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Torn

von

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Nakama

Warmes Sonnenlicht erhellte das Zimmer. Sanfter Wind wogte durch das Fenster herein. Quirlige Vögelchen kündigten zwitschernd den neuen Tag an. Verflucht sollten sie sein, konnte er nicht einfach nur seine Ruhe haben? Unzufrieden brummte der Jounin, dessen Nacht viel zu kurz gewesen war. Er unterdrückte den Drang, seinen Kopf unter dem Kissen zu vergraben, um so sämtliche Störenfriede auszublenden und in Ruhe weiterschlummern zu können. Verdammter Ninjaschlaf, der selten sehr tief war. Antrainiertes konnte man leider nicht spontan ablegen und so extrem war seine Erschöpfung nicht gewesen. Noch etwas benommen streckte sich Kakashi und zwang sich auf die Füße. Er hatte schließlich aller morgendlichen Trägheit zum Trotz eine Pflicht zu erfüllen. Im Haus war keine andere Chakraquelle zu spüren, also schlief Sasuke nicht. Warum auch...
 

Eigentlich hätte er ihn nicht allein lassen dürfen, aber er wollte ihm ein bisschen Zeit geben, sich zu sortieren. Wenn er sogar Tsunades Befehl missachtete, brauchte er das sicher auch. Denn bislang war Sasuke jedem Befehl gefolgt. Er hatte sogar trotz seiner Wut Tsunade gegenüber um Erlaubnis gefragt, Kibou wegbringen zu können. Auf seine eigene Weise...
 

Nachdem Kakashi sämtliche Handgriffe abgeschlossen hatte, die zum traditionellen Beginn eines Morgens gehörten, verließ er das Badezimmer und begab sich auf die Suche nach seinem Schutzbefohlenen. Kakashi hoffte inständig und entgegen jeglicher Vernunft, dass sich Sasukes Gemüt über Nacht ein wenig entspannt hatte. Dabei schien seine Wut das kleinste Problem zu sein, die war gestern Nacht schon nahezu nicht mehr vorhanden gewesen. Und selbst mit dem offensichtlichen Misstrauen, das Kakashi am meisten stach, war es noch nicht getan. Auf Sasuke schien ein Druck zu lasten, dessen Ursache bisher noch keinem im Dorf klar war. Druck, der sich immer mehr erhöhte und langsam zu viel zu werden schien. Nur wie sollte Kakashi helfen, wenn der Uchiha ihm nicht vertraute. Ein Teufelskreis in Reinform.
 

Der Anblick, der sich dem Jounin im Wohnzimmer bot, trug nichts dazu bei, seine Stimmung zu heben: Sasuke, der zusammengekrümmt über einem dicken Buch brütete. Kakashi runzelte die Stirn. Was brachte ihn dazu, so dermaßen angespannt ein Buch zu lesen? Wenn man das überhaupt noch als Lesen bezeichnen konnte... Trotz der Müdigkeit, die Sasuke ins Gesicht geschrieben stand, wirkte er viel zu wachsam. Nahezu überkonzentriert. Seine Augen schossen hektisch hin und her, während sie offenbar versuchten, den Inhalt der Seiten möglichst schnell zu erfassen. Diese langandauernde Routine wurde jedoch ab und zu von einem angestrengten Blinzeln unterbrochen und das vermutlich nicht nur wegen des offensichtlichen Schlafmangels.
 

"Was liest du da?", fragte Kakashi ehrlich interessiert. Die gehetzten Augen stoppten und ihr Besitzer hob langsam den Kopf, bis sie ihr neues Ziel erfassten. Und sagte nichts. Mit jeder weiteren Sekunde des Schweigens lud sich die Atmosphäre weiter auf und auch die Antwort, die nach einer gefühlten Ewigkeit doch noch erfolgte, konnte nichts zu ihrer Entspannung beitragen.
 

"Chakrakontrolle."
 

"Mh?"
 

"Ein Buch meines Clans über Chakrakontrolle", sagte Sasuke mit leicht genervtem Unterton. Offensichtlich war es ihm zuwider, diese Information zu teilen.
 

"Warum beschäftigst du dich damit?"
 

"Ich kann nicht trainieren, also arbeite ich an der Theorie." Kakashi sah Sasuke skeptisch an, entschied sich aber, vorerst nichts zu dieser merkwürdigen Aussage zu sagen.
 

"Im Garten ist doch genug Platz für einen Trainingskampf ohne Jutsu." Dieser Satz schien die ohnehin schon angespannte Atmosphäre noch mehr zu strapazieren und so sparte sich der Jounin die Anmerkung, dass man Chakrakontrolle doch überall trainieren konnte. Sasuke schaute scheinbar gelassen in sein Buch zurück, aber anhand der Tatsache, dass er ohne zu blinzeln einen einzigen Punkt fixierte, erkannte Kakashi, dass er entweder gerade in seinen Gedanken verloren war oder fieberhaft überlegte. Aufgrund der Grundstimmung im Raum tippte der Jounin auf letzteres. Nur warum?
 

"Ich würde lieber nicht auf diesem Grundstück kämpfen." Die Aussage war zumindest zur Hälfte wahr, überlegte Kakashi. Sonst würde Sasuke nachts nicht so weit weg von seinem Haus trainieren und das unerwünschte Risiko eingehen, dabei beobachtet oder gar gestört zu werden. Dennoch schrie die Äußerung geradezu nach einer Lüge. Sasuke kannte sich mit der Theorie der Chakrakontrolle gut aus, Kakashi selbst hatte sie ihm beigebracht. Außerdem würde er sich nicht so drängend mit dieser Materie auseinandersetzen, was Kakashis Neugier nur noch mehr anfachte. Nach außen hin gelangweilt holte er sein "Icha Icha Paradise" aus seiner Waffentasche, blätterte eine markierte Seite auf und wandte sich ein letztes Mal seinem Schüler zu.
 

"Dann wird das wohl ein gemütlicher Lektürevormittag", sagte er mit leicht ironischem Unterton und setzte sich Sasuke gegenüber an den Tisch. Doch sein heißgeliebtes Buch lieferte ihm ausnahmsweise nur einen Vorwand, denn er würdigte es keines konzentrierten Blickes. Der huschte immer wieder knapp über den Seitenrand hinaus zu dem Buch, das ihm gegenüberlag und in dessen Lektüre Sasuke so vertieft war, dass er diese Spähversuche nicht bemerkte. Vielleicht wollte er sie auch nicht bemerken. Allerdings hatte er das Buch etwas über die Tischkante angekippt, sodass Kakashi nur eine mitgenommene Oberkante sehen, aber keine der wahrscheinlich schon angegilbten Seiten genauer erkennen konnte. Wohl aber sah er die in Konzentration halb zusammengekniffenen Lider und fragte sich, wonach genau Sasuke suchte. Denn eines war bereits klar geworden: Er las die Seiten nicht komplett, sondern überflog sie nur kurz. Scannte ihren Inhalt und bewertete ihn. Zielstrebig. Nützliches schien das Buch aber nicht zu enthalten, denn mit jeder Minute, die verging, wurden die Falten auf Sasukes gerunzelter Stirn tiefer.
 

Kakashi wusste nicht, wie viel Zeit genau vergangen war, als Sasuke schlussendlich sein Buch zuklappte und es offensichtlich unzufrieden wegbrachte. Was er nun aber wusste, war, dass sein Schüler fieberhaft nach etwas suchte. Gemessen an der Geschwindigkeit, die er eben an den Tag gelegt hatte, hatte Sasuke diesen dicken Wälzer im Laufe des Morgens, vermutlich schon in der Nacht, bis zur Hälfte unter die Lupe genommen. Und er wirkte nicht so, als sei seine Suche schon beendet. Was hatte das zu bedeuten? Wäre es nicht wichtig, wäre Sasuke nicht mit solchen Feuereifer dabei. Und es musste mehr als wichtig sein, wenn es ihm sogar egal war, dass sein Sensei ihn beim Lesen sah, obwohl er keine Information über das Buch teilen wollte. Wenn er sogar vergaß, seine Mimik im Zaum zu halten...Und das, obwohl er Kakashi des Themas wegen angelogen oder zumindest nur sehr spärlich informiert hatte. Kakashi glaubte nicht, dass er das nur getan hatte, weil sich Sasuke verraten fühlte und ihm momentan pauschal misstraute. Nein, hier schien ein ernstes Problem vorzuliegen. Eins, das er vor allen anderen verbarg und von dem er glaubte, es auch vor seinem Sensei geheim halten zu können. Hätte er ihm sonst so eine billige Ausrede aufgetischt? Womit er wieder bei der Frage nach dem Ursprung dieses neuerlich aufgekommenen Drucks gelandet war.
 

"Was hast du vor, Sasuke?", murmelte Kakashi, während er nachdenklich die Wohnzimmertür musterte, durch die sein Schüler vor wenigen Augenblicken verschwunden war. Als er Sasukes Chakra kurz spüren konnte, entschloss er sich, nachzusehen. Er bog in dieselbe Richtung ab und folgte dem Flur, bis er durch ein Fenster in den Garten sehen konnte und dort Sasuke vor Munen hocken sah. Daher also das kurze Aufflammen seines Chakra. Kakashi bekam gerade noch mit, wie das Vögelchen abweisend den Kopf schüttelte, dann wurde er auch schon von einem energischen Klopfen zur Tür bestellt. Das allein reichte dem Besuch offenkundig noch nicht, um auf sich aufmerksam zu machen, denn nur wenige Sekunden später ertönte auch schon ein lautes Rufen.
 

"SASUKE!!! Lass uns nicht den halben Tag vor der Tür stehen!" Kakashi schüttelte nur den Kopf. Was für ein typischer Widerspruch. Er brüllte hier ungehemmt herum, in dem Wissen, dass das dem Uchiha auf die Nerven gehen würde, war aber rücksichtsvoll genug, nicht einfach hereinzuschneien. Naruto würde irgendwann einmal ein sehr guter Hokage sein würde, aber bis dahin würde ihm jemand die Einsicht einhämmern müssen, dass ein Ninja nicht so laut sein durfte. Kaum hatte er das zuende gedacht, fragte er sich, ob er nicht vielleicht telepathische Fähigkeiten hatte, denn es war ein empörtes "AUTSCH" zu hören. Schmunzelnd öffnete Kakashi seinen beiden Schülern die Tür.
 

"Sakura-chan, das war echt nicht nötig", murmelte Naruto und rieb sich eine schmerzende Beule am Kopf. Sakura indessen wechselte spontan von wutschnaubend auf freundlich und begrüßte lächelnd ihren Sensei. Diese emotionale Sprunghaftigkeit konnte einem Angst machen.
 

"Hallo, Sensei. Wir haben alle Zutaten mitgebracht." Kakashi hatte darauf bestanden, dass Team 7 seine Mittagsroutine trotz der jüngsten Ereignisse beibehielt. Er wollte mit allen Mitteln verhindern, dass Sasuke eine Möglichkeit fand, sich ihnen wieder zu entfremden, auch wenn er offensichtlich nicht danach suchte.
 

"Ja, und wegen Teme können wir jetzt zwei Wochen lang nicht zu Ichiraku gehen, weil er nicht aus dem Haus darf."
 

"Niemand zwingt dich, hier zu essen, Usuratonkachi", erklang die ruhige Stimme Sasukes hinter Kakashi. Doch irgendwie, so kam es dem Jounin jedenfalls vor, war sie nicht so ruhig wie sie sein sollte. Was Munen Sasuke wohl gesagt hatte?
 

"Das nicht", lachte Naruto. "Aber dann müsste ich ja auf Sakura-chans Kochkünste verzichten." Diese Bemerkung brachte die Kunoichi dazu, auch wieder in Narutos Richtung zu lächeln.
 

"Hn", war die einzige Antwort, die Naruto erhielt, bevor er nur noch auf einen befächerten Rücken starren konnte.
 

"Hey, Sasuke!", rief Naruto, während er seine Schuhe auszog und sich beeilte, dem Angesprochenen hinterherzukommen. "Du könntest uns ruhig ein bisschen freundlicher reinbitten. Hast du schlechte Laune, weil du nicht trainieren kannst?" Kakashi hatte keine Lust, die Spannung von eben wiederaufkommen zu lassen, daher lenkte er schnell vom Thema ab, damit niemand ein Training im Uchihaviertel vorschlagen konnte.
 

"Du kennst doch Sasuke. Das ist keine schlechte Laune, das ist sein natürliches Verhalten", sagte der Jounin und lächelte in die entsprechende Richtung. Aber ein Blickkontakt blieb ihm verwehrt.
 

"Vorsicht, Sensei, Sie müssen hier noch zwei Wochen überleben", stichelte Naruto grinsend.
 

"Hört auf, Sasuke-kun zu ärgern", empörte sich Sakura. Doch dieser winkte nur ab und machte sich daran, allen einen Tee zuzubereiten. Die drei anderen Ninjas verteilten sich daraufhin in der Küche und begannen stillschweigend, das Mittagessen zuzubereiten. Bald schon erfüllte ein köstlicher Duft das Haus, während alle Anwesenden – sogar Kakashi, nach einem strengen Blick von Sakura – ihren Beitrag zum Mittagessen leisteten. Schließlich saßen sie gemeinsam am Tisch und nahmen schweigend ihr Mahl zu sich. Nach dem Essen war es Sakura, die das Schweigen durchbrach.
 

"Sag, Sasuke, wie geht es Kibou?" Das war ganz offensichtlich das falsche Thema, den Sasukes Blick verfinsterte sich umgehend.
 

"Weiß ich nicht." Kakashis Augenbraue wanderte skeptisch in die Höhe. Sasuke hatte doch vorhin mit Munen gesprochen. Sicher war er besorgt um seinen vertrauten Geist und hatte sich erkundigt? Alles andere würde nicht zu dem Verhalten passen, das Sasuke bis jetzt in Verbindung mit Kibou gezeigt hatte.
 

"Aber wieso, du musst dir doch Sorgen machen!", mischte sich Naruto ein. Sasuke starrte wütend in seine leere Schüssel.
 

"Ich kann ihn ja schlecht besuchen."
 

"Aber du kannst einen anderen Falken fragen und-" In diesem Moment verfluchte Sasuke Narutos Hartnäckigkeit. Musste er auch noch in der Wunde bohren, die ihm seit seinem Besuch bei den Falken zu schaffen machte?
 

"Nein, Naruto. Das kann ich nicht!", blockte Sasuke ab und bedachte Naruto mit einem Blick, der ihm deutlich sagte, dass er das Thema lieber auf sich beruhen lassen sollte.
 

"Na klar kannst du das. Du musst doch nur einen beschwören und dann-"
 

"Sagt er mir nichts. Und jetzt hör auf, mich zu nerven!" Der Blondschopf hingegen, wie er eben war, konnte das in seiner Bestürzung nicht einfach hinnehmen. Das war doch total unlogisch! Außerdem mussten vertraute Geister ihrem Meister doch gehorchen, oder? Andererseits, wenn er da an seine eigenen vertrauten Geister dachte, die tanzten ihm ziemlich auf der Nase herum. Und sie waren ja auch nicht seine Sklaven oder etwas in der Richtung. Sie hatten ihre eigene funktionierende Hierarchie. Und Narutos Wort würde niemals das einer ranghöheren Kröte aufwiegen. Wahrscheinlich war das bei den Falken genauso. Bestimmt hatte ihr Anführer den Falken das Wort verboten. Aber warum? Diese Frage konnte sich Naruto einfach nicht verkneifen.
 

"Warum denn das? Das ist doch grausam. Die müssen doch wissen, dass du dir Sorgen machst!"
 

"Das geht dich nichts an!", fauchte Sasuke verärgert. Der verletzte Blick Narutos entging ihm, da er aufstand und sich wegdrehte, was er wohl eher tat, um seine Abneigung dem Gesprächsthema gegenüber zu unterstreichen, als ihnen allen Tee nachzuschenken. Sakura schaute nicht minder betrübt in Richtung Sasuke wie Naruto. Wahrscheinlich rotierte eine einzige Frage in ihren beiden Köpfen: Warum war Sasuke manchmal so entschieden zurückweisend, wo sie doch schon solche Fortschritte gemacht hatten? Zwar waren ihnen die Ereignisse der letzten Nacht bewusst, aber damit hatten sie beide nichts zu tun. Und Sasuke hatte auch schon vorher bei einigen Dingen gnadenlos abgeblockt.
 

Was sie nicht sehen konnten, Kakashi aber schon, da er sich schon vor Sasuke erhoben hatte, war der grübelnde Blick, den sein Schüler auf dem Tee ruhen ließ, und die in die Teetassen gekrallten Hände. Kakashi wusste zwar nicht genau, ob der Ärger in Sasukes Stimme ausschließlich daher rührte, dass Naruto sich über sein stummes und später sehr verbales Verbot hinweggesetzt und weiter nachgebohrt hatte, doch er war sich sicher, dass diese abweisende Reaktion noch einen anderen Grund hatte. Naruto hatte seinem besten Freund geradeheraus unterstellt, dass dieser sich Sorgen machte. Natürlich war er auch verärgert, eben weil er sich Sorgen machte. Und das war etwas, was Sasuke sich nicht so einfach eingestehen konnte.
 

Sorge, Mitgefühl, Zuneigung. Das waren Empfindungen, die Sasuke immer besonders sorgfältig versteckte. Noch nicht einmal auf Missionen hatte Sasuke sie offen zeigen können. In Kämpfen hatte er immer nur verstohlene Blicke zu seinen Kameraden geworfen, um zu sehen, ob sie nicht vielleicht Probleme hatten. Er hatte Naruto immer von seinem Essen abgegeben, wenn dieser noch Hunger hatte, unter dem Vorwand, dass der Blondschopf hungrig nicht voll einsatzfähig sei. Er hatte Sakura Sachen abgenommen, wenn sie ihr zu schwer wurden, mit der Behauptung, dass sie sie sonst nur ausbremsen würde. Selbst als er sich vor Haku geworfen hatte, um Naruto mit seinem eigenen Körper zu schützen, hatte er seine Reaktion auf eben diesen geschoben. Er habe sich von alleine bewegt. Es habe keine Gründe dafür gegeben. Immer hatte er seine Fürsorge hinter ruppigen Kommentaren zu verbergen versucht. Kakashi war damals schon schmerzlich bewusst gewesen, dass Sasuke sich damit isolieren wollte, weil er sich nur als einsamen Rächer sehen konnte. Dieses Verhalten war eingebrannt, so leicht würde Sasuke das nicht abstellen können. Das konnte Kakashi aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Fürsorge immer noch da war. Und diese Fürsorge war es, so sehr sie auch immer getarnt war, die Kakashi dazu veranlasst hatte, nie den Glauben an seinen Schüler zu verlieren.
 

Kakashi hatte nie ein Team gewollt. Denn alle Genin, die frisch von der Akademie kamen, hatten alle dieselbe ungesunde Vorstellung, in welchen Nuancen sie sich auch immer ausprägte: Es war der Erfolg der Mission, der am wichtigsten war. Man durfte sich als Ninja keine Schande machen und musste den Auftrag auf jeden Fall erfüllen. Er schämte sich dafür, dass er als Kind auch so gedacht hatte, was seinen besten Freund das Leben gekostet hatte. Hier zwang er sich, nicht mehr daran zu denken. Immerhin würde er gleich sein neuestes Team treffen. Wieder eine Bande von Möchtegern-Shinobi. Er seufzte und schickte sich an, die Tür zu dem Klassenzimmer aufzuschieben, in dem seine zukünftigen Schützlinge auf ihn warteten. Auch wenn er schon einige Stunden zu spät dran war.
 

Er wusste bereits, dass er Naruto Uzumaki, den berüchtigten Spaßvogel in seinem Team hatte, aber einen solch undurchdachten Streich hatte er ihm nicht zugetraut. Es war in der Akademie üblich, die Türen immer geschlossen zu halten. Hatte der Kleine allen Ernstes gedacht, dass sich ein Jounin nicht über den auffälligen Spalt wundern würde, den die Tür offenstand? Er würde ihnen trotzdem den Gefallen tun und darauf hereinfallen. Seine Haare waren ohnehin schon grau, Kreide würde da nicht auffallen. Nein, so konnte er gleich mehrere Dinge testen. Zum einen, ob er dem vorlauten Bengel Unrecht tat, obwohl er es dem Uchiha-Jungen nicht zutraute und er bei einer Kunoichi generell ein zuvorkommenderes Verhalten vermuten würde. Der Täter würde sich schon durch seine Reaktion verraten. Noch viel wichtiger war allerdings, wie sie als Team auf einen Lehrer reagieren würde, der ganz offensichtlich nicht von ihrem ersten Eindruck angetan war.
 

Er schob also die Tür ganz auf und ließ den Schwamm auf seinem Kopf landen, was schallendes Gelächter im Raum verursachte. Also doch der Uzumakibengel... Trotz der Unverschämtheit war Kakashi ein bisschen beeindruckt. Normalerweise wollten Genin ihre zukünftigen Lehrer beeindrucken und einen möglichst guten Eindruck hinterlassen. Ganz offensichtlich war das dem immer noch hämisch grinsenden Jungen egal. Er riskierte sofort, wegen eines unbedeutenden Scherzes mit seinem neuen Sensei auf Kriegsfuß zu stehen. Interessanter Charakter.
 

Interessant waren auch die Reaktionen der beiden anderen Genin. Die rosahaarige Kunoichi, die sich eilig für das Handeln ihres Teammitgliedes entschuldigte, schien dem Geninprototyp nahezu vollkommen zu entsprechen. Sie stellte Naruto schlecht dar und versuchte sich selbst gutzustellen. Sie hatte zu viel Angst, schlecht dazustehen und war deshalb ein bisschen übereifrig. Wiederum sympathisch machte sie es, dass sie nicht ganz verbergen konnte, dass sie selbst amüsiert war. Das Mädchen war also nicht die perfekte Schülerin, als die sie sich verkaufen wollte. Zum Glück.
 

Der schwarzhaarige Junge versuchte den Eindruck zu vermitteln, dass ihn das alles nicht interessierte. Er starrte scheinbar grübelnd auf die Tischplatte, musterte Kakashi dabei aber mit einem Seitenblick derart abschätzig, dass ihm sofort klar war, dass dieser Genin an seinen Fähigkeiten zweifelte. Wahrscheinlich dachte er etwas in der Richtung wie ein Jounin nur auf so einen billigen Trick reinfallen konnte. Er saß abseits von seinen Kameraden und äußerte sich nicht zum Geschehen. Kapselte sich in voller Absicht ab. Das war also Sasuke Uchiha. Der Überlebende des Massakers. Und irgendwie hatte der Junge etwas Vertrautes. Er strahlte nach außen hin Selbstsicherheit aus, doch was in seinem Inneren vorging, das konnte man nur erahnen. Und diese Augen...
 

Als die drei sich später auf sein Geheiß hin vorstellten, wurde Kakashis Interesse nur noch mehr entfacht. Naruto stellte sich als ehrgeiziger Chaot heraus, der von seinen Teamkollegen offensichtlich nicht ernst genommen wurde. Sakura hasste Naruto und war offensichtlich in Sasuke verliebt, was dieser mit keiner Reaktion quittierte. Er starrte nur finster vor sich hin. Und sein Ziel war es, einen bestimmten Mann zu töten. Das hatte Kakashi sich gedacht. Dieser Junge lebte in der Vergangenheit. Er hatte sich bislang vollständig isoliert und strahlte eine ungesunde Aura der Ernsthaftigkeit aus. Nein, er lebte nicht nur in der Vergangenheit, das war es, was ihn von Kakashi unterschied. Er lebte auch FÜR sie. In diesem Moment hatte Kakashi sich entschieden, diesem Jungen zu helfen. Offensichtlich hatte er niemanden, an den er sich wenden konnte und vom Hokage hatte er bereits zu seinem Schrecken erfahren, dass der kleine Uchiha darauf bestanden hatte, weiterhin im Viertel seines Clans zu wohnen. Umgeben von nichts als Stille und den Geistern der Vergangenheit. Das konnte nicht gutgehen. Ebenso wie Kakashi damals jemanden gehabt hatte, der ihm eine wichtige Einsicht vermittelt hatte, so brauchte nun auch Sasuke jemanden. Möglicherweise würde er die Vergangenheit als steten Begleiter haben, doch leben musste er für die Zukunft.
 

Eine Zukunft mit Menschen, die ihn aus seinem Loch reißen konnte, hatte er aber nur, wenn er sich erfolgreich in ein Team eingliedern konnte und da hatte Kakashi seine Zweifel. Bei ihm würde er wohl besonders harte Bandagen anlegen müssen. Und so verwies er seine drei zukünftigen Schüler auf den Glöckchentest, der am nächsten Morgen anstand. Dort würde sich herausstellen, was Kakashi erreichen konnte. Also machte er ihnen zuerst einmal richtig Druck. Zum Abschied erzählte er ihnen, dass zwei Drittel durchfallen würden und dass der Test sehr hart sein würde. Und die drei reagierten wie erwartet. Sie waren fest entschlossen, diesen Test mit allen Mitteln zu bestehen. Naruto und Sakura zitterten am ganzen Körper. Der kleine Uzumaki stierte entschlossen auf den Rücken seines Senseis, er wollte ihm offensichtlich seine Fähigkeiten beweisen. Noch entschlossener blickte Sakura zu Sasuke, sie wollte sich nicht von ihm trennen lassen. Sasuke blickte nur weiter stur gerade aus, doch Kakashi wusste, dass er auch ihn erreicht hatte. Das Zittern seiner Hände hatte er nicht verbergen können.
 

Am nächsten Morgen hatte er sie absichtlich stundenlang warten lassen, also noch länger als üblich, um sie beobachten zu können. Alle drei standen zu Beginn regungslos da, doch nach einer Weile kauerte sich Naruto hin und döste und auch Sakura machte es sich bequemer. Ab und zu wechselten die beiden ein paar genervte Worte. Nur Sasuke rührte sich nicht, sagte nichts. Er blieb stehen und beobachtete weiter die Umgebung. Das änderte auch Kakashis plötzliche Präsenz nicht, die von den beiden anderen wütend kommentiert wurde.
 

Die anfängliche Empörung über sein Zuspätkommen war schnell vergessen, als er ihnen erklärte, wie der Glöckchentest funktionierte. Einer würde auf jeden Fall die Mission nicht erfüllen können, ein Glöckchen von ihm zu bekommen, da es nur zwei waren und die anderen beiden waren nicht sicher. Diese Situation allein würde sie schon gegeneinander ausspielen. Zusätzlich provozierte er Naruto, der sich bereits in den ersten Minuten als Hitzkopf herausgestellt hatte, und stellte dann unter Beweis, dass er nicht umsonst ein Jounin war. Nun hatte er auch Sasukes Aufmerksamkeit, der vorher nicht allzu besorgt gewirkt hatte. Offensichtlich hatte er seinen Sensei vorher nicht ernst genommen und seine beiden Teamkollegen wohl immer noch nicht. Das würde interessant werden.
 

Nachdem er den Test gestartet hatte, waren zwei seiner drei Schüler gut versteckt. Der dritte war zu eifrig darin, sein Können unter Beweis stellen zu wollen. In seinem kurzen Kampf mit ihm schaffte es Naruto, ihn durch seinen Ideenreichtum und seine Entschlossenheit zu beeindrucken. Allerdings war er zu laut und fiel auch auf eine offensichtliche Falle herein. Dennoch hatte Kakashi das Gefühl, dass sich die Arbeit mit dem kleinen Chaoten lohnen würde, daher zeigte er ihm seine Fehler auf und ließ dabei scheinbar eine Lücke in seiner Verteidigung, die Sasuke für einen Shurikenangriff aus seiner Deckung heraus ausnutzte. In ihrem Kampf fiel ihm sofort Sasukes außergewöhnliches Talent auf, aber auch zwei große Schwächen. Er hielt sich offensichtlich für etwas Besseres als seine Teamkameraden und war von der Stärke seiner Uchiha-Katon-Technik so überzeugt, dass er danach ohne Deckung stehen blieb. Sakura hatte währenddessen den Kampf gemieden, Narutos Situation ignoriert und war nur Sasuke zu Hilfe geeilt, wobei sie sich in ihrer Vernarrtheit von einem offensichtlichen Gen-Jutsu täuschen ließ.
 

Kakashi war, wie er es erwartet hatte, wütend. Diese Genin waren wie alle anderen. Was ihn überraschte, war die leichte Enttäuschung darüber, dass diese drei es nicht in sein Team schaffen würden. Sie hatten einfach keinen Sinn für Teamwork. Wie alle anderen vor ihnen auch, wollten sie nur die Mission erfolgreich bestehen, ganz egal, was mit ihren Kameraden passierte.
 

Sasuke war am schlimmsten, daher war Kakashi ihm gegenüber am härtesten. Er provozierte ihn mit den bewussten Worten, dass sie alle nicht das Zeug zum Ninja hätten und als Sasuke dann erwartungsgemäß auf ihn losging, brachte er ihn in eine erniedrigende Position unter sich, mit dem Fuß auf dem Kopf des Uchihasprösslings und hielt ihnen ihre Fehler vor Augen. Und dass nicht die Mission das Wichtigste ist, sondern die Teamkameraden. Anschließend sagte er ihnen, dass sie noch eine Chance hätten, den Test zu bestehen. Nach dem Mittagessen würde es allerdings noch härter zugehen. Anschließend verbot er ihnen noch, Naruto etwas zu essen zu geben, da er gegen die Regeln verstoßen hatte. Kakashi betonte nochmals, dass er hier die Regeln machte und dass der, der Naruto etwas zu essen gab, sofort durchfallen würde. Dann verschwand er und wunderte sich, dass er gegen seine Prinzipien verstoßen und diese Genin darauf hingewiesen hatte, worauf es eigentlich ankam.
 

Um zu prüfen, ob seine Worte Wirkung zeigen würden, hatte er die drei absichtlich ohne Frühstück antreten lassen. Und er wartete und hoffte auf eine positive Reaktion. Und die kam zu seiner Überraschung nicht zuerst von Sakura. Sasuke war es, der Naruto sein Essen anbot, obwohl es sein Scheitern bedeutete, wenn er erwischt werden würde. Dieser Moment hatte Kakashi Hoffnung gegeben. Er hatte Erfolg darin gehabt, Sasuke zum Umdenken gebracht. Er sah sein Team zwar vorerst noch als Mittel zum Zweck, da er Naruto auch nur etwas zu essen gab, damit dieser sie nicht behinderte, aber er dachte im Team, denn er beschwor die beiden, nach dem Essen mit ihm zusammen zu kämpfen.
 


 

Das war der Beginn von Sasukes Wandel gewesen und mit der Zeit hatte er etwas weniger getan, um seine Fürsorge zu verbergen. Vor der Chuuninprüfung, das hatte Sakura Kakashi einmal stolz erzählt, hatte er sie, um ihr ihr Selbstvertrauen wiederzugeben, ein Genjutsu analysieren lassen, auf das alle anderen Mitanwärter hereingefallen waren. Sasuke selbst hatte es auch durchschaut, aber er hatte betont, dass Sakura es als erstes bemerkt hätte und sie darin die Beste sei.
 

Sasuke hatte, was Kakashi später von Naruto berichtet bekommen hatte, im Kampf gegen Gaara vorgehabt, sich zu opfern, um Naruto und Sakura Zeit zum Fliehen zu geben, obwohl er selbst kaum noch stehen konnte. Naruto hatte sogar Sasukes genauen Wortlaut hergebetet: "Naruto, nimm Sakura und flieh. Du kannst es schaffen. Ich kann euch ein bisschen Zeit verschaffen. Wenn es hier endet, dann bedeutet das, dass ich nur dazu im Stande war, bis hierher zu kommen. Ich hab schon einmal alles verloren...Ich will nie wieder jemanden, der mir wichtig ist, vor meinen Augen sterben sehen." Kakashi konnte heute noch genau Narutos glänzende Augen sehen, als er diese Sätze wiedergegeben hatte.
 

Und dann war da noch der offensichtliche Schock gewesen, als Kakashi Sasuke erzählt hatte, dass niemand mehr lebte, der ihm am Herzen lag. Nein, egal, welche Gleichgültigkeit er auszustrahlen versuchte, Sasuke sorgte sich um seine Teamkameraden, sie waren ihm wichtig. Vielleicht wollte er sich das nicht eingestehen, aber seine Taten leugnen konnte er nicht.
 

Sakura und Naruto hinterfragten Sasukes Handlungen unglücklicherweise nicht in diesem Maße. Sakura war damals zu sehr von Sasuke überzeugt gewesen und selbst heute fiel es ihr gelegentlich schwer, diesem Muster zu entkommen. Wies Sasuke sie ab, nahm sie das hin. Ihre Reaktion war in sich gekehrte Traurigkeit. Weil sie wollte, dass Sasuke sie akzeptierte und auf eine positive Art wahrnahm. Auch Naruto reagierte auf solche Zurückweisungen zuerst mit Traurigkeit, doch diese wandelte sich schnell in Trotz und Empörung um, weil er Sasuke nicht im Recht sah, ihn so behandeln zu können. Weil er Wert darauf legte, dass Sasuke ihm zeigte, dass er ihn als gleichwertig betrachtete.
 

So auch jetzt. Narutos traurige Miene verhärtete sich immer mehr und während Sasuke sich in seinen Gedanken verlor, steigerte sich in Naruto immer mehr die Wut, bis sich sein Mund öffnete, um endlich einer erboste Erwiderung Raum zu geben. Doch dazu kam er nicht, denn plötzlich ruckte Sasukes Kopf nach oben. Wieder konnte nur Kakashi sehen, wie sich Sasukes Augen weiteten. So blieb es für Sakura und Naruto zunächst gänzlich unverständlich, warum Sasuke plötzlich aus der Küche stürmte und sie blieben einen Augenblick zurück, bis sie den beiden anderen hinterher eilten.
 

Sasuke nahm absolut nicht wahr, dass Kakashi ihm sofort gefolgt war, denn nur ein Gedanke beherrschte im Moment sein Bewusstsein. Das Wichtigste für ihn war es jetzt, schnellstmöglich den Garten zu erreichen. Er hoffte, dass er sich irrte, denn was er da gerade gespürt hatte, durfte nicht sein...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Saika_a
2013-02-15T16:38:17+00:00 15.02.2013 17:38
Hey, da bist du ja wieder^^
erst dachte ich, so viel passiert in diesem Kapitel ja eigentlich nicht, aber wie immer soll man den Tag nicht vor dem Abend loben! Was spürt er? einen Falken? Die Frau, die er von Oroshimaru kennt(mit anderen Worten die Tussi, die ihn verraten hat)? schon witzig, wie man so beeinflusst wird, ohne das sie jemals in erscheinung getreten wäre;)
Kakashis Rückblick da mit reinzusetzen finde ich übrigens sehr interessant. Was er an dem komisschen Schwamm so alles ablesen kann...a_A
Von:  fahnm
2013-02-14T21:04:15+00:00 14.02.2013 22:04
Super Kapi^^


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