaltete den Fernseher ein. Er zappte die Soaps und US-Serien weg, bis er einen Nachrichtenkanal fand. Überschwemmungen in Süd-

Afrika. 20 Tote. Das interessierte natürlich mehr als irgendein Serienmörder. Schließlich erschien Mephisto doch in den Kurznachrichten. Eine blonde und aufgetakelte Nachrichtensprecherin verriet, dass die Polizei keine neuen Erkenntnisse parat hatte. Feine Nachrichten. Chris verbrachte die nächsten Wochen in dieser Position. Sein Krankenstand endete zwei Monate nach dem grausamen Überfall. Er wurde angerufen und gefragt, ob er noch Interesse an der Stelle hatte. Doch für Chris hätte es nur eine Option gegeben. Wenn man ihn für die SOKO Mephisto eingeteilt hätte. Doch dieses kam nicht in Frage, nicht einmal wegen seines geringen Ranges, sondern mehr wegen seiner Beziehung zu der Tat. Chris erinnerte sich nicht mehr an seine Worte, höchstens an solche wie ‚am Arsch lecken’ gefallen waren. Chris schlug den Hörer auf die Gabel, ging auf den Parkplatz vor seinem Haus und startete den Wagen. Er fuhr mehrere Kilometer im Kreis, bevor er vor dem Haus seiner Familie stand. Weitere Minuten verstrichen. Chris kamen sie wie Stunden vor. Schließlich stieg er aus und stolzierte auf das Haus zu. Die Haustür war mit gelbem Polizeiband versiegelt, dass Chris, jedoch nicht am Eintreten hinderte. Kalte, staubige Luft schwebte ihm entgegen. Die Heizung schien abgestellt worden zu sein. Aus welchem Grund, sollte sie den auch laufen? Immerhin lebte in diesem Haus niemand mehr. Niemand mehr. Diese Worte pochten in Chris’ Kopf und verursachten arge Kopfschmerzen. Er betrat das Wohnzimmer und blieb vor einer Lache getrocknetem Blut stehen. Doch wesen war es? Das seiner Mutter? Mephisto hatte ihr eine große Wunde zugefügt, um möglichst viel Blut zu gewinnen. Damit wollte er seine

Schreckensnachricht schreiben. Doch Chris konnte sie nicht entdecken. Die ermittelnden Beamten mussten sich entschlossen haben sie aus Pietätsgründen wegzuwischen. Naja es spielte keine große Rolle. Chris hatte den Satz beim ersten Mal gesehen, aber nicht gelesen. Er drängte Sebastian solange, bis er ihn preisgab.

„Die Kraft ist schwach, allein die Lust ist groß.“

Nicht, dass Chris je einen Sinn in dieser Botschaft gesucht hätte, doch trotzdem schien er sie niemals wieder vergessen zu können. Chris wusste nicht wieso, aber auf einmal kam ihm der Gedanke, was er jetzt mit dem Haus anstellen sollte? Es verkaufen? Wenn ja, musste er dann die Putzfrau fürs Blut wegwischen bezahlen? Oder übernahm das Mephisto? Immerhin hatte er den Saustall angerichtet. Chris hätte sich ohrfeigen können, dass ihm diese Gedanken hochschossen. Er telefonierte mehrmals mit der Polizei, doch diese würgten ihn ständig ab. In einer Woche hatte er ein Gespräch mit dem Leiter der SOKO, Chris hoffte ihn auf seine Seite ziehen zu können. Aber warum hatte Chris nicht schon selbst losgelegt? Schließlich musste es eine Verbindung zwischen Mephisto und seiner Familie geben. Dieser musste sie immerhin ausgesucht haben. Mephisto sucht den Superstar, dachte Chris. Dem Gewinner erwartet ein Massaker frei Haus. Chris verließ das Haus wieder und machte sich gar nicht erst die Mühe das Siegel wieder anzubringen. Er fuhr wieder nach Hause und betrank sich. Er schaltete den Fernseher ein, und wie so oft, wenn eine neue, grausame Tat geschah war sie Thema Nummer 1. Die Nachrichtensprecherin begann wieder zu reden. Chris bemerkte Spuren eines Knutschflecks an ihrem Hals. Scheinbar hatte sie heute Morgen nicht so viel

Zeit zum zurechtmachen gehabt.

„Eine dritte Tat hat sich ereignet, nachdem die Polizei am gestrigen Abend von einem Nachbarn der Familie Beck allarmiert wurde. Sie begab sich sofort zum Tatort, wo sie Herrn und Frau Beck Tod vorfanden. Die Selben tödlichen Verletzungen wie bei den anderen Fällen.“

Die Sprecherin klang sehr aufgeregt, Chris fragte sich, ob sie sich tatsächlich für den Fall interessierte, oder darauf trainiert wurde. Hätte sie langsam und monoton gesprochen, hätte es ihm jedoch auch nichts ausgemacht.

„Der Sohn der Familie, der 20-jährige Andreas Beck überlebte verletzt. Sowohl er, als auch das frühere Opfer Natascha Klein werden von der Polizei abgeschirmt. Laut Angaben sind jedoch beide noch nicht vernehmungsfähig.“, beendete sie ihre Ansprache, setzte eine fröhliche Miene auf und berichtete über den neugeborenen Eisbär im städtischen Zoo. Chris schlief die Nacht sehr unruhig. Er rang jede Nacht mit sich. Wieso unternahm er nichts? Wieso saß er nur untätig da, und ließ andere den Job erledigen? Es war nicht so, als ob Chris ihnen nichts zutraute, doch er erfuhr auch nichts von ihnen. Am nächsten Tag suchte Chris einen Schießstand auf. Bereits während der Ausbildung versuchte er die anderen zu übertreffen und sich selbst immer wieder zu überbieten. Zweimal schoss er daneben, aber die restlichen Kugeln verfehlten ihr Ziel nicht. Chris stellte sich die schwarze Papfigur mit Gesicht vor. Grausigen Augen und mit breitem Grinsen. Natürlich durften die spitzen, gerungenen Hörner nicht fehlen. Mephisto machte sich über ihn lustig und Chris betätigte auch noch weiter den

Abzug, als sein Magazin bereits leer war. Als er an diesem Abend nach Hause fuhr fasste er einen Entschluss. Die Trauerzeit war zu Ende. Nun würde eine andere Phase eintreten. Nämlich die Jagd.
 

Kapitel 10

Namen suchen sich Personen aus, nicht umgekehrt.
 

Unaufhaltsam schnappte Breuer nach Luft. Dann erinnerte er sich, dass es bereits zu spät dafür war. Er befand sich nicht mehr in der dreckigen Wohnung, die er sich von seinem Entlassungsgeld und seinen Ersparnissen gemietet hatte. Aber warum? Er wollte sich gerade die Zahnbürste in den Mund stecken, als ihn plötzlich etwas stach. Zuerst hatte er vermutet, er habe sich an eine der Kanten geschnitten, von denen in dem engen Badezimmer reichlich vorhanden waren. Der Spiegel hatte einen Bruch in der Mitte, weshalb Breuer nur den Umriss desjenigen sehen konnte, der hinter ihm stand. Es war das Gesicht eines anderen Mannes. Die Haut hing an manchen Stellen schlapp herab, doch Breuer wusste sofort, dass es keine echte Haut war. Durch den gebrochenen Spiegel konnte er die Augen nicht sehen, doch er wusste, wer sich hinter der Maske befand. Natürlich begann sich der ehemalige Inhaftierte zu wehren, doch die Injektion wirkte in Sekundenschnelle. Breuer sackte zusammen wie tot. Als er wieder aufwachte fand er sich nicht zurecht. Zuerst nahm er wirklich an, man habe ihn aus seiner Wohnung geschleppt. Dann erkannte er jedoch die rostige Heizung, die in der Ecke seines Wohnzimmers stand, wenn man es den so nennen konnte. Um Breuer drehte sich alles. Er versuchte sich zu bewegen, doch etwas hielt ihn zurück. Es war seine eigene Hand. Er zog an ihr, doch es funktionierte nicht. Sie war festgebunden. Es fühlte sich metallisch an, vielleicht Handschellen.

„Ich weiß, dass du da bist du Schwein!“, rief er in die Leere seiner Wohnung. Als hätte er sie beschworen, trat nun eine Person aus einem der Zimmer. Breuer konnte immer noch nicht richtig sehen. Es waren hochgezogene, schwere Stiefel, die auf ihn zustampften.

„Hältst du das für einen Scherz? Wieso machst du diese Scheisse? Ich weiß, dass du es bist!“, brüllte er, so laut es sein Zustand zuließ. Die Schritte hielten erst direkt vor ihm.

„Du hast etwas Falsches getan. Siehst du das ein?“, fragte eine dumpfe Stimme, die hinter der Maske hervorquoll. Breuer stieß einen Schrei aus.

„Was denn bitte? Ich habe mein Maul gehalten! Wenn jemand etwas Falsches tut, dann du!“, war er bereits am verzweifeln. Er kannte die Person hinter der Maske besser als sonst ein Mensch auf der Welt. Genau das war es, was ihm solche Angst einflößte. Er wusste wozu, der selbsternannte Teufel im Stande war.

„Verdammte Scheisse! Was soll ich getan haben?“, fragte Breuer nochmal. Mephisto streckte sein Gesicht nach vorne, um Breuer direkt in die Augen sehen zu können. „24 Jahre.“, flüsterte er ihm zu. Breuer erschrak.

„Was zum Teufel soll das heißen? Ich war nur weniger als 8 Jahre drin! Und habe keiner Sau etwas verraten! Weder drinnen, noch draußen, das musst du mir glauben!“, flehte er Mephisto an. Dieser begann nun sein Messer aus dem Hosenbund zu ziehen. Breuer war noch so benommen, dass er es nicht sah. „Deswegen bin ich dir auch sehr dankbar. Du hast deinen Teil der Abmachung erfüllt. Aber du hast ein anderes schweres Verbrechen begangen.“, flüsterte er wieder. Breuer starrte ihn verwirrt an.

„Welches verdammt?“, konnte er ihm nicht folgen. Mephisto rieb die Breitseite seines Messers. „24 Jahre. Ich habe dir 24 Jahre Zeit gegeben. Weißt du, wie lange du gebraucht hast? 26. Du hast unser Abkommen verletzt.“, streichelte Mephisto das Messer nun an Breuers Arm entlang. Dieser bemerkte es nun und ihm brach der Schweiß aus.

„Diese Goethe/Faust-Sache? Meinst du das ernst? Verdammt, das ist doch schon so lange her!“, rechtfertigte er sich. Er wusste, dass er mit einem Psychopathen sprach, er musste sich also auf seine Ebene begeben. Nun stach die Klinge des Messers in Breuers Unterarm.

„Und das war nicht das einzige! Du hast deinen Teil der Abmachung nicht nur nicht erfüllt, nein! Wegen dir musste ich mir eine Frau holen, die wahrscheinlich noch nicht bereit ist. Sie hat die erste Behandlung nur mit Mühe überstanden! Was morgen ist, kann niemand sagen. Der Teufel sucht sich seine Seelen aus, und niemand dreht ihm irgendwelche an!“, fuhr er Breuer an. Dieser schwitzte nun heftig und sein Herz trommelte wie wild. „Es tut mir Leid, ja? Ich habe diesen Auftrag erhalten! Ich dachte, sie wäre ein geeignetes Opfer! Ja, du hast Recht, du bist der Teufel. Der große Mephisto. Ich hätte mich nicht einmischen sollen, aber das kannst du mir doch nicht antun.“, wimmerte er. Breuer spürte wie die Klinge nach rechts fuhr. Breuer schrie auf. Das Messer musste eine schmerzhafte Stelle getroffen haben. Jeder Versuch sich zu wehren scheiterte. Das Betäubungsmittel war einfach zu stark.

„Scheisse, was ist das?“, schrie Breuer wieder auf, als er bemerkte, dass etwas seinen Arm verließ. Er sah nach unten. Alles war verschwommen, aber es rann etwas. Langsam öffnete Mephistos Klinge die Haut und auch die Vene. Breuers Arm wurde immer mehr von dem Blut überflutete, dass es nicht mehr länger in seinem Arm aushielt und nach draußen quoll. Mephisto war an der Handfläche angekommen und zog die Klinge raus.

„Hilf mir! Ich glaube ich verblute!“, rief Breuer Mephisto zu. Dieser strich nun mit seiner schwarzen Hand über Breuers Wange.

„Es irrt der Mensch, solang' er strebt.“, flüsterte er ihm zu. Breuer nickte voller Qualen.

„Ja, ich habe verstanden. Ich verstehe alles, jetzt ruf schon einen Arzt!“, bettelte er. Während Breuer weiterhin, nur noch teilweise sinnvolle Laute von sich gab begann Mephisto dessen Hemd aufzuknöpfen. Diesmal entfernte er es nicht mit dem Messer, sondern öffnete vorsichtig jeden Knopf einzeln. Dann nahm er sein Lieblingswerkzeug wieder zur Hand und begann damit seine Arbeit fortzurichten. Breuers Sicht war nun vollkommen verschwommen. Er sah nur noch die Form eines Kopfes vor sich. Bildete er sich das wegen dem Blutverlust nur ein, oder wuchsen nun lange, gekrümmte Hörner aus dem Kopf seines Peinigers?
 

Kapitel 11

Wozu nach Hoffnung suchen, wenn man auch Verzweiflung haben kann?
 

Chris irritierte das Hupen, das erklang, als er durch die Haustür trat. Er hatte sein Hemd noch nichtmal hineingesteckt, da rief ihm Berger schon einen guten Morgen zu. Mit ihm hatte Chris am wenigsten gerechnet. Nicht nur, wegen der Tageszeit, auch wegen Jägers vermeintlichen Anschiss am gestrigen Tag. Da er sich in diesem Moment jedoch erinnerte, seinen Wagen weit entfernt stehen zu haben, war ihm das nur recht.

„Guten Morgen, Kollege.“, rief er ihm zu.

„Morgen Hannes.“, spielte Chris das Spiel mit. Er öffnete die Beifahrertür und machte es sich bequem.

„Überrascht?“, wollte Berger wissen. Chris zuckte mit den Schultern.

„Mich überrascht so einiges nicht mehr.“, erwiderte er. Berger nickte, startete den Motor und fuhr los.

„Das wesentliche im Gespräch zwischen Jäger und mir muss ich dir wohl nicht erzählen. Am Ende hat er mich vollkommen degradiert. Ich wollte einige Zeugen befragen, aber diese Sparte hat er vollkommen Pajak aufgehalst. Ich bin ab sofort dein persönlicher Chauffeur.“, gab er preis. Chris sah besorgt aus. „Hat er dich aus der SOKO geworfen?“, hakte er nach. Berger schüttelte energisch den Kopf.

„Schlimmer. Wenn er es getan hätte, hätte ich meinen Stolz bewahrt, aber er hat mich drin gelassen und gibt mir keine brauchbaren Aufgaben mehr.“, verriet er. Chris entschuldigte sich, doch Berger wollte davon nichts hören.

„In einer halben Stunde gibt es eine Besprechung, ob man auf uns warten wird oder nicht, hängt von Jäger ab. Bereite dich aber darauf vor in ein Gespräch hinein zu platzen. Aber wer weiß, vielleicht wurden wenigstens verwertbare Hinweise gefunden.“, machte Berger Chris Mut. Sie kamen zeitig an ihrem Arbeitsplatz an und betraten ein weiteres Mal die Dienststelle. Chris wurde unsanft angerempelt und erkannte den Ermittler mit dem Namen Braun.

„August, wohin so eilig?“, rief ihm Berger hastig nach. Braun fand nur die Zeit ihm zuzuwinken, mehr nicht. Berger zuckte mit den Schultern und betrat das Innere. Er und Chris stiegen die Treppe hinauf und fanden den Konferenzraum leer vor. „Hannes!“, hörte Chris die Stimme Jägers hinter sich.

„Ach, und dein Freund.“, wünschte er Chris auf seine Weise einen guten Morgen.

„Wieso die Aufregung, Boss?“, schien Berger irritiert. Jäger zeigte auf die Treppe.

„Keine Zeit. Es gibt Arbeit. Gasthaus Grünwald, du und dein spezieller Freund solltet in 10 Minuten dort sein. Vielleicht kann sich unser Privatermittler ja doch noch nützlich machen.“, sagte er und begann schneller zu gehen.

„Ben!“, rief Berger seinem Chef noch nach. Dieser stoppte kurz.

„Achja. Opfer mit Schnittverletzungen.“, warf er noch zurück und lief die Treppe hinunter. Chris und Berger sahen einander ungläubig an. Jäger hatte sich ziemlich bedeckt gehalten.

„Opfer mit Schnittverletzungen? Was bedeutet das? Hatte Mephisto wieder zugeschlagen? Natürlich wer sonst. Die SOKO übernahm keine anderen Fälle. Berger brummte. Warum hatte ihn Jäger nicht angerufen? Vertraute er ihm tatsächlich nicht mehr?

„Nehmen wir deinen Wagen, oder meinen?“, war alles, was Chris dazu zu sagen hatte.
 

Es herrschte bereits reges Treiben, als Chris und Berger – Berger mit seinem Dienstwagen, Chris mit seinem privaten – am Tatort eintrafen. Chris wurde von zwei Leuten der Spurensicherung angerempelt. Berger schien mehr Geschick im Ausweichen zu besitzen.

„Jäger?“, fragte Berger einen der weißgekleideten Männer. Dieser deutete auf den Eingang des Gasthauses. Chris entdeckte die Lage als erstes. Jäger hatte die Wahrheit gesagt. Hinter den Absperrungen schien tatsächlich ein Mord geschehen zu sein. Von seinem Blickwinkel aus konnte Chris nur nackte Beine erkennen, die in roten Stöckelschuhen steckten. Es musste sich also um eine Frau handeln. Chris marschierte auf den Tatort zu, ohne zu wissen, ob er überhaupt dazu berechtigt war. Berger folgte ihm in kurzem Abstand. Jäger war wenig erfreut, als er Chris sah. Er hatte gehofft, dieser würde seine Einladung nicht annehmen. Chris stand direkt vor einem Mann, der Fotos vom Opfer schoss.

„Ist wohl nicht Ihr Fall, Hartmann.“, murmelte Jäger. Chris sah ihn verdutzt an, bis er Übersicht über die Leiche bekam. Es war tatsächlich eine Frau. Sie musste Mitte Zwanzig sein, trug einen kurzen Rock, ihr Oberkörper war bis auf einen BH nicht bekleidet. Erstaunlich viel Schminke zierte ihr Gesicht. Ihre Augen waren ausdruckslos und erhärtet. Seitlich der Augen wurden Schnitte bis hin zum unteren Wangenknochen gesetzt. Sowohl in der rechten, als auch in der linken Hand waren Schnittmuster zu erkennen. Ein typisches Mephistowerk. Oder doch nicht? Wo war die Zahl abgebildet? Es musste eine „Zwölf“ sein, wenn sich Chris nicht vollkommen irren sollte. „Das sieht wie Mephisto aus.“, sagte Chris dennoch. Jäger knurrte. „Und Sie können das natürlich beurteilen, ja?“, fuhr er ihn an. Chris nickte.

„Ja. Vielleicht als einziger.“, fügte er hinzu. Jäger entkam ein Lachen.

„Das wird Dr. Rotburg nicht gerne hören.“, prophezeite er. „Oh, ich wäre erfreut, wenn mir jemand die Arbeit abnehmen würde.“, erklang es hinter Jäger. Dieser drehte sich irritiert um und erkannte einen älteren Herrn im Kittel. Dieser schien gerade sein Auto verlassen zu haben und auf den Tatort zuzuschreiten. Als er angekommen war, tauschten er und Jäger Begrüßungsfloskeln aus.

„Das dort ist übrigens Herr Hartmann. Es behauptet am besten mit Mephistos ‚Kunstwerken’ vertraut zu sein.“, verwies er auf Chris. Der Arzt musterte ihn kurz, bevor er ihm die Hand reichte.

„Herr Hartmann! Ich habe bereits viel über Sie… also Ihren Fall gelesen. Dr. Theodor Rotburg.“, stellte er sich vor. Chris schüttelte ihm die Hand, ohne seinen Namen zu nennen. Rotburg warf einen Blick auf die Leiche. „Es mag stimmen, dass Sie Mephistos Schnitte besser erkennen können, da Sie Ihnen mehr bedeuten.“, gab er an. Chris blickte abschätzig. „Mehr bedeuten? Wie sollte er dieses Kompliment verstehen? Rotburg hatte sich neben die Leiche gekniet. „Auf den ersten Blick, wie die letzten Male. Ablageort, aber nicht Tatort. Multiple Schnittverletzungen, alle in Abständen ausgeführt. Todesursache schnitt ins Herzen.“, gab er erste Vermutungen ab.

„Todeszeitpunkt?“, schien das Jäger am wichtigsten zu sein. Rotburg seufzte.

„Die Leichenstarre hat noch nicht eingesetzt, also innerhalb der letzten 2-3 Stunden. Genauer wenn, na Sie wissen schon.“, sprach er.

„Dr.“, mischte sich Chris ein. „Sie sind also davon überzeugt, dass es sich um Mephisto handelt?“, fragte er. Rotburg brummte. „Die Schnitte müssen natürlich erst untersucht werden, aber meiner Meinung nach deutet alles darauf hin. Ich nehme an, Sie beziehen sich auf die Zahl?“, hinterfragte Rotburg. Chris nickte und der Gerichtsmediziner überlegte. „Sie ist noch teilweise bekleidet, womöglich…“, redete Rotburg, bis Chris ein Gedanke durchfuhr.

„Wurde die Leiche schon bewegt?“, fragte er Jäger eindringlich. Dieser sah ihn abschätzend an.

„Natürlich nicht, die Spurensicherung ist noch lange nicht fertig.“, antwortete er. Danach musste er zusehen, wie Chris mitten im Tatort herumtrampelte und die Leiche berührte. Jäger glaubte seinen Augen nicht mehr. Auch Rotburg bat Chris damit aufzuhören. Jäger wollte Chris bereits von der Frau entfernen, doch dieser hatte sie an der Hüfte gepackt und hievte sie hoch. Alle mussten zusehen, wie Chris die Leiche wendete. Die Frau lag nun auf dem Bauch und auf ihrem Rücken prangte eine blutige „Elf“ hervor. Jäger beeindruckte diese Entdeckung nur kurz. Dann packte er Chris an den Schultern und zog ihn hoch.

„Das war’s für Sie. Sie haben wertvolle Spuren zu Nichte gemacht, vielleicht sogar Beweise. Den Gefallen gegenüber Fleischer habe ich erfüllt, aber Sie sind raus aus diesem Fall. Verlassen Sie unverzüglich den Tatort.“, knurrte er ihn an. Jäger gab Pajak und Braun ein Zeichen, welche Chris nun aus dem Sperrgebiet führten. Berger gleich hinterher.

„OK, ich übernehme.“, speiste er seine Kollegen ab. „Was zum Teufel war das, für eine blöde Aktion?“, fauchte er Chris an. Doch dieser schein nicht zu erkennen, dass er etwas Falsches getan hatte.

„Es war definitiv Mephisto!“, redete er auf Berger ein. Dieser spuckte auf den Boden.

„Schon klar, zwar auf dem Rücken, aber was soll’s. Mephisto wird eben kreativer. War es das Wert, aus der SOKO ausgeschlossen zu werden?“, wollte er seinen neuen Freund nicht verstehen. Doch Chris schien auf etwas anderes hinaus zu wollen.

„Nein, nein! Eine 11! Keine 12! Ackermann hatte eine 13 auf seinem Bauch, das neue Opfer müsste also eine 12 haben!“, erklärte er mit Händen und Füßen. Berger überlegte kurz. „Wieso hat er die Reichenfolge geändert?“, erhoffte er sich gleich eine Antwort. Chris schüttelte energisch den Kopf. „Ich glaube nicht, dass er sie geändert hat. Ackermann ist gerade mal vier Tage tot, das heißt Mephisto muss sie sich geholt haben, gleich nachdem er Ackermann abgelegt hat. Er wird dreister. Wahrscheinlich liegt da draußen ein Opfer mit der Nummer 12! Er verfällt in einen Blutrausch, jetzt wo er seinem Ziel immer näher kommt. Wenn er in Abständen von ein paar Tagen tötet, ist das eine Katastrophe!“, versuchte er Berger deutlich zu machen. Dieser hielt sich die Hand vor den Mund. „Ok, OK! Ich sage Jäger, dass wir vermutlich noch ein Opfer einsammeln können, aber für dich werde ich nichts mehr tun können.“, versicherte er. Chris schüttelte den Kopf.

„Schon gut, ihr werdet die Leiche ohnehin bald finden. Mephisto hat die ersten beiden Opfer an öffentlichen Plätzen dargestellt. Diese Frau liegt vor einem Gasthaus, Mephisto muss sie kurz vor Morgengrauen abgelegt haben. Er will Aufmerksamkeit und, dass die Opfer möglichst schnell gefunden werden. Schließt euch am besten mit anderen Dienststellen zusammen.“, gab ihm Chris den Rat. Berger nickte und steckte Chris etwas zu. Ein Zettel aus einem Notizbuch, welcher eine Telefonnummer enthielt. Er nickte Chris zu und ging zu Jäger zurück. Chris verstand, dass er nun nicht mehr viel erreichen würde. Die Leiche durfte er sich nicht genauer ansehen, er konnte nur darauf bauen, dass ihm Berger auf dem Laufenden hielt. Chris begann sich von der Absperrung fortzubewegen, als er angesprochen wurde. „Verzeihung, SOKO Mephisto?“, fragte ein Mann in Zivilkleidung, den Chris jedoch sofort als Polizisten wahrnahm. Perplex nickte Chris.

„Chefinspektor Jäger?“, wurde dieser konkreter. Chris schüttelte den Kopf, wollte das Missverständnis aber auch nicht sofort aufklären.

„Er ist dort drüben. Was wünschen Sie von ihm?“, riskierte er sein Glück. Der Mann, der Chris offenbar als Polizisten wahrnahm zückte seine Marke.

„Zeitler, Gewaltverbrechen. Ich ermittle in einem möglichen Entführungsfall.“, gestand er. Chris verstand nicht, was auch Zeitler bemerkte.

„Ich habe von Ihrer Leiche windbekommen. Vielleicht ist sie die Person, die ich suche.“, sagte Zeitler und wollte durchgelassen werden. Doch Chris war hellhörig geworden. Er hielt Zeitler davon ab.

„Inwiefern? Unser Opfer ist eine Frau, Mitte Zwanzig.“, erklärte er. Zeitler sah ihn gefasst an.

„Wie unser Opfer. Sabine Emmerich, 26, wurde vor zwei Tagen entführt. Eine alte Frau hat ausgesagt jemand hätte sie in der Nacht angefallen und in sein Auto gezerrt. Sie konnte uns keine Details sagen. Zuerst dachten wir ihr Ex-Freund wäre wiedermal darin verwickelt.“, berichtete er weiter. Chris verzog die Lippe.

„Wie meinen Sie das?“, hakte er nach. Zeitler war es scheinbar unangenehm erst mit Chris und dann nochmal mit Jäger zu reden, doch Chris ließ ihm keine Chance.

„Ihr Ex-Freund, ein gewisser Stein ist ein Gangmitglied, das vor einigen Jahren in den Knast kam. Aber er hatte draußen so gute Kontakte, dass seine Freundin ständig überwacht wurde. Einmal sogar zusammen geschlagen. Ein paar einer Gangkumpels haben wir eingebuchtet und sie haben auch gegen Stein ausgesagt, aber sonst Sense. Der Mistkerl hört nicht auf. Aber wenn seine Ex-Freundin jetzt wirklich das Opfer von diesem Serienkiller wurde, betrachte ich Stein noch als Unschuldslamm.“, meinte er. Chris nickte und Zeitler kämpfte sich endlich zur Absperrung durch.

„Hey! Wie ist es in der Sache Mephisto zu ermitteln?“, rief Zeitler Chris noch zu. Chris zögerte etwas.

„Krank.“, erwiderte er schließlich. Zeitler nickte und marschierte auf Jäger und dessen Kollegen zu. Er zeigte seine Marke und fing an zu reden. Chris machte sich nun schnellstens aus dem Staub. Chris bestieg seinen Wagen und fuhr los. Dann wählte er die Nummer seiner Detektei. Ein müder Damir meldete sich.

„Polizisten scheinen wirklich Frühaufsteher zu sein.“, gähnte er. „Damir, sitzt du gerade vor dem Computer?“, wollte Chris von seinem Partner wissen.

„Ja, und ziehe mir jede Menge Pornos rein.“, meinte er sarkastisch. Chris sah auf die Uhr.

„Kannst du herausfinden, in welchem Gefängnis ein gewisser Stein einsitzt?“, bat er. Damir beschloss lieber gar nicht erst nachzufragen.

„Vorname?“, wollte er noch wissen. Chris fluchte, dass er Zeitler nicht danach gefragt hatte.

„Keine Ahnung“, gestand er. Damir glaubte nicht richtig zu hören und beteuerte, dass er kein Sherlock Holmes wäre.

„Seine Ex-Freundin heißt Sabine Emmerich. Der Name muss in seiner Strafakte auftauchen.“, fügte er hinzu. Damir brummte hörbar.

„Soll ich mich vielleicht in deren Datenbank hacken?“, fragte er spöttisch. Doch so absurd war das gar nicht, Damir hatte diesen Weg bereits einmal benutzt um Informationen zu erhalten. „Versuche es, falls es nicht funktioniert, schicke ich dir gleich die Nummer eines Bekannten. Sebastian Fleischer, er verschafft dir Zugang. Zumindest hoffe ich das.“, beendete er das Gespräch ohne Damirs Antwort abzuwarten. Es dauerte etwa 15 Minuten, in denen Chris nur so herumfuhr, bis Damirs Anruf eintraf. Er hatte es ohne Sebastians Hilfe geschafft. „Alexander Stein, Justizanstalt Erdberg.“, hatte er durchgegeben. Chris hatte sich bedankt und dann blitzschnell seine Richtung geändert.
 

Kapitel 12

Einen Augenblick im Paradies gelebt ist nie zu teuer mit dem Tod bezahlt
 

Chris brauchte nicht solange wie erwartet, als er bei der Justizanstalt eintraf. Er zückte sein Handy und wählte die Nummer, die ihm Berger zugesteckt hatte. Dieser meldete sich gleich nach dem ersten Klingeln.

„Ich bin es.“, sagte Chris. Berger schien aufgeregt.

„Wir kennen den Namen des Opfers. Ein gewisser Zeitler war da. Er hat uns mitgeteilt, dass Opfer gelte als entführt. Das würde zu Mephisto passen. Jäger hat ihn angeschnauzt, weil er keine vernünftigen Zeugen aufweisen konnte. Jedenfalls, der Name der Frau ist…“, wurde Berger nun unterbrochen. „Sabina Emmerich.“, setzte Chris ihn in Erstaunen. Bevor Berger etwas erwidern konnte, kam Chris zum Punkt.

„Ich erzähle dir alles später. Zeitler meint, ihr Ex-Freund hätte Kontakte außerhalb des Gefängnisses. Es ist nur eine Spur, aber vielleicht hat er Informationen. Das Problem ist, als privater Ermittler bekomme ich erst in einigen Wochen einen Termin bei ihm.“, wartete er, bis sich Berger selbst seinen Teil dabei dachte.

„Fuck, Chris. Wenn Jäger davon windbekommt bin ich erledigt.“, jammerte er. Chris konnte Berger inzwischen jedoch ziemlich gut einschätzen. Er wollte genauso wie alle anderen Mephisto schnappen.

„Wo bist du?“, wollte er wissen.

„Justizanstalt Erdberg.“, berichtete er. Berger schnaufte.

„Ich rufe den Direktor an.“, versprach er. Chris dankte ihm und versprach ihm, den Gefallen zu erwidern. Er legte auf und marschierte langsam auf das Haupttor zu, damit Berger genug Zeit hatte, den Direktor zu informieren. Chris gab sich vollkommen gelassen, als er sich an der Schleuse anmeldete. Er brachte sein Verlangen vor und der Beamte begann zu telefonieren. Das Timing hätte nicht besser sein können. Berger hatte seinen Anruf getätigt und Chris wurde eingelassen. Im Hauptgebäude erwartete ihn ein anderer Wärter, der ihn begrüßte.

„Polizist?“, hakte dieser nach. Chris schüttelte den Kopf. „Sowas wie ein polizeilicher Berater, aber es hat schon alles seine Ordnung. Der Grund, warum ich hergeschickt wurde ist, weil die Spur möglicherweise im Sand verläuft. Aber man muss ja allem nachgehen, nicht?“, meinte er kameradschaftlich. Der Wärter nickte kurz und bat Chris ihm zu folgen.

„Sie wollen also zu Alexander Stein?“, erkundigte er sich nochmals. Chris nickte. „Tut mir Leid für die Umstände.“, erwiderte er. Dem Wärter schien es aber wenig zu stören. „Es ist gerade Hofgang. Stein verweilt jedoch in seiner Zelle. Fragen Sie nicht wieso. Übler Kerl, also kommen Sie ihm nicht zu nahe.“ Chris dankte ihm für den Rat. Im Zellentrakt kam ihnen ein Mann entgegen, der Dr. Rotburg sehr ähnlich sah. Vielleicht eine Spur jünger.

„Tag Dr. Bohde. Was machen die Patienten? Schön brav?“, begrüßte ihn der Wärter. Bohde machte eine abfällige Handbewegung. Chris stutzte. „Sind nicht alle Insassen im Hof?“, erinnerte er sich. Der Gefängnisarzt nickte.

„Bis auf diesen Stein. Ich habe ihm nur seine Tabletten vorbeigebracht.“, berichtete er. Chris zeigte sich erstaunt.

„Ist er krank?“, hakte er nach. Der Wärter schüttelte den Kopf. „Nur Beruhigungstabletten. War die Idee vom Direktor. Stein ist sehr aufbrausend. Da Dr. Bohde ihm jedoch bereits seine Tabletten vorbeigebracht hat, kann ich Sie beruhigt zu ihm lassen.“, meinte er. Die beiden verabschiedeten sich vom Gefängnisarzt und standen bald vor einem Raum, an dem rechts der Name ‚Stein’ zu lesen war.

„Eine Einzelzelle?“, wunderte sich Chris. Der Wärter schüttelte den Kopf.

„Nene, sein Mitbewohner ist vor zwei Wochen ‚ausgezogen’. Hat sich jetzt ’ne Wohnung mit mehr Quadratmetern gesucht, wenn Sie verstehen.“, kicherte er. Chris nickte und den Wärter schloss auf. „Hieß Beuer, Breuer, oder so.“, murmelte er noch, bevor die Tür aufschwang.

„Hat man hier den nie seine Ruhe?“, wurden die beiden unverzüglich angeschrieen. Der Insasse, der vor Chris auftauchte war, wie er sich ihn vorgestellt hatte. Glatze, Vollbart, Muskeln ohne Ende. Während an seiner rechten Schulter eine Schlange – Chris glaubte sie als Viper zu identifizieren – tätowiert war, prangte an der anderen eines dieser beliebten, chinesischen Zeichen. Der typische ‚Schläger’. „Freu dich, du hast Besuch.“, wies der Wärter auf Chris hin. Stein sah ihn unwirklich an.

„Anwalt oder Cop?“, meckerte er. Scheinbar hatte er hier drin keinen anderen Besuch zu erwarten. „Sagen wir zweiteres.“, stellte sich Chris vor, ohne seinen Namen zu nennen. Am liebsten hätte er den Wärter gebeten draußen zu warten, doch er wusste, dass dies nicht möglich war. „Sabine Emmerich wurde heute morgen tot aufgefunden.“, begann er. Zuerst war Stein sprachlos.

„Fuck.“, erwiderte er schließlich.

„Welches Arschloch war’s?“, fügte er noch hinzu. Chris ahnte, dass er bei Stein auf Granit beißen würde, wenn er sich kultiviert unterhalten wollte.

„Sagen Sie es mir. Laut Herrn Zeitler, der Ihnen bekannt sein müsste, haben Sie doch die besten Connections nach draußen.“, begann Chris. Stein bäumte sich vor dem Privatermittler auf. Der Wärter ermahnte ihn mit einem strengen Blick.

„Ach deswegen kommen Sie. Nicht, um mir die traurige Nachricht mitzuteilen.“, setzte sich Stein auf sein ungemachtes Bett. Chris verzog keine Miene. Deswegen war er sicher nicht gekommen.

„Eigentlich dürfte ich Ihnen das nicht sagen, aber… wir gehen davon aus, dass Ihre Ex-Freundin von einem Serienmörder umgebracht wurde. Ich nehme an, solche Personen kennen sie natürlich nicht.“, entgegnete Chris. Stein spielte mit seinem Mundwinkel herum. Chris kam es so vor, als würde er seine Zähne fletschen. Bevor Stein antworten konnte, klingelte Chris’ Handy. Dieser entschuldigte sich und ging ran, als er Bergers Nummer erblickte.

„Chris, verschwinde! Jäger glaubt auch, dass Stein etwas wissen könnte. Er und Braun sind unterwegs in die Justizanstalt.“, warnte er ihn. Chris schluckte. Er würde jede Menge Ärger bekommen.

„Hatte Herr Stein in den letzten 3-4 Wochen Besuch?“, wandte sich Chris an den Wärter. Dieser schüttelte den Kopf, ohne nachzusehen.

„Ist ein Einzelgänger. Selbst unter den Insassen hatte er wenig ‚Freunde’. Höchstens seinen Mitbewohner.“, berichtete er. „Dieser Breuer, oder?“, hakte er nach. Dann sah er blitzschnell zu Stein und konnte ihn dabei beobachten wie dessen Farbe aus seinem Gesicht verschwand. Stein schluckte, fand seine Beherrschung aber schnell wieder.

„Breuer war ein Wichser.“, spielte er weiterhin den Taffen. Chris schmunzelte.

„Ein Wichser, der Ihre Ex-Freundin umbringen sollte? Schon komisch, dass sie stirbt, als Breuer entlassen wird.“ Wut kochte in Stein auf. Er erhob sich und der Wärter rief ihn zur Ordnung. Sicherheitshalber verließen sie Steins Zelle. „Tut mir Leid, ich denke sie wissen selbst, dass er nicht mehr sagen wird.“, appellierte dieser an Chris’ Vernunft. Chris nickte.

„Eine letzte Frage. Für was saß Breuer ein und für wie lange tat er das?“, sah er den Wärter eindringlich an. Dieser überlegte kurz.

„Josef Breuer saß wegen Todschlags ein. Eigentlich auf Bewährung, aber er hat sich hier immer wieder Prügeleien geliefert. Deswegen wurden es an die 8 Jahre.“, sagte er aus dem Stehgreif. Chris schluckte. Konnte es tatsächlich sein? Konnte es der Herr wirklich gut mit ihm meinen? War das Schicksal heute tatsächlich so gnädig gewesen? 8 Jahre. Vor 8 Jahren hörten die Serienmorde auf. Breuer wurde vor zwei Wochen entlassen, und was geschah? Nadine Boglárka wurde ermordet. Nicht einfach umgebracht, sondern gefoltert, wie es vor 8 Jahren ein gesuchter Serienmörder tat. Dann der Tod von Sabine Emmerich. Die Ex-Freundin von Alexander Stein. Stein hatte Breuer bestimmt angeheuert, das hatte Chris in dessen Augen sehen können. Dann wurde Sabine Emmerich das Opfer des berühmten Mephistos. Es gab wohl niemanden auf der Welt, der hieraus keine Verbindung knüpfen konnte.

„Wo muss ich mich erkundigen, wenn ich Breuers Aufenthaltsort haben möchte?“, stellte der dem Wärter doch noch eine Frage. Dieser überlegte kurz.

„Bei uns besteht keine Meldepflicht, und da er auch nicht auf Bewährung ist müssen Sie es beim Einwohnermeldeamt versuchen. Aber steht die Chance 50:50.“, erklärte er. Chris biss die Zähne zusammen. Dann fiel ihm Jäger ein und er wünschte nun zu gehen. Am Eingang verabschiedete er sich von seinem Führer und war erleichtert Jäger nicht begegnet zu sein. Zu früh gefreut. Die Schleuse öffnete sich vor ihm und Jäger und Braun traten ein. Jäger sah ihn an, als hätte er einen Geist gesehen. „Hartmann, was zum Teufel tun Sie hier?“, herrschte er ihn an. Chris musste sich etwas überlegen.

„Ich besuche nur einen Bekannten. Ist doch erlaubt, oder?“, stellte er sich dumm. Jäger kochte.

„Und dessen Name ist nicht zufällig Alexander Stein?“, wollte Chris herausfordern. Dieser biss an.

„Selbst wenn. Ich bin privater Ermittler, ich habe also das Recht Zeugen zu befragen.“, erinnerte er. Jäger nickte.

„Nur komisch, dass Sie so einfach einen Gefängnistermin bekamen. Hatten sie etwa Hilfe von oben?“, spielte Jäger auf Berger an. Chris hob die Augenbrauen. „Sie wissen doch, der Herr wacht über uns alle.“, antwortete er und stieß ein ‚Auf Wiedersehen’ aus. Hinter der Schleuse rief er Jäger noch etwas zu.

„Nur so nebenbei, sie sollten sich Steins ehemaligen Zellengenossen näher ansehen.“ Bevor Jäger etwas erwidern konnte, war Chris bereits um die Ecke gebogen. Dort zog er sein Handy heraus und wollte Damirs Nummer wählen. Doch dann entschloss er, es doch bleiben zu lassen. Das war etwas, was er selbst in die Hand nehmen musste.
 

Kapitel 13

Niemand auf dieser Welt hat das Recht auf Glück gepachtet.
 

Berger hatte Chris etwa eine Stunde nach dessen Besuch in der Justizanstalt angerufen.

„Jäger hat durchläuten lassen, dass er mich für den Verdächtigen hält, hat aber nichts gesagt. Scheinbar weil sich dein Tipp mit Steins Zellenpartner bewahrheitet hat.“, hatte er berichtet. Chris hörte Berger aufmerksam zu.

„Jäger hat diesen Stein in die Mangel genommen. Stein hat zwar nicht direkt zugegeben, dass er Breuer den Auftrag erteilt hat seine Ex abzumurksen, aber er hat es auch nicht abgestritten. Ich nehme an, dir wurde gesagt, für wie lange Breuer einsaß?“, fragte Berger kurz angebunden. Chris bejahte. „Für fast acht Jahre. Vor zwei Wochen kam er raus. Einen Tag, bevor das Opfer mit der Nummer „14“ entdeckt wurde.“, sagte er, als wäre es nichts. Berger brummte.

„Sagt dir der Name Anton Fuchs etwas?“, lautete Bergers nächste Frage. Chris musste verneinen. „Breuer ging wegen Todschlags in den Knast, weil er im betrunkenen Zustand einen Kollegen totgeschlagen hat. Er arbeitete damals bei einem Zustellungsdienst und schien sich nicht gut mit ihm verstanden zu haben. Chris! Das passt alles zu gut! Breuer muss unser Mann sein. Er ging ins Gefängnis, deswegen hat er damals nicht weiter gemordet. Dass Nadine Boglárka einen Tag nach Breuers Entlassung starb ist quasi ein Geständnis. Sein Kumpel Stein trug ihm auf bei der Gelegenheit auch noch dessen Ex, Sabine Emmerich kalt zu machen. Stein bestreitet zwar, jemals etwas von Mephisto gehört zu haben, aber Jäger meinte, er würde ihn nochmals in die Mangel nehmen.“, berichtete er. Chris holte hörbar Luft.

„Ich habe ein paar Telefonate geführt. Breuers Aufenthaltsort scheint jedoch keiner Behörde bekannt zu sein. Hinzu kommt, dass sich keine Bekannten oder Angehörigen finden lassen.“, erzählte er. Berger zögerte kurz. „Du hast nach ihm gesucht?“, stellte Berger eine Frage, die eigentlich schon beantwortet war. „Jäger hat Breuer natürlich unverzüglich zur Fahndung ausschreiben lassen. Es ist also nur eine Frage der Zeit bis wir ihn haben.“, klang er sehr zuversichtlich. Chris presste sein Handy zusammen. „Hey… Du informierst mich doch, wenn der Fahndung etwas bringt, oder?“, hoffte er weiterhin auf Bergers Hilfe. Am anderen Ende der Leitung blieb es kurz still. „Ich fürchte das kann ich nicht machen, Chris.“, kam es schließlich von Berger.

„Wenn es wegen Jäger ist… ich weiß du tust sehr viel für mich, obwohl du es eigentlich nicht müsstest…“, begann er sich einzuschleimen, doch Berger schien auf etwas anderes hinaus zu wollen.

„Jäger ist kein Problem, der spielt nur den Bösen. Ich mache mir mehr Sorgen um dich.“, verriet er. Chris zeigte sich irritiert. Worauf wollte Berger hinaus?

„Ich bin sicher, du bist ein feiner Kerl, aber… Diese Bestie hat deine Eltern und deine kleine Schwester auf dem Gewissen. Ich bin bei Leibe nicht du, das würde ich auch nie sein wollen, aber wenn ich du wäre, würde ich dem Kerl mehr Kugeln verpassen, dass Mephistos Lieblingszahl „24“ blass dagegen aussieht.“, gestand er. Chris musste Bergers umständliche Art gar nicht hinterfragen. Dieser glaubte Chris würde kurzen Prozess mit Breuer machen. Er selbst hatte sich dieses Szenario bereits öfters zurechtgelegt. Bergers fehlendes Vertrauen, war also mehr als gerechtfertigt.

„Ich danke dir Hannes. Aber wenn ihr Breuer verhaftet habt, informierst du mich doch, oder?“, wollte er testen, wie weit Bergers Vertrauen ging. Doch scheinbar hatte dieser keine Schwierigkeiten damit.

„Ehrensache. Du bist der erste, der davon erfährt. Also, der erste Zivilist, meine ich.“, versprach er und legte auf. Chris sah zum Himmel. Er war seinem Ziel so nahe. Dann stockte er. Er erinnerte sich an Bergers Worte. „Er arbeitete damals bei einem Zustellungsdienst…“

Diese Worte ließen Chris’ graue Zellen arbeiten. Er verband diese Worte mit irgendwas. Doch womit? Er rang sich nun doch dazu durch Damir anzurufen und ihn ein weiteres Mal zu bieten polizeiliche Informationen abzurufen. Diesmal benötigte Chris die Akte von Josef Breuer. Damir versprach sein möglichstes zu tun und Chris die Daten zu mailen. Breuer selbst schien nicht gefunden werden zu wollen, was wenn er tatsächlich Mephisto war nur allzu verständlich war. Was ihn anging musste Chris auf einen Erfolg der Fahndung hoffen. Doch wer weiß, vielleicht stand in Breuers Akte etwas, das ihm weiterhalf. Eigentlich sollte er sich die Informationen in der Detektei ansehen. Zusammen mit Damir. Doch dieser würde wahrscheinlich fragen stellen, die Chris im Moment noch nicht beantworten mochte, geschweige den konnte. Damir würde sicher etwas brauchen und Chris balgte ein Hungergefühl. Er blickte auf die Uhr und stellte fest, dass es Zeit fürs Mittagessen war. Da er sich jedoch als alles andere als gesellig beschreiben würde, hielt er am nächsten McDonalds an und holte sich zwei Chicken-Burger und ein Fanta. Dann trat er den Heimweg an und checkte dort sofort seinen Laptop. Er hatte drei neue Nachrichten, doch nur eine war interessant. Damir hatte tatsächlich die notwenigen Daten übermittelt. Chris lud die etwa 7 MB große PDF-Datei herunter und wartete, bis sie sich endlich öffnete. Das Deckblatt war am uninteressantesten und Chris scrollte zur zweiten Seite vor. Dort sprang ihm Breuers Foto sofort ins Auge. Es wurde bei seiner Verhaftung gemacht und Breuer sah alles andere, als zufrieden aus. Chris hielt den Bildschirm näher heran. Er sah Breuers Foto zum ersten Mal. Aber was war mit Breuer selbst? Dessen markantes Gesicht brachte sein Gehirn zum arbeiten. Das Doppelkinn, der Schnauzbart, die herabstehenden Ohren und die Kurzhaar-Frisur kamen ihm tatsächlich bekannt vor. Er hatte vor weniger als drei Stunden von Breuer erfahren. Damals kannte er dessen Aussehen noch nicht einmal. Also warum kam ihm dieser Typ so bekannt vor? Konnte die Möglichkeit bestehen, dass Chris ihm bereits einmal begegnet war? Er erinnerte sich zurück. Wenn musste es in den letzten zwei Wochen geschehen sein. Oder doch nicht? Breuer saß 8 Jahre ein. In dieser Zeit konnte er Chris also nicht begegnet sein. Hinzu kam, dass man sich in 8 Jahren mit Sicherheit veränderte. Nicht nur wenn man seinen Alttag mit Gefängnis fristete. War Chris diesem Mann also schon vorher begegnet? Vor 8 Jahren? Hatte er ihn im Zuge seiner Nachforschungen befragt? Chris verzichtete darauf den restlichen Teil der Akte zu lesen und fuhr seinen Laptop herunter. Er wollte sich später mit dem Rest befassen. Denn jetzt führte ihn sein Weg erstmal in den Keller. Er marschierte die rußige Treppe hinunter und tastete nach dem Lichtschalter. Ihm überkam teilweise immernoch Panik, wenn er einen abgedunkelten Raum betrat. Als es hell war wagte er sich tiefer in den Keller hinein und hielt nach etwas Ausschau. Bald erblickte er dien alte, zerschlissenen Kartons. Er zählte drei. Obwohl sie durch die Feuchtigkeit bereits schwer zu greifen waren, trug er einen nach dem anderen in sein Wohnzimmer. Er stellte alle drei auf den Tisch und öffnete sie mit der bloßen Hand. Im ersten lagen Berge von Zetteln. Kopierte Akten und Daten der Polizei. Der damalige Ermittlungsbeamte hatte sie ihm zukommen lassen. Auf den Kartons waren mit Filzstift Namen geschrieben worden, die nach all der vergangenen Zeit kaum noch lesbar waren. Wahrscheinlich konnte nur noch Chris sie identifizieren. Hartmann, Klein und Beck. Alle drei Fälle von damals. Der erste Karton war selbstverständlich am schwersten. Chris legte die Zettel auf der Couch aus. Es waren Teilweise Opferprofile, die von Psychologen angefertigt worden waren, Daten der Familie, eventuelle Feinde und Ungereimtheiten. Soviel hatte die Polizei ermittelt. Chris war weiter gegangen. Serienmörder suchen sich ihre Opfer meistens nicht zufällig aus. Und Chris’ Familie war bestimmt keine Spontantat. Er musste sie beobachtet haben. Chris konnte nach einiger Zeit ausschließen, dass seine Eltern, und natürlich auch Hannah keine Feinde besaßen. Er sah sich die Personen an, mit denen seine Familie zu tun gehabt hatte. Seine Mutter war Hausfrau, sie ging allerhöchstens einkaufen, vielleicht hier und da mal spazieren. Chris befragte den Kassierer im Supermarkt um die Ecke, in dem seine Mutter für gewöhnlich eingekauft hatte. Sogar den Kassierer selbst nahm er unter die Lupe. Doch seine Mutter war seinem Wissen nach nie angesprochen worden. Chris stellte Zeitmuster und Alibis zusammen. Er traf sich mit den Geschäftspartnern seines Vaters, die ihm alle ihr Beileid kundtaten. Die meisten besaßen ein Alibi, und den Rest observierte Chris Tagelang. Er tat nichts anderes. Alle Verdächtigen verhielten sich ruhig. Dann ermittelte er im Umfeld seiner Schwester. Das war am schwierigsten. Sie war Schülerin und von sehr vielen Leuten umgeben. Mitschüler, Freunde, Lehrer. Alles Verdächtige. Es war die Nadel im Heuhaufen. Chris sah sich einige der Problemschüler und der engeren Freunde an, doch die Spur verlief im Sand. Falls Mephisto aus diesem Kreis kam, wurde er von der Menge geschützt. Schließlich hatte sich Chris noch die Dienstleistungen angesehen. Seine Mutter war sehr pedantisch und hob jede Rechnung auf. Chris ging zwei Monate zurück und hatte einige Ansatzmöglichkeiten. Zuerst ein Handwerker, der die Spülung reparierte. Dann drei Wochen darauf ein Beamter der Stadt, der den Strom ablesen wollte. Dann gab der Kühlschrank seinen Geist auf, es kam derselbe Handwerker wie beim ersten Mal. Chris schloss ihn aus, da er ein körperliches Handikap hatte und als Täter ausfiel. Der Beamte besaß keine Alibi brach sich aber vor dem gewaltsamen Tod von Familie Klein und Beck das Bein. Dann mehrere Rechnungen eines Versandhauses. Chris fand fünf. Auf dreien war derselbe Name geschrieben. Anton Fuchs. Chris stockte. Er hatte den Namen also doch schonmal gehört. Seine Extase löste sich schnell wieder. Ein häufiger Name, der wahrscheinlich nichts aussagte. Oder vielleicht doch? Breuer hatte damals einen Kollegen getötet. Anton Fuchs arbeitete wie er bei dem Zustellungsdienst. Nun ging Chris ein Licht auf. Er fuhr in die Höhe und rannte blitzschnell zu seinem Laptop zurück. Er betrachtete das Bild Breuers genauer.

„Mein Gott stieß er aus.“
 

Er besaß damals bereits seine eigene Wohnung, was ihn jedoch nicht abhielt mehrmals in der Woche seine Eltern aufzusuchen, um dort zu speisen. Er erinnerte sich an einen Streit. Seine Mutter hatte mit Hannah geschimpft, da diese die Schule geschwänzt hatte. Zur selben Zeit läutete es an der Tür. Chris war bereits spät dran gewesen und hatte geöffnet. Vor ihm stand ein Mann in gelben Klamotten und Basecap. Er hielt ein Packet umklammert, in dem sich scheinbar etwas Schweres befinden musste. Chris entschuldigte sich und bat ihn das Packet auf die Ablage im Vorraum zu stellen. Seine Mutter würde dann gleich unterschreiben. Damals hatte sich Chris nichts dabei gedacht. Er erstarrte zu Eis, als ihm das Bild des Boten wieder ins Gedächtnis gerufen wurde. Wie konnte er den Schnauzbart und das doppelte Kinn nur vergessen? Er hatte selbst mit Breuer geredet und… er hatte ihn ins Haus gelassen. Dort hatte Breuer wahrscheinlich die Örtlichkeiten studiert. Chris vergrub sein Gesicht in seine Hände. Es war seine Schuld gewesen. Breuer war Mephisto und er hatte ihn auch noch eingeladen in das Haus zu kommen. Wie konnte sich Chris das jemals verzeihen? Dann stutzte er. Wieso eigentlich Breuer? Drei der Namen auf den Bestätigungen lauteten Anton Fuchs. Die anderen hatte ein gewisser Meinhard ausgestellt. Von Breuer war keine Rede. Hatte Breuer das Schriftstück bei seinem Überfall verschwinden lassen? Unwahrscheinlich Chris’ Mutter bewahrte diese Sachen in einer Büchse in der untersten Schublade ihres Nachtkästchens auf. Breuer hätte suchen müssen und das hätte Zeit gekostet. Außerdem gab es keine durchwühlten Zimmer, oder ähnliches. Der einzige logische Schluss war, dass Breuer die Bestätigung mit ‚Fuchs’ unterschrieben haben musste. Chris hatte damals sowohl Fuchs, als auch Meinhard überprüft. Beide aßen zu der Zeit mit ihren Familien und Chris musste sie ausschließen. Wie hätte er damals darauf kommen sollen, dass ein Kollege von Fuchs mit dem Namen seines Kollegen unterschrieben hatte, um nicht aufzufallen? Nun fügten sich alle Puzzleteile zusammen. Chris fiel wieder ein, warum Breuer einsaß. Für den Tod an Anton Fuchs. Aber es war kein Todschlag. Es war Mord. Breuer hatte Angst gehabt in Fuchs einen Zeugen zu haben. Deswegen musste er beseitigt werden. Gut, Breuer kam dafür selbst in Gefängnis, aber sein Geheimnis belieb gewahrt. Das Geheimnis, dass sein Verstand, der eines Serienmörders war. Chris musste sich setzen. Nun war alles klar. Er war Mephisto bereits vor der Tat begegnet und hatte es nicht bemerkt. Er hatte Fuchs Familie nur angerufen, in dem glauben er wäre der Mann mit dem Schnauzbart und dem doppelten Kinn. Chris stöhnte. Er hatte Kopfschmerzen bekommen. Er tapste zu einem Schrank und nahm eine Kopfschmerztablette. Daneben erblickte er eine Schachtel mit Schlaftabletten. Diese stammten ebenfalls aus der Zeit, als er Mephisto jagte. Die Sonne war gerade mal untergegangen, doch Chris hatte bereits die Nacht zuvor schlecht geschlafen. Er rief nochmals Berger an, der ihm jedoch nichts Neues sagen konnte. Die Fahndung stand und Breuer würde den Mühlen der Justiz nicht entkommen können. Chris warf eine Tablette ein und legte sich hin. Im Moment raste es in seinem Kopf. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er gab sich die Schuld für den Tod seiner Familie. Am nächsten morgen hoffte er ruhiger zu sein. Falls Berger auch da keine weiteren Informationen besaß, beschloss Chris andere Kanäle anzuzapfen, die ihm zur Verfügung standen. Er kannte nur ein Ziel. Breuer zu finden. Und ihn zur Strecke zu bringen.

Chris wachte zur selben Uhrzeit auf, wie am vorigen Tag. Die Tablette hatte ihn tief schlafen lassen. Obwohl die Nacht traumlos ausgegangen war tauchte Breuers Gesicht immer wieder auf. Es war auch das erste, das er sah, als er die Augen aufschlug. Aber was hatte ihn eigentlich geweckt? Es war ein Klingeln und Chris tastete nach dem Wecker. Er bemerkte, dass er ihn gar nicht eingeschalten hatte. Es war Chris Handy gewesen, das geklingelt hatte. Chris drückte eine Taste und meldete sich verschlafen.

„Chris?“, erkannte er Bergers tiefe Stimme. Chris gähnte und bestätigte. „Wir haben ihn Chris!“, kam Berger schnell zur Sache.

„Wenn habt ihr?“, fragte er verdattert.

„Breuer.“, wurde Berger deutlicher. Nun war Chris hellwach. Mit pochendem Herz hörte er Berger zu, der ihm nun eine Adresse nannte. Chris bedankte sich nichtmal, sondern zog sich dürftig an und eilte zu seinem Auto. Die Fahndung hatte tatsächlich einen schnellen Erfolg erzielt. Berger und seine Kollegen hatten Breuer gefunden. Würde Chris nun endlich seine langersehnte Rache bekommen?
 

Kapitel 14

Wenn wir das Tor zu Hölle nicht schließen, werden immer mehr Teufel an die Oberfläche kommen.
 

Chris versuchte mehrmals Berger nochmal auf seinem Handy zu erreichen, doch vergebens. Die Adresse, die Berger ihm genannt hatte konnte nicht stimmen. Chris hätte erwartet auf die Dienststelle gerufen zu werden, doch Berger hatte ihn zu einem heruntergekommenen Wohnviertel gelotst. Chris wollte bereits wieder umkehren, als er die beiden Polizeiwagen am anderen Straßenrand erblickte. Er sah wie zwei weiß gekleidete Männer von der Spurensicherung das Gebäude betraten. Was war hier los? Wenn man Breuer verhaftet hatte, warum war dann die Spurensicherung nötig? Hatte sich Breuer vor seiner Festnahme noch ein Opfer geholt? Chris parkte notdürftig und begab sich ins Innere. Er sah wie Männer im ersten Stock verschwanden und hastete die schmutzige Treppe hinauf. Der Begriff Altbau war bei diesem Haus bereits untertrieben. Das Ziel der Männer schien die erste Wohnung zu sein. Chris hörte Stimmen und ordnete eine von beiden Rotburg zu. Er drängte sich hinter den Männern in die Wohnung und erstarrte. Ja, es hatte tatsächlich ein weiterer Mord stattgefunden.

„Hartmann!“, war er direkt in Jägers Arme gelaufen. „Schafft ihn hier raus!“, brüllte er. Pajak und ein Mann von der Spurensicherung wollten Hartmann hinausdrängen, doch Berger setzte sich für ihn ein.

„Ben, lass es gut sein. Es ist vorbei. Lass ihn an diesem Sieg teilhaben. Er hat uns nicht nur auf Breuer aufmerksam gemacht, nein erinnern Sie sich was diese Bestie mit seiner Familie angestellt hat.“, redete Berger auf ihn ein. Jäger schnaufte hörbar.

„Er kann bleiben. Aber fassen sie nichts an, Hartmann!“, herrschte ihn Jäger an. Nur Berger blickte fröhlich drein.

„Trotz des Sieges kannst du nicht relaxen.“, meinte er kameradschaftlich. Chris verstand nicht.

„Sieg?“, fragte er verwirrt. Berger nickte und deutete auf die Leiche.

„Siehst du doch. Wir haben den Teufel besiegt. Es ist vorbei.“, erklärte er. Doch Chris konnte ihm immernoch nicht folgen. Rechts und Links vor ihm standen Jäger und Berger. Ihm gegenüber, auf der anderen Seite des Raumes lehnte ein blutüberströmter Breuer. Dr. Rotburg gleich neben ihm. „Breuer.“, stutzte er.

„Aber…wieso?“, verlangte Chris Antworten. Berger schien über die Lange Leitung seines Freundes amüsiert.

„Selbstmord. Nicht wahr Doc?“, wandte er sich an Rotburg. Dieser sah nach hinten. „Im Moment sieht es ganz danach aus.“, bestätigte er. Chris trat näher zu der Leiche und Jäger ermahnte ihn abermals. Chris stand nun vor Breuer und betrachtete ihn. Seine linke Seite war voller Blut, insbesondere sein Arm.

„Pulsadern?“, hakte er nach. Rotburg bejahte. „Ich sehe weder Verteidigungsspuren, doch andere Wunden. Im Moment gehe ich davon aus, dass unser Mann sich die Vene aufgeschnitten und er dann verblutet ist.“, erklärte er. Chris hielt sich die Hand vor den Mund. Da lag er also. Sein Peiniger. Mephisto. Erst hatte er seine Opfer mit Blut überhäuft und nun lag er selbst voller Blut gegen eine Heizung gelehnt. Er hatte sich selbst gerichtet. Aber warum? Hatte er seine Taten selbst nicht mehr ertragen können? Nein, auf manche würde das zutreffen, nicht aber auf Mephisto. Er war ein Psychopath. Jäger schien seine Gedanken lesen zu können.

„Er wusste, dass wir ihm auf der Spur waren.“, sagte er kühl. Chris musterte den Körper, als ihm dunkle Flecken unterhalb des Hemdes auffielen. Rotburg schien sie jedoch schon bemerkt zu haben.

„Ich zeige es Ihnen.“, meinte er und öffnete Breuers Hemd. Chris wich zurück, als ihm eine blutige „12“ entgegen sprang. „Wenn Breuer Mephisto war, wer hat ihm dann diese Wunde zugefügt?“, war Chris erstarrt. Jäger legte seine Hand nun auf Chris’ Schulter.

„Wer schon? Er selbst! Er konnte es nicht ertragen, dass er seine schönen Zahlen nicht mehr verteilen konnte, also hat er sich selbst eine letzte verpasst. Mephisto ist somit selbst sein letztes Opfer geworden.“, erklärte er. Chris war aber immernoch nicht zufrieden gestellt.

„Warum eine 12? Sabine Emmerich hatte eine 11 eingeritzt, wieso bringt er die Zahlen durcheinander?“, lag es ihm auf der Zunge. Jäger zuckte mit den Schultern.

„Wahrscheinlich hat er sich die Verletzung selbst zugefügt. Vor der Tötung von Sabine Emmerich. Ab da hatte er vielleicht schon geplant sich zu töten. Dann erinnerte er sich aber wieder an das Versprechen, das er Stein gegeben hatte und hat sich noch ein letztes Opfer geholt. Kann es so sein, Doc?“, sah er zu Rotburg. Dieser nickte.

„Die Schnittverletzung ist definitiv ante mortem zugefügt worden. Neben dem Körper liegt nicht nur das Messer, mit dem die Verletzungen herbeigeführt worden sind, sondern auch ein Päckchen Salz. Neben dem Blut des Toten habe es getrocknetes darauf feststellen können. Unter Umständen ist es das Blut der letzten drei Opfer.“, berichtete er. Jäger stieß einen triumphierenden Laut aus.

„Da sehen Sie es Hartmann. Ihr Nemesis ist tot.“, ließ er dessen Schulter wieder los. Chris presste die Lippen zusammen. Es gab ein paar Dinge die ihn störten.

Ja, Breuer hatte damals seine Eltern ausspioniert, das beweist, dass er Mephisto war. Richtig? Irgendetwas gefiel Chris nicht. „Todeszeitpunkt?“, wandte er sich wieder an Rotburg. Dieser stieß einen Seufzer aus.

„Das ist etwas blöd, wenn ich so sagen darf. Der Winter bricht ein und Herr Breuer hat sich direkt gegen den heißen Heizkörper gelehnt. Der Verwesungsprozess hat bereits seit langem eingesetzt, wie Sie vielleicht riechen können. Der Logik nach muss er keinen ganzen Tag tot sein. Wir fanden Sabine Emmerich gestern früh, ich nehme an er hat sich kurz danach getötet. Genau kann ich erst nach der Obduktion sagen.“, spekulierte Rotburg. Jäger schien mit der Antwort zufrieden zu sein. Nur Chris nicht. Er berichtete, dass er Breuer damals gesehen hatte und Jäger war noch mehr davon überzeugt, dass sie den Richtigen hatten. Chris legte nun den Rückwertsgang ein drängte sich zwischen Jäger und Berger nach draußen. Dort lehnte er sich gegen eine Wand und holte tief Luft. Berger trat ebenfalls aus der Tür. „Hey, ich kenne da eine Bar, nach Dienstschluss würde ich mich freuen, wenn wir einen Trinken würden.“, schlug er vor. Doch Chris wollte nichts davon hören. „Ist der Fall schon abgeschlossen?“, fragte er misstrauisch. Berger schien überrascht.

„Natürlich, unser Serienmörder ist tot. Selbstmord!“, erinnerte er Chris. Dieser schüttelte den Kopf.

„Es passt aber vieles noch nicht. Wieso tötet er sich jetzt? Ihm fehlen noch 10 Zahlen!“, hauchte er. Berger hob die Augenbrauen. „Wie waren ihm schließlich auf der Spur! Was hätte er anderes machen sollen? Selbst wenn er geflohen wäre, in den Nachrichten wäre sein Gesicht rauf und runter gerasselt. Er hat keinen Ausweg mehr gesehen.“, fand er. Chris befriedigte diese Antwort nicht.

„Mephisto ist ein Psychopath! Er hört solange nicht auf, bis er sein Ziel nicht erreicht hat. Er hätte auch weitergemacht, wenn seine Identität bekannt geworden wäre. Wenn er sich umgebracht hätte, dann in Polizeihaft, aber noch nicht, wenn seine Mission noch nicht zu Ende ist!“, vertrat er seinen Standpunkt. Berger schmunzelte.

„Mission? Seit wann bist du Psychiater, geschweige den Profiler? Breuer hat sich auch damals nicht umgebracht, als er wegen Todschlags eingekerkert wurde.“, erinnerte Berger. Chris wusste das natürlich. Seine Theorie hatte Schwachpunkte. „Vielleicht weil er wusste, dass er wieder rauskam.“, wehrte er sich. Berger konnte er damit aber nicht überzeugen.

„Du sagtest vorhin, Breuer habe deine Familie ausspioniert. Ich habe Braun aufgetragen den Zustellungsdienst aufzusuchen. Wenn Breuer auch bei den Kleins und den Becks zugange war – egal unter welchem Namen – dann haben wir es schwarz auf weiß.“, hoffte er Chris damit zu überzeugen. Dieser ging nun ohne sich zu verabschieden.

„Chris!“, rief ihm Berger nach. „Schließ endlich mit deiner Vergangenheit ab.“ Chris hörte diese Worte, konnte den Rat aber nicht befolgen. Doch warum nicht? Rotburg sagte aus, dass es sich um Selbstmord handeln musste. Doch Chris konnte Breuers Beweggründe nicht verstehen. Moment! Beweggründe? Seit wann wollte Chris Mephisto den verstehen? Gut, er wusste, dass es die einzige Möglichkeit war an Mephistos Denkweise heranzukommen. Ihn zu fassen zu bekommen! Aber hatte die SOKO das nicht geschafft? Alles wies auf Breuer hin. Zuviel. Chris stand vor seinem Wagen und überlegte. Josef Breuer. Mephisto? Irgendetwas nagte an ihm. Wer war dieser Josef Breuer eigentlich? Der große Serienmörder Mephisto. Das nahmen nun alle an. Doch Mephisto war kein kleiner Gauner, er war der schrecklichste Serienmörder, den das Land je gesehen hatte. Und nicht nur das. Er war schlau. Verdammt schlau. So schlau, dass er nie eine Spur hinterließ. Weder damals noch heute. Gut, die SOKO hatte ein Haar an einem Opfer gefunden, doch dieses stammte von einem alten Mann. Breuer war gerade mal 30, nicht älter. Gut die Polizei würde dem Haar nun keine Bedeutung mehr beimessen. Breuer war außerdem derjenige, der sich betrunken und einen Kollegen getötet hatte. Dafür wurde er eingesperrt. Sofort draußen fingen die Morde wieder an. Außerdem nahm er einen Auftragsmord an. Wofür? Geld? Das würde nicht zu Mephisto passen. Er war zu klug. Es war als würde man in den Spiegel sehen und nur noch Breuers Gesicht vor Augen haben. Was aber, wenn man mit dem Spiegel tauschte? Welches Gesicht hätte man dann vor sich? Chris drehte nun alles, was er wusste um. Breuer hatte einen möglichen Zeugen getötet. Im betrunkenen Zustand und sehr deletantisch. Er war eingefahren. Es musste an ihm genagt haben nicht töten zu können. Er kam raus. Er fuhr sein Werk am ersten Tag fort. Direkt nach seiner Entlassung. Dann beging er einen Mord, den man sofort zu Stein und ihm zurückverfolgen konnte. Doch Serienmörder suchen sich ihre Opfer selbst aus. Sie wählten welche, denen sie zuvor noch nie begegnet waren. So war das Risiko geringer, dass sie geschnappt wurden. Es gab kein Motiv. Josef Breuer war ein Idiot, wenn man dieses Wort wählen durfte. Er, der große Mephisto? Der Nemesis – um Jägers Worte zu benutzen – der kaltblütig Chris’ Familie und viele andere abgeschlachtet hatte? Nein, es konnte nicht sein. Chris erschrak selbst davor, wie sehr er sich in Mephisto hineinversetzen konnte. Immer mehr kam der Gedanke in ihm hoch, dass Breuer nur ein Bauernopfer war. Der perfekte Sündenbock. Die Polizei würde mit ihrem Serienmörder prallen. Dem Versager, der sein Werk nicht zu Ende gebracht und sich lieber die Pulsadern aufgeschlitzt hatte. Nein, Breuer war nicht Mephisto. Egal, was Rotburg sagte, das, was Chris da oben gesehen hatte war kein Selbstmord. Er holte sein Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer.

„Auskunft, wie kann ich Ihnen helfen?“, meldete sich eine Frauenstimme. „Ich brauche die Adresse von einem Georg Höllerich.“, bat er sie.
 

Kapitel 15

Ein Individuum hat das Recht, wann, wo und wen zu töten.
 

Chris’ Fahrt hatte länger gedauert, als er geplant hatte. Höllerich schien sich ein Häuschen außerhalb der Stadt gekauft zu haben. Schließlich hielt er bei der ihm genannten Adresse und stieg aus. Es war eine ländliche Gegend und Höllerichs Heim schien eine Mischung aus Bauernhaus und Neubau zu sein. Soweit sich Chris erinnerte war Höllerich schon nun 5 Jahre pensioniert. Mephisto war sein letzter großer Fall gewesen. Er war damals so obsessiv wie Chris gewesen. Er hätte bereits vor 7 Jahren seinen Hut nehmen sollen, doch er wollte dabei bleiben. Er wollte diesen Teufel schnappen. Es gelang ihm nicht. Als Mephisto von allein aufhörte, zog Höllerich elegant seinen Hut und ging. Er war die Sorte Mensch, zu dem man jeder Zeit kommen konnte. Ging eine Mutter zu ihm und erklärte, dass sie ihre Teenager-Tochter nicht finden kann, ignorierte Höllerich die Vorschriften und startete sofort eine Suchaktion. Selbst wenn herauskam, dass die Tochter nur irgendwo mit einer Spritze im Arm herumlag, Höllerich änderte nie seine Art. Er hatte Chris Zugang zu Ermittlungsakten gewährt, ja sie hatten sogar Informationen ausgetauscht. Doch dann hatte er aufgehört. Mit dem Weggang seines damals größten Verbündeten fiel auch Chris wieder in sein Loch zurück. Er schmiss alles hin und pfiff auf Mephisto. Chris war geschockt gewesen, als er vor einigen Tagen gehört hatte, dass Mephisto wieder aktiv war. Wie würde Höllerich es aufnehmen? Wusste er es bereits? Hatte die Polizei eine Anfrage gestellt, oder hatte er es in der Zeitung gelesen? Pensionisten lasen oft Zeitung, auch wenn sich Chris Höllerich nicht über einem Kreuzworträtsel vorstellen konnte. Kurz darauf stand er vor der morbiden Holztür, auf dem ein Porzellanschild mit der Aufschrift „Höllerich“ hing. Chris entdeckte keine Klingel, weswegen der klopfte. Es brauchte vier Versuche, bis die Tür schließlich geöffnet wurde. Ein faltiges Gesicht wurde Chris entgegen gestreckt.

„Guten Tag Georg.“, begrüßte er ihn. Das faltige Gesicht musterte Chris. Scheinbar sah Höllerich nicht mehr dermaßen gut.

„Chris. Lange nicht gesehen.“, meinte er und bat seinen Besucher aus der Vergangenheit in sein Haus. Chris sah sich um. Das Haus sah Innen aus wie von außen. Eine breite Holztreppe, ein aufgeräumtes Wohnzimmer mit einer Coach, aber keinen Fernseher. Dafür aber ein Regal mit Büchern. Auf dem Couchtisch lagen drei verschiedene Brillen.

„Setz dich.“, sprach Höllerich, vergaß aber darauf seinem Besucher einen Stuhl anzubieten. Chris legte den Weg zur Couch zurück. Höllerich fischte nach einer seiner Brille und setzte sie auf. Mit zusammengekniffenen Augen sah er Chris an. „Es ist lediglich 5 Jahre her. Wie kommt es, dass Sie nicht mehr so gut sehen. Und ein paar Falten sind soweit ich sehe auch neu.“, begann Chris. Höllerich kicherte, konnte so aber ein Husten nicht mehr unterdrücken.

„Mein Arzt sagt ich schlafe zuwenig.“, setzte er sich neben Chris hin.

„Arzt? Etwas Ernstes?“, erkundigte sich Chris besorgt. Höllerich schüttelte den Kopf.

„Achwas, mir geht’s immernoch bestens.“, bestand er darauf. Chris fielen die Flecken an Höllerichs Hals auf. Er beschloss nichts zu sagen.

„Wie geht es Ihrer Frau?“, hakte er nach. Höllerich brummte. „Tot.“, erwiderte er gelassen. Chris sah zu Boden, bis ihn Höllerich aufklärte.

„Zumindest für mich. Ist mit dem Dorfwirt durchgebrannt.“, ergänzte er. Chris musste schmunzeln. Höllerich schien sich nur äußerlich verändert zu haben.

„Weswegen bist du hier, Junge?“, lag es Höllerich auf der Zunge.

„Mephisto.“, antwortete Chris und wartete seine Reaktion ab. Höllerich strich sich über die Nase.

„Also immernoch ja? Habe ich dir nicht eingetrichtert nicht dein Leben an ihn zu verschwenden?“, stauchte er Chris zurecht. Dieser nickte.

„Haben Sie. Ich konnte Mephisto für kurze Zeit hinter mir lassen. Bis er vor wenigen Tagen wieder auftauchte.“, gestand er. Höllerich starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Chris ballte seine Fäuste.

„Es stimmt. Mephisto ist wieder da. Und er mordet.“, bestätigte er es. Höllerich schnappte hörbar nach Luft.

„Kein Trittbrettfahrer?“, erkundigte er sich. Chris verneinte. „Man ist sich sicher. Es ist derselbe Serienkiller. Er hat sich bereits drei Opfer geholt. Womöglich vier.“, verriet er. Höllerich verschränkte seine Hände ineinander. Ich lese keine Zeitung mehr, steht nur Müll drin.“, erzählte er. Chris konnte das nachvollziehen.

„Wissen meine Nachfolger schon was?“, wollte Höllerich wissen. Chris überlegte kurz. „Sie glauben Mephisto gefunden zu haben.“, berichtete er. Höllerich starrte ihn weiter an.

„Aber du glaubst das nicht.“, ergänzte er. Chris stimmte ihm zu. Es gab einfach zu viele Ungereimtheiten.

„Es ist viel verlangt, aber erinnern Sie sich an den Namen Breuer? Josef Breuer? Ist dieser Name während Ihrer Ermittlungen irgendwann mal aufgetaucht?“, bat Chris Höllerich nachzudenken. Dieser knurrte nur.

„Alzheimer habe ich noch nicht. Und deinen Breuer kenne ich nicht. Verdächtigt ihn die Polizei?“, hakte er nach. Chris bejahte.

„Breuer ist tot. Angeblich Selbstmord. Aber es passt alles zu sehr. Es deutet zuviel auf Breuer! Fehler, die nur ein Kleinganove machen würde. Aber Mephisto ist intelligent. Einer der schlausten Köpfe. Für einen Serienmörder, meine ich natürlich.“, bekam er nochmal die Kurve. Höllerich seufzte. „Du glaubst also nicht an Selbstmord, sondern, dass ihn Mephisto auf dem Gewissen hat.“, glaubte Höllerich seinen damaligen Schützling richtig zu verstehen. Chris nickte und erzählte ihm von seinen Nachforschungen. Als er erwähnte, dass Breuer das Haus ausspioniert hatte und er dennoch nicht dachte, er könnte der Mörder sein, verfiel Höllerich in eine Gedankenstarre. Chris brauchte mehrere Anläufe um ihn daraus zu erwecken.

„Was wissen Sie?“, fragte er schließlich. Höllerich blickte nach draußen.

„Es gab etwas was ich nicht in meinen Bericht schrieb, da es pure Spekulation war.“, verriet er. Darauf drängte ihn Chris noch mehr. Höllerich begann wieder zu Husten, doch Chris konnte ihm keine Pause gestatten.

„Es war bei der Befragung von Natascha Klein.“, erinnerte er sich zurück. „Laut ihr ging alles sehr schnell. Sie war zusammen mit ihrer Mutter in der Küche. Plötzlich stand ein vermummter Mann in der Tür und griff ihre Mutter an. Er presste ihr eine Spritze in den Hals. Natascha schrie und verlor das Bewusstsein. Zur selben Zeit.“, verriet er. Chris stutzte.

„Sie wurde Ohnmächtig.“, nahm er an. Höllerich nickte.

„Das dachte ich auch, bis ich hier einzog. Dieses Haus ist sehr groß. Eigentlich hat es die Größe für eine ganze Familie. Wenn hier jemand einbrechen und die Bewohner angreifen würde, hätten vielleicht zwei von drei die Chance zu fliehen. Erinnere dich, dass Natascha ausgesagt hat, nie eine Pistole bei Mephisto gesehen zu haben, sondern immer nur ein Messer. Auch meine Truppe fand keine Spuren darauf.“ Langsam dämmerte es Chris worauf Höllerich hinauswollte. Mephistos bevorzugte Waffe war ein Messer. Natürlich er konnte erst die Tochter, oder ein anderes Familienmitglied bedrohen um sich den Rest fügig zu machen. Doch das hatte Natascha Klein nicht ausgesagt. Mephisto betäubte ihre Mutter sofort mit dem Morphin und sie kippte kurz darauf um. Aber war es wirklich eine Ohnmacht? In Natascha Kleins Blut wurde dasselbe Mittel gefunden. Sie musste also auch betäubt worden sein.

„Großer Gott.“, sagte Chris nun. Höllerich nickte. „Es waren immer drei Personen. Sehr riskant für einen alleine. Trotz Messer und Spritze musste Mephisto befürchten in einem Kampf zu unterliegen.“, sprach er seine Gedanken aus. Chris graute es bei dem Gedanken an einen zweiten Mephisto. „Möglicherweise handelte Mephisto Nr. 2 bei den Becks allein. Ich muss das nachprüfen, doch Breuer hat wenige Stunden später einen Zeugen beseitigt. Vielleicht teilten sie sich die Arbeit. Aus diesem Grund wurde Mephisto auch von Andreas Beck angegriffen. Mephisto 2 wurde verletzt und Mephisto 1 ging in den Knast. Aber wieso hat Mephisto 2 nicht ohne Breuer weitergemacht? War er so schwer verletzt? Müsste dann nicht Blut am Tatort gefunden worden sein?“, dachte Chris laut nach. Höllerich konnte ihm nicht mehr viel sagen. Natascha Klein war tot und konnte auch keine Hinweise mehr liefern. Aber dafür passte alles anderer. Breuer wird entlassen und er und sein Partner gehen von neuem auf Beutefang. Doch ab da plante der schlauere Mephisto bereits Breuer alles in die Schuhe zuschieben. Er war definitiv der dominante. Er war der wirkliche Teufel. Aber wer war er? Ein Kollege Breuers? Ein Freund?

„Danke Georg.“, stand Chris auf. Höllerich begleitete ihn noch zur Tür.

„Ich hoffe du kriegst ihn. Dann kannst du endlich ruhen.“, wünschte ihm Höllerich. Chris versprach sein möglichstes zu tun. „Und Sie passen auf Ihre Gesundheit auf, alter Mann.“, bat er ihn. Höllerich kicherte, worauf wieder ein Husten entstand. Sie reichten sich nochmal die Hände und Chris versprach ihm vom Ausgang des Falles zu erzählen. Dann fuhr er wieder ab.
 

Er hatte gerade auf die Autobahn eingebogen, als ihn ein Anruf seitens Bergers erreichte. „Breuer wurde gerade in die Gerichtsmedizin gebracht. Rotburg will ihn sich genauer ansehen. Wo bist du im Moment?“, hakte er nach. Chris zögerte mit der Antwort.

„Ich ermittle.“, schien ihm das als Antwort zu genügen. Er hörte Berger brummen.

„Hey, ich bin dir auch entgegengekommen. Der Fall scheint abgeschlossen, aber wenn du noch irgendetwas weißt…“, redete er auf Chris ein. „Da ist nichts. Wie du sagtest der Fall ist abgeschlossen.“, würgte ihn Chris ab. Berger war kurz still. „Und denkst du das auch?“, wollte er wissen. Chris dachte es nicht. Es waren zwar neue Theorien in seinen Kopf geschossen, aber diese wollte er noch nicht preisgeben. Dazu war die Zeit noch nicht reif. „Gibt es sonst noch etwas?“, überging er Bergers Frage. Dieser hatte tatsächlich noch etwas.

„Man hat wahrscheinlich Ackermanns Wagen gefunden. Auf einem Waldweg. Er ist total ausgebrannt und es ist unwahrscheinlich, dass noch Spuren gefunden werden.“, klang er nicht optimistisch. Chris dankte ihm für die Information und legte auf. Breuer war als in die Gerichtsmedizin gebracht worden. Chris sah es als gute Idee an, dieser selbst mal einen Besuch abzustatten.
 

Kapitel 16

Der Tag an dem wir wirklich frei sein werden, ist der Tag an dem wir fliegen lernen.
 

„Jäger hat bereits gesagt, dass Sie kommen würden. Und er sagte, ich solle Sie zum Teufel jagen.“, begrüßte Dr. Rotburg seinen Gast. Chris blickte auf den Obduktionstisch.

„Ist der nicht tot?“, hakte er nach. Rotburg runzelte die Stirn. Chris hatte den Umstand genutzt, dass die Gerichtsmedizin nicht bei der Dienststelle lag, sondern in einem gesonderten Gebäude. Er vertraute darauf weder Jäger, noch einem anderen Mitglied der SOKO über den Weg zu laufen.

„Sie bringen mich in eine prekäre Lage.“, gestand Rotburg. Chris sah ihn erwartungsvoll an. Er spürte förmlich, dass Rotburg ihm etwas zu sagen hatte.

„Bis jetzt weiß es noch nichtmal Herr Jäger. Aber es würde ohnehin früher oder später herauskommen, also kann ich es Ihnen gleich sagen.“, begann er. Chris sagte nichts, sondern beschloss einfach nur zuzuhören. „Einer der besten gefälschten Selbstmorde, die ich je gesehen habe.“, verriet er. Chris fiel ein Stein vom Herzen. Er hatte Recht behalten. Seine Theorie stand, jetzt musste er sie nur noch weiter ausbauen. Rotburg zog das Leichentuch bis zum Bauch hinunter. „Gut, ich habe ehrlich gesagt noch nie gefälschte Suizide gesehen, aber dennoch. Die Heizung war Absicht. Nur die detaillierte Untersuchung der Leichenflecke ließ mich annehmen, dass er bereits mehr als zwei Tage tot ist.“, verriet er. Chris schnappte nach Luft.

„Mehr als zwei Tage? Also länger als Sabine Emmerich!“, meinte er sagen zu müssen. Rotburg bestätigte es ihm.

„Mindestens einen vollen Tag vorher. Das bedeutet er ist nicht unser Serienmörder. Ich kann Jägers Gesicht schon vor mir sehen, er wird wieder mir die Schuld daran geben.“, beklagte sich der Arzt. Doch Chris wollte mehr Informationen. „Reden Sie doch bitte weiter Doktor.“, bat er. Rotburg nickte. „Er wollte ihm scheinbar den Mord an Frau Emmerich andrehen. Da Herr Breuer jedoch einen Tag zuvor gestorben ist, machte er keinen Hehl daraus und versuchte alles auf den Erwärmungsgrad der Heizung zu schieben. Und dann natürlich diese zierliche 12. Zuerst dachte ich wirklich sie wäre ante mortem zugefügt worden.“, erklärte er. Chris staunte. „Doch post mortem?“, hakte er nach. Rotburg schüttelte den Kopf. „Ich konnte es an seinen Muskeln feststellen. Ein Landarzt hätte es übersehen, aber es gab definitiv Reaktionen. Ich denke, die Verletzung wurde zugefügt, als Breuers Venen bereits aufgeschnitten waren.“, setzte er seinen Bericht fort. Chris musterte die 12. „Und mit so einem Blutverlust ist es natürlich schwierig sich selbst eine blutige 12 einzuritzen.“, ergänzte er. Rotburg bejahte.

„Unser Täter ist bei Leibe kein Arzt, das konnte ich bereits an seinen vorherigen Opfern feststellen. Er hat sich vielleicht im Internet oder anderweitig informiert. Er hat genau recherchiert, doch mich trickst er nicht aus. Dann fand ich Einkerbungen an seinem rechten Handgelenk. Daraus lässt sich schließen, dass Breuers Hand gefesselt war. Sie sind nur an der Breitseite weswegen ich denke, es waren Handschellen, und kein Seil. Der Täter hat das Handgelenk mit einer mir noch unbekannten Substanz eingerieben, um die Verletzung älter wirken zu lassen.“, zeigte er Breuers Arm her. Chris nickte immer wieder. „Etwas ganz anderes. Sie haben doch auch die anderen drei Opfer obduziert. Woher wissen Sie, dass es sich um denselben Täter wie damals handelt?“, lag es Chris auf der Zunge. Rotburg sah ihn erstaunt an.

„Von Dr. Salvai, dem damaligen Pathologen. Er hat Opfer Nummer 1 und 2 mit mir zusammen obduziert. Jäger hat ihn aus dem Urlaub geholt als klar wahr, dass es mit einem alten Fall zusammenhing.“, verriet er. Chris dankte ihm und hatte eine letzte Frage.

„Wo finde ich diesen Dr. Salvai?“, hakte er nach.

„Gleich hier.“, erklang es hinter Chris. Dieser drehte sich um und erkannte einen weiteren Mann in weißem Kittel. Er war jünger als Rotburg, trotzdem begrüßte ihn dieser respektvoll. „Sie sprachen gerade von mir? Ich hörte Mephisto hat ein neues Opfer gefunden. Mein Kollege hat mich darauf sofort informiert.“, erklärte er sein überraschendes Auftauchen.

„Eher zwei.“, meinte Rotburg und führte Salvai zur Leiche.

„Ich erkenne die Schnitte dieses Serienmörders nun auch ohne Probleme, aber was ist Ihre Meinung?“, wollte er wissen. Salvai brummte und sah sich die 12 an.

„Definitiv. Wie damals. Aber bei diesem Opfer fällt mir auf, dass es nicht gefoltert wurde. Selbstmord?“, fragte er. Rotburg lachte.

„Dazu gibt es auch eine sehr interessante Geschichte, die Sie sich anhören müssen.“, prophezeite er. Doch Chris wollte keine fachliche Unterhaltung aufkommen lassen.

„Verzeihung Dr. Salvai, ich hätte noch eine Frage.“, meldete er sich. Der Arzt fragte erst gar nicht, wer Chris war. Vielleicht hielt er ihn für einen Polizisten.

„Die Verletzungen damals. Ist es möglich, dass sie von zwei Tätern ausgeführt worden sind?“, legte er seine Theorie offen. Dr. Salvai wirke überrascht. „Woher haben Sie das? Heutzutage sind Schnitte wie Fingerabdrücke. Jeder Mörder geht anders an sein Handwerk heran. Damals gab es Spekulationen über einen zweiten Täter, doch diese wurden verworfen. Sämtliche Schnitte wurden von ein und derselben Person durchgeführt.“, bestand Dr. Salvai darauf. Chris knurrte. Das war nicht die Antwort, die er erhofft hatte.

„Was ist mit den Blutspuren auf dem Messer?“, wandte er sich wieder an Rotburg. „Dafür müssen Sie Frau Kohl bemühen.“, erklärte er. Chris nickte und verabschiedete sich. Kurz darauf hörte er, wie Rotburg und Salvai in ein Gespräch verfielen. Rotburg vergaß sogar darauf Jäger zu informieren. Chris hatte also einen Vorsprung. Er fuhr zur Dienststelle in der Hoffnung Jäger nicht über den Weg zu laufen. Dafür traf er mit Braun zusammen.

„Ich treffe mich mit Dienststellenleiter Fleischer. Wir wollen zur Feier des Tages einen Heben.“, erklärte er, als er aufgehalten wurde. Braun schien die Antwort zu schlucken. Er wollte weiter, bis Chris ihn zurückhielt.

„Verzeihung, Berger hat Sie doch gebeten diesen Zustellungsdienst unter die Lupe zunehmen, richtig?“, hakte er nach. Braun seufzte.

„Ja, aber Sackgasse. Der Standort hat zugemacht, vier Mitarbeiter wurden entlassen, der Chef versetzt.“, berichtete er. „Können Sie mir eine Liste der Leute zukommen lassen?“, bat er. Braun zögerte, doch Chris erinnerte, dass sie einen Serienmörder zur Strecke gebracht hatten und der Fall eigentlich kein Geheimnis mehr war. Brauns Bedenken waren verflogen. Chris reichte ihm die Visitenkarte seiner Detektei und Braun versprach die Liste zu mailen. Chris’ nächste Station war die Forensik. Er war gerade zur Tür herein, als ihn Jäger und Berger anstarrten. Gerade das hatte er vermeiden wollen. „Schon gut, Ben hat den Respekt vor dir zurück. Wenn er jemals einen hatte.“, schmunzelte Berger. Chris verstand nicht recht. „Du hattest Recht. Rotburg hat uns vor wenigen Minuten angerufen. Es war kein Selbstmord. Wir fahren zu ihm, wenn wir hier fertig sind.“, berichtete er. Chris nickte langsam.

„Ich hörte Sie waren bereits bei Rotburg.“, entgegnete Jäger. Chris nickte.

„Ich habe aber nichts angefasst.“, forderte er den Chefinspektor heraus. Jäger ging nicht darauf ein.

„Breuer war nicht Mephisto. Auch wenn er mit demselben Messer getötet wurde.“, meinte Verena und hielt den Ermittlern die Mordwaffe hin.

„Das Blut von Nadine Boglárka und Carsten Ackermann. Aber keines von Sabine Emmerich, oder den Opfern von damals. Dennoch ist es dasselbe Model, wie das bei den damaligen Mephistomorden.“, berichtete sie. Jäger musste kapitulieren. „Somit hat er Breuer wirklich vor Emmerich getötet. Sonst wäre ihr Blut an dem Messer.“ Er und Berger beschlossen nun zu Dr. Rotburg zu fahren und ließen Chris zurück. Jäger schien es nun egal zu sein, ob sich Chris in den Fall einmischte oder nicht. Dieser erwähnte nichts von den möglichen zwei Tätern. Noch nicht. „Sind sie mit dem Haar weiter, Frau Kohl?“, wandte sich Chris an die Forensikerin. Verena staunte. „Wollten wir uns nicht bei den Vornamen nennen?“, erinnerte sie. Chris stutzte und entschuldigte sich.

„Natürlich, verzeihen Sie, Verena.“, korrigierte er sich. Verena nahm den Behälter zur Hand. „Also um ehrlich zu seien, habe ich Dr. Rotburg als Schuldigen vermutet. Ich meine, dass eines seiner Haare während der Obduktion in die Wunde gefallen ist und er es nicht als sein eigenes erkannt hat. Deswegen war ich so frech und habe ihm ein Haar von seinem Kittel geklopft.“, erzählte sie. Chris hörte gespannt zu.

„Mit Erfolg?“, wollte er wissen. Verena verneinte. „Leider doch nichts. Deshalb geht Jäger nun davon aus, dass man Breuer die Tat unterschieben wollte. Durch seine vielen Verbindungen zum Mephistofall war er der perfekte Sündenbock. Jäger hat Pajak und Schlager angewiesen alle älteren Männer im Umfeld von Breuer zu durchleuchten.“, verriet sie. Chris war erleichtert. Jäger ging also nicht davon aus, dass Breuer Mephistos Komplize war.

„Sonst irgendwelche Spuren?“, machte sich Chris Hoffnungen. Verena musste verneinen. Bei Sabine Emmerich nichts Brauchbares. Wieder das Morphin, sonst nichts. Und von diesem Breuer habe ich noch nichts erhalten.“, verriet sie. Chris dankte ihr und verabschiedete sich.

„Hey, Chris.“, rief sie ihm zu.

„Besuchen Sie mich wiedermal, oder muss ich dazu erst wieder was finden?“, wollte sie wissen. Chris drehte sich um und schmunzelte. „ Ich besuche Sie doch immer wieder gern. Und wenn Sie dazu noch was für mich haben, noch lieber!“, rief er zurück, bevor er aus der Tür trat. Mephisto wollte seinem ehemaligen Komplizen also die Serienmorde anhängen. Aber war Breuer überhaupt sein Komplize? Es gab keine Spuren, die für Breuer als weiterer Beteiligter hinwiesen. Bis auf Breuers Besuch in seinem Elternhaus. Chris beschloss zu überprüfen, ob Breuer auch den Kleins und den Becks Besuche abgestattet hatte. Doch eines nagte an ihm. Wenn Mephisto Breuer die Tat anhängen wollte, was war mit den Zahlen? Dieser Irre würde nicht einfach aufhören zu morden. Zu sehr liebe es seine Zahlen in die Leute hineinzukritzeln. Würde er tatsächlich mit den Morden aufhören? Oder würde sich bald das nächste Opfer, mit der nächsten eingeritzten Zahl auffinden? Was würde der nächste Schritt dieses Psychopathen sein?
 

Kapitel 17

Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.
 

Chris hörte wie am Schloss der Eingangstür hantiert wurde, dennoch brauchte es eine volle Minute, bis die Tür einen Spalt breit aufging. Eine Sicherheitskette verhinderte ein gewaltsames Eindringen.

„Guten Tag.“, sagte Chris eiligst. Der Vorraum hinter der Tür war verdunkelt und zwei funkelte Augen musterten den Privatermittler.

„Ich kaufe nichts.“, kam als Antwort und die Tür drohte sich wieder zu schließen. „Mein Name ist Christian Hartmann. Ich möchte mit Ihnen über den Zwischenfall von vor 4 Tagen reden. Als Sie von diesem Mann bedroht wurden.“, erklärte sich Chris schnell. Die Tür öffnete sich wieder einen Spalt.

„Ausweis.“, schien die alte Frau, dessen Gesicht nun deutlicher zu sehen war, darauf zu bestehen. Doch Chris musste sie enttäuschen.

„Ich bin nicht von der Polizei. Ich bin privater Ermittler. Ich unterstütze die Polizei bei ihrer Arbeit.“, berichtete er. Die Frau stieß einen ungläubigen Laut aus und begann die Tür ein weiteres Mal zuzupressen. Chris konnte ihr gerade noch seine Visitenkarte entgegenreichen. Sie wurde eingeklemmt und die Frau zog sie im Inneren heraus. Kurze Zeit später wurde die Tür von neuem geöffnet und die Kette entfernt. Vor Chris tauchte eine Frau auf, dessen Zustand sich nicht sehr von dem Höllerichs unterschied.

„Was wollen Sie? Ich habe bereits alles gesagt.“, erklärte die Frau. Chris rieb sich verlegen den Hinderkopf.

„Tut mir Leid, dass ich Sie störe. Dieses Erlebnis muss Sie wirklich geschockt haben. Geht es Ihnen gut?“, fragte er freundlich. Die Rentnerin deutete auf die Kette.

„Man wird vorsichtiger. Ist dieser Perversling verhaftet worden?“, wollte sie erfahren. Chris stutzte.

„Perversling? War er nicht ein einfacher Dieb?“, wollte er nachhaken, wie viel die Frau wusste. Diese schüttelte den Kopf. „Eben nicht! Ich bin dem Kerl doch nur nach, weil ich bemerkt habe, wie er das arme Mädchen verfolgt hat! Mein Gott, man sieht doch soviel im Fernsehen, wer weiß, was er mit dem armen Ding angestellt hätte.“, berichtete sie. Chris hörte interessiert zu. „Sie haben also ganz alleine einen möglichen Triebtäter verfolgt?“, hörte sich seine Stimme nun vorwurfsvoll um. Die Rentnerin grummelte. „Ich hatte ja meinen Hund dabei.“, schien sie das für ausreichend gehalten zu haben. Chris war die kleine, zierliche Hundehütte im Garten bereits aufgefallen. Er erwiderte nichts.

„Aber als das arme Ding dann in diesen Wagen gezerrt wurde und sich heftig wehrte, habe ich meine Meinung geändert. Gut, zuerst dachte ich es wäre ein Komplize dieses Verfolgers gewesen, doch der Mann sah noch schockierter aus als ich. Deswegen hat mein Verdacht, was ihn anging kurz abgelassen. Ein Fehler. Ich wies ihn an die Polizei zu verständigen, doch er zog sein Messer.“, schien sie sich hervorragend erinnern zu können. Chris überlegte kurz.

„Es kam Ihnen also so vor, als hätten die beiden nicht zusammen gearbeitet, ja?“, fragte er zur Sicherheit nochmal nach. Die Rentnerin schien empört.

„Sagte ich doch! Er war völlig aus dem Häuschen! Ich glaube deswegen hat er erst nach seiner Waffe gegriffen. Aber schon, dass er eine trug beweist, dass er ein übler Kerl war.“, fand die Frau. „Könnte er sie nicht nur zur Verteidigung dabei gehabt haben?“, hängte Chris noch dran. Die Rentnerin glaubte nicht daran.

„Wie der schon aussah! Nein, das war definitiv ein Verbrecher!“, bestand sie darauf. Chris zog nun ein Foto Breuers aus seiner Hosentasche und reichte es der Rentnerin. „Genau der war’s!“, sagte sie ohne Zögern. Chris dankte ihr und wünschte ihr noch einen schönen Tag. Als er das Grundstück verließ tauchte ein kleiner, weißer Terrier auf, der Chris auf eine süße, aber auf seine weise bedrohliche Art ankläffte.
 

Chris hatte den Heimweg angetreten. Dort führte er Résumé. Was hatte er heute herausgefunden? War er überhaupt weitergekommen? Am gestrigen Abend war davon überzeugt gewesen, dass Breuer Mephisto sein musste. Heute Morgen hatte er und jeder andere angenommen Mephisto hätte Selbstmord begangen. Heute Mittag hatte er geglaubt Breuer hätte einen Partner gehabt. Dagegen sprach aber die Aussage der Rentnerin. Breuer und Mephisto hatten Sabine Emmerich scheinbar nicht gemeinsam entführt. Aber woher wusste Mephisto dann von der Frau? Er musste es einfach von Breuer erfahren haben. Oder? Breuer erhielt von Stein den Tötungsauftrag und Breuer schlich Emmerich nachts mit dem Messer hinterher. Dann tauchte aus dem Nichts ein Auto auf und Sabine Emmerich wird entführt. Breuer kann es nicht fassen. Perplex flieht er. Die Frau konnte nichts über den Fahrer, geschweige den Autotyp sagen. Und andere Zeugen hatten sich nicht finden lassen. Gehörte das alles zu Mephistos Plan? Wenn Sabine Emmerich starb, noch dazu vom berühmten Mephisto ermordet, und man von ihrer Vergangenheit mit Stein wusste, wenn würde man zuerst verdächtigen? Stein sitzt im Knast, also musste er jemanden beauftragt haben. Einen Serienmörder, der seit 8 Jahren einsitzt und gerade herausgekommen ist. Die Schnitte wurden damals, so wie heute von ein und derselben Person ausgeführt. Breuer hatte weder das Talent noch den Schneid Menschen aufzuschlitzen. Er war sogar vor einer alten Dame getürmt. Und um Fuchs zu töten musste er sich einiges antrinken. Aber wer war Josef Breuer eigentlich? Er musste damals eigentlich für Mephisto gearbeitet haben. Breuer hatte das Haus seiner Familie ausspioniert. Und das unter falschem Namen. Unter Richtigem, hätte Chris noch glauben können, Breuer wäre die ganze Zeit von Mephisto benutzt worden. Dass Breuer bereits vor 8 Jahren als Sündenbock gedacht war. Aber es kam anders. Breuer ging wegen eines dummen Totschlag ins Gefängnis. Unerreichbar für Mephisto. Dieser musste 8 Jahre warten um seinen Plan fortzuführen. Und das töten. Er brauchte eine Leiche, einen toten Serienmörder, der als Schuldiger herhielt, wenn seine große Mission zu Ende war. Wenn er seine 24 Zahlen verteilt hatte. Aber Chris Vermutung hatte Schwachstellen. Wieso tötete er Breuer sofort? Er hätte noch 10 Menschen töten müssen, um seine Mission zu erfüllen. Warum kam Breuer so früh an die Reihe? Die Polizei hatte eine Spur zu Breuer, das konnte nur eines bedeuten! Breuer kannte Mephistos Identität. Kein Zweifel. Mephisto durfte kein Risiko mehr eingehen. Er musste Breuer früher als später loswerden. Aber woher kannte Breuer seine Identität? Chris setzte sich wieder an seinen Laptop und wollte Breuers Akte fertiglesen. Dabei blinkte ein Symbol am anderen Rand auf.

„Sie haben Post.“, stand geschrieben. Chris war erstaunt, als er eine E-Mail von einem August Braun in seinem Postfach hatte. Bergers Kollege hatte tatsächlich daran gedacht. Chris fand eine Liste von sechs Personen vor. Namen, sowie Adressen. Drei Namen kamen ihm bekannt vor. Breuer, Fuchs und Meinhard. Der Name eines weiteren Angestellten lautete Zeitler. Chris stutzte nur kurz. Der Nachname war zu häufig um eine Verbindung zu dem Polizeibeamten zu vermuten. Dennoch notierte sich Chris die Anschrift. Dann gab es noch eine Sekretärin und den Chef, der versetzt wurde. Chris schloss die E-Mail und öffnete die Akte.

Josef Breuer.

Geb. 01.08.1978

Ort. Pirnsdorf

Eltern: Harald und Ina Breuer

Besondere Merkmale: Markantes Doppelkinn und herabstehenden Ohren

Chris konnte nicht viel herauslesen. Des Weiteren waren die Informationen über Breuers Verbrechen aufgelistet. Er schien sich öfters betrunken und in diesem Zustand Schlägereien begonnen zu haben. Einige Vorstrafen, nur ein Tötungsdelikt. Pirnsdorf? Wo lag das überhaupt? Chris vermutete irgendwo auf dem Lande. Und seine Eltern? Konnten die vielleicht etwas über ihren Sohn sagen? Hatte man sie bereits informiert, dass ihr Sohn tot war? Chris entschloss am nächsten Tag einen Abstecher nach Pirnsdorf einzulegen. Er suchte den Ort im Internet und seufzte. Oberösterreich. Außerdem am Rande zu Deutschland. Es würde also eine längere Fahrt werden. Chris glaubte nicht hier noch etwas auszurichten. Wenn sich forensische Spuren ergaben würden ihn Verena, oder Berger informieren. Chris suchte noch Informationen über den Zustellungsdienst und dessen damalige Mitarbeiter. Er kam zu keinem Erfolg. Schließlich putzte er sich die Zähne und legte sich schlafen. Am nächsten Tag erwachte er etwas später wie am Vortag, trotzdem auf dieselbe Weise. Er wurde von seinem Handy geweckt und war überrascht, als er Bergers Namen auf dem Screen erblickte.

„Was denn? Spielst du jetzt täglich meine Gute-Morgen-Fee?“, wünschte er ihm einen guten Morgen. Berger schien aber sehr aufgeregt zu sein. „Du musst sofort kommen. Breuer war wirklich nicht Mephisto.“, kam er gleich zum Punkt. Chris stockte.

„Was heißt das? Was habt ihr gefunden? Wohin soll ich kommen?“, hinterfragte er. In Bergers Umfeld war es sehr laut, weswegen sich Chris auf die Stimme konzentrieren musste. „Wohin, sage ich dir wenn du etwas zu schreiben parat hast. Und zu dem was wir gefundne haben: Einen Mann, mittleren Alters mit multiplen Stichverletzungen.“, gab er preis.
 

Nun konnte sich Chris wirklich vorstellen, was man unter einem Déjà-vu verstand. Bergers Nachricht war nahezu identisch. Es hätte Chris auch nicht gewundert, wenn er in einer Zeitschleife gefangen wäre und Berger ihm die Adresse von Breuer genannt hätte. Aber nein, Berger hatte ihm die Adresse eines Bauernhofes genannt, der nur sehr schwer mit dem Auto zu erreichen war. Chris sollte am Fuße eines Aufganges parken, ein Beamter würde ihn dann abholen. Chris hatte sich wieder in sein Auto gesetzt und war losgefahren. Er fuhr Richtung Norden und erkannte, dass er ohnehin in die Richtung wollte. Schließlich wollte er Breuers Eltern befragen. Er parkte vor einem Schotterweg, der steil auf eine Anhöhe hinaufführte. „Herr Hartmann?“, sprach ihn ein uniformierter Beamter an. Chris nickte und der Beamte bat ihn, ihm zu folgen. „Wir gehen zu einem Bauernhof?“, hakte Chris nach. Der Beamte schüttelte den Kopf.

„Nein, Sir.“ Chris stutzte. „Herr Berger meinte…“, begann er, doch der Beamte erklärte schnell.

„Der Bauernhof ist nur ein Orientierungspunkt, wir müssen einige Hundert Meter weiter zu einem Steinbruch, den man aber nur vom Bauernhof aus erreicht.“, klärte er auf. Chris verzog eine Miene.

„Einige Hundert Meter? Was hatte Berger ihm da nur angetan? Der Aufstieg erwies sich als beschwerlich. Doch für den Wagen wäre es wirklich zu steil gewesen.

„Hinunter ging es einfach.“, meinte der Beamte nebenbei. Chris hätte ihm dafür am liebsten einen sauberen Spruch serviert, doch er hielt sich zurück. Bald hatten sie den Bauernhof erreicht. Einige Beamten, unter ihnen auch Braun sprachen mit den Eigentümern. Sein Führer teilte ihm mit, die halbe Streckte geschafft zu haben. Hinter dem Bauernhof ging es erst bergauf und dann bergab. Dann konnte Chris den Steinbruch erkennen. Berger winkte ihm von unten zu. Chris winkte gequält zurück. Eine unstabile Steintreppe führte hinunter und Chris musste sich and er Wand abstützen. Er wurde zu Berger geführt, neben dem gleich sein Boss stand.

„Hartmann, Sie haben mir gerade noch gefehlt.“, wünschte er ihm einen guten Morgen. „Wollten wir nicht Freunde sein?“, fragte Chris kindlich. Jäger ärgerte sich gar nicht darüber und verwies auf einen schwarzen Leichensack, unter dem der Tote stecken musste.

„Halten sie sich an unsere Regeln, dann dürfen sie bleiben. Alles klar? Nur gucken, aber nichts anfassen.“, schärfte er Chris ein. Dieser versprach es und tapste zusammen mit Berger zum Leichensack. Daneben hatte sich bereits Dr. Rotburg aufgepflanzt.

„Wir sind hier fertig.“, meinte er. Chris bat dennoch einen Blick auf die Leiche zu werfen. Berger ergriff seine Schulter. „Mephisto hat diesmal etwas mehr gewütet als sonst. Vielleicht weil wir seinen Köder mit Breuer nicht geschluckt haben.“, warnte er seinen Freund vor. Chris dankte ihm und Rotburg zog langsam den Reisverschluss zurück. Chris taumelte nun zurück und rempelte Berger an. Er fiel auf die Knie und stützte sich gerade noch mit den Handflächen ab. Er konnte sich nun nicht mehr beherrschen. Sein Magen drehte sich um und das Ergebnis von mehreren Burgern und Wurstsemmeln sammelte sich auf dem Boden des Steinbruchs. Berger trat zu ihm. „Wegen meines Bauches erwartet man es nicht von mir, aber ich hatte gestern lediglich einen Kaffee. Vielleicht hätte ich an deiner Stelle auch gekotzt. Ein Beamter der die Leiche gesehen hat, hat es dir bereits vorgemacht. Jäger und Rotburg blieben natürlich souverän.“, erklärte er. Chris nickte. Wäre er darauf vorbereitet gewesen, hätte er sich wahrscheinlich beherrschen können. Er holte Luft und ging zu Rotburg zurück. „Machen Sie sich nichts draus. Ich hatte mehr Medizinstudenten, die sich übergeben haben, als sie je in einem Leben könnten.“, beruhigte er ihn. Chris nickte und sah sich die Leiche genauer an. „Das ist das erste Mal.“, sagte er schließlich. Rotburg nickte.

„Wenn man davon absieht, dass Mephisto sein Messer in die Herzen seiner Opfer rammt, waren bis jetzt alle Organe der Menschen intakt. Dass er diesem hier nun gleich den ganzen Kopf abtrennt ist neu. Ich bin kein Psychologe, aber ich würde sagen, er hatte hierbei wohl einen extremen psychotischen Schub. Das beweist auch, dass der Kopf nicht professionell abgetrennt wurde. Wir wissen ja bereits, dass Mephisto kein Mediziner ist, aber er hat sich so ungeschickt angestellt, dass sogar noch ein Teil der Wirbelsäule herausragt. Ich nehme an Mephisto hat es aufgegeben und es Kopf schließlich ‚abgetreten’.“, vermutete Rotburg. Chris hielt sich wieder die Hand vor den Mund.

„Dr., ich glaube wir verstehen.“, machte selbst Berger Rotburg Angst. Der Gerichtsmediziner entschuldigte sich und offenbarte den Oberkörper. „10“, flüsterte Chris nur. Berger nickte.

„Damit hat er 13 Menschen auf dem Gewissen. 14, wenn man Natascha Klein mitzählt. Außerdem wissen wir immernoch nicht, ob es ein fünfzehntes Opfer gibt. Das heißt er will noch…“, wurde Berger von Chris unterbrochen.

„Neun Menschen abschlachten.“, führte er den Satz zu ende. Berger schluckte und gab ihm Recht.

„Ich hatte gehofft er hört auf, nachdem wir Breuer für Mephisto hielten.“, gab er preis. Chris schüttelte den Kopf. „Dieser Psychopath? Nicht bevor er seine Mission beendet hat.“, stand für ihn fest. Berger sah bei dem Wort ‚Mission’ nachdenklich aus.

„Stimmt doch. Mephisto musste Faust 24 Jahre lang dienen. Wenn wir Faust an die Stelle von Mephistos Zwang zu töten, also seiner Psychose stellen, dann muss er diese Zahl abtragen.“, erklärt er. Berger sagte nichts. Dafür Rotburg. „Ich glaube nicht, dass er weiß, dass wir wissen, dass Breuer nicht Mephisto ist.“, verriet er. Chris und Berger sahen ihn erstaunt an. Rotburg deutete auf den Steinbruch.

„Sehen Sie sich doch um! Wo sind wir hier? Mitten in der Pampa. Der Tote war unter einem Steinhaufen begraben. Nur eine Hand ragte heraus. Die Bauernleute sind alt und schwach. Sie kommen nie hierher. Ein verirrter Wanderer hat ihn vermutlich entdeckt.“, machte er auf diesen Umstand aufmerksam. Chris musste ihm rechtgeben.

„Stimmt. Mephisto hat seine Opfer immer an öffentlichen Orten abgelegt. Er hat sein Muster geändert. Wenn jetzt, nach Breuers Tod eine weitere Leiche auftauchen würde, wüsste man, dass Breuer nicht Mephisto war. Also verstaute er sie an einem Ort, wo man die Leiche erst in Jahren, vielleicht nie gefunden hätte. Wann war der Todeszeitpunkt, Dr.?“, hakte Chris nach. Rotburg verzog die Lippen.

„Geschätzt einen Tag. Nicht nur wegen der Zahl, die Hauttemperatur sagt das auch. Diesmal bin ich mir sicher. Kein Trick dahinter.“, sagte er bestimmt. Chris holte Luft. „Wir haben ein Problem.“, verriet er. Berger und Rotburg sahen ihn fragend an. „Er mordet täglich. Damals hat er alle zwei Wochen getötet. Als Breuer aus dem Gefängnis kam hat er in diesem Takt weitergemacht. Nach Ackermann musste er sofort Emmerich entführen. Diese hat laut der Obduktion nicht lange durchgehalten. Die Folter war zu schmerzhaft für sie. Danach kam ihm Breuer in die Quere. Und nun das Opfer Nummer 12. Er mordet jetzt täglich. Breuer, oder vielleicht auch wir haben sein Zeitmuster auseinander gebracht. Er will seine restlichen 9 Zahlen möglichst schnell abtragen. Dafür riskiert er auch täglich jemanden zu entführen und zu ermorden. Bei den ersten beiden Opfern hat er ihnen drei Tage Zeit gelassen. Diesen Luxus hat er jetzt verloren.“, erklärte er. Berger biss sich auf die Lippe.

„Großer Gott! Ab jetzt jeden Tag ein Opfer? Und noch 9? Wie soll ich das Jäger erklären?“, seufzte er. Doch Chris war noch nicht fertig. „Und unter Umständen schaffen wir es nicht ihn rechtzeitig aufzuhalten.“, beteuerte er. Dann stutzte er. „Ich frage Sie erst recht spät, Herr Doktor, aber…. Wieso wurde der Kopf abgetrennt?“, wandte er sich an Rotburg. Dieser überlegte kurz.

„Normalerweise fügt Mephisto seinen Opfern Wunden zu, um sie zu Foltern. Aber ich glaube nicht, dass das Entfernen eines Schädels im Nachhinein noch schmerzt.“ Chris glaubte sogar einen amüsierten Klang in Rotburgs Stimme gehört zu haben, was ihn gruselte.

„Außerdem sehe ich keinen Schnitt ins Herzen.“, bemängelte Chris. Rotburg nickte. Er brauchte einige Sekunden, um zu verstehen, dass Chris nach der Todesursache fragte.

„Diesmal nicht, da haben Sie recht. Es gibt Schnittverletzungen in Armen und Beinen, die aber nicht tödlich waren. Wenn man davon ausgeht, dass der Kopf nicht hier ist, kann ich nur spekulieren. Er könnte an einer Kopfverletzung gestorben sein.“, meinte er. Berger sah sich den Hals an.

„Oder er ist davon gestorben, dass ihm der Kopf abgetrennt wurde.“, spielte er den Pathologen. Rotburg nickte.

„Wenn wir davon ausgehen dürfen, dass das Opfer ebenfalls betäubt und gefesselt war, dann wurde ihm wahrscheinlich bei Bewusstsein der Schädel entfernt. Natürlich hat das Opfer davon nicht viel bemerkt. Um das zu bewerkstelligen, muss der Täter erstmal in seinen Hals und somit seine Kehle durchschneiden. Das Opfer war bald tot, der Schädel dürfte kurz danach abgetrennt worden sein.“, berichtete er. Chris kannte jedoch immer noch nicht den Grund.

„Vielleicht um eine Identifizierung zu verhindern.“, wandte Berger ein. Chris zweifelte daran.

„Serienmörder töten für bekanntlich niemanden, den sie näher kennen. Besonders nicht Mephisto. Breuer dürfte die einzige Ausnahme gewesen sein. Es wäre ein zu hohes Risiko.“, erklärte er, war sich aber nicht völlig sicher.

„Du rufst mich doch an, wenn ihr seine Identität habt, oder etwas anderes, ja?“, wollte er sich verabschieden. Berger sah ihn verblüfft an. „Wohin des Weges?“, erkundigte er sich. „Pirnsdorf.“, fiel die Antwort kurz aus. Berger schnitt ein verdutztes Gesicht. „’Hast schon richtig gehört. Breuers Eltern leben dort, ich will ihnen einen Besuch abstatten.“, vertraute er sich an. Berger verstand nun. „Wir selbst konnten Breuers Eltern noch nicht erreichen und hatten keine Zeit jemanden hin zu schicken. Wir wären froh, wenn du das machen würdest.“, erwiderte er. Chris versprach sich der Sache anzunehmen und verabschiedete sich von Berger und Rotburg. Doch Berger rief ihm noch etwas nach.

„Hey Chris. Angenommen wir schaffen es nicht rechtzeitig Mephisto aufzuhalten und er tötet 9 weitere Leute… Was wird danach passieren? Was wird er tun?“, glaubte er, Chris könnte eine Antwort parat haben. Dieser dachte kurz nach. „Die 24 Jahre, die Mephisto Faust Dienerschaft schenkte, waren an eine Bedingung verknüpft. Faust musste nach diesen 24 Jahren sterben. Mephisto selbst kehrte danach in die Hölle zurück. Was das für unseren Mephisto bedeutet weiß ich nicht.“, verriet er. Berger sah besorgt aus.

„Könnte er sich selbst töten?“ hakte er nach. Chris zuckte mit den Schultern.

„Entweder das…oder er bleibt in dieser Welt, die seiner geliebten Hölle so ähnlich sieht.“, winkte er zum Abschied und begann wieder den Weg hinaufzusteigen. Nun war Jäger an Berger getreten. Er hatte die letzten Worte mitbekommen, sagte aber nichts dazu. Nun kam Pajak angelaufen. An seinem rechten Ohr ein Handy.

„Ja, ich verstehe. Möglicherweise hat es das. Wir sehen uns die Sache an. Wer ist der ermittelnde Beamte?“, fragte er immer wieder, bevor er auflegte. Jäger sah ihn erwartend an. Pajak zögerte mit der Antwort.

„Sir, das wird Ihnen nicht gefallen. Wir haben noch eine Leiche.“, schien er sich bereits vor Jägers Antwort zu ängstigen.
 

Kapitel 18

Auch wenn es eine Lüge ist, ist es trotzdem wahr.
 

Sowohl Jäger, als auch Berger war unwohl, als sie im Parkbereich vor der Justizanstalt Erdberg parkten.

„War das nötig? Mephisto kann es kaum gewesen sein?“, hatte Berger seinen Chef gefragt. Jäger dachte anders. Erinnere dich wie Pajak den Mord geschildert hat. Stein wurde nicht bei einer einfachen Schlägerei, oder Messerstecherei getötet! Man hat ihn bewusst ermordet, vielleicht vergiftet.“, erklärte er. Berger verstand. Es musste nicht mit ihrem Fall zusammenhängen, doch Stein stand mit Breuer in Verbindung. Vielleicht war Stein jemandem ein Dorn im Auge. Mephisto hatte ein perfektes Alibi, also kam nur jemand anderes in Frage. Jemand, in der Justizanstalt, oder jemand, der sich Zutritt zu ihr beschaffen konnte. Jäger und Berger hatten diese Aufgabe sofort übernommen. Man sollte der SOKO schließlich nicht nachher nachsagen, eine Spur außer Acht gelassen zu haben.

Pajak hatte Rotburg in die Gerichtsmedizin begleitet, wo sich Rotburg sofort den Leichnam ansehen wollte. Jäger hatte Kohl gebeten die Fingerabdrücke des Toten mit der Kartei abzugleichen. Jäger und Berger zückten ihre Ausweise und wurden ins Innere geführt. Jäger kannte den Weg bereits und bald standen die Beamten vor der Zelle. Leute von der Spurensicherung tummelten sich überall. Die anderen Insassen wurden in ihre Zellen geschickt.

„Herr Zeitler?“, wirkte Jäger überrascht. Zeitler ebenso. „Ihr Fall?“, hinterfragte er nochmals. Zeitler nickte.

„Ich habe mich bereits vorher um Alexander Stein gekümmert. Mich zu schicken war wohl am sinnvollsten.“, wirkte er, als wäre er nicht gerade scharf auf den Job gewesen. Auch wenn er bereits länger, hinter Stein hergewesen war.

„Mord oder Selbstmord?“, stellte Jäger die entscheidende Frage. Zeitler deutete auf einen Mann in weißem Kittel.

„Unser Gerichtsmediziner ist noch nicht eingetroffen. Der Gefängnisarzt Dr. Bohde unterstützt uns derweil.“, berichtete er. Jäger verstand und trat mit Berger in die Zelle. Bohde stand auf und reichte Jäger die Hand.

„Ihre Meinung?“, wollte dieser nur wissen.

„Zyankali.“, erwiderte dieser nur. Jäger wirkte überrascht. Bohde deutete auf die blau gefärbten Lippen des Toten.

„Ich bin kein Pathologe, aber das ist meine erste Meinung. Es ist Gift und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Zyankali.“, bestand er darauf. Jäger dankte ihm für die Diagnose und beugte sich über den Toten. Der muskelbepackte Stein sah nun nur mehr wie ein Häufchen elend aus.

„Wie kann er es zu sich genommen haben? Ein anderer Gefangener?“, fragte er Zeitler. Dieser wollte sich nicht festlegen.

„Die Insassen schmuggeln ständig etwas herein, es wäre demnach möglich. Einen Zellengenossen hatte er nach Breuer jedoch nicht mehr. Auch das Essen wurde ihm gebracht, weil er in der Kantine eine Schlägerei angezettelt hatte.“, erzählte er. Jäger nickte immer wieder, bis sich Bohde zu Wort meldete.

„Ich wüsste vielleicht, wie und wer ihm das Gift verabreicht hat.“, gestand er. Jäger, Zeitler und alle anderen Beamten starrten ihn perplex an.

„Woher?“, fragte Berger. Bohde schnaufte und deutete auf einen Behälter, der auf Steins Bett lag. Mehrere Tabletten waren davor verteilt.

„Ich.“, antwortete Bohde unsicher.
 

Chris hatte an der nächsten Tankstelle gehalten. Fast hätte er es nicht rechtzeitig geschafft. Er war zurzeit wirklich Gedanken verloren. Desto wichtiger war es, dass er sie ordnete. Berger hatte angerufen und ihn über Steins Tod informiert. Er meinte, es wäre ein geplanter Mord gewesen. Doch wer hätte ein Motiv gehabt? Jemand im Gefängnis? Hatte Stein mit Drogen gehandelt oder hatte er Feinde? Außerhalb des Gefängnisses kam eigentlich nur einer in Frage. Mephisto. Er musste fürchten, Breuer hätte Stein etwas über ihn erzählt. Aber wie sollte Mephisto sich dort eingeschlichen haben? Hatte er jemanden beauftragt? Nein, zu riskant. Diese Vorgehensweise würde nicht zu ihm passen. Aber wenn er es war, wie hätte er es anstellen sollen? Wer kam schon ins Gefängnis? Chris dachte an einen Besucher, erinnerte sich doch, dass Berger etwas von Einzelhaft gesagt hatte. Außerdem etwas von Vergiftung. Wenn Mephisto, der für Stein wahrscheinlich ein Unbekannter war ihn besuchen und ihm Gift anbieten würde, wäre Stein tatsächlich so dämlich und würde es einnehmen? Aber Stein hatte ja keinen Besuch empfangen. Ein Wärter? So jemandem konnte man auch nicht einfach 100 Euro zustecken und ihn bitten einen Gefangenen zu vergiften. Wer kam noch ins Gefängnis, der zwar protokolliert wurde, aber uneingeschränkten Zutritt hatte? Anwälte? Eine Möglichkeit, man könnte Stein etwas unter falschen Voraussetzungen zugesteckt haben. Stein könnte es für etwas anderes gehalten haben. Berger und die anderen gingen dieser Spur bestimmt nach. Ärzte? Chris erinnerte sich an Dr. Bohde. Ein unscheinbarer Mann. Verena hatte doch ein Haar von Mephisto. Bohdes Alter käme hin. Chris verwarf den Gedanken. Wenn Bohde Mephisto wäre, dann hätte er Breuer viel früher beseitigen können. Außerdem hatte er nicht die körperliche Konstitution, die nötig war. Und er war Arzt. Mephisto nicht. Wer noch? Polizisten? Aber hätte Mephisto dann nicht mehr interne Informationen? Beispielsweise, dass Breuer nun nicht mehr für Mephisto gehalten wurde? Chris stieg wieder in seinen Wagen bediente seinen Laptop. Noch 200 Kilometer, bis zu seinem Ziel.
 

Jäger, sowie Berger und Zeitler hatten Dr. Bohde in sein Büro begleitet. Der Arzt hatte ziemlich aufgelöst gewirkt und gebeten unter vier, bzw. acht Augen zu sprechen. Die Beamten waren gespannt, was er zu sagen hatte. Bohde hatte sich an seinen Schreibtisch gesetzt und strich sich über seine weißen Haare. „Ich habe Stein getötet.“, murmelte er nun. Jäger und seine Kollegen reagierten überrascht auf dieses Geständnis.

„Was hat es mit dieser Medikamentenbüchse auf sich?“, wollte Zeitler erfahren. Bohde lehnte sich in seinen Stuhl zurück. „Beruhigungstabletten. Sie wurden angeordnet, nachdem Stein mehrere Mithäftlinge Krankenhausreif geprügelt hatte. Es war alles abgesegnet. Die einzigen Nebenwirkungen war ein leichter Schlaf.“, erzählte er.

„Und Tod durch ersticken?“, wollte Jäger die Geschichte weiter hören. Bohde wehrte sich wehemend gegen diesen Vorwurf. „Sowas würden sie nie anrichten! Ich habe mir die Buchse auf dem Bett angesehen. Ich fand zwei der Tabletten, die ich verschrieben habe. Doch der Rest war etwas anderes.“, antwortete er. Jäger dachte kurz nach.

„Sie wollen uns also sagen, dass Stein jemand vergiftete Tabletten untergejubelt hat?“, glaubte er den Arzt richtig zu verstehen.

„Das ist doch möglich, Herr Kollege.“, mischte sich Zeitler ein.

„Die Tabletten sahen fast gleich aus und Stein hätte nicht ahnen können, dass manche davon vergiftet waren. Wahrscheinlich befanden sich die vergifteten unterhalb, weswegen er sie weiter fröhlich nahm. Er hatte ein Vertrauensverhältnis zu Bohde.“, gab er seine Theorie kund. Bohde sah bei diesem Satz noch zerknirschter aus.

„Wer übergibt Stein üblicherweise seine Tabletten?“, war Jägers nächste Frage. Bohde musste nicht lange nachdenken.

„Ich.“, erwiderte er nur. Jäger schien unzufrieden.

„Und wenn Sie krank sind? Oder im Urlaub?“, wurde er konkreter. Bohde überlegte. „Ein junger Kollege. Das Problem ist, ich war weder seit einem halben Jahr krank, noch im Urlaub. Und Stein nimmt die Tabletten erst vier Monate.“, erklärte er. Jäger schien fieberhaft zu überlegen.

„Also haben Sie die Tabletten jedes Mal persönlich ausgehändigt. Wer käme an die Buchse, wenn sie in der Zelle steht?“, führte er sein Verhör fort. Bohde überlegte kurz. „Wir haben strenge Sicherheitsregeln. Besonders, was Stein angeht. Selbst für die Mithäftlinge ist die Zelle Taboo. Er trifft nur während des Hofganges und der Mahlzeiten auf sie.“, schwor er. Berger musste ihm widersprechen.

„Sie vergessen Breuer.“, warf er ein. Jäger nickte. „Breuer könnte vor seiner Entlassung die Tabletten ausgetauscht haben. Doch wieso sollte er Stein töten wollen? Er war doch sein Auftraggeber. Wenn er tot war, hätte Breuer im Nachhinein kein Geld bekommen. Bohde machte den Gedanken zu Nichte. „Ich habe die Buchse erst vor drei Tagen ausgetauscht.“, bemängelte er. Jäger musterte Bohde genauer.

„Kurz nach dem Verhör.“, ergänzte dieser. Jäger nickte.

„Ja, aber wir können mich und Braun ausschließen.“, würgte ihn Jäger ab. Doch Bohde schüttelte den Kopf.

Den anderen Polizisten. Der vor Ihnen eine Befragung durchgeführt hat.“, brachte Bohde das Missverständnis in Ordnung.

„Der andere Polizist?“, fragte Jäger aufgeregt und wandte sich an Zeitler. Dieser schüttelte den Kopf.

„Wir haben Stein seit Wochen nicht mehr befragt.“, schwor er. Berger schien nun etwas eingefallen zu sein.

„Doktor Bohde, hatte der Mann vielleicht dunkles Haar und einen Kinnbart?“, hakte er nach. Als Bohde es bestätigte tat Berger die Sache ab. Allerdings musste er gestehen, dass er Chris wirklich erlaubt hatte Stein zu verhören. Jäger beschloss Berger später zu rügen, wenn genug Zeit war.

„Aber Carlos, unser Chefwärter war bei ihm. Selbst wenn er einen Grund gehabt hätte, wäre keine Möglichkeit bestanden.“, fiel Bohde ein. Jäger war nahe dran sich die Haare zu raufen. „Strengen Sie doch mal Ihr Hirn an! Wo könnten die Tabletten ausgetauscht worden sein?“, fragte er sauer und erblickte dann den Medizinschrank. Er war fest verschlossen, doch Bohde überlegte.

„Wenn ich die Tabletten aus dem Schrank nehme überprüfe ich sie nicht nochmal. Allerdings, wer sollte schon in den Schrank gucken?“, fragte er mehr sich selbst. Für Jäger schien das klar zu sein. „Wer schon? Sagen Sie’s mir! Muss ich Ihnen jedes Wort aus der Nase ziehen? Wer hat Zugang? Personal, Wärter eventuelle Häftlinge?“, drängte er. Bohde zeigte sich nun empört.

„Ich! Und nur ich! Egal, was sie in irgendwelchen Filmen oder Serien gesehen haben, dieser Schrank ist sicher. Ich besitze den einzigen Schlüssel und das Glas ist, wie Sie sehen können nicht zerbrochen. Kein Häftling, der mir eventuell unter die Arme greift und kein Wärter hat Zugang. Wenn ein Wärter Medikamente für einen Häftling braucht, kommt er zu mir. Und ich sehe mir den Betreffenden persönlich an. Und nein, der Schlüssel kann nicht nachgemacht worden sein, da ich ihn immer in meiner Brieftasche trage und das bemerkt hätte.“, verteidigte Bohde nun seine Ehre. Jäger bat ihn sich zu beruhigen. „Es hat also wirklich niemand Zugriff darauf?“, ging er nochmal sicher. Bohde schüttelte den Kopf.

„Nein niemand. Gut, jetzt wo Sie es sagen, der Herr Direktor besitzt einen Generalschlüssel. Aber soweit ich weiß bewahrt er diesen in einem Safe auf.“, sprach er. Jäger überlegte wieder. „Und Sie haben Ihre Brieftasche wirklich nie vergessen? Vielleicht mal kurz im Büro gelassen um Kaffee zu holen?“, zog Jäger jede Möglichkeit in Betracht. Bohde wollte schon verneinen, zögerte dann aber.

„Doch zweimal genauso genommen. Aber ich habe das nicht erwähnt, weil die beiden betreffenden Personen nicht in Frage kamen.“, erklärte er. Jäger hasste es, dass Bohde mit allem nur Stückchenweise herausrückte.

„Erzählen Sie mir trotzdem alles. Wer waren die beiden?“, schlug er einen härteren Ton ein. Bohde schluckte.

„Zuerst der Herr Direktor. Er kam in mein Büro, als ich gerade zu einem Notfall gerufen wurde. Er wollte Berichte mit mir durchgehen, doch ich ließ ihn einfach stehen. Ich war dermaßen in Eile, dass ich meine Brieftasche liegen ließ. Als ich zurückkam war der Direktor noch da. Aber wie gesagt, selbst wenn er den Schrank geöffnet hätte – was ich stark bezweifle – hätte er ja schließlich einen eigenen Schlüssel gehabt.“, berichtete er. Jäger nickte und gab Zeitler ein Zeichen. Dieser ging um dem Direktor einen Besuch abzustatten.

„Die zweite Person?“, hakte Jäger weiter nach. Bohde warf einen Blick in Richtung Bücherregal.

„Habe ich bereits erwähnt, dass ich auch in der Psychologie tätig bin?“, schein er Bewunderung zu erwarten. Bei Berger schlug er sich die Zähne aus.

„Nein, interessiert mich herzlich wenig. Hat es mit dem Fall zu tun?“, wurde er herrischer. Bohde nickte.

„Ich habe bereits ein interessantes Buch zum Thema Isolation geschrieben.“, deutete er auf ein Buch mit grünem Umschlag. Berger trat näher und nahm es heraus. Autor: Willhelm Bohde. Er blätterte es durch, ohne ein Wort zu lesen. „Zumindest hat mich vor einer Woche ein Kollege aufgesucht. Ein Fan von mir, wenn ich so sagen darf. Er hatte selbst Patienten, deren Umfeld denen von Insassen glich. Er wollte meine Meinung als Fachmann hören. Er meinte er wäre begeistert von meinem Buch gewesen. Er war so aufgeregt, dass er mir Kaffee über den Kittel goss. Ich bin mich natürlich sofort umziehen gegangen und ließ meinen Kittel mit der Brieftasche zurück. Aber ich kann Ihnen versichern, dass Dr. Engel nichts mit der Sache zu tun hat. Wenn schon dann…“

Berger traf der Schlag. Er ließ das Buch fallen und starrte Bohde ungläubig an.

„Sagen Sie das nochmal.“, wies er ihn an. Bohde brummte kurz und fuhr fort.

„Ich versichere Ihnen ein Arzt seines Standes…“, doch Berger schien etwas anderes hören zu wollen.

„Sein Name! Sein Ganzer!“, schrie er Bohde fast an. Dieser räusperte sich empört.

„Herr Doktor Heinrich Engel.“, erfüllte er Bergers Wunsch. Jäger sah Berger verwirrt an. Auch er hatte diesen Namen schon gehört, konnte ihn im Moment jedoch nicht zuordnen. „Ben, starte sofort eine Fahndung nach Engel. Und bitte in den nächsten Sekunden. Sonst behält Chris Recht und die Leichen stapeln sich wirklich bald.“, keuchte er.
 

Kapitel 19

Es gibt viele Menschen, die sich einbilden, was sie erfahren, verstünden sie auch.
 

„Engel ist seit zwei Tagen unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen.“, sagte Berger, das Handy ans Ohr gepresst. Jäger nickte. „Verstehe. Die sollen sofort Engels Privatadresse herausrücken, ich fahre sofort hin.“, erwiderte Jäger und machte eine Scharfe Kurve ohne zu wissen in welche Richtung er musste. 30 Sekunden später besaß Berger bereits die Adresse von Engels Wohnung.

„Ruf Kohl an. Sie und ein Team sollen in die Anstalt gehen. Sie sollen alles von Engel mitnehmen was sie nur finden können. Trinkflaschen, Besteck, Zeitschriften, Zahnbürste, ja von mir aus auch Klopapier. Sie soll die DNA überprüfen und sagen, ob sie zu dem Haar passt, das in der Wunde von Opfer Nummer 1 gefunden wurde.“, trug ihm Jäger auf. Berger nickte. Er hatte schon zuvor versucht Chris anzurufen, hatte ihn jedoch nicht erreicht. Er sagte, er wolle in eine Alpengegend. Vielleicht hatte er Probleme mit dem Empfang. Berger bekam nun Verena ans Ohr und trug ihr auf, was Jäger befohlen hatte. „Frau Kohl, da wäre noch etwas. Mit diesem Haar können Sie doch die DNA von Personen feststellen, richtig?“, fragte er sicherheitshalber nochmals. Verena bestätigte es ihm. „Es war eine Wurzel an dem Haar, also können wir es auch mit einer Probe von jemanden vergleichen, bei dem es sich nicht unbedingt um ein Haar handelt. Also gewöhnliche Hautzellen.“ Berger war zufrieden. Er gab Verena einen zusätzlichen Spezialauftrag, der Jäger kurz die Kontrolle über den Wagen verlieren ließ.

„Ist das dein Ernst, Hannes?“, fragte er seinen Kollegen. Berger erwiderte nichts darauf. Er schämte sich. Engel war ihm im ersten Moment suspekt vorgekommen. Er hatte sich wehemend gewehrt ihn und Chris zu Beck zu lassen. Er hatte Chris damals auch davon abgebracht Beck weiter zu verhören und dann auch noch den Fall ruhen zu lassen. Wie ein Stich erreichten wieder Engels Worte sein Gedächtnis.

„Ich kam erst einige Wochen später in diese Klinik. Beck war mein erster großer Fall. Ich habe alles daran gesetzt ihm zu helfen, so wahr Gott mein Zeuge ist. Ich habe immer auf ihn aufgepasst.“ Berger schauderte es. Engel hatte in derselben Klinik begonnen, in die sein Opfer gebracht wurde. Wer wusste schon, was Engel da mit ihm angestellt hatte. Und dann noch über die ganzen Jahre! Wie sollte der arme Junge je wieder zu sich finden, wenn vor seiner Tür der Teufel wartete, der seine Eltern auf dem gewissen hatte? Doch warum hatte Engel den Jungen nicht getötet? Bei der ersten Gelegenheit? Er hätte es wie Selbstmord aussehen lassen können, absolut jeder hätte ihm geglaubt, dass der arme, gestörte Junge nicht mehr leben wollte. Wie Natascha Klein. Berger stockte. War das damals dann wirklich Selbstmord? Wer wusste das schon. Außerdem liebte Mephisto es zu foltern. Er folterte Beck erst zusammen mit seinen Eltern und dann allein. 8 Jahre lang. Dann kam sein Komplize Breuer aus dem Gefängnis. Die Morde gingen weiter. Breuer sollte der Sündenbock sein. Es gelang ihm sogar Stein zu beseitigen. Berger hatte Pajak angewiesen nach einer Verbindung zwischen Engel und Breuer zu suchen. Danach versuchte er nochmals Chris zu erreichen. Ohne Erfolg. Ihre Ankunft bei Engels Wohnung gestaltete sich anders, als erwartet. Mehrere Leute rannten umher, manche schrieen. Jäger und Berger parkten den Wagen notdürftig und verließen ihn. Berger gelang es eine junge Frau anzuhalten.

„Beruhigen sie sich! Was ist den los?“, wollte er wissen. Jäger kam der Frau zuvor.

„Gott Hannes, sieh dir das an!“, zeigte er erschrocken auf das Gebäude, ihnen gegenüber. Berger riss entsetzt die Augen auf. Gewaltige Stichflammen preschten vom obersten Bereich des Gebäudes nach draußen.

„Ich… ich habe bereits die Feuerwehr alarmiert!“, stotterte die Frau und rannte weiter.

„Ben, sag mir jetzt nicht…“, ertappte sich Berger, wie auch er zu stottern begann. Jäger nickte.

„Das muss Engels Wohnung sein.“, antwortete er. Berger verstand gar nichts mehr. „Selbstmord?“, kam ihm als erstes in den Sinn. Jäger wollte sich nicht festlegen.

„Vielleicht will er einfach nur Beweise verbrennen. Ich gehe rein und hole, was noch zu retten ist.“, beschloss er. Berger hielt dies zuerst für einen Scherz, bis Jäger wirklich Richtung Eingang tapste. „Ben, verdammt! Bist du lebensmüde?“, konnte er ihn nicht verstehen. Jäger riss sich los.

„Kapierst du denn nicht? Da drin könnte der Beweis stecken, dass Engel Mephisto ist! Was haben wir denn schon? Einen labilen Zeugen und einen trotteligen Arzt, der für seinen Fan alles sagen würde. Willst du Engel vielleicht davonkommen lassen? Gott Hannes, er hat 13 Menschen auf dem Gewissen! Willst du diesen Teufel wirklich ungeschoren davonkommen sehen?“, wurde Jägers Ausdrucksweise immer wilder. Berger versetzte ihm nun einen Schlag ins Gesicht.

„Ben! Das ist es nicht wert! Da drin ist alles voller Feuer. Wenn dich das nicht umbringt, dann der Rauch. Selbst wenn der Papst da drin wäre, würde ich dich nicht reingehen lassen. Vergiß deine Obsession, wir kriegen den Schweinehund! So oder so!“, beschwor er Jäger. Dieser überlegte fieberhaft seine weiteren Schritte. Nun preschte der Feuerwehrwagen um die Ecke. Sofort sprangen die Männer heraus und bereiteten alles für die Löschung vor. Jäger lief ihnen entgegen.

„Chefinspektor Ben Jäger, ich muss in das Gebäude.“, bat er sie. Die Feuerwehrleute sahen ihn verdutzt an.

„Wir löschen so schnell, wie möglich.“, versprach einer. Doch Jäger war damit nicht zufrieden. „Wir gehen davon aus, dass in der Wohnung noch mehrere Kinder sind. Es geht um Sekunden!“, redete er auf sie ein. Berger konnte es nicht fassen. Jäger ging auf die Vollen. Die Feuerwehrmänner überlegten. „Wir gehen rein und überprüfen wie weit sich das Feuer ausgedehnt hat. Sollte es nur in einem Teil der Wohnung brennen, gehen wir rein. Wenn nicht kehren wir sofort um.“, entscheid der Leiter. Jäger war einverstanden. Berger fuhr sich über die Haare. Er wusste, dass er ihn nicht mehr aufhalten konnte. Zumindest wurde er von erfahrenen Feuerwehrleuten begleitet. Diese reichten Jäger nun Westen und eine Atemmaske. Während der Leiter seinen Männern den Befehl gab mit dem Löschen zu beginnen, begleitete er selbst Jäger ins Innere des Gebäudes. Berger sah ihm ungläubig nach. Jäger blieb dicht hinter den Feuerwehrmännern. Erst im zweiten Stockwerk breitete sich der Rauch aus und wurde immer dicker, je näher sie der Wohnung kamen. Jäger atmete durch die Maske. Sie standen vor der Wohnung. Es war abgrundtief heiß. Wie in einem Ofen. Ja! Das war eindeutig Mephistos Behausung! Nur in der Hölle konnte es so heißt sein.

„Sieht gut aus!“, rief der Leiter. Die Tür stand offen und er ging rein. „Das Feuer brennt stark, hat sich aber noch nicht ausgebreitet. Ich glaube das Wohnzimmer, die Küche und vielleicht irgendwelche Nebenräume. Im Vorraum ist es sicher!“, entgegnete er. Jäger erblickte eine Tür.

„Das könnte das Schlafzimmer sein!“, brüllte er. Der Leiter gab ihm Recht.

„Die Kinder könnten sich dort verkrochen haben. Aber die Tür ist zu nahe am Wohnzimmer. Selbst, wenn ich gehe, würde ich nichts sehen können. Ich würde mich nicht zurechtfinden. Wir müssen warten. Vertrauen Sie meinen Leuten.“, informierte er Jäger. Doch dieser war nicht mehr zu halten.

„Dann tu ich es.“, preschte er nach vorne und hastete auf die Tür zu. Der Leiter hielt ihn für verrückt und eilte ihm nach. Jäger hatte die Tür erreicht und riss sie auf. Genauso viel Rauch wie draußen. Oder Moment! Ein Fenster stand offen. Jägers Blick war getrübt, aber er konnte sich im Inneren umsehen. Er sah ein Doppelbett, einen Tisch mit Stühlen und… einen Computer! Es musste Engels sein. Jäger stürmte hin und fiel auf die Knie. Er hatte es auf den Rechner abgesehen. Der Leiter war ihm gefolgt und sah sich um. „Es sind keine Kinder hier, kommen Sie!“, brüllte er. Doch dann entdeckte er, worauf es Jäger wirklich abgesehen hatte. Dieser versuchte verzweifelt das Gehäuse des Rechners zu lösen, um sich die Festplatte zu sichern. Es funktionierte nicht. Alles festgeschraubt. Jäger nahm nun alle Kraft zusammen und packte den Rechner auf die Schultern.

„Sind Sie irre? Deswegen sind wir hier?“, konnte es der Leiter nicht glauben. Er führte Jäger nun sicher nach draußen, wo er sich auf den Boden fallen ließ. Der Leiter nahm die Maske ab.

„Was sollte das?“, brannte er vor Wut.

„War das Ding wirklich Ihr Leben wert?“, wollte er wissen. Jäger schüttelte den Kopf.

„Nein meines nicht. Aber das von neun anderen.“, versicherte er.
 

Berger hatte sich die ganze Zeit schrecklich gesorgt. Untätig hatte er den Feuerwehrleuten bei der Löschung zugesehen. Dann kam er auf die Idee das Gebiet zu räumen. Schaulustige waren hier in Gefahr. Erst hatte er einer Mutter mit Kinderwagen geholfen und dann einem alten Greis. Dann glaubte er, es sei niemand mehr in der Nähe. Doch sah er jemanden über die Straße gehen. Er schien es sehr eilig zu haben. Verständlich. Doch sein Aussehen wirkte auf Berger merkwürdig. Schwarze Hose, schwarzer Overall, und natürlich die Kapuze über dem Kopf. Berger glaubte sogar eine Sonnenbrille zu erkennen.

„Entschuldigen Sie!“, rief er dem Mann entgegen. Dieser reagierte nicht.

„Sie, ganz Schwarz!“, wurde er konkreter. Der Mann ging schneller.

„Polizei!“, rief Berger nun und der Mann rannte, als hätte ihn eine Wespe gestochen. Berger griff sich sofort an die Seite um seine Waffe griffbereit zu halten. Dann rannte er auf die Gestalt zu, die gerade in einer engen Häusergasse verschwand. Berger presste sich erst gegen die Wand, bis er schließlich seine Pistole zog und sich selbst umriss. Er stand kerzengerade in der Gasse. Vor ihm war niemand. Es war eine Sackgasse. Berger tat ein paar Schritte nach vorne. Er war irritiert. Er war sich sicher gewesen, der Verdächtige wäre in diese Gasse gelaufen. Nun hörte er einen Laut, direkt über sich. Berger erstarrte und sein Hals war in sekundenschnelle trocken. Der Verdächtige hockte über ihm. Auf dem Geländer einer Feuerleiter. Nun stieß er sich ab und landete mit seinem vollen Körpergewicht auf Berger. Diesem gelang es nicht mehr seine Waffe zu halten. Sie wurde weggeschleutert. Berger war fast bewegungsunfähig. Doch nun machte die Gestalt Ansätze aufzustehen. Berger schwitzte. Wenn er sich seine Dienstwaffe holen würde, war alles aus. Er packte den Mann am Bein, doch dieser trat mit dem Knie seines anderen in Bergers Gesicht. Dieser stöhnte, ließ den Kerl aber nicht los. Er schien es mit einem richtigen Kraftprotz zu tun zu haben. Er ließ sich wieder fallen und die beiden kämpften auf dem Boden miteinander. Berger wurde ein Kinnhacken versetzt und der Gestalt eine Kopfnuss. Bei dieser Gelegenheit rutschte die Sonnenbrille vom Gesicht. Sie landete direkt neben Berger. Die Gestalt gewann nun die Oberhand und hockte wie ein Reiter auf einem Pferd auf Bergers fülligem Bauch. Erst jetzt erkannte, dass die Gestalt gar nicht unbewaffnet gewesen war. Berger hatte sie nur daran gehindert, sie einzusetzen. Doch jetzt zog sie ihr Messer aus dem Hosenbund, packte es mit beiden Händen wollte es auf Berger hinunter saußen lassen. Dieser stemmte gerade noch rechtzeitig seine Hände hoch und blockierte so die Unterarme des Mannes. Dabei sah er dem Mann direkt ins Gesicht.

„Fuck, Sie?“, schien er seinen Augen nicht glauben zu können. Berger unterschätzte die Körperkraft seines Gegners. Seine Arme bogen sich immer weiter nach unten, genau wie das Messer. Bergers Arme waren nun auf seine Schenkel gedrückt und die des Mannes frei. Er erhob sie noch einmal, um genug Widerstand zu gewinnen. Berger war diesmal nicht schnell genug. Das Messer sauste herab und bohrte sich mit voller Kraft in seinen Magen. Berger stieß einen Schrei aus, der weder mit einem Angstschrei, noch einem Rufen Vergleichbar war. Es war ein Todesschrei. Der Mann drehte das Messer innerhalb von Bergers Magen nochmals um Er sprang auf, ließ das Messer aber stecken. Er wollte nur noch weg. Diesen Polizisten zu töten war gar nicht geplant gewesen. Er war gerade mal zwei Schritte gegangen, als er sich nochmals umdrehte. Berger war noch am Leben. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er seinen Peiniger an. Nun schlich der Mann zurück und zog das Messer aus Bergers Bauch. Dieser machte keinen Mucks. Er rieb es an Bergers Kleidung sauber und schritt zum Kopf des Beamten. Er benutzte das Messer, um etwas in dessen Stirn zu ritzen. Danach steckte er seine Waffe ein und rannte so schnell, wie ihn seine Beine trugen. Berger starrte ihm nach. Blut von seiner Stirn rann ihm in die Augen. Er war blind. Dennoch ahnte er ganz genau was in seine Stirn geritzt wurde. Die noch fehlende Neun.
 

Kapitel 20

Der Undank ist immer eine Art Schwäche. Ich habe nie gesehen, dass tüchtige Menschen undankbar gewesen wären.
 

Das Schlagen des Sekundenzeigers wirkte auf Chris nahezu hypnotisch. Er hatte nicht mitgezählt, wie oft er bereits die 12 überschritten hatte, aber es musste an die 30 Mal gewesen sein. Chris hockte auf einem in der Wand verankerten Plastikstuhl und starrte abwechselnd zur Uhr, abwechselnd zur Bürotür des ermittelnden Kripo-Beamten. Als sich die Tür öffnete und jemand heraustrat, nutzte Chris seine Chance. Er drängte sich an ihm vorbei und klopfte an die noch geöffnete Tür. Vor sich sah Chris ein enges, aber gut möbliertes Büro. Direkt vor sich einen breiten Schreibtisch an dem ein älterer Herr saß.

„Herr Höllerich?“, fragte Chris direkt. Der Kriminalbeamte musterte ihn skeptisch und bat ihn dann herein. Für Chris bestand kein Zweifel, dass er im ersten Moment erkannt worden war.

„Herr Hartmann, richtig?“, wies Höllerich auf einen Stuhl. Chris setzte sich ohne lange Vorreden und verzichtete sogar auf ein Guten Tag. Ein Handschlag reichte.

„Ich habe Sie heute gar nicht erwartet.“, gestand Höllerich. Ihm entging Chris’ Unruhe natürlich nicht.

„Nein, das ist richtig. Ich bin gekommen um wegen dem Fall zu sprechen.“, kam er schnell zum Punkt.

Höllerich schien zu überlegen.

„Wir haben Ihre Aussage bereits aufgenommen.“, erwiderte er, doch deswegen schien Chris nicht gekommen zu sein.

„Ich weiß, ich wollte auch mehr fragen, ob es etwas Neues gibt.“, wurde er konkreter.

Höllerich stieß einen Seufzer aus.

„Chris.“, nannte er ihn nun beim Vornamen. Er legte eine kurze Pause ein, was es

Chris erlaubte sich ein Bild des Kriminalinspektors zu machen. Die Haare waren angegraut, das Gesicht von Falten überzogen und der Anzug wirkte wie einer aus den 50ern. Auf dem Schreibtisch neben ihm stand eine turmartige Skulptur, die durchsichtig und mit Wasser gefüllt war. Im inneren schwammen Plastikfische, die von einer Lampe am Grund in ein helles, farblich-abwechselndes Licht getaucht wurden.

„Wurde mir zum Dienstjubiläum geschenkt.“, erklärte Höllerich nebenbei.

Er hatte einen sanften Ton eingeschlagen.

„Mein Chef hat ihn mir einfach in die Hand gedrückt und mir gratuliert. Danach fragte ich, wann ich meine Lohnerhöhung bekomme und er hat schallend gelacht.“, verriet er und begann selbst zu kichern. Chris Miene wich keinen Millimeter. Höllerich merkte nun, dass er Chris nicht umstimmen konnte.

„Wir gehen verschiedenen Spuren nach und sind sehr zuversichtlich.“, begann er, bis Chris’ Augen einen erbosten Ausdruck einnahmen.

„Hören Sie Herr Höllerich! Ich habe keine Zeit für Ihre Standartantworten. Ich bin gekommen um wirklich etwas zu erfahren. Etwas Wichtiges!“, ertappte er sich selbst beim Lautwerden. Höllerich ob beschichtend die Hände.

„Bitte Herr Hartmann! Ihre Situation tut mir ehrlich Leid, natürlich wollen wir Ihnen helfen.“, glaubte Chris beinahe einen gerührten Gesichtsausdruck bei Höllerich zu erkennen. Wer war dieser Typ eigentlich? Der nette Onkel von nebenan? Der nette Polizist, der bei jedem Problem half, selbst wenn eine Katze weggelaufen war? Wie sollte dieser Typ bitte den Mörder von Chris’ Familie finden, geschweige den stellen?

„Meine erste Antwort war großteils leider korrekt.“, fuhr Höllerich fort.

„Bei allen drei Tatorten weder DNA, noch Fingerabdrücke. Selbst das Blut gehört allein den Opfern. Das heißt… ich meine natürlich Ihren geehrten Eltern und Ihrer Schwester.“, bremste er sich.

„Wollen Sie mich verarschen? Im Gegensatz zu mir haben Sie doch alle polizeilichen Mittel um den Täter zu finden, doch stattdessen sitzen Sie nur faul auf Ihrem Arsch herum!“

Das hätte Chris gesagt, wenn er sich nicht noch unter Kontrolle hätte halten können. So dachte er diesen Satz einfach nur. Dennoch hätte er liebend gerne Höllerichs Antwort gehört.

„Ich habe ja selbst Ermittlungen angestellt, welche jedoch ins Leere führten. Ich habe alle Personen um Umfeld meiner Familie überprüft. Vom Handwerker bis zum Nachbarshund.“, redete Chris.

Höllerich hörte aufmerksam zu und bot Chris schließlich einen Kaffee an. Doch dieser hätte ihn noch aufgebrachter wirken lassen, als ruhiger.

„Sie müssen mir einen Termin bei Andreas Beck verschaffen.“, sagte Chris schließlich. Höllerich wirkte nicht wirklich überrascht.

„Man will nur die Polizei und Ärzte zu ihm lassen. Ich habe vergeblich versucht einen Termin bei Becks Arzt zu bekommen.“, gestand er.

Höllerich schien dies jedoch bereits klar gewesen zu sein.

„Er ist immernoch der beste Zeuge, den wir haben. Naja oder nicht haben, je nach dem. Aber es spielt keine Rolle, ob Sie ihn befragen oder nicht. Er wird Ihnen keine Antworten liefern.“, antwortete er.

„Sie etwa?“, warf Chris Höllerich zu. Dieser blieb weiterhin souverän.

„Wir tun unser Bestes!“, beharrte dieser darauf. Doch Chris bestand auf einem Termin. Und er wusste, dass er ihn bekommen würde. Höllerich war sanft wie eine Fliege und Chris würde das ohne zu zögern ausnutzen.

„Und dann? Wenn Sie keine Antworten bekommen? Was tun Sie dann?“, fragte Höllerich fordernd.

„Weiter ermitteln.“, antwortete Chris ohne Pause.

„Ich muss ihn einfach sprechen. Vielleicht gibt er mir keine Antworten, aber ich muss ihn trotzdem sehen.“, meinte er und hoffte Höllerich würde das verstehen. Dieser tätigte nun ein Telefonat und wechselte ein paar Worte.

„In zwei Stunden, ist das früh genug für Sie?“, schien er Chris’ Wunsch erfüllt zu haben.

Dieser nickte dankend und stand auf.

„Ich wünsche Ihnen viel Glück bei Ihren Ermittlungen.“, gab ihm Höllerich mit auf dem Weg. Chris war bereits an der Tür angelangt.

„Bis zum nächsten Mal.“, verabschiedete er sich und verschwand. Höllerich hatte gar keine Gelegenheit mehr ihn zu fragen, was er damit meinte. Chris würde ihn im Laufe der nächsten Monate öfters kontaktieren. Er hatte kurz seinen roten Faden verloren, doch nun ermittelte er weiter. Sein nächstes Ziel sollte das Eric-Berne Institut sein.
 

Als Chris die Autobahn verlassen und das Ortschild mit der Aufschrift Pirnsdorf entdeckt hatte, glaubte er endlich am Ziel zu sein. Er fuhr über eine geschotterte Straße, doch von einem Dorf weit und breit nichts zu sehen. Rechts und links ein paar Bauernhäuser, schließlich erblickte er ein Schild mit einem schwarzen Pfeil. Kein Text. Chris fuhr weiter gerade aus, dann um eine Kurve und war dann endlich bei den ersten, richtigen Häusern angekommen. Er zwängte sich durch eine Durchfahrt und glaubte sich kurz darauf in der Kulisse eines Märchens wieder gefunden zu haben. Er schien auf dem Marktplatz gelandet zu sein. Der Boden bestand aus verschieden-großen Steinen und hohe Eichen warfen ihr Blätter auf die parkenden Wagen herab. Die Farben der Gebäude waren alle anders, so dass sich jeder einfach heimisch fühlen musste. Einige Leute liefen über den Platz, von denen Chris jedoch niemanden ansprach. Ihm viel ein Adresseschild mit der Aufschrift Rathausplatz 1b stand. Umständlich kramte Chris einen Zettel aus der Hosentasche.

„Pirnsdorf; Kleestraße 11.“, las er vor. Als schließlich ein älterer Herr an ihm vorbeitrabte, rang sich Chris doch dazu durch ihn anzuhalten.

„Verzeihung. Ich suche die Kleestraße.“, sagte er freundlich. Der Mann hob seinen Stock.

„Teestraße? Ich kenne nur eine Milchstraße.“, lachte er. Chris wich zurück.

„Äh, nein. Die KLEEstraße.“, wurde er lauter. Nun schien der Mann es verstanden zu haben und zeigte auf eine Durchfahrt. „Rechts der Park, links die Wege zu den Terrassenhaussiedlungen.“, verriet er. Chris bedankte sich und bestieg wieder seinen Wagen. Er durchquerte erst einen Aalweg und eine Eimerstraße, bevor er in die schmale Kleestraße einbog. Es gab nur fünf Häuser und Chris fand schnell die 11. Er betrachtete den Eingang. Kein Familienname, nur ein grüner Postkasten. Der Garten war klein, der Hof umso größer. Chris verschaffte sich Zutritt und begab sich zur Haustür. Er klingelte und richtete sich dabei noch seinen Kragen. Es dauerte nicht lange, bis eine Frau, Mitte 30 ihm öffnete und ihn argwöhnisch anstarrte. Wenn man in dieser Gegend Besuch bekam, dann kannte man denjenigen auch. „Guten Tag, Christian Hartmann. Ich suche Herrn und Frau Breuer.“, stellte er sich vor. Die Frau schien kurz in Gedanken zu sein.

„Breuer…? Achja, Sie meinen die Vorbesitzer des Hauses.“, schien sie nun zu verstehen. Chris wirkte enttäuscht.

„Dann kann ich Ihren Worten entnehmen, dass sie nicht Frau Breuer sind?“, fragte er nach, obwohl er es sich eigentlich hätte sparen können. Die Frau, die vor ihm stand war viel zu jung, um Josef Breuers Mutter zu sein. Die Frau schüttelte den Kopf. „Mein Mann und ich haben dieses Haus vor etwa 5 Jahren von den Breuers gekauft.“, verriet sie. Chris überlegte seine nächsten Schritte. „Und haben Sie erfahren, wo die Breuers danach hingezogen sind?“, hoffte er auf eine Antwort. Die Frau überlegte wieder.

„Ich kann mich irren, aber ich glaube sie erwähnten etwas von auswandern. Wohin weiß ich nicht mehr.“, gestand sie. Chris sah seinen Ermittlungserfolg bereits schwinden.

„Kannten Sie vielleicht ihren Sohn? Josef Breuer?“, versuchte er nochmal sein Glück. Doch auch auf diese Frage, konnte sie keine Antwort liefern.

„Gut, danke für Ihre Zeit. Wenn ich etwas über die Breuers in Erfahrung bringen will, wo müsste ich da hin? Freunde, Verwandte?“, stellte Chris noch eine letzte Frage. Zu seiner Überraschung konnte ihm die Frau weiterhelfen.

„Kenne ich keine, aber wieso gehen Sie nicht ins Rathaus? Ich glaube dort wird eine Stadtchronik geführt“, berichtete sie. Chris dankte ihr und verabschiedete sich. Vielleicht half ihm das tatsächlich weiter. Er fuhr zurück auf den großen Platz und musste nicht lange nach dem Rathaus suchen. Ein großer Torbogen verschaffte ihm Eingang zum Hof und eine Doppeltür mit zwei Ringen als Griff, gaben ihm das Innere des Gebäudes preis. Die Tür knarrte beim öffnen. Scheinbar hatte er damit das Gespräch zwischen zwei Leuten unterbrochen. Vor Chris standen zwei Männer, die sich unterhielten. Einer stand und besaß eine Uniform. „Streit“ stand links unter der Schulter. Der andere Mann saß und blätterte ein dickes Buch durch. Er war wohl so etwas wie der Empfangschef.

„Ja?“, fragte er den Hereinkommenden. Chris zögerte kurz. „Guten Tag. Chris Hartmann, ich hätte gerne eine Erkundigung eingezogen.“, begann er förmlich. Keiner der Männer erwiderte etwas.

„Es geht um Herrn und Frau Breuer. Mir wurde gesagt die beiden währen ausgewandert, dennoch brauche ich Informationen über sie.“, verriet er den Grund seines Kommens. Der Uniformierte stützte eine Hand auf den Schreibtisch des Empfangschefs.

„OK, ich rede mal mit den Jugendlichen. Oder noch besser mit den Eltern. Auf die hören sie wenigstens. Die Schmierereien sollen sie schön selbst wegmachen.“, versprach Streit. Chris fühlte sich etwas ignoriert.

„Man hat mir gegenüber etwas von einer Chronik erwähnt.“, redete er weiter. Der alte Mann seufzte. Er wollte aufstehen, doch Streit hinderte ihn daran.

„Mach dir keine Mühe. Ich erledige das.“, versprach er. Der Alte dankte ihm. Der Uniformierte trat zu Chris und reichte ihm die Hand.

„Dorfpolizist Streit. Schön Sie kennen zu lernen.“, betonte er besonders seinen Titel. „Schön hier mal einen Stadtpolizisten begrüßen zu dürfen.“, fügte er hinzu. Chris wollte ihn schnell korrigieren.

„Ich bin Privatermittler.“, erklärte er. Streit hob die Augenbrauen.

„Aber Sie waren einmal Polizist.“, bestand er darauf. Chris nickte. „Woher…“, verstand er nicht ganz.

„Ihr Händedruck.“, erklärte Streit mit einfachen Worten. Chris hakte nicht weiter nach.

„Ich kannte die Breuers. Bescheidene aber freundliche Leute. Warum suchen Sie sie?“, hakte er nach. Chris wollte aber nicht seine ganze Geschichte offenbaren.

„Ihr Sohn starb vor wenigen Tagen. Und da seine Eltern scheinbar schwer aufzutreiben sind, hat man mich dazugeholt.“, verriet er nur eine Teilwahrheit. Streit war für einen Moment entrüstet.

„Josef? Ohnein, wie ist das passiert?“, schien er Breuer gekannt zu haben. Chris überging die Frage. „Sie kannten Josef Breuer also näher?“, wollte er ihm Informationen entlocken. Streit nickte langsam.

„Er hat sich als Polizist beworben, doch seine Trunksucht hat alles verdorben. Wir tranken oft zusammen in der Kneipe. Sie finden sie gleich gegenüber dem Rathaus. Irgendwie wusste ich, dass es einmal so mit ihm enden würde.“, verriet er. Chris schien endlich eine brauchbare Quelle gefunden zu haben. „Was seine Eltern angeht…“, wollte er auf das eigentliche Thema zurückkommen. Streit dachte kurz nach.

„Es stimmt, sie wollten weg von hier. Sogar aus dem Land. Sie haben aber niemanden verraten wohin. Sie wollten ganz neu anfangen. Nachdem Josef es ihnen vorgemacht hatte, verkauften sie ihr Haus und waren über Nacht weg. Die Chronik können Sie übrigens vergessen, da steht ein Scheiss drin.“, erzählte er. Chris dankte ihm für seine Hilfsbereitschaft. „Es wäre super gewesen, wenn Sie gewusst hätten wo sich seine Familie befindet, aber gut. Sie erwähnten, bereits, dass Breuer getrunken hat, was wissen sie noch über ihn?“, stellte er weiterhin Fragen. Streit verengte nun seine Augen.

„Er wurde ermordet.“, sagte er schließlich. Chris stutzte. Woraus hatte Streit das geschlossen?

„Wenn man Sie nur engagiert hätte seine Eltern zu finden würden Sie sich nicht für ihren Sohn interessieren. Es gilt also einen Mord aufzuklären.“, kombinierte Streit. Chris grinste. Solchen Scharfsinn hätte er von einem Dorfpolizisten nicht erwartet.

„Sie haben Recht. Ich suche den Mörder von Josef Breuer. Und ich habe Grund zu der Annahme, dass dieser in Breuers Vergangenheit zu suchen ist.“, gab er nun mehr preis. Streit schien über den Vertrauensbeweis froh zu sein.

„Ich helfe Ihnen natürlich so gut wie ich kann. Wenn Josef ermordet wurde, will ich das Schwein auch im Knast sehen.“, schlug er sich auf Chris’ Seite.

„Sie kenne ich bereits, doch hatte Breuer auch noch andere Freunde? Leben vielleicht noch Verwandte hier? Können Sie sich an irgendjemanden erinnern?“, führte er das Verhör fort. Streit stemmte die Arme in die Hüfte.

„Verwandte? Nein. Und Freunde? Kompliziert. Josef und ich sind zusammen aufgewachsen. Aber wir sahen uns nur in der Schule. Josef hat nie viel geredet. Ich wusste nichtmal wo er wohnte. Ich gebe zu, ich war damals sehr frech. Seine Eltern dachten wohl, ich wäre kein guter Umgang für ihr Kind. Josef berichtete mir einmal von seinem besten Freund. Ich war richtig eifersüchtig. Ich war nur seine Nummer 2. Breuers Eltern waren nett. Aber nur das nett, das die Gesellschaft ihnen aufzwang. Ich glaube zwar nicht, dass die Josef misshandelt haben, doch sie waren sehr streng. Sie suchten Josef im Dorf einen Freund, der ihm ein Vorbild sein sollte. Egal, ob er ihn mochte oder nicht. Und Josef fand so jemanden. Wenn ich mich recht erinnere war der Name des Jungen Johann. Ja, genau. Sein Name war Johann Schroll. Dieser Johann genoss Heimunterricht. Er war sehr begabt, seine Eltern hielten ihn für den schlausten Kopf des Dorfes. In der Schule traf man ihn nie an. Einmal schlich ich zum Haus dieses Johanns. Es lag etwas abseits des Dorfes. Ich sah wie Johann und Josef im Garten Bücher lassen. Sie spielten nicht, nein Johann half seinem neuen Freund beim lesen. Das Buch war eine Hausaufgabe, die Josef und ich bekommen hatten. Es war dick und schwer zu lesen. Auch wenn wir hier nur eine Dorfschule sind, sie war sehr hart. Ich erinnere mich ehrlich gesagt nicht gerne an den Unterricht zurück. Aber wer tut das schon?“, zapfte Streit seine Erinnerungen an.

„Ein Buch? Wissen Sie noch um welches es sich gehandelt hat?“, fragte Chris weiter. Streit seufzte.

„Das ist alles so lange her. Es war eines, das natürlich pädagogisch wertvoll sein sollte. Achja, es war dieser Roman von diesem berühmten Autor, der auch heute noch in den Schulen erwähnt wird. Johanns Namenspatron. Ich spreche natürlich von Johann Wolfgang von Goethe.“, erinnerte er sich. Chris schluckte. Er hörte wie sein Herz seinen Rhythmus änderte.

„Genau, es ging um diesen Astrologen und diesen Teufel. Es handelte sich um ‚Faust’“
 

Kapitel 21

Bete Gott an und er beschenkt dich, verspotte ihn und er lässt dich im Stich. Bete den Teufel an und er verleiht dir Macht, verspotte ihn und er holt dich zu sich.
 

Chris hatte sich kurz an der Wand abstemmen müssen.

„Ich erinnere mich noch an eine Geschichte. Dieser Johann schien ein totaler Streber gewesen zu sein. Aber kein guter Freund. Er begann das Buch zusammen mit Josef zu lesen. Doch er ließ es ihn nicht zu Ende lesen. Obwohl es ja eigentlich Josefs Hausaufgabe war. So kam es, dass dieser seine Präsentation nicht zu Ende führen konnte. Und nicht nur das. Er wurde ausgeschimpft, weil er das Buch verloren hatte. Doch das stimmte nicht. Dieser Johann hatte das Buch klammheimlich behalten. Er schien sich echt für Goethes Literatur interessiert zu haben. Aber Johann und Josef trafen sich weiter. Was sie bei ihren Treffen genau trieben, weiß der Teufel. Mich vergaß Josef und wandte sich immer mehr Johann zu. Wir stritten und ich suchte mir andere Freunde. Ich sah Josef bei der Polizeistation wieder, als er sich bewerben wollte. Doch er war nicht qualifiziert.“, brachte er seine Geschichte zu einem Ende. Chris war gänzlich aufgewühlt. Die Informationen hatten ihn zermürbt.

„Ich nehme an, dieser Johann lebt nicht mehr hier?“, hakte er nach. Streit schüttelte den Kopf.

„Nein, das Jugendamt hat ihn mitgenommen.“, offenbarte er. Chris sah ihn überrascht an.

„War etwas mit seinen Eltern?“, wollte er wissen. Streit brummte. Damals war ich in Johanns Alter, ich kann also nichts Genaues sagen. Ich hörte ein paar Geschichten von meinem Vater und anderen Leuten. Einiges sind vielleicht nur Gerüchte, aber dieser Johann schien es nicht leicht gehabt zu haben. Sein Vater soll ihn und seine Mutter verprügelt haben, bis sie von blauen Flecken überseht wurden. Er war ein Säufer. Deswegen habe ich auch oft auf Josef eingeredet. Er sollte nicht so werden wie der Vater seines besten Freundes. Wenn ich es mir recht überlege… Josef wurde erst ein Problemfall, als Johann fort war. Er sagte mir einmal, er hätte seine andere Hälfte verloren.“, erzählte er. Chris hörte weiterhin gespannt zu.

„Fort? Wurde er nicht eher fortgebracht?“, fiel ihm das Detail auf. Doch Streit schüttelte den Kopf.

„Die Leute vom Jugendamt standen vor der Tür, doch Johann war nicht zu Hause. Man nahm an, dass er ausgerissen war. Mein Vater, der ebenfalls Polizist war und andere suchten ihn. Ohne Erfolg. Allerdings wollte man ihn nicht holen, weil er geschlagen wurde.“, gab Streit preis. Chris verstand nicht. Welchen Grund konnte es sonst geben?

„Johanns Mutter war abgehauen, als Johann 12 war. Die nächsten drei Jahre hatte sein Vater also nur noch eine Person zum schlagen. Das musste Johann auch deutlich zu spüren bekommen haben. Mit 15 hatte dann alles ein Ende. Sein Vater starb bei einem Bootsunfall. Sein Hobby war fischen. Und trinken. Beides zusammen ergab eine tödliche Mischung. Er ertrank und seine Leiche wurde am nächsten Tag am Ufer gefunden. Man wollte Johann daraufhin ins Heim stecken, doch wie gesagt, war er verschwunden. Seine Mutter war auch nirgends aufzufinden. Da wir Johann nicht fanden, vermuteten wir, dass er sich in einen Zug geschlichen und sich aus dem Staub gemacht hatte. Naja, sicher war es besser so. Sein Vater hat seine gerechte Strafe erhalten. Er hat seine Familie ständig verprügelt. Und zum Schluss hat sein Gesicht ebenfalls nicht mehr so einwandfrei ausgesehen, wenn ich mich recht erinnere.“, kam Streit vom Thema ab. Chris hakte nach, worauf er sich nun bezog. Streit erinnerte sich an etwas, was sein Vater einmal sagte.

„Ich habe damals ein Gespräch belauscht. Mein Vater hat mit einem Arzt gesprochen, der sich dem Toten angenommen hat. Er erwähnte, dass das Gesicht von Schroll Senior ziemlich zerschmettert gewesen sein muss. Zuerst erkannte man ihn gar nicht. Wenn Schroll diesen Unfall überlebt hätte, wäre ein Schönheitschirurg nicht zu umgehen gewesen.“, berichtete er. Chris fand diese Aussage merkwürdig. „Zerschmettert? Ich dachte er wäre ertrunken?“, wollte er es genau wissen. Streit zögerte selbst kurz.

„Er wird sich das Gesicht an der Bootskante angeschlagen haben. Dann fiel er in den See und sein Schicksal war besiegelt. Ich habe damals an den armen Josef gedacht. Johann hatte ihm nicht gesagt, dass er vorhatte zu verschwinden. Kein Sterbens Wörtchen. Ab da ging es mit ihm bergab. Mit 18 wollte er wie gesagt zur Polizei. Diesen Floh hatte Johann ihm eingeredet. Josef erzählte damals mal, dass Johann Krimis liebte. Er mochte sowohl die Polizisten, als auch die Verbrecher. Damals wollte er ebenfalls Polizist werden und hat Josef damit angesteckt. Josef ging nach seiner Ablehnung weg. Er erwähnte etwas von einem Paketdienst, bei dem er sich beworben hatte.“ Langsam ging Streit die Puste aus.

„Das wäre vorerst alles, was mir einfällt.“, hatte er bereits eine Menge Informationen geliefert. Chris strich sich übers Kinn. „Und Leute, die mir etwas über Johann Schroll erzählen könnten?“, ließ er dennoch nicht locker. Streit verneinte. „Sie lebten wie gesagt sehr abgeschieden. Außer mit den Breuers hatten sie kaum Kontakt mit den einfachen Dorfläuten.“, versicherte er.

„Was war Schroll Senior von Beruf?“, fragte Chris danach, woher die Familie ihr Geld nahm. Streit musste nicht lange nachdenken.

„Damals gab es einige Kilometer von Pirnsdorf entfernt eine alte Eisenwarenfabrik, in der Schroll und einige andere aus dem Dorf schuftete. Aber sie machte zu und Schroll trank nur noch. Und schlug nur mehr.“ Chris lag nun nur mehr eine Frage auf der Zunge. „Wurde Schrolls Haus verkauft? So wie das der Breuers?“

Streit sah kurz in die Luft. Ich glaube nicht. Ich war lange nicht dort, aber es dürfte nicht verkauft worden sein. Johann Schroll – angenommen er lebt noch – ist jetzt Eigentümer des Hauses. Das Dorf durfte es nicht anrühren. Und von der Mutter ist ja auch nichts bekannt. Es steht also sozusagen leer.“, verriet er. Das hatte Chris hören wollen.

„Könnten Sie mir die genaue Lage des Hauses verraten?“, schien das sein nächster Zielort zu sein. Streit hatte nichts dagegen einzuwenden. Allerdings wollte er Chris begleiten. Dieser sollte ihm einfach nachfahren.

„Zuerst müsste ich aber nochmal telefonieren. Auf dem Weg hierher, fand ich kein Netz. Und hier angekommen, hat mein Akku aufgegeben.“, gestand er. Streit deutete auf ein altmodisches Telefon, das noch eine Wählscheibe besaß. Er ging vor und ließ Chris in Ruhe telefonieren. Dieser steckte seine Finger in die Löcher, um zu wählen. Er kannte Bergers Nummer inzwischen auswendig. Es dauerte, bis sich eine Stimme meldete.

„Wer ist da?“, wurde Chris gefragt. Dieser erkannte Jägers Stimme sofort.

„Hartmann. Ich wollte eigentlich mit Johannes sprechen.“, wunderte er sich, warum Jäger an das Telefon seines Kollegen ging.

„Berger ist tot.“, bekam Chris schließlich die Antwort. Chris ließ den Hörer fallen. Er baumelte an der Schnur und schlug gegen die Wand. Vom anderen Ende hörte er Jäger seinen Namen schreien. Er griff sich den Hörer wieder und hielt ihn sich ans Ohr.

„Mephisto hat ihn erwischt. Ich konnte nichts tun.“, gestand Jäger. Chris wunderte sich. Zum ersten Mal klang Jägers Ton weich und sanft.

„Was ist passiert?“, stotterte Chris. Jäger holte am anderen Ende tief Luft.

„Engel ist Mephisto.“, verriet er. Chris verstand nun gar nichts mehr. Was redete Jäger für einen Unsinn? War er betrunken? Nein, ein Mann wie er trank nicht.

„Dr. Engel?“, fragte er unsicher. Jäger bestätigte es.

„Er ist Schuld am Tod von Alexander Stein. Wir sind zu seiner Wohnung gefahren. Sie stand in Flammen. Er wollte sämtliche Beweise vernichten. Berger und ich wurden getrennt. Als ich zurückkam suchte ich ihn. Ich fand ihn tot in einer Seitenstraße. In seinem Bauch klaffte eine tiefe Wunde. Auf seiner Stirn war ein Zeichen eingeritzt. Es ist schwer zu erkennen, dürfte aber eine Neun sein.“, offenbarte er. Chris brauchte einen Moment. „Wieso musste Berger sterben?“, verstand er nicht. Jäger brummte.

„Er hat Engel wohl überrascht. Dieser floh aus seinem Haus und Berger ist ihm nach. Sie kämpften und Engel gewann die Oberhand. Er tötete Berger und hinterließ seine Zahl. Wir fanden keine verwertbaren Spuren.“, berichtete er. Chris glaubte nicht, was er da hörte.

„Blödsinn! Engel ist nicht Mephisto. Ich bin gerade in Pirnsdorf, dem Geburtsort von Breuer. Ich bin auf andere Spuren gestoßen.“, beharrte er darauf. Jäger schien nun seine alte Form wiedererlangt zu haben.

„Natürlich ist er das! Wer sollte es sonst sein? Ich habe bereits Braun, Schlager und die Spurensicherung in die Klinik geschickt. Sie nehmen DNA-Proben und befragen nochmal diesen Beck-Jungen. Alles deutet auf Engel als Täter hin. Ein Spezialist sieht sich gerade Engels Festplatte an. Pajak hat herausgefunden, dass Engel Natascha Klein, kurze Zeit vor deren Selbstmord besucht hat. Das Haar, das wir in der Wunde des ersten Opfers gefunden haben, muss von ihm stammen! Wahrscheinlich ist Berger erst wegen Ihrer Obsession gestorben. Sie hätten wissen müssen, was für eine Bestie Engel ist. Aber scheinbar geht es allen so, die mit Ihnen zu tun haben.“ Chris schluckte. Er wusste, dass auch Jäger gerade einen Freund verloren hatte, doch so ließ er nicht mit sich umspringen.

„Herr Jäger, hören Sie mir zu. Engel kann es nicht sein. Seine körperliche Konstitution passt nicht. Berger hätte ihn einfach besiegt. Ich gehe einer anderen Möglichkeit nach. Ich bitte Sie darum den Namen Johann Schroll zu überprüfen. Und ich meine es ernst. Jetzt, wo Berger tot ist, muss er nur noch 8 weitere Menschen töten, bis sein Zwang befriedigt ist. Also, wie sieht es aus? Kann ich mich auf Sie verlassen?“, fragte er kühl und selbstbeherrscht. Jäger keuchte. Normalerweise wurde nicht so mit ihm umgesprungen.

„Johann Schroll sagten Sie? Ich werde jemanden darauf ansetzen. Kommen Sie zurück?“, wollte er wissen. Chris antwortete nicht darauf. Er hatte aufgelegt und war nach draußen gegangen. Das Spiel wurde ernster. Die Schachfiguren rollten vom Brett und Chris hatte Angst zu verlieren. Er hatte bereits zu viele Figuren verloren. Jetzt hatte sein Nemesis auch noch seinen neuen Freund erwischt. Streit wartete bereits auf ihn. Zusammen mit ihm fuhr Chris zu Johann Schrolls ehemaliger Behausung.
 

Kapitel 22

Der Himmel ist für Feiglinge, die Hölle für die, die für ihre Überzeugungen gestorben sind.
 

„Ziemlich heruntergekommen.“, meinte Chris, als er und Streit aus ihren Wagen stiegen und vor dem breiten Landhaus standen.

„Sie vergessen, dass jetzt niemand mehr darin wohnt.“, entgegnete er. „Gibt es sowas wie einen Schlüssel für Notfälle?“, erhoffte sich Chris ein ja. Streit nickte und marschierte auf die Eingangstür zu. Prüfend betrachtete er das Schloss, zog dann etwas aus seiner Hosentasche, das Chris nicht identifizieren konnte und hantierte damit herum. Es dauerte nicht lange, bis die Tür aufsprang. Chris wusste, dass sich Streit mit unsauberen Methoden Zutritt verschafft hatte, was ihm jedoch nur Recht sein konnte. Die beiden betraten das Innere und fanden eine heimatliche Idylle vor. „Wonach konkret suchen wir eigentlich?“, wagte es Streit erst jetzt zu fragen. Chris konnte ihm diese Frage nicht ohne weiteres beantworten.

„Im Moment würde ich mich gerne etwas im Haus umsehen. Vielleicht finden wir nichts brauchbares, aber einen Versuch ist es doch wert.“, erklärte er. Streit nickte und trat links durch eine Diele. Chris war insgeheim froh, dass er nicht allein in das Haus des Teufels musste. Auch wenn Streit dasselbe Schicksal wie Berger ereilen sollte. Streits Schritte entfernten sich. Chris kam an der Küche vorbei und fand sie aufgeräumt vor. Wenn Johanns Mutter wirklich abgehauen war, musste sein Vater ihn zur Hausarbeit verdonnert haben. Johanns Kinderzimmer war nicht schwer zu übersehen. Eine Tür die mit Buchstaben versehen war, welche die Form von Tieren aufwiesen. Zusammen bildeten sie Johanns Vornamen. Chris drückte behutsam die Klinke hinunter und ließ sie aufspringen. Er wusste nicht, was er dahinter erwarten sollte. Vielleicht ein blutüberströmte Thron auf dem der Teufel höchstpersönlich saß? Im Zimmer gab es ein Fenster, das auf den Wald ausgerichtet war. Dennoch spendete es ausreichend Licht. Die Luft war stickig, es schien lange nicht mehr geöffnet worden zu sein. Es sah ordentlich aus. Streit erwähnte, Johann wäre mit 15 abgehauen. Für einen Teenager etwas ungewöhnlich. Neben dem Fenster stand ein Regal, in dem die verschiedensten Bücher angereiht waren. Chris warf nur einen flüchtigen Blick darauf, konnte aber keinen Faust-Roman ausmachen. Des Weiteren entdeckte er einen Schreibtisch mit leeren Blättern und einer Büchse Stifte. Einen großen Schrank, in dem die Kleidung aufbewahrt worden war und schließlich das Bett. Es war ordentlich gemacht. Chris setzte sich auf die Bettkante. Keine abgetrennten Köpfe von Puppen, oder ausgestopfte Tiere. Chris entging nicht das Buch, das auf dem Kopfkissen lag. Es war dünn und schimmerte grün. Chris nahm es und betrachtete den Umschlag. Es war kein Faust, oder ein anderes Werk von Goethe.

„Die kleine Eidechse“, stand in giftgrüner Schrift auf dem Einband. Eindeutig ein Kinderbuch. Chris sah nochmal zum Regal, konnte dort jedoch keine so kindlichen Bücher entdeckten. Er schlug es auf und identifizierte es als Bilderbuch. Unten standen je ein bis zwei Sätze. Durch die Menge rang sich Chris dazu durch es zu lesen.
 

Es war einmal eine Eidechse. Sie liebte es Bäume hinaufzuklettern.

In der Mitte das Bild einer einfachgezeichneten Echse.

Eines Tages kletterte sie auf eine große Eibe. Dort fand sie ein Vogelnest vor. Sie kroch hinein. Der Eigentümer war nicht da, nur einige Vogeleier.

Das Nest mit etwa drei Eiern sprang ins Blickfeld.

Der Echse gefiel das Nest so sehr, dass sie ihr Ei gebar und darin ablegte.

Ein Ei wurde gezeigt, dass sich in der Größe deutlich von den anderen Unterschied.

Dann sah die Eidechse die Mutter kommen. Es war eine wunderhübsche Schwalbe. Schnell floh sie aus dem Nest und kroch den Baum hinunter. Kurz darauf vergaß sie ihr Ei.

Eine fortkriechende Echse zierte Seite 4.

Nach einigen Tagen schlüpften die Eier. Auch das Ei der Eidechse. Vier Schwalpenkinder und eine kleine Eidechse erblickten das Licht der Welt. Diese war noch so klein, dass die Vogelmutter sie nicht wahrnahm.

Man sah die Vögel mit dem Eidechsenbaby.

Die Mutter besorgte Würmer als Futter und ließ sie in die Schnäbel ihrer Kinder fallen. Die Eidechse bekam nichts ab. Nur nach und nach lernte sie, sich durchzusetzen und die Reste zu verspeisen.

Eine mampfende Eidechse, die immer größer wurde.

Die Vogelmutter sang ihr Lied und ihre Kinder lernten es. Die Eidechse wollte um nichts nachstehen und krächzte mit. Zwei Wochen vergingen…

Die Vögel und die Eidechse wurden wie eine Familie dargestellt.

Die Vogelmutter brachte ihren Kindern das Fliegen bei. Die Flügel der Kinder waren prächtig gedeiht. Einer der Kinder sprang aus dem Nest und erhob sich in die Lüfte. Das zweite tat es ihm nach. Die Echse schaute interessiert zu. Die dritte schwang ihre Flügel und brauste los.

Der Sehnsüchtige Blick der Eidechse. Chris blätterte zur letzten Seite.

Die Eidechse wollte seinen Brüdern um nichts nachstehen, sprang aus dem Nest und flatterte mit den Armen. Sie fiel den Baum hinunter und starb. Die Kinder kehrten ins Nest zurück und wurden von ihrer Mutter gelobt. ENDE.

Chris legte das Buch weg und überlegte. Nicht die beste Lektüre für ein Kind. Doch es war nicht nur das Buch. Es war alles in diesem Zimmer. Die Sauberkeit, die Bücher, die Person, die hier gelebt hatte. Die Person, die womöglich Chris’ Familie ausradiert hatte. Doch wofür? Was war Mephistos großes Ziel? Das hieß, wenn es sich bei diesem Johann wirklich um Mephisto handelte. Chris war mittlerweile davon überzeugt. Chris stand auf und bemerkte, dass er auf etwas getreten war. Er bückte sich und hob ein Blatt auf. „Vertrag.“, las er als Überschrift.

„Hiermit verspreche ich ‚Josef Breuer’ dir die nächsten 24 Jahre ein treuer Freund zu sein und dir stets zur Seite zu stehen.“ Unterschrieben war der Zettel von Josef und Johann. Ein Freundschaftsbeweis unter Kindern, doch warum nur 24 Jahre? Mephisto hatte Faust nach dieser Zeit sterben lassen. Breuer wurde von Mephisto ermordet. Breuer war über 30, aber wenn man bedachte, dass er im Gefängnis saß, ergab es Sinn. Wenn Jäger diese Beweisstücke sah, würde er Chris’ Meinung endlich teilen.

„Herr Hartmann?“, hörte Chris das Rufen von Streit. Aber nicht nur das, auch das Klingeln eines Handys. Erst dachte er es wäre seines, doch es konnte nur Streits sein. Chris fand ihn im Flur, doch scheinbar war es auch nicht Streits Telefon.

„Das Haustelefon klingelt.“, machte er darauf aufmerksam. Chris fiel das altmodische, schwarze Telefon auf einem Ablagetisch auf.

„Wieso? Wurde der Strom hier nicht abgestellt, nachdem niemand mehr das Haus bewohnt?“, fragte er verdutzt. Streit brummte.

„Ich habe einmal gehört die Schrolls sollen einen eigenen Generator im Schuppen haben. Aber, dass dieser noch arbeitet, überrascht mich ebenfalls.“, gab er an. Chris sah weiter auf das Telefon. Als Streit sah, dass sein Begleiter keine Anstanden machte abzuheben tat er es. Er nannte seinen Namen und wartete gespannt.

„Ja, er ist tatsächlich bei mir. Ja das kann ich machen.“, hörte Chris den Polizisten reden, bis ihm dieser schließlich den Hörer übergab. Chris vermutete Jäger, doch wie war er an die Nummer gekommen?

„Christian Hartmann.“, nannte auch Chris seinen Namen. Zuerst regte sich nichts. „Chris.“, sagte eine dumpfe Stimme. „So wirst du genannt, ja?“, meldete sich sein Gesprächspartner. Chris schluckte. Wer war dieser unangemeldete Anrufer? Wieso duzte er ihn überhaupt?

„Kenne ich Sie?“, fragte er nun. Ein heftiges Atmen war auf der anderen Seite zu hören. „Nein. Man hat uns noch nicht miteinander bekannt gemacht. Wir kennen zwar nicht die Gesichter des jeweils anderen, aber dafür die Seelen. Hat man dir als Kind nicht beigebracht, niemals über fremde Zäune zu klettern? Niemals das Haus eines fremden zu betreten? Niemals in dem Zimmer eines anderen Jungen zu schnüffeln?“, wurde seine Worte gegen Schluss hin immer lauter und bedrohlicher. Chris konnte sich nun nicht mehr gegen eine plötzlich aufkommende Gänsehaut wehren.

„Ich nehme an, du weißt jetzt wer ich bin, oder?“, lallte die Stimme selbstbewusst. Chris schluckte.

„Johann.“, erwiderte er mit pochendem Herzen. Streit sah seinen Begleiter irritiert an. Chris hörte ein Klatschen am Ende der anderen Leitung.

„Bravo. Du kennst meinen Namen. Die Fähigkeiten wären bei der Polizei nur verschwendet gewesen. Ja, Detektiv muss man sein! Der Traum eines jeden Kindes. Weißt du warum sie sich immer ein kleines bisschen mehr wünschen Detektiv, als Polizist zu sein? Es geht nicht nur darum, dass Detektive die spannenderen Fälle bekommen, nein es geht auch um die Freiheit! Josef und ich haben damals oft Räuber und Gandarm gespielt. Ich war der Gandarm. Ich musste immer so förmlich tun, weshalb ich mit Josef tauschen wollte. Aber als Detektiv kann man die Fälle annehmen, die man will. Bist du es deswegen geworden, Chris? Wolltest du einen Fall lösen, der dir gerecht wird?“, säuselte Johann in den Hörer. Chris war wie erstarrt. Er sah nichtmal mehr Streit, der neben ihm stand. „Du hast meine Eltern und meine Schwester umgebracht.“, warf er Johann in einem schwankenden Tonfall vor. Doch Johann schien das nicht hören zu wollen.

„Nein, nein, nein! Noch nicht, das müssen wir uns noch aufheben! Ich denke unser erstes Treffen steht kurz bevor. Ich brenne schon förmlich darauf.“, redete er weiter. Chris hatte sich einigermaßen gepackt und Wut überkam ihn. „Du Hund! Darauf kannst du dich verlassen, mach dich darauf gefasst!“, brüllte er in den Hörer. Doch die Leitung war tot. Streit hatte die ganze Zeit daneben gestanden.

„Ich frage lieber erst gar nicht.“, wollte er sich nicht einmischen. Wenn Chris etwas zu sagen hatte, würde er es von sich aus tun. Doch das, was Streit gehört hatte würde ihm sicher noch einige Zeit lang im Magen liegen.
 

Kapitel 23

Wir wollen nicht gewinnen, wir wollen nur unsere Ziele erreichen.
 

„Die Tatsache, dass wir auf dem Land leben, macht unseren Kaffee leider nicht automatisch besser.“, entschuldigte sich Streit im Voraus. Chris hörte gar nicht so genau hin. Er hatte Streit zur Polizeistation begleitet. Zuvor hatte er sich noch seinen Laptop aus dem Wagen geholt.

„Sie sagten Johanns Vater habe in einer Eisenwarenfabrik gearbeitet?“, hakte er nach. Streit nickte.

„Ist das denn wichtig? Für den Fall?“, wollte er wissen. Chris zögerte. Es schien ihm schwer zu fallen Streit etwas anzuvertrauen.

„Hören Sie, wir lesen hier Zeitung. Natürlich habe ich von diesen Morden gehört. Als Sie mich über Josef ausgefragt haben und dieser Roman zur Sprache gekommen ist, habe natürlich auch ich eins und eins zusammengezählt. Halten Sie es wirklich für möglich, dass dieser Johann der Serienmörder ist?“, starrte er Chris an. Dieser verkreuzte die Finger und beugte sich nach vorn. „Ich bin mir inzwischen sicher. Als ich sein Zimmer gesehen habe. Und… als dieses Schwein angerufen hat. Ich will gar nicht, wissen woher er wusste, dass ich in seinem Haus bin.“, keuchte er. Streit wollte etwas sagen, brach aber immer wieder ab.

„Diese Opfer von damals…waren da wirklich Ihre Eltern und Ihre Schwester unter ihnen?“, versuchte er sich so sanft wie möglich auszudrücken. Chris schloss die Augen nickte. Streit fand keine passenden Worte, also blieb er beim Sachlichen. „Wenn Johann wirklich dieser Serienmörder ist, wie passt Josef ins Bild?“, wollte er erfahren. Chris sah seinen neuen Verbündeten an.

„Auch auf die Gefahr hin, das Bild Ihres ehemaligen Freundes zu beflecken, aber Breuer war Johann hörig. Nicht nur als Kind. Dieser Johann scheint einen starken Charakter zu besitzen. Vielleicht wie alle Psychopathen. Breuer hat damals das Haus meiner Familie ausspioniert. Womöglich hat er Johann sogar geholfen sie zu töten.“, erzählte er. Streit wollte das nicht glauben.

„Was seine Beziehung zu Johann angeht gebe ich Ihnen Recht. Aber Josef war ein Feigling. Er sah sich nicht mal Horrorfilme an. Ich glaube sogar er hatte Panik vor Blut. Wenn er Johann geholfen hat, dann ganz sicher nicht bei seinen Ritualmorden. Außerdem ist Johann derjenige mit dem Faust-Komplex. Die Tatsache, dass er seinen besten Freund aus Kindertagen ermordet hat, spricht Bände. Nunja, was werden Sie jetzt unternehmen?“, tat Streit seine Meinung kund. Chris tippte weiter auf seinem Laptop herum.

„Die Kleidung der neueren Opfer, mit Ausnahme von Breuer hatte Spuren, sowie Geruch von Asbest und unreines Wasser an sich. Letzteres wahrscheinlich von einem Abfluss. Wenn man bedenkt, dass Johanns Vater in einer Eisenwarenfabrik gearbeitet hat, womöglich hat sich sein Sohn ebenfalls eine ähnliche Unterkunft verschafft.“, spekulierte er. Streit konnte ihm folgen.

„Doch das ist nur eine Theorie, oder?“, versuchte er Chris’ Enthusiasmus nicht zu bremsen. Chris stimmte ihm zu. „Es kann natürlich auch nur der Keller irgendeiner Mietwohnung sein, ja. Aber irgendwo müssen wir anfangen. Wenn wir Breuer und das letzte Opfer ausließen wurden alle drei Toten in einem bestimmten Radius abgelegt.“, erklärte er und bediente wieder seinen Laptop. Auf dessen Bildschirm war bereits seit einiger Zeit eine Karte abgebildet. Nun erschien ein roter Kreis um ein bestimmtes Gebiet.

„Johann muss sich also irgendwo in diesem Kreis versteckt halten. Das engt die Suche ein.“, verstand Streit nun. Chris bejahte.

„Setzen wir bei den Fabriken an. Es gibt 8 in diesem Gebiet. Zwei sind zurzeit stillgelegt. Laut der Website der Firma werden dort aber immernoch kleinere Arbeiten vollrichtet und es wird geputzt.“, legte er seine Recherchen offen. Streit holte Luft. „Es bleibt also nur ein mögliches Ziel.“, kombinierte er. Chris nickte.

„Es ist nur eine Vermutung, aber die Fabrik sollte untersucht werden.“, sagte er. Streit musterte den Privatermittler skeptisch. „Aber doch nicht Sie allein, oder?“ Chris sah ihn an und lächelte. „Ich arbeite mit ein paar sehr fähigen Beamten zusammen. Keine Sorge.“, beruhigte er ihn. Dazu trank er noch den Kaffee aus, den ihm Streit gebracht hatte. Dieser begleitete Chris schließlich zu seinem Wagen zurück.

„Sie informieren mich doch, wenn der Scheißkerl geschnappt wurde, oder?“, bat er. Chris versprach ihm, ihn anzurufen. Danach startete er fuhr durch den Torbogen, der aus Pirnsdorf führte. Etwa zur selben Zeit klingelte sein Handy. Streit war so freundlich gewesen, und hatte es ihm aufgeladen. Es war Jäger. Chris ließ es klingeln. Erst, als Jäger aufgab, griff er sich das Handy und wählte eine Nummer. Es dauerte etwas, bis sich jemand meldete. „Chris, wo steckst du?“, fragte Damir besorgt. Doch Chris hatte keine Lust ihm alles haarklein zu berichten. Geschweige den, wollte er ihn in die Sache hineinziehen.

„Ich erzähle dir alles später. Jetzt musst du erst etwas für mich herausfinden. Die betreffenden Akten sind womöglich unter Verschluss, aber ich vertraue dir.“, verriet er sein Anliegen. Damir hörte ihm gespannt zu. Ungläubig hörte er der Theorie seines Freundes zu. Als er auch noch einen Namen hörte, den Chris bereits Tage zuvor erwähnt hatte, stockte er.

„Ist das dein Ernst? Das wäre ja Wahnsinn.“, fand er. Chris hatte jetzt jedoch keine Zeit um zu diskutieren.

„Tu einfach, worum ich dich gebeten habe, ja? Danke. Danke, dass du mir ein Freund bist.“, sagte er und legte auf. Die Rückfahrt kam Chris noch länger vor, als die Hinfahrt. Sein erster Weg führte zu seiner Wohnung. Die Post stapelte sich bereits. Er hatte ihr die letzten Tage keine Beachtung geschenkt. Er hastete die Treppe hinauf in sein Schlafzimmer und riss seinen Kleiderschrank auf. Seine Finger tasteten die Rückwand ab, bis er ein loses Brett fand. Umständlich entfernte er es und griff in das Geheimfach dahinter. Mit pochendem Herzen holte er die Waffe hervor, die er vor langer Zeit dort versteckt hatte. Aufgeregt steckte er sie in seinen Hosenbund. Bald! Bald würde sich seine Rache erfüllen. Er dachte nicht einmal daran Jäger oder Sebastian anzurufen. Das ging nur ihn etwas an. Ihn und Mephisto. Dieser Teufel sollte keine Gelegenheit mehr bekommen ungeschoren weiter zu morden. Dafür würde Chris sorgen. Es war ihm egal, aus welchen Motiven, er Mephisto ein Ende setzen wollte. Ob es allein wegen seiner Rache war, oder wegen den vielen Menschen, die bereits sterben mussten. Es war ihm egal. Wahrscheinlich auch allen anderen. Jeder hätte ihm seinen Segen gewünscht. Auch seine Familie? Wären sie mit Chris’ Entschluss einverstanden gewesen? Dieser dachte nicht länger darüber nach, sondern marschierte zu seinem Wagen zurück. Die Stunde der Rache war gekommen. Nun sollte sich entscheiden, ob dieser Teufel weiterhin diese Welt heimsuchte, oder ob es Chris gelang ihn ein für alle Mal in die Hölle zurückzuschicken.
 

Kapitel 24

Einer neuen Wahrheit ist nichts schädlicher als ein alter Irrtum.
 

Braun kam als letzter durch die Tür, als Jäger zu sprechen begann. Er entschuldigte sich erst gar nicht, da Jäger sicher nicht unterbrochen werden wollte.

„Sie alle haben es bereits erfahren. Wir haben heute einen Kollegen und einen Freund verloren. Johannes Berger ist in Ausübung seiner Pflicht getötet worden.“, sprach er. Alle Mitglieder der SOKO sahen betroffen aus. Es hätte auch einen von ihnen erwischen können. „Ich weiß, jeder von Ihnen würde jetzt gerne über ihn trauern. Einige Leute hier, wie beispielsweise ich kannten ihn bereits länger, doch uns läuft die Zeit davon. Wir haben einen Verdächtigen. Heinrich Engel. Psychiater und bestens mit dem Fall vertraut. Er steckte seine Wohnung in Brand um die Beweise zu vernichten. Ich konnte die Festplatte retten. Sie ist Passwort-geschützt, doch ein Spezialist sieht sie sich gerade an. Ich will, dass Sie alle Ihre Bemühungen auf Engel richten. Wir müssen seinen Aufenthaltsort erfahren. Ich glaube nicht, dass er einfach abtaucht, er mordet weiter! Das ist sein Zwang.“, sammelte Jäger gerade die Fakten, als die Tür aufgestoßen wurde.

„Frau Kohl.“, schien Jäger über das Erscheinen der Forensikerin erstaunt.

„Es stimmt! Das Haar… es stammt von Engel!“, keuchte sie. Sie schien gerannt zu sein. Jäger runzelte die Stirn. „Das war bereits klar, auch ohne Untersuchung. Deswegen hätten Sie sich nicht so beeilen müssen. Naja vielleicht doch, immerhin hatte ich Sie zu der Besprechung gebeten.“, wurde er etwas grob. Doch Verena schüttelte den Kopf.

„Das meine ich nicht! Ich habe die Untersuchung ausgeführt, um die mich Herr Berger gebeten hat.“, erklärte sie sich. Jäger und die übrigen Beamten sahen sie fragend an. Verena brauchte einen Moment und rang nach Luft.

„Er hatte mich doch darum gebeten die DNA an der Wurzel mit der des letzten Opfers zu vergleichen. Das, welches wir im Steinbruch gefunden haben. Die Proben sind identisch. Das Haar stammt eindeutig von dem Opfer mit der Nummer 10.“, berichtete sie. Jäger verstand nun gar nichts mehr. Wovon sprach die Frau da?

„Sind Sie sich sicher? Das würde bedeuten Mephisto hat den Mann über zwei Wochen gefangen gehalten. Länger als Nadine Boglárka. Wieso hätte er das tun sollen? Die Leiche wies doch gar nicht so viele Folterverletzungen auf, wie die anderen Opfer.“, verlangte er eine Erklärung. Verena schien aber noch nicht fertig zu sein.

„Ich habe mein Team doch in die Klinik geschickt. Sie haben in Engels Büro Fingerabdrücke genommen und mir geschickt. Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber… halten Sie sich fest.“, tat Verena ganz spannend. Jäger hielt nichts von ihrer Aufforderung und bat sie fortzufahren.

„Also! Der Tote, ohne Kopf ist zweifelsohne Heinrich Engel!“, verkündete sie.

„Nein!“, stieß Schlager aus. Braun und Pajak blickten verstört. Nur Jäger schien einen Gedankengang zu haben. „Also gut. Fassen wir zusammen. Wenn Engel Mephisto war, und dafür spricht sowohl das Haar in der Wunde, als auch seine Verbindung zu Beck und Klein. Nicht zu vergessen der Mord an Alexander Stein. Angenommen er war es. Irgendjemand hat ihn getötet und ihm den Kopf abgetrennt, damit man ihn nicht mehr identifizieren konnte. Ohne Bergers überraschenden Einfall wären wir nie auf die Idee gekommen. Doch Engel war tot, als seine Wohnung Feuer fing. Wer sollte sie angezündet und noch wichtiger – wer soll Berger getötet haben? Wollen Sie mir sagen, er wurde von jemand anderem als Mephisto getötet? Wer hätte ein Motiv? Sie vergessen die Neun auf seiner Stirn.“, sprach er seine Gedanken aus. Keiner seiner Leute konnte etwas Hilfreiches dazu beitragen. Nach einer kurzen Pause fuhr Jäger fort.

„Es hilft nichts. Schlager, Sie reden nochmal mit Rotburg. Vielleicht hat er etwas Neues. Pajak, Sie überprüfen einen gewissen Johann Schroll, geboren in Pirnsdorf. Hartmann hat darum gebeten. Wir sollten der Spur nachgehen. Braun, Sie begleiten mich zu diesem Spezialisten. Ich glaube inzwischen nämlich eines. Egal wie verworren dieser Fall auch ist, auf Engels Festplatte ist die ganze Lösung vorhanden. Alle fehlenden Puzzlestücke müssen sich darauf befinden. Wenn nicht, fresse ich einen Besen. Ich weiß, Sie alle arbeiten sehr hart und es ergeben sich ständig neue Spuren, aber bei einem bin ich mir sicher. Wir sind der Lösung des Falles näher, als es den Anschein hat.“, beendete er seine Rede.
 

Katrin Auerbach erwachte nur stetig aus ihrem traumlosen Schlaf. Kurz darauf schreckte sie auf. Das lag daran, dass sie in ihren Erinnerungen nicht wie jeden Tag in ihrem Bett eingeschlafen war, sondern in ihrem Wagen. Erst nach und nach erinnerte sie sich, dass ihr Körper nicht von alleine dem Schlaf nachgegeben hatte. Sie hatte einen Stich in ihren Hals gespürt, der sie einschläferte. Sie hatte keine Gelegenheit gehabt einen Blick auf den Rücksitz zu werfen, weswegen sie den Rückspiegel nutzte. Ihre erste Befürchtung hatte sich bewahrheitet. Jemand saß hinter ihr und schien mit etwas auf sie eingestochen zu haben. Mit einem spitzen Gegenstand, der jedoch nicht viel Schaden anrichtete. Katrin Auerbach wurde erst klar, dass es sich um eine Spritze handeln musste, als sie wieder zu sich kam. Sie lag. Zumindest kam es ihr so vor. Sofort reagierte sie panisch und wollte aufstehen. Ohne mäßigen Erfolg. Sie wollte ihre Hände heben, doch etwas schnürte sie zu. Mit ihren Beinen verhielt es sich nicht anders. Ihr wurde schmerzhaft bewusst, dass man sie gefesselt hatte. Sie war entführt worden. Katrin rang nach Luft, da sich ihr Hals zuschnürte. Bisher hatte sie solche Dinge nur in Krimis oder Actionfilme gesehen und nie erwartet selbst einmal das Opfer einer solchen Entführung zu werden.

„Hilfe!“, schrie sie unverzüglich. Und tatsächlich schien sie jemanden damit anzulocken. Dennoch kam keine Freude in ihr hoch. Sie wusste, dass der Einzige, der in der Nähe war höchstwahrscheinlich der Entführer war. Sie behielt Recht. Sie sah nach links. Dort war es dunkel. Nur eine Glühlampe schwankte über ihrem Körper hin und her. Rund herum herrschte Finsternis. Die Schritte kamen näher und Katrin konnte eine Person ausmachen. Doch sie war nicht vollständig. Nur der Oberkörper wurde von dem Licht preisgegeben. Es war ein kariertes Hemd und außerdem schien der Mann Handschuhe zu tragen. Schwarze Handschuhe. In seiner rechten Hand hielt er ein Handy. Er legte es weg und trat unter die Lampe. Katrin Auerbach schrie, als sie das Gesicht des Mannes erblickte. Sie brauchte einige Zeit um zu verstehen, dass der Entführer eine Maske trug. Sie hörte ein Klirren wie von einem Servierwagen. Katrin schien auf einer Art metallenen Tisch zu liegen. Dieser besaß eine ausklappbare Verlängerung, auf dem scheinbar Gegenstände angereiht waren. Der Mann zog die Verlängerung zu sich und Katrin Auerbach starrte ungläubig auf mehrere spitze Gegenstände. Für sie sahen sie aus wie dutzende, kleiner Messer und Zangen.

„Ich kenne Sie! Sie sind dieser Goethe-Mörder!“, entkam es Katrin ohne, dass sie vorher geplant hatte es zu sagen. Damit erzielte sie jedoch eine Wirkung bei ihm.

„Mephisto. Ist mein Künstlername. Dass du die Zeitungsartikel nicht sorgsam gelesen hast, enttäuscht mich.“, glaubte Katrin tatsächlich eine Spur von Missmut in der Stimme zu erkennen.

Mephisto griff nach einem länglichen Metallstück und betätigte einen Knopf. Sofort wurden schnelle, schnarrende Geräusche hörbar. Katrin erkannte, dass es sich um einen kleinen Bohrer handelte. Sie konnte solche Dinge gerade einmal beim Zahnarzt verkraften, aber in dieser Situation? Stand in der Zeitung nicht, Mephisto würde seine Opfer foltern? Katrin wurde eiskalt. Doch zum Glück schien Mephisto den Bohrer nur auf seine Funktionsfähigkeit überprüft zu haben. Er legte ihn wieder beiseite. Dafür nahm er ein größeres Messer, was Katrin aufschreien ließ. Mephisto legte ihr seine schwarze Hand auf den Mund um sein Werk in aller Ruhe fortführen zu können. Ihr stieg der Geruch von Blut und Fäulnis in die Nase, als sie an dem Handschuh roch. Sie bildete sich sogar ein Angst zu riechen. Blut tropfte in Katrins Augen und sie merkte wie Mephisto ihre Stirn aufritzte. Als er fertig war, wischte er mit seinen Handschuhen Katrins Augen rein. Diese konnte nur ahnen was sich auf ihrer Stirn befand. Mephisto ritzte in all seinen Opfern Zahlen ein. Welche hatte sie wohl abbekommen?

„Wieso… tun Sie das?“, begann die Frau zu jammern. Mephisto brummte kurz.

„Wer war dein Vorbild?“, fragte er schließlich. Katrin brauchte einige Zeit um zu verstehen. Dennoch konnte sie ihm keine Antwort liefern. Mephisto schien es zum Glück hinzunehmen.

„Ich brauchte auch lange, bis ich mir im Klaren war. Als Kind bekam ich ein Briefmarkenalbum geschenkt. Jede Woche lief ich zur Trafik und verprasste mein ganzes Taschengeld.“, begann er zu erzählen. Katrin beruhigte das auf irgendeine Weise. Wenn sie ihn ablenkte, würde er vielleicht darauf verzichten sie zu foltern. „Ja… das habe ich auch mal. Von berühmten Orten und Comic-Figuren.“, erwiderte sie in einem stockenden Ton. Mephistos Augen verengten sich.

„Nun ich nicht. Ich sammelte nur Briefmarken von berühmten Personen. George Washington, Mozart, Bach und von dem einem oder anderen Präsidenten des Landes. Ich stand damals auf berühmte Persönlichkeiten. Versteh mich nicht falsch, ich sammelte keine von Schauspielern oder Rock-Musikern. Damals war die Musik genauso beschissen wie heute. Aber egal, du wirst ohnehin keines dieser Lieder mehr hören müssen. Bedank dich ruhig.“, murmelte er. Katrin entkam ein abgeklungener Schrei. Mephisto strich mit seinem Messer über ihr Kinn und dann über ihre Wange. Das Blut, welches das Messer hinterließ glich einer Bemalung von irgendwelchen Indianern.

„Aber irgendwann hörte ich mit den Briefmarken auf.“, sprach Mephisto weiter.

„Naja ich wurde eigentlich gezwungen. Mein Vater fand es kindisch und warf das Album in den Kamin. Das war jedoch nicht zu meinem Schaden. Ich fing an Biographien zu sammeln. Von Benjamin Franklin bis Kennedy, und noch vielen mehr. Nach und nach begann ich mich auch für andere literarische Werke zu interessieren. Hast du Faust gelesen?“, klang er beim letzten Satz interessierter. Katrin überlegte sich ihre Antwort gut. Wenn sie ja sagte, würde er sie vielleicht verschonen, doch wenn er sie etwas darüber fragte könnte er wütend werden. Katrin beschloss zu verneinen. Sie konnte Mephistos darauf folgenden Gesichtsausdruck nicht erkennen.

„Hatte ich auch nicht erwartet. Aber egal. Du denkst jetzt vielleicht ich sammelte diese ganzen Werke um mir eine Identität zu schaffen, aber da irrst du dich. Ich wusste bereits sehr früh wer ich war. Allerdings habe ich stets nach dem Was geforscht und es bis heute nicht herausgefunden. Manche bezeichnen mich als Teufel – zugegeben mein Name lädt geradezu dazu ein – aber die Leute wissen gar nicht was ein echter Teufel ist. Was glaubst du? Wie sieht ein wahrer Teufel aus? Wie handelt ein wahrer Teufel?“, wollte er von Katrin wissen. Doch ihr war es zuviel. Sie brachte kein Wort haus. Mephisto seufzte. Er glaubte kurz eine geeignete Gesprächspartnerin gefunden zu haben, doch es war doch in einem Selbstgespräch ausgeartet. Er legte das Messer weg und schnappte sich wieder den Bohrer.

„Den hast du früher so gierig angesehen. Mal sehen, ob er dich zum Reden bringt.“, säuselte er und schaltete ihn ein. Katrin schrie bereits, bevor Mephisto ihren Mund aufriss und den Bohrer gegen ihre unteren Schneidezähne richtete. Blut spritzte nach oben und bedeckte Katrins Gesicht. Mephisto unterbrach kurz um Katrin seine übliche Frage zu stellen.

„Willst du leben oder sterben?“, fragte er sie. Diesmal schien Katrin aber schnell zu sich zu finden.

„Lass mich bitte sterben!“, jammerte sie. Mephisto reagierte perplex. Schließlich hatte er gerade einmal angefangen. Ungläubig sah er Katrin an.

„Wie war das?“, fragte er nochmal nach.

„Lass mich sterben, ich will nicht mehr leben!“, flehte sie. Mephisto stutzte. Erlaubte sich die Frau einen Scherz? In dieser Situation? Er zögerte kurz bevor er sich sein Messer schnappte und es in Katrins Herz rammte. Er drehte es zweimal um, ähnlich wie bei einem Schlüssel, bis Katrin keinen Mux mehr von sich gab. Ihr Kopf lehnte nach links auf dem metallenen Tisch. Sie war tot. Mephisto verstand die Welt nicht mehr. Niemand hatte so schnell aufgegeben. Hatte er sich etwa eine extrem schwache Person ausgesucht? Gewundert hätte es ihn zumindest nicht. Als Breuer ihn um diesen Gefallen gebeten hatte, war alles aus dem Ruder gelaufen. Er hatte weder geplant diese Sabine Emmerich noch Breuer zu diesem Zeitpunkt zu töten. Beide waren es nicht wert gewesen. Das Opfer, dass er im Steinbruch zurückgelassen hatte eher, doch es hatte nicht seinem Stil entsprochen. Und als er gezwungen war diesen Polizisten zu töten hatte er sich verrannt. Sein Plan war über den Haufen gerannt worden. Eigentlich wollte er seine Zahlen in aller Ruhe verteilen bis er fertig war, doch nun suchte er sich zum Teil nicht mal mehr seine Opfer aus. Wo blieb denn da der ganze Spaß? Er hatte nicht genug Zeit gehabt diese Katrin Auerbach genau zu überprüfen. Sie hatte versagt. Eigentlich war sie die Versagerin schlecht hin. Mephisto hatte gehofft endlich wieder seinen Hunger zu stillen, doch er ging leer aus. Sein Blick fiel wieder auf sein Handy. Noch vor wenigen Minuten hatte er in seinem alten Elternhaus angerufen. Erinnerungen überkamen ihn. Er hatte sich gerade das Geschenk unter dem Weihnachtsbaum gegriffen und es gierig aufgemacht. Das Geschenkpapier hatte er arglos zu Boden geworfen. Seine Mutter brachte ein Tablett mit Keksen. Er hatte eine Schachtel in der Hand, aus der er eine Actionfigur zog. Er wusste nicht mehr ihren Namen, oder ob sie überhaupt einen trug. Mephisto hatte sie in der Luft schwingen lassen und gewünscht er wäre der Held mit dem Umhang. Und dann schritt der Bösewicht ein. Jeder Superheld brauchte einen. Sein Vater hatte ihm eine schallende Ohrfeige verpasst und wütend auf das Geschenkpapier gezeigt. Als Mephisto keinen Anstanden machte es aufzuheben, schlug sein Vater seiner Mutter das Tablett aus der Hand und brüllte sie an. Danach ging er gereizt aus dem Haus und zur Dorfkneipe. Mephisto hatte nichts dagegen vom Boden zu essen. Zu sehr wusste er, wie sehr sich seine Mutter dabei angestrengt hatte. Am nächsten Morgen fand Mephisto seine Actionfigur im Kamin wieder. Er war so leichtsinnig gewesen und hatte sie im Wohnzimmer gelassen. Er spielte weiter damit, auch wenn sie einem zerronnenen Klumpen ähnelte. Nur der Umhang war aus Stoff gewesen. Mephisto schnitt aus einem Stück Handtuch einen neuen. Dafür kassierte er zwar wieder eine Ohrfeige, doch es sollte sich lohnen. Die Figur hatte wieder einen Umhang. Sie war wieder ein Superheld. Mephisto hatte sie ab da gut versteckt und nur zum Spielen herausgeholt, wenn sein Vater nicht da war. Die Geschenke kamen immer von Seiten seiner Mutter. Als sein Vater wieder einmal getrunken hatte, hatte sich Mephisto ein Badetuch umgebunden und den Superhelden gespielt. Er hatte sich vor seine Mutter gestellt und wollte sie verteidigen. Doch er versagte und bezog Brügel. Fast so viele wie seine Mutter. Am nächsten Tag war sie verschwunden. Ab da bekam Mephisto zu Weihnachten kein Geschenk mehr. Trotzdem stellte er an jedem 24ten Dezember einen Baum auf und setzte sich darunter. Sein Vater war immer im Dorf feiern, wodurch Mephisto das Fest richtig genießen konnte. Als er selbst aus dem Dorf verschwand hatte er den Baum stehend zurückgelassen. Ob die Besucher, die widerrechtlich in sein Haus eingedrungen waren, ihn gesehen hatten? Wie sah er jetzt überhaupt aus? Mephisto war immer ein sehr guter Schüler gewesen. Nadelbäume wurden mit der Zeit braun und starben ab. War also überhaupt noch etwas davon vorhanden? Mephisto überlegte ob er diesen Privatdetektiv danach hätte fragen sollen. Doch dann tat er die Sache ab. Er bekam sicher noch Gelegenheit dazu. Dieser wusste gar nicht wie ähnlich er Mephisto war. Nur, dass dieser jetzt den Platz seines Vaters und Chris den Platz des Superhelden eingenommen hatte. Doch Mephisto war sich bei einem sicher. Christian Hartmann würde zu ihm kommen. Dann würde er endlich wieder richtig Spaß haben können. Er wartete bereits ewig darauf Chris bei sich zu haben. Er würde nicht versagen. Mephisto schlenderte wieder aus dem Raum und sah draußen auf eine Uhr. Er wusste nicht, wie schnell Chris ihm auf die Spur kommen würde, doch er betete dafür, dass sich dieser beeilen würde. Dennoch konnte er für den Moment nur eines tun. Warten.
 

Kapitel 25

Es war nicht der Hase, der Alice ins Wunderland gelockt hat. Es war ihre eigene Neugier.
 

Damir hatte Chris in der Mitte der Strecke angerufen. Er hatte seinem Partner alle nötigen Fakten geliefert, die ihm noch gefehlt hatten. Chris hatte – wie man im Detektiv-Chargeur auch sagt – den Fall gelöst. Den Rest reimte er sich zusammen. Die endgültige Bestätigung würde er aber nur von einem bekommen. Nun wusste er alles, was er wissen musste. Er verweilte länger in seinem Wagen, als er es vorgehabt hatte. Immer wieder betastete er die Waffe, die er eingesteckt hatte. Vielleicht würde er sie gar nicht brauchen und die Suche würde sich noch eine weile hinziehen. Schließlich rang er sich dazu durch seinen Wagen zu verlassen und auf das Fabrikgelände zuzugehen. Er nahm sicherheitshalber nicht den Haupteingang, sondern suche eine Stelle im Zaun, durch die er sich Zutritt verschaffen konnte. Chris bewegte sich nun in einem von Regen und Abfluss erweichten Boden voran. Immer wieder traten seine Schuhe in den Matsch, was ein vorankommen erschwerte. Chris steuerte auf eine Eisentür, die als eine Art Seiteneingang dienen musste. Ein Riegel war davor geschoben, der sich jedoch ohne Probleme von außen öffnen ließ. So gelang Chris ins Innere. Kühle, raue Luft stieg empor. Er schritt den Gang entlang und erblickte überall Gerüste und stillgelegte Fahrzeuge. Er blieb stehen und überlegte welchen Weg er gehen sollte. Alles deutet daraufhin, dass Mephisto seine Opfer in einem Keller gefoltert hatte. Alles, was Chris tun musste war also einen Abgang zu finden. Er setzte seinen Weg fort und stellte auch fest, dass er manchen Gang zweimal betrat. Schließlich hatte er eine Treppe gefunden, die nach führte. Eine beängstigende Dunkelheit erwartete ihn. Chris suchte nach einem Schalter, fand jedoch keinen. In der Hoffnung, es würde unten einer bereitstehen machte er sich an den Abstieg. Er tastete sich an der Wand entlang und nahm eine Stufe nach der anderen. Unten angekommen stand er in einem weiteren Gang, an dessen Ende zu seinem Erstaunen Licht brannte. War jemand hier? Arbeitete vielleicht doch noch jemand in der Fabrik? Oder hatte sich jemand anderes Zutritt verschafft. Chris Schritte wurden nun schneller und kurz darauf stand er in einem großen Abteil. Dicke Rohre zwängten sich über Boden und Wände. Chris stellte fest, dass der Keller aus einem Gewölbe bestand, welches der oberen Fabrik gleichkam. Obwohl nicht gearbeitet wurde gaben die Rohre pressende Geräusche von sich. Chris hielt inne. Hatte er gerade Schritte gehört? In diesem Umfeld konnte er sich leicht täuschen, doch er konnte sich dem Gedanken nicht erwehren, dass er nicht allein war. Chris Herz pochte als er plötzlich klatschende Geräusche wahrnahm. War es das Klatschen von Händen oder ein Geräusch, das diesem nur sehr nahe kam? Nun ertönte auch noch ein Kratzen und darauf wieder die Schritte. Nein! Es musste sich tatsächlich noch jemand hier unten befinden. „Wer ist da?“, brüllte Chris aus Leibeskräften. Er glaubte nun ein heißeres Kichern zu hören.

„Chris, Chris, Chris.“, erhielt er die Bestätigung für seine Annahme. Nicht nur, dass sich noch jemand hier unten befand, sondern auch, dass er die Person gefunden hatte, die er finden wollte.

„Komm raus! Ich weiß, dass du es bist!“, rief er in die Weite. Wieder das Kichern. Chris gelang es einfach nicht seine Quelle ausfindig zu machen. Die Gänge spreizten sich und es gab mindestens zwei verschieden hohe Ebene. Chris hörte nun im Gang neben ihm ein Laufen. Er zog seine Waffe und hielt sie bereit. Er richtete sie genau auf den Gang, der nur von zwei dicken Rohren versperrt war. Als sich nichts mehr regte wagte sich der Privatermittler voran.

„Du hast meine Erwartungen nicht enttäuscht. Du hast mich wirklich gefunden. Hier in meinem kleinen Paradies. Oder sollte ich es meine Werkstatt nennen?“, dröhnte die Stimme wieder von einem unbekannten Punkt aus. Chris versuchte die Nerven zu behalten.

„Nenne es doch dein Grab.“, schlug er ihm vor. Wieder das Kichern. „Ein Detektiv mit Humor. Mein Interesse in dich steigt immer mehr.“, wurde die Stimme nun lauter und Chris war sich sicher, dass sie von oben herabkam. Er sah auf und erblickte die Gestalt einer Person. Sie stand auf einer Anhöhe, auf der eine Maschine stand, die Chris nicht identifizieren konnte. Treppen gab es keine, die Gestalt musste sie also auf einem anderen Weg erklommen haben. Chris richtete seine Waffe nach oben, aber die Gestalt regte sich keinen Millimeter. „Das ist dein Ende!“, brülle Chris aufgeregt. Die Gestalt stand weniger als zehn Meter horizontal von ihm entfernt. Ihre Schuhe waren so verdreckt, wie inzwischen auch Chris’. Er trug feste und altmodische Kleidung. Die schwarzen Handschuhe waren trotz dem spärlichen Licht gut zu erkennen. Sein Hemd war kariert und das einzige bisschen Haut das man sah war sein Hals. Dann der Kopf. Chris schauerte. Er hatte bereits vermutet, dass Mephisto eine Maske tragen würde, aber so eine? Sie war hautfarben und klebte direkt auf dem Gesicht. Links und rechts hingen die Fetzen der falschen Haut herunter. Nur zwei kleine Löcher verschafften den Augen die Sicht. Sie strahlten pure Arroganz aus. Wenn er sich schon eine Halloweenmaske zulegen musste, dann natürlich die schreckeinflößendste.

„Noch schießt du nicht. Ein Detektiv löst den Fall immer erst auf, bevor er den bösen Mörder ins Gefängnis bringt. Oder ihn erschießt. Je nach dem, was der Bösewicht dem Detektiv angetan hat.“, säuselte er durch die Maske. Die Stimme war dieselbe, die Chris bereits am Telefon gehört hatte. Die Maske machte sie dumpf und rau, doch Chris hörte sie nicht zum ersten Mal. Nie wäre ihm in den Sinn gekommen Mephistos Stimme einer anderen Person zuzuordnen, die er kannte. Sie klang auf ihre einzigartige und abscheuliche Weise Selbstbewusst und Arrogant. Mephisto sah auf seine Opfer herab. So wie er es jetzt bei Chris tat. „Wenn es dir beliebt, können wir nun unsere Unterhaltung fortführen, die wir am Telefon gestartet haben.“, schlug Mephisto vor. Chris versuchte den coolen zu mimen.

„Glaubst du, du kannst mir Angst machen? Irgendwie hast du herausbekommen, dass ich nach Pirnsdorf wollte. Du hast einfach in Abständen in deinem alten Haus angerufen. Bis schließlich abgenommen wurde. Wie lange hast du deine einschüchternde Rede geprobt? Denkst, du ich nehme dich wirklich ernst? Ich habe mir dein Zimmer angesehen. Ein Teufel, der ohne sein zutun in die Welt der Menschen verfrachtet wurde. Ein Teufel, der von den Menschen wie ein Ungeheuer behandelt wurde. Von seiner Mutter verlassen und von seinem Vater verprügelt. Habe ich damit nicht Recht, Johann?“, nannte er Mephisto das erste Mal bei seinem Namen. Dieser wirkte aber wenig beeindruckt.

„Der große Detektiv glaubt mich zu kennen? Glaubst du wirklich, dich in einen Teufel hineinversetzen zu können? Alle die in meine flammenden Augen gestarrt haben sind auf bestialische Weise umgekommen.“, hörte Chris das erste Quäntchen Wut in seiner Stimme. Chris hielt Mephisto immer noch die Waffe entgegen. Er wusste, dass sein Gegner nur ein Messer besaß, aber sicher war sicher.

„Ohja, der Mitleid erregende, kleine Johann. Was war er nur für ein armes Kind. Der intelligenteste Junge in seinem Dorf. Er tat alles, was ihm gesagt wurde und ließ sich auch alles gefallen. Dann las er ein Buch und versetzte sich in den Antagonisten hinein. Ab da lebte er in seinem Buch. Bis es ihm reichte. Es reichte ihm wie er behandelt wurde, es reichte ihm wie er angesehen wurde. Und es reichte ihm, dass er geschlagen wurde. Und dann war der große Tag gekommen. Sein Vater nahm ihm zum Fischen mit. Der kleine Johann machte wahrscheinlich wieder alles falsch, und sein Vater schlug ihn. Boom! Der Teufel erwachte und holte sich sein erstes Opfer. Er tötete das Monster, das ihn erzeugt hatte und wurde so zu einer noch gefährlicheren Bestie. Danach verschwand der Teufel für kurze Zeit, doch schließlich wurde er doch wieder auf die Menschen losgelassen. Ohne, dass ihm jemand Einhalt gebieten konnte.“, erzählte Chris Johann seine Geschichte. Dieser richtete sich seine schwarzen Handschuhe.

„Bis jetzt sehr nett, Herr Detektiv. Ich liebe Geschichten, wo das Böse dem Guten seine gerechte Strafe zufügt. Erzähle mir doch noch ein bisschen mehr.“, schien Mephisto nun ganz angetan zu sein. Chris’ Mut hatte zugenommen. Dennoch ließ er seinen Feind keine Sekunde aus den Augen.

„Das einzige, das du mitgenommen hast, als du verschwunden bist war dieser Roman. Faust.

Das Buch, das dir dein damaliger Freund Josef gebracht hatte. Du gabst dich nur mit ihm ab, weil deine Eltern es verlangten. Zuerst konntest du ihn nicht leiden, doch dann begann dir etwas an ihm zu gefallen. Seine Verbundenheit, die bald in Abhängigkeit ausartete. Ohja, Josef Breuer hätte dir jeden Wunsch erfüllt. Deine Worte und deine Ideen gefielen ihm, sie gaben ihm einen Sinn. Du manipuliertest ihn und als du gegangen bist, verfiel Breuer in einen zurückgelassenen Zustand. Ihr habt damals beschlossen 24 Jahre lang Freunde zu bleiben. Das lag daran, dass du damals geglaubt hattest, länger würdest du ihn nicht brauchen. Jahre später, kamst du nach Pirnsdorf zurück. Breuer hatte sich zu einem Versager entwickelt, es war dir also ein leichtes ihn zu dir zu locken. Breuer war nun noch unterwürfiger und bereit dir überall hin zu folgen. Er verfiel deinen Obsessionen und teilte deine Rache. Deiner Rache an der Menschheit. Faust hatte Mephisto beschworen und ihn somit an die Welt der Menschen gebunden. Der Teufel war gezwungen 24 Jahre lang in ihr zu verweilen, bevor zu zurück durfte. Denn erst dann durfte Faust sterben und der Vertrag war gelöst. Du wurdest ebenfalls gegen deine Willen in diese Welt geboren. Ursprünglich hattest du wahrscheinlich vor jedes Jahr einen Menschen zu töten und ihn mit einer Ziffer zu markieren. Bis die 24 Jahre vergangen waren. Aber es lief anders ab. Er hat es hier nicht mehr ertragen und du hast dein Tempo beschleunigt. Du wolltest Aufmerksamkeit. Du konntest keine 24 Jahre warten. Du beauftragtest Breuer, der dir mehr als hörig war geeignete Opfer zu suchen. Dieser geriet wegen seines Berufes mit vielen Familien in Kontakt. Er suchte die Opfer aus, nicht du. Dir war es egal wer starb. Na gut, nicht direkt. Es mussten starke Personen sein. Es mussten Menschen sein, die sich behaupten konnten. Die glücklich waren. Das habe ich jedoch nie verstanden. Warum eigentlich? Wolltest du, dass einige überleben, damit dein Bann gebrochen wird? Faust unternahm zahlreiche Versuche um dem Vertrag zu entkommen, doch Mephisto ließ ihm keine Chance. Kann es sein, dass du ihm doch nicht so ähnelst, wie du es gerne hättest?“, forderte Chris den Maskierten heraus. Johann hatte still und brav zugehört. Nun klatschte er wieder.

„Das war schon sehr bemerkenswert. Ich glaube du bist sogar mehr als ein Detektiv. Dennoch hat deine Version Schwachstellen. Du hast natürlich Recht, als Teufel in dieser Welt voller Menschen ist es sehr einsam. Also beschloss ich mir Gefährten zu suchen. Aber die meisten Versagten. Ja, es war mir gelungen Breuer für meine Sache zu gewinnen. Aber er war nur eine niedrigere Kreatur. Er war nicht stark, sondern ein Schwächling. Er half mir zwar meine Opfer zu fesseln, doch wenn es zur Sache ging, genügte es ihm vor der Tür zu rauchen. Es ging ihm bereits einer ab, wenn er nur daran dachte, was ich in der Zwischenzeit mit ihnen anstellte. Als ich fertig war, fragte er jedes Mal: Hat’s Spaß gemacht? Nein, Josef passte weder in diese Welt noch in die Hölle. Er hat es verdient beseitigt zu werden. Nicht zuletzt, wegen seinem Patzer. Er kam ins Gefängnis und verzögerte so den Ablauf des Vertrages. Als er herauskam war die Zeit mehr als um. Deswegen musste ich ihn zu einem meiner Opfer machen. Er dachte es würde einfach so weitergehen wie damals. Er hatte sich bereits ein neues Opfer ausgesucht. Eine Frau, die er im Auftrag eines anderen abstechen sollte. Er wollte, dass ich mich darum kümmerte. Ich weigerte mich. Josef wollte es selbst tun, doch dann entwickelte ich einen Plan. Ich ließ alles so aussehen, als wäre Josef derjenige, den alle suchen. Der Grund dafür, warst du Chris. Du und deine Polizisten-Freunde. Ich wart mir ständig im Weg und ich fürchtete bereits um meinen Vertrag.“, klang Mephisto teilweise sogar aufgelöst. Auch wenn Chris es dem Zynismus zuordnete.

„Aber wenn wolltest du wirklich töten? Wer ist Faust?“, wollte er wissen. Mephistos Maske zog sich zusammen. Lächelte er hinter der Maske etwa? „Das war nicht schwer zu erraten.“, beteuerte Chris.

„Die Zahlen sollten als Warnung dienen. Die Zeit lief ab. Und zwar die einer bestimmten Person. Die, welche die Zahl ‚1’ erhalten sollte. Sowie Faust 24 Jahre Zeit gehabt hatte, so wolltest du den Vertrag mit einer Person einhalten. Zuerst dachte ich an Breuer, doch der war bereits tot. Bei ihm schien es sich um einen gänzlich anderen Vertrag gehandelt zu haben.“, kombinierte Chris. Mephisto schien nun eindeutig gefallen an ihm gefunden zu haben. Nun herrschte kurz Stille.

„Wieso?“, fragte er schließlich. Chris zuckte.

„Diese Frage sollte ich dir stellen.“, gab er zurück. Mephisto schüttelte den Kopf.

„Ich spreche nicht von meinen Beweggründen. Ich spreche von deiner Familie. Wieso hast du sie nicht bei gleich bei deinem Eintreffen erwähnt? Es muss dir doch auf der Zunge brennen, wieso ich sie umgebracht habe.“, wollte er nun das Spiel in eine andere Richtung treiben. Chris schluckte. Mephisto hatte vielleicht geglaubt kurz die Oberhand verloren zu haben.

„Ich weiß bereits alles. Breuer hat sie ausgesucht nicht du. Sie starben, weil du existierst, nicht aus irgendeinem höheren Grund.“, erklärte er. Mephisto machte nun schmatzende Geräusche.

„Möglich. Aber Breuer entschied zu guter letzt nicht, wer meine Opfer sein würden. Das tat ich. Der Grund, warum ich deine Familie gewählt habe Chris, war, dass ich dachte du würdest an diesem Abend zu Hause sein.“, gestand er. Zum ersten Mal wich Chris ein Stück zurück. Hatte er gerade richtig gehört? Meinte Mephisto das ernst, oder trieb er nur ein böses Spiel mit ihm?

„Ein angehender Polizist. Der beste seines Jahrgangs! Ich zählte auf dich. In dir schlummert ebenfalls ein Teufel. Er wurde nur von der Liebe deiner Familie unterdrückt. Ich wollte sie beseitigen, damit du freikommst! Wenn du an meiner Seite gewesen wärst, wäre ich endlich nicht mehr allein gewesen! Du hättest die Folter auf jedenfall überstanden. Chris! Ich habe so sehr gehofft, dass du ein Mitglied meiner Familie sein würdest!“, redete Mephisto auf ihn ein. Chris spürte wie ihm langsam das Essen hochkam. Er musste es schnell beenden. „Ich werde dich so oder so erschießen. Das steht bereits fest. Aber ich hätte gerne, dass du deine Maske abnimmst. Ich will dir dabei in die Augen sehen.“, bat Chris an. Mephisto wirkte amüsiert. „Wenn du darauf bestehst. Aber was hältst du von einer Einleitung, bevor ich das tue?“, schlug er vor. Chris war mit der Bedingung einverstanden.

„Johann Schroll. Dieser Name tauchte nach deinem Verschwinden aus Pirnsdorf nie mehr auf. Du warst noch zu jung und zu klug um auf der Straße zu leben. Ich glaube mit deiner Intelligenz bist du erst in ein Heim gegangen und hast sie dann dazu benutzt möglichst schnell adoptiert zu werden. Erst gabst mit deinen schulischen Leistungen an und dass du fast jede Person sofort für dich begeistern konntest. Es dauerte nicht lange, bis du adoptiert wurdest. Das Heim hätte dich eigentlich sofort nach Pirnsdorf zurückschicken müssen, doch du hattest andere Pläne. Ich habe mich gewundert, warum du nicht gleich mit den Sozialarbeitern gegangen bist, nachdem du deinen Vater mit einem Ruder das Gesicht zertrümmert hast. Du wolltest deinen Namen ändern, oder? Johann Schroll hat Pirnsdorf nie verlassen. Du hast sowohl deinen Vornamen, als auch deinen Nachnamen geändert. Den Leuten im Heim hast du eine abenteuerliche Geschichte erzählt. Mein Partner in der Detektei hat alles nachgeprüft. Der arme Junge, der in Ostdeutschland geboren wurde und dessen Eltern erschossen worden waren. Er schlug sich durch die Grenze durch und rannte schließlich den Heimleuten in die Arme. Diese konnten die Geschichte schwer nachprüfen. Du warst nur ein Waisenkind, das seit langem auf der Straße hauste. Mit neuem Namen hast du deine Spuren und deine Vergangenheit verwischt. Du wurdest adoptiert und bekamst wieder einen neuen Nachnamen. Niemand konnte mehr eine Verbindung zu Johann Schroll knüpfen. Dann holtest du Breuer und die Morde begannen. Zuerst meine Familie. Alles lief glatt. Dann die Kleins. Natascha Klein war stark und überlebte. Du hast dein Wort gehalten und sie am Leben gelassen. Ein Jahr später starb sie. Hat Engel sie beseitigt, oder hat sie wirklich Selbstmord begangen?“, hakte Chris nach. Mephisto schwieg eisern.

„Dann machtest du einen folgenschweren Fehler. Die dritte Familie waren die Becks. Du wolltest nicht, dass Breuer dir dabei half, da sie dir wichtiger waren, als die anderen Opfer. Du hast sie gefoltert und sie haben sich die Seele aus dem Leib geschrieen. Die Nachbarn wurden aufmerksam und riefen die Polizei. Du hattest jetzt zwei Möglichkeiten. Blutüberströmt versuchen zu flüchten und so deine Identität preisgeben, oder das arme, wehrlose Opfer spielen. Das Opfer, dessen Eltern bestialisch umgebracht wurden und das selbst dem psychischen Druck nicht standgehalten hatte und in einen katalonischen Zustand verfallen war. Niemand hätte diese arme Kreatur für den Serienmörder Mephisto gehalten. Reicht dir diese Einleitung, Andreas?“
 

Kapitel 26

Leben ist ein Privileg, kein Recht.
 

Mephisto zog sich die Maske zuerst übers Kinn und dann den Kopf hoch. Darunter kamen zerzauste Haare und ein gerötetes Gesicht zum Vorschein. Auf der Stirn waren letzte Anzeichen der Vernarbungen zu sehen, die sich Andreas selbst zugefügt hatte.

„Hat ziemlich weh getan.“, erwiderte er, als Chris darauf starrte. Dieser ballte die Fäuste.

„Sicher so sehr wie deinen Opfern.“, sagte er sarkastisch.

„Du hast den bösen Mörder überführt. Ein normaler Detektiv würde ihn jetzt der Polizei aushändigen. Aber achja! Der böse Mörder hat deine geliebte Familie niedergemetzelt. Wie wird sich der Detektiv entscheiden? Bleibt er tapfer und selbstbeherrscht? Oder mutiert er zum Bösewicht und richtet den bösen Mörder? Chris, ich habe es dir schon einmal gesagt! Du bist mein Spiegelbild! Du musst es nur zulassen.“, redete Andreas auf ihn ein. Chris fiel es schwer sich zu beherrschen. Sein Finger zuckte immer wieder dem Abzug entgegen. Doch noch war es nicht vorbei. Noch wäre es zu einfach gewesen. Mephisto sollte leiden. So wie seine Opfer.

„Ich würde nie meine eigene Familie abschlachten!“, erwiderte er kühl. Andreas schüttelte den Kopf.

„Herr und Frau Beck waren ebenfalls starke Personen. Sie haben gut verdient und waren stolz auf mich. Ich hatte immer gute Noten und den besten Abschluss gehabt. Ich wollte sie als erstes auf die Probe stellen, doch dann beschloss ich vorher noch zu üben. Mit deiner Familie Chris. Die Tür war nicht abgeschlossen, weißt du? Deine arme Mutter. Wenn sie damals nur gewusst hätte, wer sie in dieser Nacht besuchen kommt. Sie war in der Küche und hat gekocht. Meine Mutter tat das nie. Keine der beiden. Sie warf mir ständig Fertiggerichte aus dem Supermarkt hin. Man könnte sagen, ich wurde von dem Duft angelockt. Ich setzte Josef auf deinen Vater an. Dieser hatte sich kurz hingelegt. Er war bestimmt müde von der Arbeit. Ja, dein Vater muss wirklich fleißig gewesen sein. Wir haben deine Eltern betäubt und ich habe Josef hinausgeschickt. Deine Schwester hat ihn ihrem Zimmer gelernt. Wollte sie ihrem Bruder in nichts nachstehen? Hatte sie Angst, dass ihre Eltern ihren schlauen Bruder lieber hatten? Sie hat mich an dich erinnert. Am liebsten hätte ich mich in diesem Moment mit ihr vereint.“, säuselte Andreas. Chris’ Finger gab nun nach. Ein Schuss löste sich, doch Andreas schien diesen Akt vorausgesehen zu haben. Gleich nach Beendigung des Satzes war er hinter ein dickes Rohr gesprungen. Die Kugel prallte ab und hinterließ ein hohes Echo.

„So kenne ich meinen Chris gar nicht. Sie hat den Test ohnehin nicht bestanden. Genau wie deine Eltern. Aber ich war nicht traurig, als ich ihnen das Messer ins Herz rammte. Im Gegenteil. Ich wusste, dass du mich jagen würdest. Ich wusste, dass du zu mir kommen würdest. Ich wusste, dass ich bald einen Bruder haben würde.“, rief aus seinem Versteck. Chris konnte sich nun nicht mehr halten.

„Dann komm her! Dein Bruder hat ein Geschenk für dich!“, brüllte er ihm zu. „Nein, nein!“, rief ihm Andreas zu. „Noch hast du deinen Test nicht bestanden.“, erklärte er ihm. Chris hörte ein Klicken direkt hinter ihm. Er drehte sich um war ganz perplex. Irgendeine Art Schacht war aufgegangen. Der Decke eines Rohres lag nun auf dem Boden. Andreas musste irgendeinen Mechanismus ausgelöst haben. Qualm entrann dem Rohr und Chris hielt ihm für Abgase. Er irrte sich. Der Rauch begann ihn einzuhüllen und Chris Arme wurden schwächer. Seine Sicht verschwamm. Er glaubte eine Gestalt zu sehen, die auf ihn zukam. Er schoss zweimal. Er traf nicht. Er hustete sich sie Seele aus dem Leib, bis er endlich verstand. Mephisto wollte ihn zu einem bestimmten Punkt locken. Einem Punkt, an dem er eine Falle aufgestellt hatte. Es war kein normaler Rauch, es war eine Chemikalie. Eine gasförmige Variante von Mephistos Betäubungsmittel. Andreas Beck hatte seine Maske wieder übergezogen. Scheinbar schützte sie ihn vor dem einschlummernden Rauch. Chris fiel auf den Rücken. Die Pistole hielt er zwar noch, doch seine Kraft schwindete. Wenn Mephisto ihn erreichen würde, wäre er definitiv tot. Er hatte die tödliche Falle nicht kommen sehen. Mephisto stand nun vor ihm. Das Gas machte ihn noch bedrohlicher. Er kniete sich hin. Chris versuchte verzweifelt den Abzug zu betätigen. Doch sein Finger streikte. Andreas Beck ergriff seine Hand und führte die Waffe zu seinem Gesicht. Er hielt sich den Lauf direkt an die Stirn.

„Dein Ziel ist so nahe. Du musst nur abdrücken. Sei stark!“, spornte ihn Mephisto an. Chris versuchte alle Kraft aufzuwenden, doch es gelang ihm nicht. Er wurde bewusst los und seine Hand ließ die Waffe fallen. Andreas seufzte. Er betete inständig dafür, dass Chris bei seiner Prüfung mehr Stärke beweisen würde. Schließlich begann er Chris an den Füßen zu packen und ihn wegzuzerren. In seine eigene, kleine Folterkammer.
 

Kapitel 27

Wer glaubt Götter kontrollieren zu können, muss aufpassen nicht selbst von ihnen kontrolliert zu werden.
 

„Checkpott!“, sah Jäger den Jungen mit der Brille jubeln, als er den Raum betrat. Dieser bemerkte den Chefinspektor und setzte sich aufrecht hin.

„Darf ich Ihrem Freudeschrei entnehmen, dass Sie etwas gefunden haben?“, hakte er nach. Der Computerexperte nickte. „Jaja, sogar sehr viel. Er war gut geschützt, aber nun habe ich Zugriff auf sämtliche Daten.“, verriet er. Jäger schien erfreut das zu hören, lobte den Jungen jedoch nicht. Er legte eine Pause ein und gab ihm so zu verstehen, dass er informiert werden wollte. Der Junge legte sofort los.

„Es sind hauptsächlich Textdateien, eine Art Tagebuch. Allerdings nicht privat, sondern einen Patienten betreffend. Er trägt die Nummer M-012. Die Textdateien handeln fast alle von ihm. Außer Terminkärtchen und Notizen.“, erklärte er. Jäger bat ihn eine Datei zu öffnen. Der Junge ordnete sie nach Datum und öffnete den ersten Eintrag.
 

„Ersteller: Heinrich Engel

03.01.2000 – Ein neues Jahrtausend ist angebrochen und viele neue medizinische Wunder erwarten uns. Heute; erstes Treffen mit Klinikchef. Netter Kerl, wenn auch etwas träge. Bat sofort darum den Fall Andreas Beck zu bekommen; Klinikchef begeistert aufgrund meiner Erfolge. Vorher allerdings Besprechung.

04.01.2000

Endlich! Erstes Zusammentreffen mit Andreas Beck. Bin überwältigt. Ein katalonischer Zustand, wie ich ihn bis jetzt nur im Lehrbuch lesen konnte. Realität verdrängt; Auffassungsgabe vorhanden aber schlecht. Patient ignoriert mich.“
 

Der Junge öffnete eine weitere Datei.
 

„05.01.2000

Keine Veränderung; Therapie dürfte sich als langwierig erweisen. Der Patient ließ gerne und sieht durchs Fenster.“
 

Jäger bat darum ein späteres Dokument zu lesen, und der Experte erfüllte ihm den Wunsch und öffnete höhere Dateien.“
 

„14.07.2000

Besuch von Christian Hartmann; Familie Opfer der Mephistomorde. Kein Vergleich zum Patienten. Selbstbeherrscht und ruhig. Patient erzielt keine Fortschritte; habe Hartmann um eine Therapie gebeten. Hartmann erwiderte ‚Sie können mich mal’. Hartmann spricht mit Patienten. Patient begrüßt Hartmann. Ein Fortschritt, der alles übersteigt. Erkennt er Hartmann? Sieht er ihn als Gleichgesinnten an?“
 

„15.07.2000

Patient wird an die frische Luft gebracht; unternimmt Fluchtversuch. Dies war sehr eigenartig; Patient zeigte nie Anzeichen. Spazierengehen für Patienten gestrichen.“
 

„20.09.2000

Patient macht deutliche Fortschritte. Acht Monate nach Einlieferung redet er wieder; spricht aber nicht über die Tat.

Nachtrag: Patient spricht nur mit mir, mit niemand anderem. Patient hält mich für stark.“
 

Der Experte ging weiter.
 

„28.12.2000

Habe zweite Überlebende Natascha Klein besucht. Verdacht hat sich bestätigt. Andreas Beck hat seine Eltern und die anderen Opfer umgebracht. Zeige Natascha Klein Bild von Beck, Klein verfällt in Schock.

Nachtrag: Natascha Klein am selben Tag Pulsadern durchtrennt.“
 

„01.01.2001

Habe beschlossen niemanden davon zu erzählen. Der Patient ist psychotisch, denkt aber klar. Eine Meldung seitens meiner an die Polizei würde Forschung zunichte machen. Habe Patienten gebeten auch niemand anderen einzuweihen.“
 

„11.10.2001

Patient erzählt mir von den Morden. Er braucht Aufmerksamkeit; sieht mich als Freund an. Spricht immer wieder von Flucht; der Tötungsdrang wächst. Verstärke die Bewachung.“
 

„07.07.2003

Patient bittet um eine Ausgabe von Goethes ‚Faust’; schlage den Wunsch ab. Patient erzählt mir von seiner Kindheit. Das Buch scheint ihm viel zu bedeuten.“
 

„19.04.2005

Experiment geht in die heiße Phase. Verhelfe Patienten zur Flucht. Hat die Therapie angeschlagen? Oder wird er wieder morden? Erwarte gespannt das Ergebnis.

Patient bereits nach zwei Stunden wieder eingefangen.

Nachtrag: Finde auf dem Nachhauseweg auf einer Waldstraße eine Leiche; hat die Zahl ‚15’ eingeritzt. Mache die Zahl unkenntlich und vergrabe Leiche um Forschung nicht zu ruinieren. Beschließe Patient für längere Zeit nicht mehr frei zu lassen; er ist noch nicht soweit.“
 

Der Experte rückte zu den aktuelleren Dateien vor.
 

„02.11.2008

‚Lange Nacht der Therapie’. Schicke Pfleger früher nach Hause; lasse Patienten aus der Klinik. Patient verspricht zurückzukommen. Patient hält Versprechen ein; erfahre am nächsten Tag von einem Mord. Patient nur zurückgekommen zwecks Alibi. Drang zum Töten immer noch enorm; Therapie enttäuschend.“
 

„20.11.2008

Zweites Opfers gefunden; fühle mich teilweise schuldig.

Hartmann und Polizist kommen. Patient fühlt sich ihm weiterhin verbunden; es wird spannend. „
 

„21.11.2008

Schlage Patienten für ein Freigängerprojekt vor; Klinikchef nimmt an. Zwei weitere Morde. Problem bahnt sich an. Experiment könnte aufgrund eines Zeugen scheitern.“
 

„22.11.2008

Treffe mich mit Dr. Bohde, dem Gefängnisarzt. Totaler Ignorant. Es gelingt mir die Tabletten des Zeugen mit Gift zu versehen. Zwei Tage lang nichts vom Patienten gehört.“
 

Der Experte öffnete die letzte Datei.
 

„23.11.2008

Patient bittet um persönliches Treffen; bin überrascht. Fahre heute Nachmittag zum Treffpunkt.
 

Jäger musste sich setzen. „Schickt sofort eine Einheit in die Klinik.“, befahl er Braun. Dieser zögerte. „Das geht nicht.“, entschuldigte er sich. Jäger sah ihn scharf an. „Man hat uns gesagt Andreas Beck wurde zwecks eines Projekts verlegt. Deswegen konnten wir ihn auch nicht befragen.“, gab er an. Jäger sah rot. „Wieso zum Teufel weiß ich nichts davon? Sind hier den alle inkompetent? Hey, Sie! Ich will wissen, wo sich Andreas Beck nun befindet.“, schrie er den Experten an. Dieser schluckte.

„Also…ich kann hier nichts in den Dateien finden.“, murmelte er. Jäger schlug mit der Faust auf den Tisch.

„Suchen Sie gefälligst anständig!“, schnauzte er ihn an. Nun betraten auch Schlager und Pajak den Raum. „Alle zuhören! Mephisto ist nicht mehr länger ein Unbekannter. Sein Name lautet Andreas Beck. Ich will, dass er sofort zu Fahndung ausgeschrieben wird. Verständigt auch die Presse, tut alles was in eurer Macht steht!“, gab er Order. Pajak meldete sich zu Wort.

„Ich sollte doch diesen Johann Schroll checken.“, erinnerte er. Jäger sah ihn erwartend an.

„Sein ganzer Hindergrund passt ins Profil. Die Psychologen meinen, er ist definitiv Mephisto. Andreas Beck wurde adoptiert, wir können also davon ausgehen, dass Beck und Schroll die selbe Person sind.“, verriet er. Jäger schien sich über den Anhaltspunkt zu freuen.

„Haben Sie schon etwas verwertbares?“, hakte er nach. Pajak nickte.

„Ich habe bei unseren Kollegen in Pirnsdorf angerufen, man kennt Schroll dort noch sehr gut. Und Hartmann war auch bereits dort. Er hat von einer Fabrik gesprochen, in der Schrolls Vater gearbeitet haben soll. Hartmann hat nach einer Fabrik in unserer Umgebung gesucht.“, gab Pajak preis. Jäger ballte die Fäuste.

„Damit beginnen wir! Braun, Pajak, ich will eine Liste aller möglichen Verstecke. Und dann will ich soviel Cobra-Leute, wie in eine Fabrik hineinpassen! Dieser Hund entgeht uns nicht mehr! Ich werde nicht zulassen, dass er noch einen Mord begeht!“, brüllte Jäger seine Leute an.
 

Kapitel 28

Wir sind unser eigener Teufel und machen uns diese Welt zur Hölle.
 

Selbstgefälligkeit. Dieses Wort kam Chris immer in den Sinn, als er in Engels Gesicht blickte.

„Herr Hartmann. Das ist bereits das dritte Mal in diesem Monat, liege ich damit richtig?“, schlug er einen fast bösartigen Ton ein. Doch Chris verneinte.

„Das vierte Mal. Einmal waren Sie nicht da, man sagte mir Sie würden Golfspielen.“, erwiderte er. Engel schnitt eine zynische Grimasse.

„Heute wird nichts aus Ihrem Besuch. Der Patient ist krank.“, erklärte er. Chris hob eine Augenbraue.

„Der arme. Was hat er denn?“, glaubte er Engel kein Wort. „Schnupfen.“, antwortete dieser kühl. Chris regte sich über diese dämliche Antwort nichtmal auf. Engel wollte ihm damit beweisen, dass er der Boss war und nicht er. Chris würde nur mit Engels Einverständnis mit Andreas Beck sprechen können. Jedoch hatte er beim letzten Mal eine Bedingung gestellt. Diese war dermaßen Anmaßend, dass Chris ihm fast eine gescheuert hätte. Engel hatte ihm eine Therapie angeboten. Für Chris stand fest, dass Engel der letzte Mensch war mit dem er reden würde. Zugegeben, Beck hatte sich als nicht besonders redselig herausgestellt, doch er war die einzige Spur, die Chris hatte. Der einzige Zeuge. Er wünschte Engel noch einen schönen Tag und verließ die Klinik. Chris wusste, dass er Geduld haben musste. Obwohl er dies verabscheute musste er Engel vertrauen. Nicht auf dessen Person, sondern auf dessen Fähigkeiten als Arzt. Vielleicht kam Andreas Beck in ein paar Jahren wieder zu sich und Chris würde seine lang erhofften Antworten bekommen. Als seine Gedanken um Engel kreisten warf er einen Blick auf die Uhr. Er fluchte und stieg in seinen Wagen. Zu seinem Termin kam er 15 Minuten zu spät. Dr. Schatz hatte sich jedoch bereits an die Unpünktlichkeit seines berühmtesten Patienten gewöhnt und belächelte Chris nur noch, als er zur Tür hereinkam.

„Guten Tag, Herr Hartmann.“, wies er auf einen Stuhl hin. Chris entschuldigte sich und erwähnte den Grund seiner Verspätung.

„Was erwarten Sie denn? Jemand, mit so einem Trauma fängt sich nicht so schnell. Erinnern Sie sich, was Sie durchgemacht haben. Sie haben Ihre Mutter, Ihren Vater und auch Ihre Schwester tot aufgefunden. Gefoltert und ermordet. Versetzen Sie sich doch mal in Andreas Beck hinein, der bei dem ganzen Schauspiel noch zusehen musste. Nicht zuletzt hat er auch er einige Verletzungen davongetragen.“, gab Schatz seine Meinung kund. Chris seufzte. „Sie haben ja Recht. Aber der Junge hat es immerhin geschafft diesen Killer in die Flucht zu schlagen. Er verfügt also über eine gewisse Stärke.“, dachte Chris. Dr. Schatz zweifelte daran.

„Ich habe mich nie mit ihm unterhalten, aber ich kann mir vorstellen, dass er dabei nicht ganz bei sich war. Er wollte einfach nur sein Leben verteidigen.“, erwiderte er. Chris überlegte, wie er reagiert hätte. „Kennen Sie eigentlich Dr. Engel?“, war seine nächste Frage. Schatz überlegte kurz.

„Becks Arzt? Nicht persönlich, aber ich habe sein Buch gelesen.“, erinnerte er sich. Chris nickte und sah besorgt aus. „Ich glaube er will Beck nur zu einer Studie, einem Experiment, oder was weiß ich machen. Ich fürchte er kümmert sich nicht um ihn.“, sprach er seine Sorgen aus. Schatz konnte seine Meinung nicht teilen.

„Er ist immer noch Arzt und an den Hypokratischen Eid gebunden. Wie seine Motive auch sind, er wird sich Andreas Beck annehmen. So wie ich mich Ihrer angenommen habe.“, meinte er. Chris war ihm dafür auch dankbar, aber die Ungewissheit quälte ihn weiter. Mephisto war untergetaucht. Warum? Hatte er seit dem letzten Mal Panik bekommen? War ihm klar geworden, dass er nicht so stark war, wie er sich fühlte? Auch Chris’ Ermittlungen verliefen im Sand. Höllerich schob ihm zwar immer wieder Insiderinformationen zu, doch selbst vor Chris tat sich eine hohe Mauer auf.

„Heute ist Freitag. An diesem Tag gehen Sie doch meistens mit Herrn Fleischer kegeln, richtig?“, wechselte Dr. Schatz das Thema. Chris nickte langsam.

„Er sieht mich immer so an.“, sprach er. Dr. Schatz notierte etwas.

„Wie denn? Sieht er Sie als Opfer?“, hakte er nach. Chris verneinte.

„Schlimmer. Er sieht mich an wie früher. Er behandelt mich wie immer und erzählt weiter seine Witze.“, gab er an. Dr. Schatz wirkte überrascht. „Ist das nicht gut? Einiges hat sich nicht verändert, es gibt also noch Stabilität in Ihrem Leben.“, meinte er. Chris erhob sich.

„Alles hat sich verändert. Und Stabilität habe ich erst wieder, wenn ich diesen Scheißkerl kriege. Tut mir Leid, wegen den 15 Minuten. Also bis zum nächsten Mal.“, verabschiedete er sich und reichte Schatz die Hand.

„Ich hoffe wirklich Sie finden Ihren Frieden. Auch ohne dafür dem Teufel nachjagen zu müssen.“, wünschte dieser ihm aufrichtig. Chris verließ die Praxis und trat ins Freie. Es war bereits dunkel geworden. Allerdings hatte scheinbar nicht die Nacht dafür gesorgt. Die Atmosphäre um Chris drehte sich und hüllte ihn in absolute Dunkelheit. Schlagartig wurde es wieder hell und Chris spürte wie etwas über sein Gesicht lief. Wasser. Doch woher kam es? Jemand schien ihm einen Eimer Wasser oder dergleichen über den Kopf gelehrt zu haben. Er riss die Augen auf und sah ihn die des Teufels. Entsetzt musste er feststellen, dass diesmal die Beute den Jäger gefangen hatte.
 

Kapitel 29

Ohne Engel hätten auch nie die Teufel das Licht dieser Welt erblickt.
 

„Aufwachen Schlafmütze! Morgenstund hat Gold im Mund.“, wurde Chris schlagartig klar, in welcher Situation er sich befand. Vor ihm stand Beck, der ihn mit einem gierigen Blick ansah. Chris wollte sich auf ihn stürzen, doch weder seine Arme, noch seine Beine folgten ihm. Sie waren allesamt festgebunden. Chris stand aufrecht, konnte sich aber keinen Millimeter bewegen. Dicke Schnüre waren um die Handgelenke und die Schenkel gebunden. Alle waren an die dicken Rohre geknotet. Chris fuhr fort, erzielte jedoch keinen Erfolg.

„Das würde ich nicht tun.“, bat Beck seinen Gefangen. „Du wirst deine Kraft noch brauchen.“, erklärte er ihm. Chris wurde bleich. Hatte dieser Wahnsinnige tatsächlich vor, ihm zu seinem Opfer zu machen? Ihm leuchtete eine Glühbirne und neben ihm erblickte er einen Schatten. Chris hielt die Luft an. Etwa zwei Meter von ihm entfernt lag ein junges Mädchen. Ihre Kleidung war blutverschmiert und die Lache breitete sich immer weiter aus. Beck folgte seinem Blick und zog die Stirn hoch.

„Oh, die da? Opfer Nummer 8. Ich habe ihren Namen vergessen, aber sie hat ohnehin nicht lange durchgehalten.“, berichtete er. Chris schluckte.

„Wie alt war sie?“, keuchte er. Beck schien die Frage zu überraschen. Er zuckte mit den Schultern.

„Du bist im Moment viel wichtiger, Bruderherz.“, säuselte er und zog sein Messer. Chris versuchte sich weiter loszureißen, doch es misslang. Doch eines spürte er. Das Rohr, an dem seine rechte Hand gebunden war, erwies sich als dünner im Vergleich zu den anderen. Würde Chris das weiterhelfen? Vielleicht bekam er eine Hand frei. Würde er damit schon etwas gegen Beck ausrichten können? Becks Messer kam bedrohlich näher. Sein Besitzer ließ es wie ein Tamokles-Schwert hin – und her schwingen. Direkt vor Chris’ Gesicht. Dann strich er mit der Breitseite über Chris’ Wangen.

„Du Arschloch! Wenn ich dich nicht umlege, dann wird es jemand anderes tun!“, brüllte er Beck an. Das wollte er vermeiden. Er hatte diese Drohung unkontrolliert ausgesprochen. Sie entstammte nicht seiner Wut, sondern seine Verzweiflung. Beck war dies nicht entgangen. Das Messer wanderte nun zu Chris’ Stirn. Die Klinge drang nun in Chris’ Haut ein und zog sich nach rechts. Aber nicht lange. Kurz darauf vollzog Beck einen schnellen Schnitt nach unten. Das Blut rann über Chris’ Nasenrücken und tropfte auf seine Lippen. Chris schmeckte ungewollt sein eigenes Blut. Wieder versuchte er sich freizukämpfen, doch vergebens. Beck holte eine kleine, weiße Tüte hervor. Er griff hinein und streute etwas auf die Wunde. Chris schrie. Das Salz brannte fürchterlich. Beck legte die Tüte beiseite und legte seine Hände auf Chris’ Wangen.

„Was denn? Du willst doch nicht so schnell aufgeben, oder? Du bist die 7, das ist eine Glückszahl! Du hast also sogar einen Vorteil. Gut, am Ende musst du dich trotzdem auf deine eigene Stärke verlassen.“, flüsterte er ihm zu. Chris starrte Beck mit unendlichem Hass an. Doch dieser Hass würde ihm nicht weiterhelfen.

„Du sagtest mal ich wäre dein Spiegelbild. Vielleicht stimmt das. Erst wurdest du von deinem Vater benutzt und dann auch noch von Engel. Beide hätten dich eigentlich beschützen und dir beistehen sollen. Doch du wurdest von ihnen verraten.“, änderte er seine Strategie. Beck wirkte jedoch nur amüsiert. „Engel? Achja, unser spezieller Freund. Eine Lachnummer, die seine Sgleichen sucht. Glaub nicht, dass ich ihm irgendetwas verdanke. Ich wollte bereits nach einem Jahr aus der Klinik verschwinden um mein Werk fortzuführen. Doch dieser Aristokrat ließ es nicht zu. Zuerst wollte ich meine Zeit absitzen und sehen wohin mich das gebracht hätte. Wenn es Amerika nie gegeben hätte, wäre Columbus an einer anderen Küste an Land gegangen. Doch Engel war total auf mich fixiert. Oder besser gesagt auf seine Forschung. Ich öffnete mich ihm gegenüber, doch er dachte nicht daran mich raus zu lassen. Also ging ich Risiken ein. Ich machte Andeutungen, dass ich Mephisto wäre. Engel untersuchte diese Möglichkeit, rannte aber nicht zur Polizei. Zu groß war die Versuchung einen Serienmörder zu ‚heilen’. Schließlich ließ er mich aus meinem Gefängnis. Aber das hat diesem Dummkopf am Ende nur den Kopf gekostet.“, erzählte er. Chris versuchte ihn weiter zu beschäftigen? Aber wieso? Keine Menschenseele wusste, wo er sich befand. Warum war er so dumm gewesen und hatte nichtmal Damir bescheid gegeben?

„Lass mich raten. Du hast in Engel deinen Vater gesehen.“, fuhr er fort. Beck schien diese Möglichkeit erst jetzt in Betracht zu ziehen. Chris zog weiter an dem Rohr.

„Wie man es nimmt. Ohne Engel hätten auch nie die Teufel das Licht dieser Welt erblickt. Ich denke, du verstehst die Anspielung, Bruderherz. Aber jetzt lass uns keine Zeit mehr vertrödeln.“, spielte er wieder mit seinem Messer. Chris rang weiterhin verzweifelt nach Worten. Doch wie sollte er den großen Mephisto umstimmen können? Dieser war bis jetzt nicht von seinem Weg abzubringen gewesen.

„Bist du bereit, Bruderherz? Es wird nur ein bisschen wehtun. Aber danach wirst du dich stärker fühlen.“, prophezeite er. Die Klinge durchdrang Chris’ Kleidung und fuhr in dessen Schulter ein. Chris schrie aus Leibeskräften und begann zu schwitzen. Beck zog die Klinge schneller heraus als hinein, was einen zweiten Schrei zur Folge hatte. Chris keuchte und sah Beck panisch an.

„Spar dir deine Kräfte, das war erst der Anfang.“, kündigte er an. Chris spuckte seinem Widersacher nun direkt ins Gesicht. Beck blieb ruhig und wischte es sich mit dem Ärmel ab.

„Aber, aber! Du hattest deine Eltern doch lange genug, um eine ordentliche Erziehung zu genießen, oder?“, fühlte er sich auf seine eigene Art beleidigt. Das Blut rann über Chris’ Kleidung und tropfte auf den Boden. Es schmerzte höllisch und Chris fiel es immer schwerer ruhig zu bleiben. Beck würde weitermachen. Drei Tage vermutlich. Und dann? Was wäre am Ende dieser drei Tage? Hielt Chris es überhaupt solange aus? Er musste es einfach. Wenn er seine Rache nicht bekam, hatte seine Familie ganz umsonst leiden müssen. Chris schickte immernoch seine ganze Kraft in seinen rechten Arm.

„Deine Schwester hat ganze 20 Minuten durchgehalten, Chris. Du dürftest sie doch leicht übertrumpfen können, oder?“, säuselte er und zog etwas aus der Tasche. Chris riss entsetzt die Augen auf, als Beck seine eigene Pistole auf ihn richtete. Er drehte sie, um die Gefahr auf Chris einwirken zu lassen. Dann drückte er sie direkt gegen Chris’ Oberschenkel. Dieser biss die Zähne zusammen. Keine Sekunde zu früh. Beck betätigte den Abzug und ein stechender Schmerz durchfuhr Chris. Er schrie gequält auf und fluchte. Sein Bein brannte und blutete. Beck ergriff sein Gesicht. Er richtete die Pistole direkt auf seine Schläfe.

„Wie sieht es aus, Chris? Hast du schon genug? Soll ich abdrücken?“, fragte er in einem fürsorglichen Ton. Chris sah direkt in Becks stechende Augen. Er hatte noch nie so einen grauenhaften Ausdruck gesehen. Die Schmerzen versuchten bereits seine Logik zu verdrängen, doch Chris konnte das nicht geschehen lassen.

„Verdammt, steck dir deine Pistole sonst wo hin!“, brüllte er Beck an. Dieser grinste und schien froh über diese Entscheidung zu sein.

„Gut, dann machen wir mit dem Messer weiter. Es ist ohnehin mein Lieblingswerkzeug.“, erwiderte er und warf die Pistole einige Meter weit weg. Er strich mit der Klinge um Chris’ Hals und öffnete vorsichtig nur die erste Hautschicht. Dann ging es tiefer und Blutstropfen sprudelten an die Oberfläche. In diesem Moment spürte Chris wie sein Arm schwerer wurde. Das lag daran, dass das Rohr, an welchem seine Hand gebunden war von der Mauer gelöst war. Das schwere Metall hing zwar an seinem Arm, doch Chris konnte sie wieder frei bewegen. Doch was half ihm eine Hand? Er hatte keine andere Wahl als abzuwarten. Er brauchte den passenden Moment, um zuschlagen zu können. Doch würde er solange durchhalten? Das Messer war nun den ganzen Hals heruntergewandert und hatte eine gerade Linie hinterlassen. Beck beugte sich nach vorne, um Chris etwas ins Ohr zu flüstern.

„Enttäusche mich nicht, ja? Ich habe lange gebraucht, um jemanden wie dich zu finden.“, versicherte er ihm. Das war die Chance, auf die Chris gewartet hatte. Wenn er jetzt nichts unternahm, würde er es nie mehr tun können. Er brüllte und öffnete weit seinen Mund. Sein Körper schnellte nach vorne, soweit es seine Fesseln zuließen. Es reichte jedoch um seine spitzen Zähne direkt in den Hals von Beck zu rammen. Nun war es Beck der einen schmerzenden Schrei ausstieß. Chris biss weiter, bis er Becks Haut und sein Blut in seinem Mund spürte. Beck riss sich los und hielt sich verschreckt an den Hals. Wenn er nur in Chris’ anderes Ohr geflüstert hätte. Dann hätte Chris in die Stelle beißen können, an der sich die Halsschlagader befand. Doch er hatte ja noch seinen Arm. Er zog ihn vor und versuchte nach Becks Messer zu greifen. Das schmale Rohr zog ihn immer wieder nach unten, doch schließlich konnte er Beck dessen Messer entreißen. Dieser war ganz perplex und hatte Chris’ Befreiungsaktion nicht bemerkt. Zu stark war er mit seiner eigenen Wunde beschäftigt. Er leistete keinen Widerstand, als ihm das Messer abgenommen wurde. Chris wusste, dass ihn die Halsverletzung nicht lange lähmen würde. Also wand er noch einmal alle Kraft auf um das Messer in Becks Körper zu stechen. Es gelang und die Klinge bohrte sich in Becks Hüfte. Dieser schrie wieder auf und taumelte zurück. Nun durchtrennte Chris mit Hilfe des Messers die Fesseln seiner anderen Hand und die der Beine. Auch das dünne Rohr wurde zu Boden geworfen. Chris war es gelungen freizukommen. Doch Beck starrte ihn hasserfüllt an. Er hielt sich die Wunde und schritt auf Chris zu. Ihm schien egal zu sein, dass Chris nun seine Waffe hatte. Dieser hatte nur noch seinen Nemesis vor Augen und wollte auf ihn zustürmen. Sein Bein machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Chris stolperte sofort und krachte zu Boden. Seine Schussverletzung schmerzte heftig und lähmte sein Bein. Beck ließ sich nun auf die Knie fallen und wollte Chris das Messer entreißen. Dieser wollte seine einzige Waffe jedoch nicht loslassen. Doch Beck wandte nochmal all seine Kraft auf und entnahm ihm das Messer. Chris war nun jeglicher Schmerz egal. Er würde heute nicht sterben, das durfte er einfach nicht! Unter gewaltigem Schmerz stand er wieder auf. Beck ging mit dem Messer auf ihn los, doch Chris fing seine Unterarme mit seinen eigenen ab. Er verpasste Beck eine Kopfnuss, die ihn zurückschleuderte und abermals zu Boden warf. Doch er hatte immer noch das Messer. Auch Chris konnte nicht mehr auf seinem Bein stehen und fiel. Er stützte sich mit der Hand ab und sein Blick fiel auf seine Pistole, die etwa zwei Meter entfernt von ihm lag. Mit letzter Kraft kroch er auf sie zu, hatte Beck jedoch nicht mehr im Blick. Weniger Zentimeter trennten ihn von der Waffe, als er die dumpfen Schritte von Becks Stiefeln wahrnahm. Er robbte weiter und packte seine Pistole. Er vollzog eine Rolle und sah Beck über ihn stehen. Dieser hielt das Messer in der Hand und wollte es herab saußen lassen. Chris schoss. Durch seine Lage konnte er seinen Arm nur in einen gewissen Winkel anrichten, was dazu führte, dass die Kugel sich nur in Becks Bein bohrte. Es war in etwa dieselbe Stelle, an der auch Chris verwundet worden war. Chris spürte die Kraft aus sich weichen, doch es war noch nicht vorbei. Beck blutete inzwischen mehr als er, aber dennoch versuchte er weiterhin aufzustehen. Das Messer fest umklammert. Eines lag auf der Hand. Derjenige, der die größeren Kraftreserven hatte würde diese Auseinandersetzung gewinnen.
 

Kapitel 30

Das Leben ist nicht kompliziert, wir sind es. Das Leben ist einfach und das ist gut so.
 

Vor dem Fabrikgelände waren inzwischen etwa ein halbes Dutzend Streifenwagen, sowie drei Zivilwagen eingetroffen. Auch ein Hubschrauber kreiste um das Grundstück. Jäger verließ seinen Wagen und ging mehreren Männern mit schussfesten Westen entgegen.

„Jäger, ich trage die hier Leitung. Im Inneren des Gebäudes befindet sich mit großer Wahrscheinlichkeit ein gefährlicher Irrer, der bereits über ein Dutzend Menschen ermordet hat. Unter Umständen, hat er eine Geisel, einen Privatermittler. Ich weiß nicht wie sich dieser verhalten wird, also werde ich mit Ihnen reingehen. Geben Sie mir eine Weste.“, verlangte er. Der Leiter des Einsatzkommandos wirkte überrascht von Jägers Art, gewährte ihm seinen Wunsch jedoch. Eine Gruppe von 12 Männern, inklusive Jäger stürmte nun den Haupteingang. Doch bereits im Inneren stießen sie auf ein Labyrinth.

„Haben Sie einen Lageplan?“, wandte sich der Einsatzleiter an Jäger. Dieser verneinte.

„Dafür war die Zeit zu knapp. Doch laut unseren Quellen muss sich der Täter in einem Keller aufhalten. Ihre Leute sollen nach einem Abgang suchen.“, wies er darauf hin. Der Einsatzleiter gab seinen Leuten ein Zeichen, welche augenblicklich in Gruppen ausschwärmten. Jäger selbst wagte sich mit zwei weiteren Leuten gerade aus weiter. Rechts und Links lagerten Container, die als brauchbare Verstecke dienten. Wenn man einen Moment nicht vorsichtig war, war man hier verloren. Jäger stelle vor wie Beck urplötzlich aus einer Ecke springen würde. Wäre er bewaffnet? Jäger erinnerte sich, wie er aus dem brennenden Gebäude kam. Er hatte einmal tief Luft geholt und wollte Berger bitten den Rechner ins Auto zu schaffen. Doch dieser war nirgends aufzutreiben. Der Wagen stand noch da, er konnte also nicht gefahren sein. Er fragte die Feuerwehrleute, doch diese verscheuchten ihn, ohne Widerrede. Schließlich schrie eine Frau auf und Jäger eilte zu ihr. Sie stand vor einer Seitengasse, um sie herum eine Lache Blut. Erst nahm Jäger an es wäre ihres, doch dann fand er eine Leiche. Bergers Leiche. Benommen taumelte er zurück. Die Frau lief weg und Jäger fasste sich an die Stirn. Er trat näher und musterte den toten Körper seines Freundes. So manche Fälle hatten die beiden bestritten. Berger war der erste, den Jäger zur SOKO geholt hatte. Und wofür? Um abgestochen in einer Seitengasse zu enden. Nein, sowas hatte Berger nicht verdient. Seine Stirn blutete und Jäger bildete sich ein eine Neun zu erkennen. Mephisto. Aber wie konnte das sein? Berger musste ihn verfolgt und dabei umgekommen sein. Wäre er nur bei ihm geblieben, dann hätte Mephisto keine Chance gehabt. Wenn er nicht so eigennützig in das brennende Haus gestürmt wäre, würde sein Freund noch leben. Da fragte sich Jäger das erste Mal was wichtiger war. Die Beweise gegen Mephisto, oder das Leben seines Freundes. Wie viele Tote hätte es noch gegeben, wenn Becks Identität nicht aufgedeckt worden wäre? Und nun lag es an Jäger seinen Freund zu rächen. Er wünschte sich nichts sehnlicher, dass Beck mit einer Waffe auf ihn zukommen würde. Sofort würde er sein sämtliches Magazin leeren, nur um Berger zu rächen. Er dachte an Hartmann, wie dieser bei Becks Anblick reagieren würde. Jäger hatte durch diesen Psychopathen einen Freund verloren, doch Hartmann seine ganze Familie. Jäger konnte sich nicht in Hartmann hineinversetzen und wollte es auch gar nicht. Nun vernahm er ein Rufen und eilte zu dessen Ursprung. Einer der Beamten hatte einen Kellerabgang entdeckt. Der Einsatzleiter bildete die Vorhut. Jäger und seine Leute folgten ihm in kurzem Abstand. Unten angekommen fanden sie sich in einem großen Gewölbe wieder.

„Also gut, ausschwärmen! Immer in Vierer-Gruppen.“, wurde das Kommando erteilt. Die Gruppen eilten in verschiedene Richtungen, trafen sich jedoch gelegentlich wieder. Es war das reinste Labyrinth. Jäger kapselte sich langsam von der Gruppe ab, als er einen schmalen Gang erblickte, an dem eine stämmige Eisentür lauerte. Er wollte die Leute des Einsatzkommandos rufen, doch diese waren bereits zu weit entfernt. Jäger zwängte sich durch den engen Gang und hielt etwa in der Mitte. Ein Schuss ertönte. Jäger wollte nochmal rufen, doch seine Leute schienen den Schuss ebenfalls gehört zu haben. Jäger konnte nicht mehr warten und kämpfte sich zur Tür vor. Schnell riss er sie auf und presste sich gleich danach gegen die Wand. Er streckte seinen Kopf in den Raum, und als er sicher war, dass keine Gefahr bestand trat er ein. Die Pistole immer vor sich. Vor ihm stand ein Mann mit einer Waffe. Jäger wollte schon abdrücken, bis er Chris schließlich erkannte. Dieser Verrückte hatte sich tatsächlich in die Höhle des Löwen gewagt. Jägers Blick fiel auf Beck der blutend am Boden lag. Er wimmerte und heulte. Chris hatte ihm in die Hand geschossen, als dieser noch einen letzten Angriff mit seinem Messer wagen wollte. Jäger erkannte auch noch mehr Kampfspuren. Auch von Chris tropfte das Blut herab. Hinter Chris lag eine weitere Person. Eine junge Frau, soweit Jäger das feststellen konnte. Auf ihrer Stirn prangte eine blutige Acht. Chris hielt Beck weiterhin seine Waffe entgegen. Jäger blickte in dessen Augen und erkannte die Situation sofort.

„Hartmann, lassen Sie das. Er liegt bereits am Boden, es ist aus.“, wollte er ihn davon abhalten nochmal zu schießen. Chris verschwendete keinen Blick an Jäger sondern ließ seinen Peiniger nicht aus den Augen.

„Ich muss das tun.“, erklärte er stockend. Jäger schluckte. Er wusste, es würde schwer werden dem Mann seine Tat auszureden.

„Ich würde ihn genauso gern verrecken sehen! Berger war mein Freund. Der Hund hat Ihre Familie getötet ich kann Ihren Schmerz natürlich nicht nachvollziehen, doch Sie sind nicht wie er! Wenn Sie ihn jetzt erschießen hat er bekommen was er wollte! Zeigen Sie Stärke und geben Sie mir Ihre Waffe.“, redete er auf Chris ein. Beck begann zu lachen. Es war ein verrücktes und unwirkliches Lachen.

„Stärke? Ohja, mein Bruderherz hat Stärke bewiesen. Das verletzte Rind lässt sich nicht einfach verspeisen, sondern leistet Widerstand. Aber wahre Stärke wäre es, wenn er abdrücken würde. Chris! Hör nicht auf diesen Schwächling. Er sagt selbst, er ist zu schwach um mich zu töten! Aber du bist es nicht. Ich liege direkt vor dir, also drück ab! Zeig, dass du ein Mann bist und schicke den bösen Teufel zurück in die Hölle!“, brüllte er Chris an. Dieser keuchte und tat einen Schritt vorwärts. „Seien Sie vernünftig, Hartmann! Er ist es nicht wert!“, warnte ihn Jäger. Beck lachte weiter.

„Nicht wert? Ich habe seine Familie abgeschlachtet, wer sollte es mehr wert sein als ich? Ja, die kleine Hannah hat wirklich geschrieen, als ich ihr das Gesicht aufgeschnitten habe, Das ganze schöne Make-up für die Katz! Jetzt im Nachhinein fühle ich mich deswegen richtig schuldig!“, stichelte er Chris weiter an.

„Hören Sie nicht hin!“, befahl Jäger. Chris war außer Atem. Seine Hände zitterten, sein Mund war trocken. Nur der Schmerz in seinem Bein hielt ihn noch bei Bewusstsein.

„Ich muss das einfach tun!“, versicherte er. Jäger dachte über seine Optionen nach. Sollte er auf Hartmann schießen? Dieser hatte bereits multiple Wunden, das Ergebnis wäre also unbekannt. Beck warf den Kopf zurück und lachte weiter in sich hinein.

„Weißt du, deine Mami und dein Papi haben sich wirklich gern gehabt. Ständig blärrten sie abwechselnd, ich solle doch den je anderen nehmen! Und als ich erst deine Mutter aufgeschlitzt habe hat er geheult wie ein Baby! Genau wie deine süße Schwester, als ihre Beine vom Blut ihrer Eltern getränkt wurden!“, verwendete er seine letzte Kraft für eine Verzweiflungstat.

„Hören Sie nicht auf das Arschloch! Senken Sie Ihre Waffe!“, bat Jäger Chris nochmal eindringlich. Beck schnellte nun nach oben!

„Hör nicht auf den Versager! Schieß endlich du Wichser!“, bellte er Chris an und sah ihm dabei direkt in die Augen. In ihnen erkannte Chris wieder das abgrundtief böse, dass es einfach nicht in dieser Welt geben durfte. Er gab seinem stählernen Drang nach und zog an dem Abzug. Er war so leicht, als würde er nur aus Papier bestehen. Das Geräusch war auch nicht so laut, als es sonst sein sollte. Selbst den Rückstoß nahm Chris so gut wie gar nicht wahr. Alles, was er sah war, dass die Kugel direkt in Andreas Becks Stirn eindrang und ein Loch hinterließ. Das Blut spritzte heraus und einige Tropfen erreichten Chris’ Hände. Becks Kopf schlug am Boden auf und der Körper rührte sich nicht mehr. Das verrückte und grausame Grinsen war jedoch geblieben. Chris Hände zuckten stärker und er sah zu Jäger. Dieser hatte kurz die Augen geschlossen und seine Waffe eingesteckt. Draußen tummelten sich bereits die Leute des Sonderkommandos, denen Jäger jedoch den Eintritt versperrte. Chris senkte seine Waffe und trat zu Jäger. Behutsam reichte er sie ihm. Jäger sagte kein Wort und nahm sie entgegen. Dann trat er einen Schritt beiseite, damit seine Leute hereinkamen. Einige rempelten Chris an, doch dieser merkte nichts davon. Jäger sagte immer noch kein Wort, als Chris an ihm vorbei schritt.

„Er war mein Spiegelbild.“, schien dieser ihm dennoch eine Antwort schuldig gewesen zu sein.
 

EPILOG
 

Damir war der erste gewesen, der Chris im Krankenhaus besucht hatte. Er erwähnte zuerst an Blumen gedacht zu haben, es dann aber doch vorgezogen hatte ein paar Snacks mitzubringen. Süßkram in so hoher Menge, dass Chris ihn nicht mehr sehen konnte. Sein Bein schmerzte noch beim Auftreten, doch es besserte sich. Damir scherzte, dass man es mit einer Schussverletzung leichter hatte Frauenherzen zu erobern. Chris nahm ihn nicht wirklich ernst. Die Verletzung an der Schulter war bereits am verheilen, würde aber eine nette Narbe als Erinnerung zurücklassen. Von dem Schnitt am Hals war inzwischen gar nichts mehr zu sehen und für die Verletzung an der Stirn würde ein weiterer plastischer Eingriff nötig sein. Chris hatte den Termin so schnell wie möglich angesetzt. Solange war es ihm nämlich unmöglich in einen Spiegel zu sehen. Der zweite Besucher war Sebastian gewesen. Dieser war schick angezogen und für seine Verhältnisse ungewohnt ruhig. Scheinbar wusste er nicht, wie er sich seitens Chris’ Verletzungen verhalten sollte. Chris hatte ihm freundschaftlich auf den Bauch geklopft und ihm geraten, er solle sich doch mehr Sorgen um sich machen. Auf die Frage seitens Sebastians, ob er und Chris sich trotz der ganzen Ereignisse noch einmal sehen würden hatte Chris geantwortet, dass die alte Kegel-Halle immer noch stand. Sebastian war so gerührt gewesen, dass er Chris sogar um den Hals gefallen war. Diesem schmerzte die Wunde, doch er sagte nichts. Bei diesen zwei Besuchern blieb es, was Chris wohl ein schlechtes Zeugnis ausstellte. Er hatte erst Höllerich und dann Streit angerufen. Beide hatten sich für die Information bedankt, aber auch nicht mehr. Drei Wochen später verließ er das Krankenhaus. Damir hatte versprochen ihn abzuholen, jedoch hatte sich ein nerviger Klient ergeben, der auf einen sofortigen Termin bestand. So kam es, dass sich Chris vor dem Eingang die Beine wund stand. Vor ihm hielt schließlich ein blauer Porsche. Chris dachte sich nichts dabei, bis der Fahrer hupte. Chris wagte sich näher und warf einen Blick zur Fahrerseite. Er staunte nicht schlecht, als ihm ein gut angezogener Jäger deutete einzusteigen. Chris folgte seinem Wunsch und huschte auf den Beifahrersitz. Seine Sporttasche schleuderte er auf den Rücksitz. Jäger fuhr los und sagte einen Moment nichts.

„Heute Nachmittag findet Bergers Begräbnis statt. Kann ich auf Sie zählen?“, fragte er schließlich. Chris sah zum Fenster hinaus und versprach ihm vorbeizuschauen.

„Meine Wohnung liegt in der anderen Richtung.“, entgegnete Chris, als Jäger eine Abzweigung verpasste. Diesem schien diese Tatsache wohl bekannt zu sein.

„Ich fahre Sie nicht nach Hause. Halten Sie mich für einen Sozialarbeiter oder ähnlichem?“, war der alte Jäger schnell wieder zugegen. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und Chris tat es ihm nach. Nach einigen Minuten war das Ziel ihrer Reise klar. Es war die Bar, die Chris bereits mit Sebastian betreten hatte. Jäger parkte und stieg aus.

„Hat mir Fleischer empfohlen.“, erklärte er. Chris betrat mit ihm zusammen das Lokal und die beiden setzten sich an die Theke.

„Geben Sie einen aus, Chefinspektor?“, wollte Chris wissen. Jäger stieß ein kurzes Lachen aus. „Hartmann, ich glaube Sie werden mich nie richtig kennen.“, antwortete er. Er bestellte sich und Chris ein Bier und nahm erstmal einen großen Schluck.

„Ihr Bericht war sehr detailliert, doch es gibt noch eine Unklarheit Andreas Beck betreffend.“, wechselte er das Thema. Chris zeigte sich irritiert.

„Nur eine? Ich denke es gibt noch viele Punkte, die noch offen sind. Beispielsweise die Beweggründe der Beteiligten. Auch wenn wir Johann Schroll alias Andreas Beck nie wirklich verstehen werden, so bleiben noch die Hindergrundfiguren. Wieso spielte Josef Breuer bei diesem verrückten Spiel mit? Was sprang für ihn heraus? Nur seine Verbundenheit zu Beck? Wieso entließ Engel Beck in die Freiheit und wieso tötete er Stein? Alles nur wegen seiner Forschung? Seiner Wahnvorstellung einen Serienmörder zu verstehen und ihn irgendwann einmal zu heilen?“, fasste Chris zusammen.

Jäger nahm einen weiteren Schluck. „Das meinte ich ehrlich gesagt nicht. Menschen bleiben für immer Menschen, daran wird sich nichts ändern. Auch wenn sie sich als Teufel ausgeben.“, erzählte er.

Chris trank nun ebenfalls einen Schluck.

„Es geht um Mephistos letztes Opfer. Mir ist es egal, aber mein Vorgesetzter will einen lückenlosen Bericht. Und die Presse klebt mir auch schon an der Windschutzscheibe. Sie sagten Beck tötete um die Zeit umzukriegen. Als wie man ein Kalenderblatt nach dem anderen abreißt, bis endlich der ersehnte Tag folgt. Ihrer Aussage nach sollte sein letztes Opfer eine ganz bestimmte Person sein. Haben Sie diesbezüglich eine Ahnung? Waren vielleicht Sie die Quelle seiner Wahnvorstellung?“

Chris kicherte heiser. „Bei Leibe nicht. Ich war ihm gerade einmal eine Sieben wert. Eine ‚21’, wenn ich damals den Abend mit meinen Eltern verbracht hätte.“, erklärte er. Jäger brummte.

„Bereuen Sie es im Nachhinein?“, wagte er es zu fragen. Chris schüttelte den Kopf.

„Andernfalls hätte ich ihn nicht töten können.“, erwiderte er. Jäger verstand. Er selbst hatte das ‚Gerücht’ aus der Welt geräumt, Chris hätte Beck absichtlich erschossen. Doch durch Jägers Aussage und das Messer neben Beck war alles schnell vom Tisch.

„War das den die richtige Entscheidung? War es wirklich nötig ihn gleich zu töten?“, schien Jäger diese Frage schon lange stellen zu wollen. Doch Chris schien sich seiner Entscheidung sicher. „Absolut. Es gab keinen anderen Ausweg. Ich war sein Spiegelbild und er meines. Ich habe ihn getötet und wenn ich nun in den Spiegel sehe, sehe ich mich. Einen Mörder. Aber hätte ich es nicht getan, hätte ich ständig nur sein Gesicht im Spiegel gesehen. Und das wäre noch unerträglicher gewesen.“, erklärte er seine Motive. Jäger behauptete nicht ihn zu verstehen, jedoch mit ihm zu fühlen.

„Auf Hannes Berger!“, hob er schließlich sein Glas. Chris tat es ihm nach. „Auf Berger.“, erwiderte er und die beiden Gläser klirrten als sie zusammenstießen.

„Vielleicht war es seine Mutter.“, kam Chris noch einmal zum vorherigen Punkt zurück.

„Faust musste sterben, weil er den Teufel in diese Welt gebracht hatte. Möglicherweise sollte Becks Mutter an Fausts Stelle treten, immerhin hat sie ihn in diese Welt geholt. Aber das ist nur eine wage Vermutung. Denn wahren Grund werden wir wohl nie erfahren.“, beantwortete er Jäger die Frage.

Dieser trank sein Glas aus.

„Ich habe mich in Ihnen getäuscht. In meiner Abteilung ist eine Stelle frei geworden. Leider. Sie haben die Polizeiprüfung bestanden, und auch wenn Sie ganz unten anfangen müssten bin ich sicher, Sie wären ein Gewinn für uns.“, offenbarte Jäger den eigentlichen Grund seines Ausflugs. Chris erwiderte lange Zeit nichts darauf. Jäger nahm an, Chris würde darüber nachdenken, doch dann verstand er, dass dieser seine Entscheidung bereits getroffen hatte.

„Wussten Sie, dass Inspektor Lestrade Holmes die selbe Frage gestellt hat?“, fragte er schließlich. Jäger hob die Augenbrauen.

„Ich gebe zu nie etwas von Doyle gelesen zu haben.“, antwortete er. Chris zeigte Verständnis.

„Sie mein lieber Inspektor verstehen natürlich nicht, dass ein freier Geist zu mehr im Stande ist, als ein gefangener.“, leitete

er seine Antwort an Jäger weiter. Dieser verstand und erhob sich.

„Haben Sie eine Fahrtmöglichkeit?“, wollte er wissen. Chris nickte und zückte sein Handy. Damir würde ihn schon irgendwann aufgabeln. Jäger bezahlte und verabschiedete sich von Chris. Er trat durch die Tür und ließ Chris zurück. Dieser sah noch eine Weile in die Tiefe seines Glases.
 

1 Monat später
 

Es war ein typischer Morgen als Chris die Tür zur Kanzlei aufsperrte. Damir war Frühaufsteher und begrüßte seinen Partner mit einem Handzeichen. Chris machte sich zuerst einen Kaffee und setzte sich an seinen Schreibtisch. Damir hatte ihn inzwischen als Ablageplatz verwendet und Chris tat sich schwer seine Sachen wieder zu finden. Er hatte seinen Kaffee gerade ausgetrunken, als es klingelte. Damir erhob sich und öffnete die Tür. Nach ein paar Floskeln bat er den Klienten herein und verwies auf Chris. Dieser durchschritt die Glastür und Chris reichte ihm über den Schreibtisch hin die Hand. Der Mann wirkte geschafft und niedergeschlagen. Er setzte sich auf den Stuhl vor Chris’ Schreibtisch und wirkte etwas nervös. „Was kann ich für Sie tun?“, fragte Chris freundlich. Der Mann zögerte etwas.

„Also… es ist mir etwas peinlich. Ich weiß auch nicht, ob Sie solche Fälle übernehmen, aber…“, stotterte er.

Chris bot ihm einen Kaffee an. Der Mann wollte gern einen nehmen und Chris gab Damir ein Zeichen.

„Nur raus, mit der Sprache.“, half ihm Chris weiter. Der Mann schluckte.

„Also gut. Sie müssen wissen… also… es geht um meine Frau.“, erklärte er.

Chris sah beiläufig aus dem Fenster und erkannte Schneeflocken. Innerlich fluchte er. Obwohl er es sich vorgenommen hatte, hatte er total darauf vergessen sich eine neue Jacke zu kaufen.



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