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Spätsommer

von

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Geburtstage

Der 28. Oktober war schon immer ein besonderer Tag – natürlich nicht so gut wie der 5. April, aber er konnte sich gut damit abfinden.

Früher hatte er seinen Geburtstag auch immer lieber gemocht als den Saschas. Aber inzwischen waren die Geburtstage der anderen doch besser. An diesem Datum wurde man immer ein Jahr älter, dann noch ein Jahr, noch ein Jahr... Wenn man schon 15 Jahre alt war, fühlte man sich eben alt. Da war es doch schöner zu wissen, dass andere genauso alt oder – in Saschas und Leahs Fall – noch älter waren. Sascha war ein Jahr älter als er. Also wurde er am 28. Oktober 16. Leah hatte erst nächstes Jahr Geburtstag, wurde dann aber schon 18. Für Leah hatte er immer ein besonderes Geschenk besorgt. Irgendetwas Lustiges, völlig Sinnloses. Aber gerade deshalb war es immer lustig gewesen. Saschas Geburtstage waren immer genauso gut gewesen, wenn nicht sogar besser! Aber drei Jahre lang, hatte er nicht mit ihm feiern können. Im ersten Jahr, hatte er ihm einen Brief geschrieben. Doch als keiner zurückkam und er an seinem Geburtstag auch keinen bekommen hatte, ließ er es das andere Jahr sein. Hätte wohl eh nichts gebracht.

Deswegen hatte er diesen Tag total vergessen und kein Geschenk! Wie konnte er nur ohne Geschenk bei ihm auftauchen?!
 

Hoffentlich würde Sascha nicht böse auf ihn sein..., hoffte er innerlich, als er auf dem Weg zur Kreuzung war. Leider mussten sie an diesem Tag Schule haben, doch es waren nur vier Stunden, die würden sie überstehen. Und dann konnte er Sascha endlich ein Geschenk besorgen! Vielleicht sollte er sagen, dass er sich etwas wünschen konnte und sie könnten zusammen in die Stadt gehen. Wenn selbst Leah etwas für Sascha hatte, stand Noah echt dämlich da... Den Geburtstag seines längsten und engsten Freundes vergessen... Dafür hasste er sich inzwischen selbst.
 

„Hey!“, hörte er eine Stimme neben sich. Erschrocken zuckte Noah zusammen. „Geh nicht an mir vorbei...“

„Sorry...“, entschuldigte Noah sich sofort, blieb aber gleich stehen, um sich zu Sascha zu drehen. „Alles Gute zum Geburtstag.“ Wenigstens daran musste er denken. Und das musste er sich auch trauen.

Er legte die Arme um Saschas Hals und drückte ihn an sich. Immerhin konnte er ihn endlich wieder berühren..
 

„Wenn du an mir schon vorbeigehst, hatte ich fast gedacht, du hättest es vergessen“, sagte Sascha, Noah konnte sein Grinsen nur zu deutlich vor sich sehen, auch wenn er im Moment nicht in das schöne Gesicht sehen konnte, welches er über die Jahre so vermisst hatte.

„So etwas vergesse ich doch nicht!“, meinte er sofort und drückte Sascha von sich, um ihm leicht gegen die Brust zu schlagen. Jedenfalls vergaß er es nicht ganz... Nur so sehr, dass er kein Geschenk hatte. Aber Sascha durfte sich etwas aussuchen! Das war auch ein Geschenk.
 

„Ah, lass mich“, rief Sascha grinsend, taumelte spielend einen Schritt zurück und ging dann weiter, bevor sie noch zu spät zum Unterricht kamen.

„Du solltest mich lassen“, warf Noah grinsend ein, ging aber auf Abstand, bevor Sascha ihn vielleicht schlug. Doch das hatte dieser anscheinend gar nicht vor. Es schien ihm wohl eher von Bedeutung, die einzelnen Asphaltkörner zu zählen.
 

„Alles in Ordnung...?“, fragte er vorsichtig nach, als den abwesenden Gesichtsausdruck seines besten Freundes bemerkte. Es kam nur selten vor, dass Sascha, sichtbar für andere, mit den Gedanken woanders war. Meistens nur, wenn er traurig war oder wirklich ernsthaft über irgendetwas nachdachte.
 

„Hm? Nein, alles okay...“, sagte Sascha nur und winkte lächelnd ab. Es ging ihm nicht gut. Irgendwas war los. Aber er würde keine Antwort bekommen, wenn er noch weiter nervte. Deswegen nickte er nur und wandte sich wieder dem Weg zu, den sie noch zur Schule gehen mussten, bis er endlich bei Leah war, von der er sich aufmuntern lassen konnte.
 

Als Noah Leah auf der anderen Seite des Schulhofs erblickte, sah er noch kurz zu Sascha, ehe er loslief. „Leah!“, rief er auf dem Weg dahin. Zum Glück drehte sie sich zu ihm, da er vorhatte, sie anzuspringen. Leah war eh etwas größer als er. Und möglicherweise sogar auch stärker. Dann musste er sich keine Sorgen machen, dass ihm etwas passierte.
 

„Spinnst du?!“, rief sie sofort, hatte ihn aber gefangen. Noah hört ihr Lachen, als sie ihn an sich drückte. Er schlang die Arme und Beine fester um sie, damit er nicht aus Versehen herunterfiel.

„Nein, das ist normal, weißt du doch“, sagte er grinsend und schloss für einen Augenblick die Augen. Wenigstens ging es ihm jetzt schon besser. Wenn Sascha traurig war, war er das irgendwie auch. Es übertrug sich also immer noch auf ihn. Das war auch schon damals so gewesen. Vielleicht sollte er endlich etwas dagegen unternehmen. Aber bei Leah ging es wieder.
 

„Bei Noah ist alles normal“, bemerkte Sascha. Ruckartig drehte Noah seinen Kopf zu ihm. „Fast alles“, verbesserte ihn grinsend.

„So lange, wie ich dich schon kenne, ist wirklich alles normal“, sagte nun auch Leah und küsste ihn kurz. Gerade wollte er etwas darauf erwidern, als Leah ihm schon ins Wort fiel. „Ich weiß: Sascha kennt dich länger.“ Genau das hatte er sagen wollen. Wahrscheinlich kannte Leah ihn doch gut genug.
 

Lachend nahm er seine Beine herunter, um sich wieder selbst auf den Boden zu stellen. „Sascha hat heute Geburtstag“, flüsterte er ihr zu. Noah war wohl wirklich nicht der einzige, der das vergessen hatte. Aber Leah konnte man auf jeden Fall verzeihen. Sie kannte Sascha ja auch erst seit zwei Monaten. Dennoch hatte Noah ihr vor einigen Tagen gesagt, dass er bald Geburtstag habe – und hatte es selbst vergessen.
 

„Stimmt ja!“, sagte sie sofort und schob Noah zur Seite, um die Arme nach Sascha auszustrecken. „Komm heeer!“

„Nein, nein“, lachte dieser und ging einige Schritte zurück, ließ sich letztendlich aber doch von Leah umarmen, erwiderte diese Umarmung sogar.

„Alles Gute zum... 16.“, hörte Noah Leah sagen, ehe sie den Braunhaarigen wieder losließ. „Achja, Noah“ - sie wandte sich an ihn - „ich... muss noch mit dir reden...“ Hatte er irgendwas angestellt? Daran konnte er sich nicht erinnern... Irgendwas anderes? Hatte Leah irgendwas angestellt?
 

„Was... habe ich denn gemacht...?“, fragte er skeptisch und biss nervös auf seiner Unterlippe herum. Seit einigen Wochen hatte er sich das wieder angewöhnt. Dabei war er so gut davon losgekommen.

„Nicht du... Ich...“, gab sie zu, warf dann aber einen Blick auf die Uhr. „In der Mittagspause. Sind nur noch vier Stunden. Wir sehen uns.“
 

„Was hat Leah denn angestellt...?“, fragte Sascha ihn, als sie die Treppen zu den Biologieräumen hinaufstiegen. Nachdenklich schüttelte Noah den Kopf. „Ich weiß nicht... Eigentlich macht sie nichts...“

„Es kann ja auch noch nicht lange her sein... Sonst hätte sie es dir doch früher gesagt, oder?“

„Ja, auf jeden Fall..“, sagte Noah gleich und folgte den anderen in den Raum.
 

Über den Tischreihen waren die Steckdosen angebracht. Das Licht funktionierte wie so oft nicht, jedoch reichte die Fensterseite aus, um genug zu erkennen. Die Lehrerin suchte noch in ihren Unterlagen herum, während er sich mit Sascha nach hinten setzte.

„Wir werden sehen, was es ist...“, schloss Sascha das Thema ab. Noah nickte noch leicht und packte ebenfalls seinen Ordner und Schreibmaterialien heraus.
 

Natürlich machte er sich Sorgen um Leah. Sie konnte doch nicht einfach mit einem Thema anfangen und dann erst in der Mittagspause darüber reden wollen. In den vier Stunden konnte Noah sich doch überhaupt nicht auf den Unterricht konzentrieren, auch wenn Sascha es ihm jede Pause sagte. Leah war einfach verdammt wichtig! Und wenn mit ihr etwas nicht in Ordnung war, dann musste er das wissen. Er wollte er doch irgendwie helfen.

Hoffentlich zog sie nicht um oder so etwas. Oder musste die Schule wechseln. Solange sie hier in der Stadt bliebt, würde es vielleicht noch gehen, aber sobald sie von ihm weg wäre, würde er wahrscheinlich jeden Tag nur weinen, es sei denn, er könnte jeden Tag und stundenlang mit ihr telefonieren. Bei Sascha hatte er diesen Abschied schon durchgemacht. Jedoch nur ohne das Telefonieren.. ohne irgendein Wort..
 

Schon fast viel zu schnell ging er nach dem Klingeln zur Mittagspause Richtung Mensa. Leah wartete bereits vor der Tür auf ihn.

„Können wir auf dem Schulhof bleiben..? Nicht dort, wo so viele Leute sind...“, sagte sie gleich und ging zu den Steinbänken, die auf dem Schulhof standen. Man konnte sich nicht anlehnen, aber im Sommer war es schön, darauf zu liegen und sich so zu sonnen.
 

„Was jetzt..?!“, fragte Noah ungeduldig nach, als er neben ihr saß und sie anschaute. Sascha hatte sich neben ihn gesetzt, schien sie aber nicht zu beachten. Wahrscheinlich respektierte er es, dass Leah gesagt hatte, sie wolle nur mit Noah reden. Aber dieser wollte unbedingt wissen, was los war! Irgendetwas musste ja sein...
 

„Es ist schon Ende Oktober...“, sagte sie leise, passte dabei aber auf, dass keiner der vorbeilaufenden Leute etwas mitbekam. „Ich hätte... meine Regel Ende September kriegen müssen und Mitte, Ende Oktober erst recht...“

„Ouh...“, machte Noah nur. Irgendeine Krankheit? Oder noch schlimmer?! „Du hast doch nicht...? Als du mit Max...“ Diese Nachricht schockte ihn zwar nicht zu sehr, da er noch nicht wusste, warum es so war, aber immer noch genug, dass er die Sätze nicht einmal zu ende sprechen konnte.
 

Leah biss sich auf die Unterlippe und nickte leicht. „Doch... leider...“

„Leah...!“, seufzte er und lehnte seinen Kopf nach vorn gegen ihre Schulter. „Du hast wirklich...?!“ Er legte die Hände vor sein Gesicht und sah Leah nur noch durch seine Finger an. „Und was jetzt...?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich werde mir das erst einmal bestätigen lassen... Könnte ja auch... nur Zufall sein...“ Hoffentlich war es das! Leah war schließlich erst 17!
 

„Was ist los...?“, fragte Sascha, der sich inzwischen zu ihnen gewandt hatte. Wahrscheinlich fand er es einfach nicht fair, wenn er nach so langer Freundschaft außen vor gelassen wurde.
 

Als Noah Leahs Gesichts betrachtete, sah er darin gewisse Zweifel. Wollte sie es ihm nicht sagen? Durfte er es ihm denn selbst sagen? Schließlich war es totale Privatsache, da wollte er jetzt bloß nichts Falsches sagen... Aber was war denn jetzt schon falsch?
 

„Ich... will dir deinen Geburtstag nicht ruinieren“, sagte Leah mit ihrem typischen Lächeln im Gesicht. Es wirkte normal, wie immer. Wirkte aber schon fast zu ausdruckslos. Nach all dem, was Noah schon mit seiner besten Freundin durchgestanden hatte, wusste er inzwischen, dass dieses Lächeln nur aufgesetzt war. Aber solange es Sascha täuschte...
 

„Du ruinierst ihn mir, wenn du mich glauben machen willst, alles sei in Ordnung“, erwiderte Sascha ernst. Eben schien es noch so, als hätte er verstanden, dass es nur Noah und Leah etwas anging. Aber jetzt mischte er sich ja wirklich ein. Hatte er vielleicht etwas mitbekommen und wollte endlich, dass sie es ihm von selbst sagten? Oder ein plötzlicher, innerlicher Wandel?
 

„Noah sagt es dir beim Zurückgehen“, legte Leah fest, als sie plötzlich aufstand und sich vor Noah stellte. „Ich muss jetzt los. Hätte zwar noch eine Stunde, hab' aber den Termin bereits festgelegt.“

Seit wann brauchte man wegen einer bloßen Vermutung gleich einen Termin?
 

„Warte!“, sagte er sofort, stand ebenfalls auf und griff nach ihrem Arm, um sie etwa fünfzig Meter weiter zu dem Gebäude zu ziehen. Loslassen kam nicht in Frage, da Leah sonst vielleicht sofort gehen würde.

„Termin?! Musst du nicht nur in die Apotheke und dir so einen... Test holen?!“, fragte er nach. Da Leah bereits einen Termin beim Arzt hatte, ahnte er Schlimmes. Vielleicht hatte sie diesen Test bereits...-
 

„So einen Test...“, wiederholte sie leise, „habe ich bereits gemacht...“

„Und?“, fiel Noah ihr sofort ins Wort. Er wollte endlich genau wissen, was los war. Nicht nur Vermutungen. Leah war ihm schließlich genauso wichtig, wie er es sich selbst war.

„War... positiv...“

Einen Moment musste er sich sogar daran erinnern, das Atmen nicht zu vergessen. „Dann... ist es nicht nur möglich.. sondern sicher...?“, schlussfolgerte er. Eigentlich müsste das nicht einmal mehr eine Frage sein.

„Der Test... kann falsch sein. Deswegen gehe ich ja jetzt zum Arzt. Um wirklich Klarheit zu haben. Aber... es ist wahrscheinlich sicher. Ich habe mit Max geschlafen und dann ein positiver Schwangerschaftstest... Wie sollte es da anders sein?“

Noah seufzte leise, ehe er die Arme um sie legte, sie umarmte, während er sie Augen schloss. „Wird bestimmt... alles gut...“, sagte er leise. Sicher war er sich nicht, aber in dem Fall war es möglich.

„Hoffentlich..“, murmelte Leah, lehnte sich dann aber zurück, damit Noah sie wieder losließ. „Ich ruf dich an, ja?“

„Kannst doch sonst nachher auch gleich zu Sascha kommen“, schlug er vor. Ob Sascha das wollte oder nicht, war ihm jetzt egal. Aber er wollte nachher noch mit Leah reden.

„Werd' mal sehen... Ich muss jetzt aber auch los, sonst komme ich zu spät und darf wieder zwei Stunden oder länger warten.“ Bei dem Gedanken daran, verdrehte sie bereits die Augen. „Bis nachher.“ Ein kurzer Kuss folgte, ehe sie auch schon zu Sascha zurückging, um noch schnell ihre Tasche über die Schulter zu hängen. Noch im Gehen winkte sie dem Geburtstagskind zu, bevor sie sich beeilte, vom Schulgelände zu verschwinden.
 

Noch etwas irritiert sah Noah ihr nach. Was würde Leah machen, wenn sie wirklich schwanger wäre? Kind behalten oder abtreiben? Sie war erst 17!

„Schwangerschaftstest?“, hörte er Saschas Stimme. Erschrocken drehte er sich zu ihm um. Er selbst hatte davon nie etwas gesagt, Leah war es! Aber Sascha sollte es doch eh erfahren.
 

Er nahm den von Sascha gehaltenen Rucksack entgegen, ehe er vom Boden zu ihm sah. „Schon... irgendwie...“, versuchte er ihm zu erklären, während er langsam losging. Einerseits, weil sie eh langsam nach Hause mussten, aber auch, weil er irgendwie flüchten wollte. Schließlich wollte er so etwas nicht seinem besten Freund erklären.
 

„Leah ist also schwanger?“, schlussfolgerte Sascha, der schon die ganze Zeit des darauffolgenden Schweigens neben ihm ging. Wenn er etwas von dem Schwangerschaftstest gehört hatte, war es ja wohl schwer zu verleugnen. Außerdem sollte er es doch erfahren.
 

„Ja, ist sie...“, gab Noah dann endlich zu. „Aber von Max, also...“ „Ist das nicht schlimm?!“, beendete Sascha den Satz fragend. Genau das hatte er eigentlich sagen wollen. Aber es war falsch, das wusste er. Natürlich war es schlimm. Er hatte sich ja selbst eben aufgeregt, schließlich war Leah erst 17. Was für ein Glück das er selbst nicht schwanger werden konnte. Da blieb den Männern wohl so einiges erspart.
 

„Jaa.. doch, schon...“, druckste er herum. Was sollte er denn dazu sagen?! Leah war es doch! Doch nicht er! Warum fragte Sascha ihn das alles?!

„Okay, egal“, beendete sein bester Freund schließlich das Thema, ehe er anfing zu grinsen, um die Stimmung aufzuheitern. „Anderes Thema, damit wir damit nicht den ganzen Tag verbringen: Bekomme ich heute noch irgendein Geschenk von dir?!“
 

Noah lachte kurz, ehe er mit den Schultern zuckte. „Lass dich überraschen“, antwortete er grinsend. Vielleicht hätte er ihm einfach sagen sollen, dass er nichts hatte, sonst musste er ihm das nachher beichten und es würde immer später und später werden, während Sascha wohl noch immer Hoffnung hatte. Doch auch er hatte immer noch Hoffnung, dass er noch irgendwie an ein Geschenk kam. Doch musste er erst einmal überlegen, was er ihm überhaupt schenken wollte. Er wusste nicht einmal einen Bereich. Wäre es Leah, würde er ihr Extentions, Directions oder Make-Up kaufen; das war nicht schwierig zu entscheiden.

Aber er hatte Sascha so lange nicht mehr gesehen, er wusste gar nicht, was sein ehemals bester Freund jetzt so mochte. Er hatte damals geskatet, aber er wusste nicht, ob er das immer noch tat oder vielleicht wieder wollte; deswegen brachte es auch nichts, wenn er ihm etwas zum Skaten schenkte, denn das würde er vielleicht gar nicht gebrauchen. Es sollte nach drei Jahren ja auch kein Geschenk sein, was dann für immer im Schrank verschwand.
 

„Du... hast keins, oder?“, fragte Sascha vorsichtig. Er könnte ja falsch liegen und er sagte ungern etwas Falsches so bestimmt.

„Wir... können irgendwann in die Stadt gehen, ich kauf' dir irgendwas Schönes als ein nachträgliches Geschenk“, sagte er schnell, um sich irgendwie herauszureden. Lachend legte der Braunhaarige einen Arm um den Jüngeren. „Mach' dir nichts draus“, meinte er grinsend. „Wir werden schon irgendwas finden, was als Geschenk zählt. Ich bin... schon froh, wenn du einfach nur bei mir bist.“
 

Ja, darüber war er auch froh. Jetzt konnten sie den Geburtstag endlich mal wieder zusammen verbringen. Nach so 'vielen' getrennten Geburtstagen, war das auch unbedingt wieder einmal nötig. Schließlich waren die Tage immer wundervoll gewesen.

An Sasches 11. Geburtstag, zum Beispiel, hatte er bei ihm übernachtet. Sie wollten reinfeiern, hatten aber nicht lange genug durchgehalten, sodass sie den Anfang des Tages verpasst hatten. Als Noah am Morgen dann endlich wach wurde, war Sascha schon längst dabei, die Geschenke seiner Eltern auszupacken und die Post zu öffnen, so lange hatte er geschlafen. Aber der Tag war noch gut geworden, da sie einfach nur irgendwelche dämlichen, kindischen Spiele gespielt hatten, danach einige Filme geschaut hatten, ehe sie wieder nebeneinander eingeschlafen waren. Noch einige Zeit früher hatten sie noch zusammen in Saschas oder Noahs Bett schlafen dürfen. Ihre Eltern hatten es ihnen verboten, obwohl er erst vor einiger Zeit verstanden hatte, warum das eigentlich so gewesen war. Aber dennoch ist der andere dann nicht ins Bett gegangen, sondern der 'Gastgeber', ob nun er oder Sascha, hatte sich jedes Mal ebenfalls eine Matratze geholte, damit sie zusammen auf dem Boden liegen konnte. Irgendwie hatten sie es immer geschafft, diese sinnlosen Regeln zu umgehen.

Diese Regeln haben sie zwar zur Trennung gebracht, aber letztendlich hatten sie sie dorthin gebracht, wo sie jetzt waren: Dass sie einander nur allzu sehr vermisst hatten und sich auch auf irgendeine Art und Weise liebten. Das konnte Noah auch von Sascha sagen, denn er wusste, dass das auf jeden Fall so war.

Oder?

Er wollte nicht falsch liegen. Er wollte, dass Sascha ihn auch vermisst hatte, wollte, dass alles wieder so wie früher wurde. Dass er ihn anfassen konnte.. dass er ihm näher kommen konnte, als jeder andere.
 

Endlich bei Saschas Wohnung, oder leider immer noch der Wohnung seiner Eltern, angekommen, folgte er ihm durch den Flur und gleich in das eigene Zimmer. Waren seine Eltern überhaupt da? Sonst brauchten sie sich doch nicht beeilen. Aber schon als Sascha sich gegen die geschlossene Tür lehnte, hatte er seine Antwort. „Spatz, bist du wieder da?“, hörte er eine weibliche Stimme. Er konnte sich nicht mehr erinnern, ob das jetzt wirklich seine Mutter war, aber es sah ja alles danach aus. „Ja, Mum“, antwortete sein bester Freund dann auch, während er seine Jacke auszog und diese auf das Sofa, welches gleich an der linken Wand stand, warf.
 

„Meine Mutter sollte lieber nicht erfahren, dass du hier bist...“, sagte er leise und setzte sich auf das gemachte Bett, rückte nach hinten in die Ecke mit den vielen Kissen und lehnte sich zurück. „Sie hat das Ganze vor drei Jahren bestimmt nicht vergessen... Und sie würde sich auch bestimmt nicht, ein weiteres Mal davon abhalten lassen, uns zu trennen...“ Da Sascha sehr in Gedanken versunken schien, wollte Noah ihn auch lieber nicht unterbrechen. Stattdessen setzte er sich vorsichtig auf die Bettkante und sah sich im Zimmer um. Er wollte schließlich wissen, was sich bei seinem ehemals besten Freund im Laufe der Jahre, die sie sich nicht gesehen hatten, angesammelt hatte.
 

Etwas Interessantes hatte er tatsächlich schnell gefunden. „Sammelst du die?“, fragte er lächelnd, während er aufstand und zu einem Regal hinüber ging, auf dem Dosen eines Energy-Drinks standen, jedoch immer nur eine von jeder Sorte. Dabei dachte er, er wäre süchtig nach diesen Getränken, aber Sascha schien es auch zu sein.
 

„So ungefähr ja“, antwortete er grinsend und richtete sich etwas auf. Die Kissen waren wohl doch 'zu' weich. „Ich wollte von jeder Sorte eine Dose habe. Mehr aber auch nicht.“

„Was ist mit anderen.. Marken?“, fragte Noah nach. Von anderen Marken gab es schließlich auch unterschiedliche Sorten, die dort doch sicher noch gut zupassen würden.

„Ich werd' mal sehen“, meinte der Braunhaarige grinsend, ehe er ihn wieder zu sich winkte.
 

„Soll ich den Kuchen holen?“ Nach einem Nicken als Antwort stand Sascha auf, um aus dem Zimmer zu gehen. Nur wenige Momente später kam er schon mit dem ganzen Tablett ins Zimmer. An Getränke hatte er auch gedacht. Allerdings tatsächlich ohne Alkohol. War aber vielleicht auch besser so.
 

Als Noah sah, dass sie wohl gleich einen Film gucken wollte, viel ihm ganz plötzlich wieder der Geburtstag ein, an dem sie den Film „Ice Age“ geguckt hatten. Aber wann das jetzt war, wusste er auch nicht mehr.

„Weißt du noch? Als wir das mit dem Eichhörnchen geguckt haben?“, sagte er grinsend, während Sascha sich etwas verwirrt zu ihm umdrehte. „Dieses.. Ice Age..“

„Ja, genau!“, fiel der Andere ihm lachend ins Wort. „Wir haben den dritten Teil. Gucken wir den?“
 

Sie beide wussten, dass diese Reihe nicht besonders anspruchsvoll war. Aber trotzdem mit Erinnerungen bestückt. Und diese wollte Sascha scheinbar – und hoffentlich – zusammen weiter fortführen.

Er kam aus dem Wohnzimmer mit der DVD wieder, legte sie in den Player, der an den Fernseher angeschlossen war, bevor er sich mit den Fernbedienungen zu Noah setzte.
 

„Mir ist kalt...“, murmelte Noah möglichst leise; das gleiche hatte er damals auch gesagt. Er vernahm ein leises Lachen von seiner linken Seite. Konnte Sascha sich etwa daran erinnern?

Seine Hoffnungen wurden jedoch zerstört, als die Decke auf ihn flog. Im Gegensatz dazu hatte Sascha ihn damals in den Arm genommen. Das konnte er jetzt wohl vergessen.

Vielleicht wollte er das Risiko, wieder getrennt zu werden, einfach nur nicht eingehen. Ja, dann konnte Noah ihm verzeihen; das sollte er vielleicht auch. Doch diese Gedanken befreiten ihn trotzdem nicht aus seiner deprimierten Phase. Hoffentlich hing er darin nicht noch länger fest. Vielleicht sollte er auch einfach sagen, was er dachte. Das tat er doch sonst auch immer. Der Grund, warum solche Worte nicht einfach über seine Lippen kamen, war wohl der, dass es einfach Sascha war! Vielleicht traute er sich nicht so viel zu, vielleicht wollte er einfach nichts falsch machen. Das Risiko war einfach zu groß.
 

„Noah..“, hörte er Saschas ermahnende Stimme. Etwas überrascht schaute er ihm zu. Dachte er etwas schon wieder so auffällig?

„Zieh nicht so ein Gesicht, dabei kann ich mich nicht freuen..“, erklärte er, während er sich nun zu ihm drehte und die DVD stoppte. Es schien ihn wirklich zu interessieren.. Es schien ihm wirklich etwas zu bedeuten...!

„Und lass deine Lippe in Ruhe oder muss ich wieder andere Methoden anwenden?!“ Grinsend beugte sein Gegenüber sich vor, doch dadurch wirkte er auch nicht ernster oder bedrohlicher.

„Musst du wohl, ja“, forderte er, ebenfalls ging, heraus. Endlich hatte er etwas ohne Nachdenken sagen können. Da musste er endlich wieder hinkommen! Sonst versank er wieder in so einer Phase, in der er nach der Trennung steckte.

Saschas Gesicht.. seine Augen.. Es war noch alles genauso wunderschön wie damals. Am liebsten wollte er genau hier die Zeit anhalten, um ihn einfach nur weiterhin betrachten zu können. Um weiterhin in seinen Augen zu versinken, damit er an nichts denken musste, an gar nichts! Damit er einfach nur glücklich sein konnte. Oder um von seinen Lippen zu träumen. Von dem Geschmack und der Zärtlichkeit..
 

Allerdings dieser Moment hielt nicht ewig, nicht so lange, wie Noah es gern hätte. Doch überraschenderweise wurde er sogar noch besser, als Sascha sich nun wirklich zu ihm beugte, um von seinen Lippen zu kosten. Vielleicht hatte er ebenfalls das Bedürfnis, zu wissen, wie sich seine Lippen nach drei Jahren anfühlten.

Reflexartig drückte Noah sich ihm entgegen, um mehr von ihm zu spüren. Einen Moment erhielt Sascha den Kuss sogar aufrecht, ehe er seinen Kopf zur Seite drehte und etwas lachte. „Übertreib's nicht“, meinte er grinsend. Noah konnte seinen Blick auf sich spüren. Das war also doch eine dämliche Idee gewesen.. vielleicht hätte er es lassen sollen.

„Musst du.. mir immer alles kaputt machen?“, fragte er deprimiert, als er sich wieder aufrecht hinsetzte.

„Was heißt hier 'immer' und 'alles'?“, erwiderte Sascha irritiert. An seinem Blick konnte er erkennen, dass ihn diese Anschuldigung nicht freute. Irgendwie konnte er es nachvollziehen.

Werd' endlich selbstbewusster, sagte er sich innerlich und schloss kurz die Augen. Das musste er unbedingt werden. Seit Sascha wieder da war, traute er sich wirklich kaum noch etwas.
 

„Tut mir leid..“, sagte er dann, lächelte jedoch etwas. Er rückte näher zu seinem besten Freund, um die Knie rechts und links von dessen Oberschenkeln zu platzieren, sodass er breitbeinig auf seinem Schoß sitzen konnte. „Ich.. hatte mir diesen Moment nur länger erhofft..“, erklärte er grinsend, während eine Hand bereits über Saschas Wange strich.

Er hatte eh nicht mehr viel zu verlieren, da konnte er ruhig alles wagen wie damals. Wenn er Glück hatte, trug es sogar zum Positiven bei. Mit viel Glück.
 

Gerade als er Saschas Lippen wieder auf seinen spürte, hörte er, wie sich die Tür hinter ihm öffnete. „Sascha? Das..-“

Ertappt hielt Noah in seiner Bewegung inne. „Fuck..“, murmelte er und nahm sein linkes Bein sofort wieder zurück, um sich neben Sascha gegen die Wand zu lehnen. Niemand konnte verleugnen, was gerade geschehen war, aber vielleicht.. konnten sie es für Saschas Mutter irgendwie.. schön reden.

„Was ist?!“, fragte der Braunhaarige seine Mutter genervt. Die Blicke konnte Noah nicht deuten, da er Angst hatte, sie könnte ihn wiedererkennen.

„Das könnte ich viel eher dich fragen! Was soll das denn bitte?!“, fuhr sie ihn erbost an.

„Es ist mein Geburtstag, ich bin alt genug, kann machen was ich will-“

„Aber nicht, wenn du hier unter meinem Dach wohnst!“, unterbrach die bereits hysterische Frau ihn sofort. „Wenn das dein Vater erfährt...“

„Was dann, hm?!“, warf er sofort ein und stand auf. Soviel bekam Noah noch mit, da das Bett auf seiner rechten seine nachgab. „Und was soll er schon erfahren?! Dass ich genauso wie du lieber Männer ficke?! Wow, stell dir vor, wir haben etwas gemeinsam!“

Überrascht musste der Schwarzhaarige nun doch den Kopf heben. Hatte Sascha das gerade wirklich gesagt? Vielleicht meinte er es auch nicht ernst, weil er sich gerade mit seiner Mutter stritt.. Doch.. sollte es so sein.. hatte er immer noch die beste Chance.

Kopfschüttelnd drehte die Frau sich um. „Ein Mädchen wartet unten.“
 

„Leah?“, fragte er Sascha gleich, doch dieser hatte wohl schon längst vergessen, dass er bei ihm saß. Wäre Sascha noch aufgebrachter gewesen, hätte er ihn wahrscheinlich sogar ohne Grund angezickt.

Ein langer Atemzug reichte, damit er sich wieder etwas beruhigte. „Ich werd' sie holen.“ Bevor er die Tür öffnen konnte, erschien Leah auch schon selbst im Türrahmen. „Bin ich zu spät?“, fragte sie grinsend und wedelte mit dem Umschlag in der Hand herum.

„Nein, zu früh!“, zischte Noah, biss sich aber gleich darauf auf die Unterlippe. So hatte das nicht klingen sollen.. Er hätte seinen Freund nur noch gern eine Weile länger für sich gehabt.

„Nicht..“, flüsterte Sascha und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Lippen, damit er diese von seinen Zähnen befreite.
 

Erst jetzt schien Leah die ganze Situation zu verstehen. Grinsend kam sie auf ihn zu. „Du wirst sicherlich noch genug.. Spaß mit ihm haben.“

„Leah, nein.. bitte...“ Sascha war immer nur sein bester Freund, das sollte auch weiterhin so bleiben. Wenn irgendetwas zwischen ihnen entstand, es aber nicht so gut lief, könnten sie sich nie wieder in die Augen sehen. Es sollte lieber alles so bleiben, wie es war, damit hatten sie es vorher auch immer geschafft; so war es immer gut gewesen. Selbst wenn sie nur beste Freunde waren, konnten sie doch alles machen, was sie wollten. Einen Kuss würde er jederzeit bekommen. Die Liebe durfte nur nicht stärker werden.. sie durften nur nicht mehr zueinander empfinden..
 

„So, mein Geschenk?!“, lenkte Sascha vom Thema ab und streckte die Arme nach dem Umschlag aus. Sofort ließ Leah das hellblaue Papier in seine Hände fallen. „Was zum selbst kaufen“, erklärte sie, sodass klar war, dass sich nur Geld darin befand. „Das Bier habe ich zuhause, das wollte ich lieber nicht mit zu deiner... Mutter nehmen.“ Das war wahrscheinlich auch besser so, sonst rastete die wieder aus.

Sascha lachte etwas, als er Leahs Erklärung hörte, während er den Umschlag öffnete. „Wir könnten... alle zu dir“, schlug er vor, ehe er Leah kurz umarmte. „Vielen Dank.“

Bei Leah wäre es eindeutig besser! Ihre Mutter sah eh alles total gelassen, da konnten sie machen, was sie wollten.

„Klar, warum nicht?!“, sagte das Mädchen sofort und sah jeden an. Da Sascha und er sich bereits ohne Worte verstanden, musste er bei dessen fragenden Blick nur kurz lächeln. „Okay, machen wir“, antwortete er dann auch schon sofort. „Dann können wir auch gleich bei dir übernachten, oder?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er bereits zu seinem Schrank, um die Tasche herauszuholen. „Natürlich. Als würdet ihr betrunken noch nach Hause wollen“, grinste Leah und setzte sich zu ihm auf das Bett, während sie Sascha beobachteten.
 

„Soll ich.. für dich was einpacken?“, fragte er Noah und drehte sich kurz zu ihm. Stimmt, bei sich wollte er ungern noch vorbei. Zudem waren Saschas Klamotten viel einladender. „Gern..“, antwortete er lächelnd. Vielleicht klang das gerade etwas zu verliebt, aber damit würde er schon klarkommen.

„Solange es meine Klamotten sind..“, murmelte Sascha grinsend, während er einige Klamotten heraussuchte.

„Nur zu gern.“
 

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Der Regenwurm meldet sich dann mal zu Wort..~

Entschuldigt die Fehler, aber ich habe echt die ganze Nacht noch dran gegessen, um es fertig zu stellen, nachdem ich gesehen, wie viele diese Geschichte doch favorisiert haben. Da war ich euch echt was schuldig. :3

Vielen Dank. ♥



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