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Dualität

Roderich x Gilbert
von

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Ein Schritt vorwärts, zwei zurück

Ein lautes Klopfen riss Gilbert aus dem Traumland. Er spürte wie Balduin neben ihm den Kopf hob und höchstwahrscheinlich die Ohren spitzte. Erneut klopfte es, lauter als zuvor. Mit einem einzelnen Grunzen drehte der Weißhaarige sich um und zog die Decke über sein Kopf. Stickige Luft begrüßte ihn, umgarnte ihn und zog ihn nach und nach in einen Dämmerzustand zurück.

Angenehme Wärme...

Plötzlich verschwand sein selbst erschaffener Panzer. Ein kalter Windstoß fegte über ihn hinweg und Gilbert saß kerzengerade im Bett.

„Was in Fritzs' Namen?!“, fluchte er, wobei er seine Körperteile schützend zusammenzog.

„Einen guten Morgen.“

Der ehemalige Preuße stöhnte genervt auf. Unbegeistert schaute er zu Roderich hinüber, der neben seinem Bett stand und gerade seine geheiligte Decke zusammen faltete.

„Schmeißt du mich gerade aus dem Bett?“

„Du hast erneut das Offensichtliche erkannt, ich bin beeindruckt.“

Gilbert knirschte mit den Zähnen, ballte die Fäuste und zählte bis zwanzig, bevor er erneut einen Versuch startete mit den Österreicher zu reden, anstatt ihn mit seinem imaginären Drachenfeuer zu verbrennen.

„Warum um Himmels Willen übernimmst du die Aufgabe eines beschissenen Weckers, den ich nicht einmal eingestellt habe?“

Roderich war fertig mit dem Zusammenlegen und wuchtete die Decke jetzt ans Ende des Betts. Es musste eine Ewigkeit her sein, dass seine Decke so ausgesehen hatte...

„Es ist Morgen, deswegen“, antwortete der Braunhaarige schließlich, als er sich auch schon wieder dem Fenster zuwendete.

„Morgen?“

Fragend fiel Gilberts Blick auf seinen digitalen, statt lebenden Wecker. Was er dort sah, ließ ihn nur noch mehr kochen.

„Es ist gerade Mal zehn Uhr morgens! Willst du mich vera – Ah!“

Grelles Licht flutete ins Zimmer, nachdem Roderich die schweren Vorhänge an die Seite gezogen hatte.

„Bist du bekloppt? Mach die wieder zu!“, keifte er den Aristokraten an, wobei er dem Miststück namens Quadrat zur Außenwelt den Rücken zudrehte.

„Denk an deine Wortwahl“, war das Einzige, was der Österreicher erwidert. Miteinmal gab es ein Klicken und Klacken und bevor es passierte, wusste Gilbert schon, was kommen würde.

Kühle Morgenluft strömte durch das geöffnete Fenster.

Sein Kopfkissen packend und damit seinen Kopf begrabend, jammerte Gilbert auf.

„Sklaventreiber! Pussy! Pusteblume!“

Hinter sich hörte er Roderich seufzen.

„Es wundert mich ehrlich gesagt, wie du es geschafft hast, deine Kriege nicht zu verschlafen mit so einer fahrlässigen Einstellung.“

„Ach, geh doch Salzburger Nockerln scheißen!“

Ein missfallendes Schnauben.

„Achte auf deinen Umgangston.“

„Ich muss nicht -“, das laute Knurren seines Magens ließ ihn inne halten in seinem Ausbruch. Langsam zog Gilbert das Kopfkissen wieder weg und starrte angefressen zu Roderich, der nur fragend eine Augenbraue hob.

„Ist das Frühstück fertig?“

Der Österreicher atmete tief ein.

„Natürlich.“

„Mit Würstchen und Senf?“

Ungläubige schaute ihn Roderich über den Rand seiner Brillengläser hinweg an.

„Oh man...“, schwungvoll rollte der Weißhaarige sich an den Rand des Bettes und stand auf.

„Das du dir nach all den Jahren noch immer nicht gemerkt hast, dass ich morgens gerne deftig esse...“

Bevor Gilbert sich überhaupt im Klaren gewesen war, was er gesagt hatte, waren die Worte schon aus seinem Mund gepurzelt. Kurz hielt er inne, sein Herz schlug schneller.

„Wie auch immer...“, sagte er hastig und verließ den Raum, flüchtete förmlich, nur um den Anderen keine Zeit zu lassen, womöglich irgendein bösartiges Kommentar dazu zu geben.

Was Gilbert nicht bemerkte, da er sich nicht zu Roderich umdrehte, war dessen schuldbewusster Ausdruck, dass er tatsächlich vergessen hatte, wie der Andere sein Frühstück mochte.
 

„Du hast mich also nur geweckt, damit ich dich auf den Markt bringe...“

Roderich rückte seine Brille zurecht, wobei er Balduins Hundeschnauze aus seinem Blickfeld schob.

„Nein. Ich habe dich geweckt, damit du aus dem Haus kommst und nicht den ganzen Tag vor dem Kasten sitzt.“

Ungläubig schaute Gilbert zu dem Anderen hinüber.

„Ja, klar...“, gluckste belustigt, dann konzentrierte er sich wieder auf die holprige Straße vor sich.

„Erklärt auch, warum du erst Abends gekommen bist.“

„Bitte?“

„Na, du bist was Orientierung angeht, immer noch wie ein Fisch auf dem Trockenen.“

Auf seine eigene Worte hin, musste Gilbert herzhaft lachen, wogegen Roderich nur beleidigt schnaubte und so etwas wie „völliger Unsinn“ und „Kindskopf“ nuschelte.

Dann herrschte Stille, nur Balduins Hecheln oder Wimmern unterbrach sie hin und wieder.

Anders als mit Ludwig, Antonio oder Francis war Gilbert diese Stille unangenehm. Manchmal schwiegen sie einfach, nachdem sie stundenlang geredet hatten oder gerade einen spannenden Film schauten. Hin und wieder saßen sie auch im Garten auf der Bank, jeder ein Bier oder Wein in der Hand und genossen den Abendhimmel einer Sommernacht.

Doch mit Roderich war es eine völlig neue Stille. Gilbert fiel kein Thema ein über das sie reden konnten, noch wollte er wirklich mit den Anderen reden. Zu tief saß einfach die Wut in seinen Knochen.

Unsicher warf er einen schnellen Seitenblick zu Roderich. Dieser starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Möglicherweise versuchte er sich auch nur den Weg zu merken, um nachher nach Hause zu fahren. Bei den Gedanken musste der Weißhaarige schmunzeln. Das erinnerte ihn an die Zeit, als der Österreicher ihn einmal einen Bergsee gezeigt hatte und sie danach stundenlang im Wald umhergeirrt waren, auf der Suche nach Zivilisation. Schlussendlich hatten sie unter freien Himmel, aneinander gedrückt, geschlafen. Es war die Nacht gewesen, in der Roderich ihm zum ersten Mal geküsst hatte...

Das Lächeln erstarb in Gilberts Gesicht und ein fetter Kloß bildete sich in seinem Hals.

Nein, Roderich und er hatten sich nichts mehr zu sagen.

Um den Mantel der Stille zu durchbrechen, griff er jetzt nach dem Radio und schaltete es ein. Sofort schallte ihm deutsche Schlagermusik entgegen. Ludwig und sein merkwürdiger Musikgeschmack...wie alt war der Junge? In seinem jungen Alter von etwa 100 und ein paar Gequetschte sollte man so etwas nicht hören. Gnadenlos änderte er den Sender. Jetzt schlug ihm irgendein spanischer Schnulzensong entgegen. Wann war Antonio in seinem Auto gewesen? Genervt wechselte er erneut den Sender, wobei er die nächste Kurve etwas zu grob nahm, was Roderich aufmerksam werden ließ. Nun ertönte Opernmusik vom Feinsten aus dem Elektrogerät. Gab es wirklich Leute, die sich das anhörten? Gilbert bezweifelte es stark. Ein letztes Mal schaltete er einen anderen Sender ein. Endlich erfreuten die Klänge eines anständigen Lieds seine Ohren.

„I'm beautiful in my way, cause god makes no mistakes! I'm on the right track, baby, I was born this way!“, sang er fröhlich mit. Jetzt wandte Roderich ihm komplett zu. Gilbert grinste ihn nur kurz an und hob seine Stimme noch ein Stückchen an.

„A different lover is not a sin, believe capital H-I-M! I love my life, I love this record and L'amour a besoin la foi!“

Der Aristokrat schüttelte nur fassungslos den Kopf und Gilbert musste lachen.

Er hatte fast vergessen, wie angenehm es war, Roderich mit solchen simplen Dingen, wie seinem schlechten Gesang, zu nerven.

Als Balduin dann mit seinem Hundegesang miteinstimmte, war die Welt für einen Moment in Ordnung und Gilbert meinte sogar, ein schwaches Lächeln auf den Lippen des Aristokraten gesehen zu haben.
 

„Wie wäre es mit Schnitzel?“

„Nein.“

„Filet?“

„Nein.“

„Hackbraten?“

„Nein...“

„Hähnchen?“

Ungläubig drehte Roderich zu Gilbert um, der die ganze Zeit hinter dem Anderen her geschlendert war.

„Was?“, fragte er auf den Blick hin, vergrub seine Hände noch tiefer in den Taschen, weil es ihn irritierte, wie er angesehen wurde.

„Denkst du eigentlich nur an Fleisch?“

„Öhm...“, Gilbert zuckte unverständlich die Schultern, „...Fleisch ist immer gut?“

Roderich starrte ihn einige Sekunden schweigend an, dann schüttelte er nur ungläubig den Kopf.

„Unglaublich...“

„H-Hey! Fleisch ist nun einmal gut!“, versuchte er sich zu verteidigen und lief abermals Roderich als Windschatten hinter her.

„Es ist unglaublich fettig.“

„Nicht Hühnchen!“

„Auch Hühnchen!“

Gilbert brummte genervt, blieb kurz stehen, um sich nach Balduin umzudrehen, der jetzt ein paar Blumen mit Wasser beglückte.

„Also wirklich!“, pfiff Roderich hinter ihm los. Gilbert wandte sich zu ihn um und zuckte erneut lässig mit den Schultern.

„Lass ihn doch.“

„Deine Erziehung ist einmalig“, erwiderte der Braunhaarige trocken.

„Danke, ich weiß, wie großartig sie ist.“

Der Österreicher nuschelte irgendwas und setzte dann kopfschüttelnd seinen Weg fort. Eilig folgte ihm Gilbert, ebenso Balduin.

Jetzt lief er neben dem Größeren her.

„Wann hast du das letzte Mal Gemüse gegessen?“

Verwundert schaute er Roderich an, dieser erwiderte jetzt den Blick. Rasch wich Gilbert den violetten Augen aus und beobachtete Balduin, der jetzt einige Meter vor ihnen lief.

„Keine Ahnung...achte da nicht so drauf.“

„Wann hast du das letzte Mal nichts Tiefgefrorenes gegessen?“

„Ich...was weiß ich! Wen interessiert es?“

Aus dem Augenwinkel sah er, wie Roderich nur den Kopf schüttelte.

„Kein Wunder, dass du so kränklich aussiehst.“

Bitte was? Überrascht schaute er zu dem Anderen hinüber, aber dieser musterte nur die Stände an den sie vorbeigingen. Hatte er das gerade richtig verstanden? War da Sorge gewesen?

„Der Markt ist wirklich voll“, nuschelte Roderich jetzt, als er erneut anfing sich durch einige Menschen zu drängeln, die ebenfalls an diesem Morgen auf dem Wochenmarkt einkaufen gingen.

Nein, er musste sich verhört haben. Roderich hatte sich noch nie Sorgen um ihn gemacht.

Heute nicht und damals erst Recht nicht.

Eine kalte Schnauze stupste ihn an. Lächelnd ging er in die Hocke und streichelte Balduin über den Kopf.

Zumindest konnte Gilbert sich nicht erinnern, dass Roderich sich Sorgen um ihn gemacht hatte, ob es stimmte, würde für immer eine der tausend unbeantworteten Fragen sein, die er an ihn hatte.
 

„Fisch! Ist das dein Ernst?!“

Aufgebracht wechselte Gilbert holpernd in den nächsten Gang.

„Fisch ist gesund“, erwiderte Roderich nur unbeeindruckt.

„Ist mir egal ob er gesund ist oder den Frieden auf Erden bringt. Ich will Fleisch essen!“

„Fisch ist Fleisch...“

„Für Robben! Bin ich ein Robbe, oder was?“

„Denkbar wäre es bei deinen Schlafgewohnheiten.“

„Haha, wie witzig wir heute doch wieder sind. Ich falle gleich tot um vor Lachen.“

„...“

Plötzlich schaute ihn Roderich mit einem durchdringenden Blick an, dass es Gilbert kalt den Rücken runter lief.

„Sag das nicht“, obwohl die Stimme des Österreichers gelassen war, schwang ein drohender Unterton mit, den der Weißhaarige nicht wirklich deuten konnte.

„Was nicht sagen? Das du so lustig wie eine alte Dame mit künstlichem Gebiss bist?“

„Ich meine das Ernst, Gilbert.“

Es war das erste Mal seitdem er ihn wegen des Aussprechen seines Namens angeschrien hatte, dass er ihn wieder benutzte. Mit einen unangenehmen Ziehen im Magen knurrte der Weißhaarige nur.

„Was auch immer...“

„Nichts was auch immer! Das ist kein Thema über das du Scherze treiben solltest!“

Gilbert zuckte zusammen, weil Roderich so laut geworden war. Völlig perplex schaute er den Aristokraten an, der ihn wütend in Grund und Boden starrte.

„Ich...“

Er hatte absolut keine Ahnung, was er sagen sollte. Das einzige Mal, dass Gilbert Roderich so aufgebracht gesehen hatte, ohne das er es hinter seiner eisernen Maske verbarg, war gewesen, als er Ludwig zum ersten Mal an die Front geschickt hatte.

Einen Moment schauten sie sich nur an. Roderich Blicks wurde mit einem Mal traurig und müde, so als hätte er einen sehr langen Marsch hinter sich, der mit Toten gepflastert gewesen war.

„Damals dachte ich du wärst...“, fing er leise, fast gebrochen an.

Weiter kam der Braunhaarige nicht. Plötzlich bellte Balduin. Verwirrt wandte Gilbert sich seinem Hund zu, dann realisierte er, dass er noch immer am Steuer saß und das Gaspedal durchdrückte.

„Pass auf!“, schrie Roderich.

Sein Kopf schellte nach vorne. Gerade noch so registrierte er irgendwas Großes auf der Straße, bevor er es auf die Haube nahm. Ein harter Ruck, ein dumpfer Aufschlag, noch ein Knall und es war verschwunden. Panisch drückte er auf die Bremsen. Laut quietschend und schleudern, hielt das Auto nach mehreren Metern ruckartig an.

Balduin fiepte, während Gilbert stoßartig nach Atem rang und das Lenkrad so verkrampft festhielt, als würde sein Leben davon abhängen. Roderich war der Erste, der sich wieder rührte.

„Ich glaube du hast etwas getötet.“

„Wirklich? Ist ja was ganz Neues für mich.“

Es sollte nicht so bissig klingen, jedoch konnte Gilbert nur schwer den Schock mit Roderichs unnötigen Worten verdauen.

Sie beide saßen da und starrten aus dem Autofenster. Nach einigen weiteren Minuten, war es erneut der Österreicher, der das Wort ergriff.

„Wir sollten nachschauen gehen.“

„Willst du das wirklich sehen?“

Ein tiefes Räuspern und Gilbert hob abwehrend die Hände.

„Jaja, schon gut...“

Mit wackeligen Beinen stieg er aus dem Auto. Es war nicht so, dass er es nicht gewohnt war zu töten, jedoch nicht im Ruhestand und erst gar nicht mit 70 Kilometer die Stunde.

Nach einem prüfenden Blick zur Seite stellt er fest, dass auch Roderich alles andere als ruhig schien.

Vorsichtig näherten sie sich dem Ding, was dort lag.

„Du zuerst“, flüsterte Gilbert und stellte sich hinter dem Braunhaarigen. Dieser sah ihn vorwurfsvoll an.

„Ist ja gut...“

Schwer schluckend trat der Weißhaarige an das Bündel heran, das etwas Abseits im Graben gelandet war.

Gilberts Herz blieb für einen Moment stehen.

„Scheiße...“

Jetzt trat Roderich neben ihm und zog scharf die Luft ein.

„Das kann nicht...“

Sie Beide sahen sich an und zum ersten Mal waren sie sich nach Jahrhunderten wieder einig. Nicht gerade ein Fortschritt, wie Gilbert empfand, wenn man bedachte, dass sie allem Anschein nach gerade eine Nation umgebracht hatten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Inukashi
2013-09-25T19:48:23+00:00 25.09.2013 21:48
Uhn...welche Nation den? Wen haben sie überfahren? O.O
Ich bin neugierig! xD
Von:  Sternenschwester
2012-05-10T15:25:40+00:00 10.05.2012 17:25
salute, wollte nur mal nachfragen ob du vor hast diese Fanfic irgendwann mal weiter zu führen?
Wäre schade wenn nicht , da sie bis hier her dir wirklich gut gelungen ist.
lg, Sternenschwester


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