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Küssen verboten

Francis x Antonio
von

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Leicht zu bekommen, schwer zu vergessen

Anmerkung:

Es kommen einige spanische, französische unt italienische Wörter/Sätze vor, die ich am Ende der FF als Lexika aufgelistet habe. Ich hoffe es ist nicht zu umständlich, doch ich denke, die meisten kann man sich aus dem Kontext erschließen.

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„Heiratest du mich, wenn wir erwachsen sind, Antonio?“

Der Spanier schaute ihn verdutzt an, dann strahlte er mit der Sonne um die Wette.

„Natürlich!“

„Versprochen?“

„¡Sí! ¡Porque amo a ti!“
 

„Kinder sind naiv“, sagte der Franzose, schwang nachdenklich den Rotwein im Glas umher. Plötzlich durchbohrte ihn ein strahlendes Meer aus Blau, als Francis aufsah.

„Du bist es immer noch.“
 


 

„...entschuldigen wir uns für die Turbulenzen. Wir wünschen Ihnen noch weiterhin einen angenehmen Flug.“

Antonio blinzelte, versuchte zu verstehen, was die freundliche Frauenstimme zu ihm sagte und woher sie kam. Es dauerte einige Sekunden bis der Spanier sich zurecht fand und ihm das Licht nicht mehr blendete.

Er befand sich auf seinen Platz im Flugzeug nach Hause. Allem Anschein war er eingeschlafen, jedoch hatte ihn die Turbulenzen aufgeweckt. Müde fuhr er sich durch seine Haare und sank zurück in seinen Sitz.

Was für ein sonderbarer Traum...was für eine unangenehme Erinnerung...

Sein Blick wanderte aus dem Flugzeugfenster, hinab auf die Welt unter sich. Er konnte direkt auf eine dichte Wolkendecke schauen, in der gerade ein Gewitter tobte. Hin und wieder gab es auch Stellen, wo er noch weiter auf die Erde schauen und kleine Lichter von Städten ausmachen konnte.

Was für ein widersprüchliches Bild.

Wenn er jetzt auf der Erde stehen und in den Himmel zum Gewitter blicken würde, dann würde er sich klein und unbedeutend fühlen. Doch hier oben, thronend darüber, war er sich keinerlei Gefahr bewusst.

Seufzend wandte er sich ab, legte einen seiner Oberarme über sein Gesicht. Solche Gedanken passte nicht zu ihm. Antonio war kein Philosoph und erst recht kein großer Denker. Doch in letzter Zeit plagten ihn dunkle Wolken, die seine Sonne verdeckten.

Eigentlich hatte er sich erhofft ein Besuch bei Francis würde alle Zweifel verschwinden lassen, deswegen war er nach Frankreich geflogen.

Mit Francis konnte er über alles reden.

Zumindest dachte er das bis vor wenigen Stunden. Ein Anruf, ein Wort und schon war der Franzose mit seinem Besuch einverstanden gewesen. Keine Fragen, kein Zögern, der Blonde stimmte immer zu, freute sich, wenn er zu Besuch kam.

So war das unter Freunden.

Der Franzose hatte ihn mit offenen Armen empfangen, ihn warm an sich gedrückt und für Antonio war die Welt heil und in Ordnung gewesen, so wie sie es zu sein pflegte, wenn er Francis traf. Sie hatten über dies und jenes Belanglose geredet, ein paar Witze gerissen und manchmal schweigsam, aber zufrieden, der Musik im Autoradio gelauscht.

Bei Francis angekommen, hatte er seine Sache in die Ecke geschmissen und sie waren in die Küche gegangen. Dort hatte er den Schwärmereien und fachkundigen Erzählungen über neue Weinsorten gelauscht, hin und wieder belanglose, inhaltslose Fragen gestellt und schließlich mindestens zehn Weine probiert.

Alles war so gewesen, wie es immer war.

Schließlich hatten sie nebeneinander gesessen, einen Arm von Francis um seine Schulter und dessen süßlichen Duft, vermischt mit dem des süßen Weines in der Nase.

Antonio verstand bis jetzt nicht, was falsch gelaufen war.
 

„Was bedrückt dich, mon cher ami?“, hatte ihn Francis gefragt, strich dabei mit seiner Nasenspitze durch Antonios Haare.

Er hatte geseufzt. „Lovino.“

Francis hatte in seiner Bewegung angehalten.

„Was ist mit ihm?“

Warum hatte er den genervten Ton in des Franzosen Stimme nicht bemerkt?

„¡El amor, Francis. El amor!“

Er hatte gehickst, sein Weinglas zweifelnd angeschaut. Zu viel des Guten. Zu viel von allem.

Der Arm des Franzosen war verschwunden und sofort hatte er dessen Nähe vermisst.

„In wen?“, hatte Francis gefragt, nicht neugierig, sondern vorsichtig, wie ein Seiltänzer ohne Sicherheitsschnur.

Antonio hatte nur mit den Schultern gezuckt.

„Wollte er nicht verraten.“

„Wo ist dann das Problem?“

„Er will das ich ihm richtig küssen beibringe.“

Neben ihm hatte Francis scharf die Luft eingezogen. Einige Sekunden hatten sie geschwiegen, schließlich war es der Franzose mit finsterer Stimme gewesen, der die Stille gebrochen hatte.

„Hast du es ihm gezeigt?“

Gerne gab er zu, dass er nicht wirklich über seine Antwort nachgedacht hatte, aber die Reaktion des Blonden darauf hatte er auch nicht erwartet.

„Ja.“

Laut krachend war das Rotweinglas des Franzosen umgekippt, hatte Blut auf die weißen Fliesen geschüttet. Eine Hand hatte ihm am Kragen gepackt, hatte ihn hart nach rechts gezogen. Zu sehr überrascht über die plötzliche Handlungen des Blonden, hatte Antonio ihn nur dümmlich angeschaut.

Zum ersten Mal hatte er blanke Wut und eine tiefe Verzweiflung in Francis Gesicht gesehen.

„L'aimez-vous?“

„¿Eh, sí?“

Natürlich hatte er mit Ja geantwortet. Er liebte Lovino über alles. Der Italiener war seine “pequeño tomato“. Deswegen verstand er nicht, was er falsches gesagt hatte. Warum hatte seine Antwort Francis so in Rage gebracht?

Dieser hatte ihn so hart weggestoßen, dass er rücklings vom Stuhl gefallen war. Für einen Moment hatte sich seine Welt gedreht und er hatte schon befürchtet sich zu übergeben. Als alles wieder stillgestanden hatte, hatte er verständnislos zum Franzosen aufgeschaut.

„Francis?“

Dieser hatte nach der Weinflasche gegriffen, um sein Glas erneut aufzufüllen.

„Francis? Was habe ich getan?“

Doch der Franzose hatte nur geschwiegen. Wackelig hatte Antonio sich wieder aufgerichtet, hatte nach dem Arm des Franzosen gegriffen. Irgendwas hatte ihm in diesen Augenblick so Angst eingejagt, dass er gefürchtet hatte, wenn er jetzt nicht nach dem Franzosen griff, dass dieser einfach vor seinen Augen verschwinden würden.

„Francis!“ Hatte er laut, panisch und aufgebracht den Namen des Blonden geschrien, obwohl dieser nicht einmal einen Meter von ihm entfernt gesessen hatte.

Endlich hatte sich der Franzosen dann erbarmt, etwas zu sagen.

„Kinder sind naiv“, sagte der Franzose, schwang nachdenklich den Rotwein im Glas umher. Plötzlich durchbohrte ihn ein strahlendes Meer aus Blau, als Francis aufsah.

„Du bist es immer noch.“
 

Antonio ließ den Arm sinken, starrte dumpf an die Decke des Flugzeuges. Sein Kopf schmerzte fürchterlich und die leisen Gespräche der Passagiere waren wie Eispickel auf seinen Zähnen.

Nach diesem Gespräch mit Francis, hatte er ihn samt seinem Zeug ohne ein weiteres Wort aus dem Haus geschmissen. Wie er es überhaupt bis zum Flughafen und ins Flugzeug geschafft hatte, war selbst für den Spanier ein Rätsel.

Erschöpft wanderte sein Blick erneut aus dem Fenster.

Es hatte Zeiten gegeben, in denen Francis und er Streit gehabt hatten. Doch dieses Mal fühlte es sich anders an. Dieses Mal erschien es ihm nicht wie eine Rauferei unter Kindern, wo man dem anderen solange haute, bis ihm ein Zahn fehlte und man ihm dann zur Versöhnung Schokolade kaufte.

Plötzlich gab es einen heftigen Ruck, der Antonios Magen zum Rumoren brachte. Übel von dem unangenehmen Flug und den nun lauter werdenden Stimme, schloss er die Augen.

Er wusste nicht einmal mit was er Francis so verärgert hatte. Was war an seinen Antworten denn so schlimm gewesen?

Erneut gab es ein Auf und Ab, welches ihm beinahe um den Verstand brachte.

Was es auch gewesen war, was den Franzosen so aufgebracht hatte, Antonio wusste nur, dass es ihm Sorge bereitete.

Der Gedanke, dass Francis in hasste, war schlimmer als die Übelkeit, die ihn plagte. Schlimmer, als wenn Lovino ihn verlassen würde.

Schlimmer, als wenn die Welt unterginge.
 


 

Nervös schritt Antonio den Waldweg zu Gilberts Haus entlang. Über ihm raschelten die Baumkronen und warfen ein faszinierendes Lichtspiel auf die Erde. Von überall her konnte er Vögel singen hören und hier und dort raschelte etwas in den Büschen. Der ehemalige Preuße konnte sich glücklich schätzen, hier mit seinem Bruder zu leben.

Doch momentan ließ den Spanier die Schönheit des Ortes kalt. Seine Gedanken drehten sich allein um das Treffen, welches ihm bevor stand.

Alle vier Monaten, wenn es funktionierte, trafen Gilbert, Francis und er sich. Sie waren Freunde, auch nach den letzten Jahren, die Keile zwischen sie getrieben hatten. Besonders die Beziehung zwischen Gilbert und Francis war auf eine harte Probe gestellt worden. Doch als der Weißhaarige damals vor ihnen gestanden hatte, ausgemergelt, erschöpft und seinem damaligen Lebensgeister beraubt, war es der Franzose gewesen, der ihn ohne Zögern in die Arme geschlossen und ein: „Schön dich wieder zu haben“, gesagt hatte. Daraufhin war Gilbert in Tränen ausgebrochen und Francis hatte ihn solange gehalten, bis dieser wieder Herr über seine Gefühle gewesen war.

Das liebte er so sehr am Blonden. Dessen unglaubliche Güte. Harte Schale, weicher Kern.

Eigentlich freute sich Antonio immer über ihre all viermonatige Treffen, jetzt jedoch war er so aufgewühlt, wie schon lange nicht mehr.

Nachdem Francis ihn vor drei Wochen aus seinem Haus geschmissen hatte, hatten sie keinen Kontakt mehr gehabt. Er hatte es nicht gewagt ihn anzurufen, eine E-Mail oder SMS zu senden. Ob Francis überhaupt kommen würde? Gilbert hatte nichts dergleichen erwähnt...Und was nützte ein Treffen zu dritt, wenn nur feststand, dass zwei kämen? Nur was sagte er dann zum Franzosen? Sollte er sich ihm über ganz normal verhalten? Ob dieser noch immer auf ihn wütend war?

Antonio raufte sich die Haare und seufzte theatralisch. Sein Kopf war so viel denken einfach nicht gewohnt!

Ein mulmiges Gefühl im Bauch tragend, legte er die letzten Meter zurück und klopfte an der Tür der ungleichen, deutschen Brüder.
 

„Dann habe ich ihm gesagt, dass er unmöglich diese Farbenkombination tragen könnte. Das wäre, wie ein Sinfonieorchester ohne zweit Violinen.“ Daraufhin lachte Francis leicht, so als hätte er gerade den besten Witz der Welt gerissen. Roderich neben ihm lächelte leicht, allem Anschein ebenso amüsiert und nippte leicht an seinem Wein.

„Doch wohl eher wie ein Kammerorchester mit zehn Bratschen.“ Zur Erwiderung kicherte Francis leicht.

Antonio runzelte nur die Stirn und hatte keinerlei Ahnung über was die beide redeten, noch was so lustig war, irgendwelche Violinen wegzulassen und Bratschen hinzuzufügen. Gilbert neben ihm knurrte nur leicht. Der Weißhaarige war völlig genervt von den Beiden, wobei wohl eher vom Österreicher, als vom Franzosen.

Er hätte vieles erwartet, aber damit hatte auch er nicht gerechnet. Gilbert hatte nicht erwähnt, dass Roderich bei ihm eingezogen war. Dementsprechend war er etwas verwirrt gewesen, als dieser ihn geöffnet hatte. Dennoch war er erleichtert gewesen, Francis anzutreffen, auch wenn dieser nicht mehr als eine kühle Begrüßung für ihn übrig gehabt hatte.

Schließlich nach einem kurzen Gespräch mit Roderich war er hier auf dem Sofa gelandet, hatte von Gilbert ein Bier in die Hand bekommen und seitdem lauschten sie der Unterhaltung des Österreichers und des Franzosen.

Francis schien es gut zu gehen und sich prächtig zu amüsieren. Manchmal fragte sich Antonio, ob er dem Anderen zu dumm und ungebildet war. Er könnte niemals mit Francis über Orchester reden. Dabei schien es ihm wirklich zu gefallen...ob er so etwas mal lernen sollte?

Plötzlich stand Gilbert auf, packte ihm am Arm und zog ihn mit sich. Ohne Protest ließ er sich einfach mit in die Küche zerren. Dort angekommen, atmete Gilbert verärgert aus. Der Weißhaarige schien vor Wut zu kochen.

„Kotzt mich das an!“, beschwerte er sich, öffnete den Kühlschrank und kramte erneut nach einem Bier. Antonio zählte gedanklich schon das siebte und das neunte für Gilbert.

„Roderich?“, fragte er nach, als er das Bier in die Hand bekam.

„Jop“, antwortete Gilbert und sie stießen an, als wäre es das wert – und das war es wahrscheinlich auch. Lässig lehnte Antonio sich an die Theke, kaum eine Sekunde später tat es ihm Gilbert gleich.

„Wie lange ist er schon hier?“

Der ehemalige Preuße zuckte mit den Schultern. „'ne Woche? Zwei? Kommt mir auf jeden Fall wie eine Ewigkeit vor.“

Antonio erinnerte sich noch gut daran, dass Gilbert und Roderich nie die einfachste Beziehung zueinander hatten. Der Andere hatte ihm zwar nie verraten, was genau vor so vielen Jahrzehnten vorgefallen war, aber er erkannte es, wenn jemandem das Herz gebrochen wurde. Wenn man eins lernte, dann wie man Herzen brach. Deshalb machte er sich auch so Sorgen um Lovino. Er wollte nicht, dass man ihm das Herz brach, da ging einfach sein Beschützerinstinkt mit ihm durch. Doch irgendwann wurden sie alle erwachsen und mussten wohl diese Erfahrung machen...

Freundschaftlich legte Antonio Gilbert einen Arm um die Schulter, zog ihn näher zu sich.

„¡No te preocupes, celebrar el día y vivir la noche!”

Zuerst schaute ihn Gilbert dumpf an, dann lachte er lauthals los und Antonios Herz ging auf. Es tat so gut einen seiner besten Freunde so lachen zu sehen.

Nachdem sich Gilbert endlich beruhigt hatte, tranken sie in friedlicher Eintracht ihr Bier, bis Gilbert entschied, doch ein Thema anzuschlagen.

“Sag mal, haben du und Goldlöckchen Streit?”

Beinahe verschluckte Antonio sich.

“Nun...weiß nicht so direkt”, verlegen kratzte er sich am Hinterkopf.

Gilbert schaute ihn nur zweifelnd an. “Was heißt hier: “Weiß nicht so direkt?”

Der Spanier zuckte mit den Schultern. “Er hat mich letztens aus seinem Haus geschmissen und seitdem reden wir nicht.”

“Dumpfbacke!” Der Weißhaarige verpasste ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. “Mal was von reden gehört?”

“Aua! Ja, ja! Es ist nur so....”, er stoppte, wie sollte er das nur erklären? Wie sollte er seine Angst vor Zurückweisung deutlich machen? Das er einfach Angst davor hatte, etwas aus Francis Mund zu hören, was ihn definitiv unglücklich machen würde.

“Es ist was?”, hakte Gilbert ungeduldig nach.

“Ich verstehe einfach nicht ganz, warum er plötzlich so wütend geworden ist.”

“Über was habt ihr denn gelabert?”

“Nun...”, Antonio legte den Kopf leicht schief, “...über Lovino...und das ich ihn küssen beigebracht habe.”

Fast hätte sein Freund sein Bier wieder ausgespuckt. “Du hast was?!”

Merkwürdigerweise ließ Gilberts Reaktion ihn rot werden. Normalerweise war Antonio nie irgendwas peinlich, besonders nicht solche Dinge. Verlegen kratzte er sich an der Nasenspitze.

“Küssen...hast du Ludwig das nicht beigebracht?”

Jetzt war es an Gilbert der rot wie eine Tomate wurde.

“Wa-Nein! Nein!”, rascht nahm er ein großen Schluck Bier und auch Antonio wandte sich dem alkoholischen Getränk zu.

Schließlich war es Gilbert, der die peinliche Stille brach.

„Kannst du überhaupt küssen?“

„Hm? Klar...denke.“

Gilbert sah ihn zweifelnd an, dann kicherte er gehässig. Antonio zog einen Schmollmund.

„Du glaubst mir nicht?“

„Natürlich nicht! Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals mit irgendwem herumgeknutscht hast!“

„Das ist kein Argument. Dich habe ich auch nie mit wem küssen sehen“, erwiderte Antonio nur lächelnd, worauf Gilbert sein Lachen verging. Jedoch grinste dieser dann überheblich.

„Ich kann es. Ich bin großartig.“

Jetzt beugte Antonio sich hinüber zum Weißhaarigen.

„Beweise es, amigo“, raunte er ihm ins Ohr. Zuerst sah ihn Gilbert verwundert an, dann lächelte er nur siegessicher.

„Mit Vergnügen.“

Es war ein Spaß, mehr nicht. Das wussten sie Beide, als ihre Lippen sich trafen. Es erinnerte Antonio an ihre Kindheit, wo sie Wettpissen und Größenvergleiche gemacht hatten. Der Kuss hatte für sie keinerlei Bedeutung, war allein ein Schabernack ihres betrunkenen Gemüts.

Deswegen war die Unterbrechung dessen, wie ein Blitzschlag. Ohne Vorwarnung packte ihn jemand am Kragen und zog ihn unsanft von Gilbert weg.

Antonio blinzelte ein paar Mal, als er erkannte, wer ihn da weggezogen hatte. Vor ihm stand Francis, der alles andere als glücklich aussah. Wenn Antonio genauer hinsah, würde er sagen, dass der Franzose ein brodelnder Kessel war, der kurz vor der Explosion stand.

„Francis?“, fragte er naiv nach und es schien das Fass zum Überlaufen zu bringen.

„Putain!“

Im nächsten Moment schleuderte ihn Francis den Inhalt seines Weinglases ins Gesicht. Völlig überrumpelt, starrte Antonio den Franzosen nur ungläubig an. Dieser drehte auf den Absatz um und marschierte davon. Von Rotwein tropfend, schaute Antonio nur auf die Stelle, wo Francis eben gestanden hatte, dann blickte er zu Gilbert, der genauso verdutzt drein schaute.

„Was war das denn?“, fragte er schließlich.

Doch darauf wusste Antonio abermals keine Antwort. Alles was er wusste war, dass Francis noch wütender auf ihn war, als er es ohnehin schon schien.

Antonio spürte, wie jemand geradewegs über sein Grab trampelte.
 


 

Unmotiviert rollte Antonio sich auf den Bauch, vergrub sein Gesicht in seinem Kissen. Sekundenlang lag er so, bis er sich in eine seitliche Position begab. Unruhig blieb er auch in dieser nicht besonders lange und legte sich auf den Rücken. Fünf Herzschläge später setzte er sich auf, seufzte und fuhr sich durch die Haare.

Müde wanderten seine Augen zu dem Ziffernblatt seines Weckers. Es war gerade mal sieben Uhr morgens. Viel zu früh für seinen Geschmack

„¡Cielo, culo y hilo!”

Energisch ließ er sich wieder zurück in sein weiches Bett fallen und versuchte erneut krampfhaft ein Auge zu zu bekommen. Vergeblich, wie er nach einer weiteren halben Stunde feststellte.

Aufgebend stand der Spanier endlich auf und schlenderte in die Küche, um etwas zu frühstücken und für Lovino schon einmal seinen Saft zu pressen.

Kraftlos schlürfte Antonio schon an seinen dritten Kaffee, als der Italiener endlich den Raum betrat und ihn überrascht ansah.

„Du bist schon wach?“, dabei fiel Lovinos Blick auf die Wanduhr.

„Ja...“

Der Jüngere schaute ihn abschätzend an, dann knurrte er genervt. Mit einer fließenden Bewegung verpasste er ihm einen Schlag auf den Hinterkopf, so dass sich Antonio seine Zunge am heißen Kaffee verbrannte.

„Stupido! Reiß dich endlich zusammen! Du bist erbärmlich, Tomatenfresse!“

Antonio seufzte nur schwer.

„Ich kann nicht dafür, es liegt an der Sache mit Francis. Er ist so wütend auf mich und ich verstehe nicht wieso....“, der Spanier ließ den Kopf auf den Tisch sinken, „...es tut weh, Lovi. Mein ganzer Körper fühlt sich schwer und mein Herz schlägt nicht mehr richtig, es ist wie gelähmt.“

Seit dem Vorfall bei Gilbert waren zwei Wochen vergangen, in denen er versucht hatte, Francis zu erreichen, jedoch vergeblich. Der Franzose hatte ihn permanent ignoriert. Antonio wusste nicht ein, noch aus. Was war nur passiert? Was hatte er verpasst? Wieso konnte ihm das keiner erklären?

„Hey, Antonio“, fing Lovino mit einem sonderbaren Ton in der Stimme an, der ihn aufschauen ließ. Die Mimik des Italieners sprach von bloßer Verwunderung und so etwas wie Erkenntnis zugleich.

„Kann es sein, dass du in-“, weiter kam der Jüngere nicht, da in diesen Augenblick das Telefon klingelte.

Antonio erhob sich, da Lovino niemals ans Telefon ging.

„Keine Pläne für heute! Du hast mir versprochen bei meinem Problem zu helfen, Stronzo!“, rief ihm der Italiener hinter her.

„Sí, sí...“, nuschelte Antonio, als er schon den Hörer abnahm.

„Carriedo?“

„Ich bin es, Francis.“

Antonio Herz machte ein Purzelbaum. Vor Nervosität griff der Spanier auch noch mit der zweiten Hand nach dem Hörer, so als könne er damit verhindern, dass der Andere sofort wieder auflegte.

„Francis! Ich, öhm, wie...uh, was ma.., was gibtsdnwiegehtsn, urgh!?“

Innerlich schlug Antonio sich selbst für sein großartiges Vokabular und seiner grandiosen Aussprache. Dennoch gewann er dafür ein sanftes Kicher vom Franzosen, was ihm das Herz aufgehen ließ. Ihm war es jedes dumme Wort der Welt wert, wenn er nur solche Reaktionen vom Blonden bekam.

„Schon auf? Ich hätte eher l'amour Lovino erwartet.“

„Ihr telefoniert, wenn ich schlafe?“

„Ab und zu.“

Antonio wusste nicht warum, aber merkwürdigerweise gefiel ihm diese Gedanke nicht. Er hatte nichts dagegen, dass die Beiden gut miteinander auskamen, es ging viel mehr um die Tatsache, dass Francis mit Lovino, anstatt mit ihm telefonierte, wenn er anrief.

Verwirrt über seine eigenen Gefühle runzelte er die Stirn und schüttelte den Kopf, so als könne er damit die Empfindungen los werden.

„Das wusste ich nicht...“

„Du weißt so vieles nicht, Tony“, erwiderte Francis leicht verbittet. Unweigerlich zuckte der Spanier zusammen.

„Du lebst schon solange und dennoch gehst du blind durch die Welt. Ein Kind im pays de rêve.“

„.....warum bist du so wütend, Francis?“

Der Franzose schnaubte abfällig am anderem Ende der Leitung.

„Weil das Leben manchmal einen nicht das gibt, was es einem verspricht.“

Francis klang dabei so traurig, dass es ihm beinahe das Herz zerbrach. Am liebsten würde er ihn jetzt fest in die Arme schließen und ihn alles Glück, was für Antonio war, an den Franzosen weitergeben, nur um ihn wieder lächeln zu sehen.

„Désolé, Tony. Gib mir Zeit, dann wird es wieder gehen.“

Antonio wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Sollte er widersprechen oder gar zustimmen? Wo lag überhaupt der Wurm im Apfel bei Francis?

„Wie verbringst du heute den deinen Tag?“, fragte mit einmal der Andere nach. Ohne darüber nachzudenken, antwortete er automatisch – und bereute es nur eine Sekunde später.

„Nur mit Lovino das Date planen.“

Eine Stille entstand und dem Spanier war sofort bewusst, dass er schon wieder was Falsches gesagt hatte.

„Jetzt reicht es mir“, brummte die vor Ärger gefüllte Stimme, die einen kalten Schauer Antonios Rücken runter jagte.

„Francis, was-?“

„Wage es ja nicht, irgendwas Dummes zu tun, bevor ich da bin!“

Ohne noch die Chance zu bekommen, zu fragen, was er damit meinte, ertönte ein lautes Tuten, was die Unterbrechung der Verbindung signalisierte.

Verzweifelt starrte Antonio den Hörer an.

Was in Gottesnamen hatte er jetzt schon wieder angestellt?
 

Unruhig wusch Antonio schon zum fünften Mal die Tomate in seiner Hand. Immer wieder schweifte sein Blick zur Küchenuhr, wo die Stunden sich wie Kaugummi zogen. Vor etwa einer Stunde hatte er Lovino auf Wiedersehen gesagt und ihm viel Glück bei seinem Date gewünscht.

Jetzt machte er sich die ganze Zeit Sorgen um ihn. Ob alles gut ging?

Und dann war da noch Francis. Zwar hatte er versucht ihn zu erreichen, jedoch erfolglos. War der Franzose tatsächlich auf dem Weg zu ihm?

Die ganze Zeit spukte ihm das Gespräch im Kopf herum. Immer wieder kaute er es durch, nahm die anderen Gespräche der letzten Zeit mit dazu, aber alles ergab nur ein riesiges Knäul in seinem Kopf, was er einfach nicht zu entflechten vermocht.

Gedankenverloren begann er die Tomate ein siebtes Mal zu waschen.

Wieso war er nur so nervös? Was fürchtete er denn? Es war immerhin nur Francis. Ein sehr zorniger Francis...aber es blieb Francis. Sie waren Freunde, niemals würde er ihm was antun. Aber bis vor wenigen Wochen hatte er auch nie daran gedacht, einmal Rotwein vom Franzosen ins Gesicht geschüttet zu bekommen.

So in seiner eigenen Welt bemerkte er nicht, wie jemand die Küche betrat und sich an ihn heran schlich.

Plötzlich wurde er am Kragen gepackt.

„¡¿Qué demonios?!”, rief er überrascht. Bevor er sich wehren konnte, wurde er rücklings gegen den Küchentisch gestoßen, am Haarschopf gepackt und geküsst.

Vor Schreck weiteten sich seine Augen und zuerst rührte er sich überhaupt nicht. Dann nahm er blondes Haar wahr und ein bekannter Duft stieg ihn in seine Nase.

Vor ihm stand der leibhaftige Francis Bonnefoy und küsste ihn.

Antonios ganzer Körper fing an zu kribbeln, zerquetschte die Tomate in seiner Hand und sein Magen machte eine hundertachtziggrad Drehung.

Da verschwanden Francis Lippen von seinen, wobei dieser ihn leicht gehetzt und benebelt anschaute. Sie Beide starrten sich an, bis Francis atmelos endlich anfing zu sprechen.

„Ich war all die Jahre geduldig, mon ami. Aber jetzt, wo du deine Küsse verteilst, als wären sie im Sonderangebot, sagt mir mein edles Gemüt, dass ich langsam ein Patent festlegen sollte.“

Auf Francis Worte hin, wurde Antonio rot um die Ohren.

„Bitte, was?“

Der Blonde beugte sich wieder näher zu ihm herunter, konnte seine Hände an seiner Hüfte spüren. Sofort fing das elektrische Kribbeln wieder an, was so fremd und gleichzeitig so gut war.

„Deine Küsse sollen allein mir gehören, Antonio“, raunte ihn Francis an und der Spanier wusste nicht mehr, wo ihm der Kopf stand.

Bevor er noch weiter fragen konnte, waren Francis Lippen erneut auf seinen. Zuerst zögernd, dann energischer erwiderte er den Kuss. Dabei war es ihnen egal, dass Antonio Francis den Tomatensaft in die Haare schmierte oder das der Wasserhahn immer noch lief.

Alles was zählte, waren ihre Lippen aufeinander.
 


 

„Antonio?“

„Ja?“

„Auch wenn man in einer Beziehung ist, küsst man sich noch, nicht wahr?“

Der Spanier legte nachdenklich den Kopf schief.

„Sicher. Warum fragst du?“

Provokativ rückte der Franzose näher an ihn heran.

„Dann küss mich doch!“

Darauf lachte der Spanier nur hell. Schließlich beugte er sich zum Franzosen hinüber.

„All meine Küsse werden nur dir allein gehören, el amor de mi vida.“

Antonio küsste Francis auf die Wange, auf die Stirn, auf die Nasenspitze und schlussendlich leicht auf die Lippen.

„Alle Küsse dieser Welt nur für dich.“
 


 

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¡Sí! ¡Porque amo a ti! = sp. Weil ich dich sehr gern habe

Mon cher ami = frz. Mein lieber Freund

El amor = sp. Die Liebe

L'aimez-vous? = frz. Liebst du ihn?

Pequeño tomato = sp. Kleine Tomate

No te preocupes, celebrar el día y vivir la noche! = sp.Keine Sorge, feier den Tag und lebe die Nacht

Amigo = sp. Freund

Putain = frz. Hure

¡Cielo, culo y hilo! = sp. Himmel, Arsch und Zwirn!

Stupido = itl. Dummkopf

Spagnia = itl. Spanien

Stronzo = itl. Arschloch

Pays de rêve = frz. Traumland

Désolé = frz. Tut mir Leid

¡¿Qué demonios?! = sp. Was zur Hölle?!

El amor de mi vida = sp. Liebe meines Lebens



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